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7
BEITRÄGE
ßESl If Ic INI Uli; DEUTSCHEN SPRACHE
UND LITERATUR
II MM \vi RKUNG von
i:i Rl \nn r vi I UND BDI \KI> BISTBB8
IIKKA I
WM. Hl IM BRAUNE.
XXXV. HAM>.
HALLE a. S.
MAX NIEMEYER /
:; n *iR- STEINSTRASSE
1909
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pel. \\>n \ ThOmmel 1
I karten, hihall
be lehnworte u Von Fr. Kluge . , . 1'24
Zur d C. Uhlenbeck 161
Zur diminutivbi F. Veil 1S1
Zu \\ ■'oh A. Wal Inei 191
Waltl
Inj . . 208
Religii frühchristen-
IIKi 1
I. 1 1. 111 las
[II Das himmlische heim-
b 1.2X8 \\ . motive ii lich-
tnng - _ beu Btammung
eimat der altnordischen liedei von den Weisungen und den
Nibelungen. II \ f) 240
1. i ii Eddaliedern and der
dichtung - 240 _ Gunii 3. Mundo and
4. Wolfdietrich-Theoderii b. 267. —
SJQrdls und AJfr & 270
As. C a W. Braune 272
« .riTi.in.iTi--.il'- Von W. van Holten 27.'!
I.XXII. ; gen. pL a.273 I. XXIII. Zum
rken praeteritum ind. plur. (dual.) und opt. nach 4.
5 ,. I, XXIV. Zu den sogen, verba pura
I.XXV. Zu den wrben gOn, stän und don s.285.
IAXYI. Zum rerbum robstantaynm tu 291. — LXXVIL
Zum verl.um wollen I 297. LXXVI1I. Zu -st(-) und -ft
von gut. -onmate, ahd. brvnsl etc.. ahd. eumft etc. und
Vrl W.lli'.
Zur etymologie von braut. Von W. vanHelten 306
Gab »'s einen gotischen nominatirna absolutns? Von W. van
Holten 310
Zur erklarung des ersten Merseburger Zauberspruches. Von
K. Helm . 312
Zum Muspilli. Von K. Helm 319
Wolframs grab und die heimatfrage. Von K.Helm 323
INHALT.
Seite
Neues zur Überlieferung des evangeliuins Nicodemi von Hesler.
Vou K.Helm ' ' ' * '
Meister Alexanders parabel vom guten hirten. Von 0. Schissel ^
v. Fieschenberg ; •
Zum conj. praet. im schwäbischen. Von Fr. Veit j«»
Reinbot von Dürne. Von Fr. Wilhelm . . . • • • • • *ü
Zur etymologie des ahd. as. harmscara. Von A. Lmdqvist . . oöo
Noch einmal der köter. Von S. Feist
Das DWb. und die Zips. Von E. Kövi ^
Mhd. Poytwin. Von A. Gebhardt
Zur' HedLpoesie in Fischar'ts Gargantua. Von Ch. A. Williams 395
Die heimat der altnordischen lieder von den Weisungen und den
Nibelungen. III. Von Sophus Bugge (f) . . . • • • **>
6 Sigurd, Isung und Belisar s. 465. - 7. Krimhüt - Gnm-
hild s 485. — 8. Sinfjotle und Herkules s. 490
Die aufgaben der nhd. wortstellungslehre. Von E. Blttmel (mhalt
s 554.)
Der gott Fos'(e)te und sein land. Von Th. Siebs . . . . • • 535
Kleine beitrage zu den quellen des Annoliedes. Von Ph.Kohl-
mann ; rfiö
Zur deutschen etymologie. V. Von Fr. Kluge ..... obb
Zur abfassungszeit von Boners edelstein. Von A. Leitzmann . o74
Literatur ,.„0
Berichtigungen und nachtrage
DER GERMANISCHE TEMPEL.
Literatur.
.'. Grimm, Den! Keyer. Berlin 1875 78,
1 111
E II
P uils Grundriss1
ur.1 Strass-
• n and Nordgermanen
im :». und 10. jahrhund«
W. Golther, Handbaob en mythologie. Leipzig li
hte.
S M lllenhofl • rtamskaii rlin 1900.
k bin- uüenzka fornleifal kjavik 18$ jistur
1. K.-vkjavik I I
Kr. K.iluii'l, Bidrag til en hiitoriak . Beskrivelse af Island.
2 bde. Kjabenharn 18T! !.)•
I1. Braun, l ortidsminder og Nntidshjem paa bland (Nordboernes Kulturliv
i Fortid og Nuti enham 18
V*. GuOmnndsson, Priratboligen \ .i bland i Bagatiden samt delvis i det
errige Norden. Kebenhavn 1889 (GuÖm.). Den islandske Bolig i
Fristatstiden. Tillseg zu C I Traek af Livel paa Island i
Fristats-Tiden. Kjebenhavn 1894, -. 251 ff. (Trsek).
bumann, blande si< delongagebiete während der Landnämatiö. Leipzig
1900.
K Maurer, Wund von rten entdeckang bis zum Untergänge des
Ereistaats. München 1874 (IsL) - Die bekebrung des norwegischen
Stammes zum christentume. 2 bde. Hünchen 1*55— 56 (Bek.). — Die
entstehung dea isländischen Staate und seiner Verfassung (Beiträge zur
rechtsgeschichte des germanischen nordens, 1. heft). München 1852
(Beitr.i.
EL Keyser, Nordmsendenee K-ligionsforfatningiHedendommen. Saml.Afb.III.
II. I'etersen, Om Nordboernes Gudedyrkelse og Gudetro i Hedenold.
Kjebenhavn 1876.
N. N icolaysen, Om Hov og Stavkirker, Norsk Historisk Tidsskrift 2. R. VI.
Kristiania 1888. s. 265 ff. 402 ff. (Hist. Tidsskr.).
Beiträge zur geschiente der deutschen spräche. XXXV. j[
2 THÜMMEL
P. A. Munch, Nordmsendenes feldste Gude-og Heltesagn.2
K. Rygh, Minder om Guderne og deres Dyrkelse i norske Stedsnavne (An-
hang zu P.A.Munck). ■ — Norske Gaardnavne, Forord og Indledning, bd.I
—IV. VIII. XIV— XVI.
S. Müller, Nordische altertumskunde, übers, von Jiriczek, 2 bde. Strassburg
1897-98.
Wichtigste abkürzungen.
No. deutet auf die betreffende nummer in der tabelle über isländische tempel-
stätten (s. 6 ff.) und auf der nach dieser angefertigten karte 1.
Eb. = Eyrbyggjasaga, ed. Gering, Sagabibl.VI. Halle 1897.
Laxd.s. = Laxdaelasaga, ed. Kalund, Sagabibl. IV. Halle 1896.
Eg.s. = Egilssaga, ed. E. Jönsson, Sagabibl. III. Halle 1894.
Ldn. = Landnäinabök, ed. F. Jönsson. Kobenhavn 1900.
Landn. I — V = Landnäraabok, Isl. S. I 21 ff.
NgL. = Norges gamle Love.
Safn = Safn til sögu Islands.
Hkr. = Heimskringla, ed. Finnur Jönsson. Kh. 1900.
In der entwicklungsgeschichte des germanischen tempel-
lieiligtums existiert — abgesehen höchstens von seinem jüngsten,
nordgermanischen zweig — kaum eine stufe, die ihrem bau-
lichen Charakter nach und zugleich chronologisch mit Sicher-
heit feststeht. Begründet ist dies wol dadurch, dass sich bei
betrachtung der einzelnen stufen, sowie bei dem versuch, ihre
dauer chronologisch annähernd festzulegen, eine reihe wichtiger
fragen aufdrängen, deren lösung man offenbar nur durch eine
möglichst eingehende betrachtung der gesammten entwicklung
näher zu kommen hoffen darf. Das bild über die ersten an-
fange des heiligtums ist in gewissen punkten bisher über Ver-
mutungen nicht hinausgekommen, noch immer liegt auch vor
allem die frage offen, ob man den beginn der entwicklung
des tempelhauses schon in taciteischer zeit ansetzen darf,
noch immer nicht endgültig gelöst ist ferner das problem des
'horgr' — eine frage, von deren beantwortung manche auf-
schlüsse über wesen und form des nordgermanischen tempel-
cultes als auch älterer entwicklungsstufen zu erwarten sind.
— Selbst die kenntnis des nordgermanischen tempels weist
noch manche empfindliche lücke auf, obgleich uns das bild
dieses jüngsten zweiges aus den schriftlichen quellen noch
weitaus am klarsten entgegentritt. Die nachrichten der sagas
sind weder qualitativ noch quantitativ ausreichend, um ein in
den hauptzügen gesichertes bild zu gewähren. Auf der einen
DÖ tE IKMl'KL.
die interpretatorische Vereinigung der wenigen aus-
führlicheren berichte in mancher beziehnng problematisch, auf
der andern seite sind die nachrichten bei aller reichhaltigkeit
doch nicht vielseitig um alle blichen punkte zu
erhellen. - • ihren wir nichts oder doch nur dürftige einzel-
u aber territori e, baumaterial und construction,
äussere form und bauliche an
Die bist ung hat lediglich aus der mittelbaren
quell» lninliidi.il Überlieferung (direct auf literarischem
lurch die sprach höpft, die um so
dürftiger ist, je weiter wir in d< Eurflckschreiten In-
zwischen hat man j< . en, eine zweite, die onmittel-
bare quelle zu erschliessen i heiligtümern (auf Lsland
und einige in JOtland). Namentlich die modernen ausgrabungen
und topographischen Untersuchungen auf Island sind von gr<
bedeutung, in erster Linie natürlich für die kenntnis des islän-
dischen (nordgermanischen) tempels. In grösserem rahmen
verwertet ist jedoch diese neue quelle bisher Dicht Kein ein-
heitlich zusammenfass esultat aber die ruinenforschung,
Bondem nur zahlreiche einzelberichte liegen vor, aus deren
systematischer Verwertung erst ein gesammtbild auf grund
dieser quelle fliessen kann.
Die vorliegende arbeit stellt Brauch dar. der Lösung
der ''luii berührten probleme Boweit als möglich näher zu
rücken durch ein.- gesammtbetrachtung der entwicklung und
durch heranziehen auch der zweiten, bisher unbenutzten, un-
mittelbaren quelle.
Die natürliche richtschnur war der weg, die entwicklung
vini ihrem endpunkte aus zeitlich rückwärts zu verfolgen —
der isländisch-nordgermanische tempel ist die form des heilig-
tums. die wir mit hülfe der beiden quellenarten qualitativ wie
quantitativ weitaus am besten zu erschliessen vermögen, und
somit die gegebene sichere grundlage, auf der wir beim rück-
schreiten fussen können.
Als nächstliegende aufgäbe ergab sich die construction
eines möglichst vollständigen und genauen bildes vom islän-
dischen tempel auf grund des heute verfügbaren materials.
Diese construction geschah zunächst unter (möglichst) getrennter
benutzung der beiden quellenarten und vereinigte erst dann
l*
4 THÜMMEL
die ergebnisse beider zum gesammtbild. Bei der relativ grossen
reichhaltigkeit der ruinenfunde wie der nachrichten in den
sagas gab es sich von selbst, dass dieser teil der arbeit den
weitaus grössten räum einnahm.
In den weiteren etappen beim rückschreiten in die älteren
entwicklungsstufen — auf dem wege, wie ihn die Inhaltsüber-
sicht am Schlüsse veranschaulicht — erlangte dann besondere
bedeutung die Untersuchung über den Charakter der 'horgar'.
Die beschränkung, die wir uns dann bei betrachtung der
ältesten formen auferlegten, ist in erster linie auf natürliche
weise bedingt durch die unvollständigkeit der verfügbaren
quellen.
Am Schlüsse endlich ist der versuch gemacht, eine kurze
skizze der entwicklung zu zeichnen, wie sie auf dem zeitlich
umgekehrten wege gewonnen wurde.
1. Der isländische teuipeJbau.
I. Im liebte der ausgrabungeu und topographischen
Untersuchungen.
1) Ueberblick über die vorgenommenen Unter-
suchungen.
Sieht man ab von jenen statten, die lediglich den namen
Hof (als simplex oder compositionsbestandteil) oder eine allzu
farblose Überlieferung aufweisen, so kommen nach den bisherigen
feststellungen rund 70 orte als tempelstätten auf Island in
betracht. — Das hauptmaterial bieten zahlreiche einzelberichte
in den Jahrbüchern der isländischen altertumsgesellschaft, in
deren auftrag 1880 — 1906 annähernd 50 vermutliche tempel-
stätten ') untersucht worden sind. Die hervorragendsten ergeb-
nisse verdanken wir Siguröur Vigfüsson, der 26 von diesen
'hoftöptir', die besonders dazu geeigneten durch mehr oder
weniger vollständige ausgrabungen erforscht hat; seine berichte
liegen vor in den Ärb. 1880—93. Fortgesetzt wurde diese
x) Die gewöhnlichste Bezeichnung für tempelruinen oder -statten ist
hoftöpt (jünger -töft, -tött), daneben erscheinen (mitunter 2 gleichzeitig) die
namen hof (no. 4. 11. 58. 69 der folgenden tabelle), godahof (4. 12), goÖa-
töpt (41. 50), godatött (19), godaicettr (32), blöthof (52), blöttöft (6), goda-
Ugr (8. 24).
DBB GEBMANISCHE TEMPEL. 5
arbeit von Brynjülfur Jönsson, der 17 dieser statten untersucht
hat und in den Ärb. 1 -'.»1— 190G davon berichtet; seine ergeb-
nisse, die gegenüber denen \ ns in der hauptsache nur
uzender natur sind, erscheinen weniger einwandsfrei, in
erster lüde wo! deshalb, weil er nur ganz unbedeutende gra-
bungen angestellt hat Eine Untersuchung endlich hat .Tön
Jönsson vorgenommen (Ärb. L896).
Ein empfindlicher mangel I allen diesen Unter-
suchungen ist, dass sie nicht systematisch genug sind. Kaum
ein einziger bericht enthält alles positiv oder negativ wissens-
werte, die weitaus meisten sind, durchaus lückenhaft und
dürftig, wodurch ihre Verwertung nicht wenig erschwert wird.
Mancher punkt, der aufgrund des vorliegenden materials noch
nicht genügend klar hervortritt oder gar unsicher bleibt, würde
gewiss sonst deutlicher in die erscheinung treten.
Eine treffliche erganzung zu diesen berichten bilden in
vieler beziehung die zahlreichen beitrage, die Kälund in seinen
'Bidrag1 zur tempelforschung liefert Ausgrabungen hat er
zwar nirgends unternommen, doch erwähnt er etwa 50 angeb-
liche tempelstätten, von denen er 36 näher beschreibt und die
daran geknüpften Überlieferungen gibt Von diesen 36 decken
sich 21 mit den in den Ärb. geschilderten tempelstätten. —
Daniel Brunn endlich hat 5 angebliche tempelstätten unter-
sucht: eine davon hat er ausgegraben, die übrigen 4 Unter-
suchungen bilden eine bestätigung oder erganzung der in den
Ärb. niedergelegten ergebnisse.
Nicht alle von diesen 'hoftoptir' können den gleichen an-
spruch auf Wahrscheinlichkeit der echtheit machen. Der name
Hof{-) an sich bietet kein sicheres Kriterium (s. 18 f.), und
selbst bei echtheit der tempelstätte an sich kann wegen der oft
grossen anzahl nebeneinander gelegener ruinen mitunter der
fall vorliegen, dass die Überlieferung sich an eine falsche ruine
geknüpft hat oder auch vereinzelt auf ein bauwerk über-
gegangen ist, das nach verfall des tempels auf dessen platz
errichtet wurde. Die grenzen zwischen echtheit und unecht-
heit sind infolge der reichhaltigkeit der gleichzeitig aufstossen-
den probleme in vielen fällen schwer oder gar nicht zu ziehen.
Bei der im folgenden aufgestellten tabelle, die zu einem teil
resultate späterer Untersuchungen vorwegnimmt, bin ich von
ü THUMMEL
dem liauptgrundsatz ausgegangen, mich lieber von zu grosser
als zu geringer Skepsis leiten zu lassen.
Tempelruinen und tempelstätten auf Island.1)
I. Tempelruinen (bezeichnet nach den betreffenden gehöften).
1) Echt.
a) Durch ganz- oder teilgrabungen (im fussboden) erwiesen:
1. *pyrill (Bgf.): Harö.s., Isl.S. II 109, blöthüs des porsteinn Gullknappi.
a) '80/81 71—76. b) I 288 (s. karte 2).
2. *Ljärskögar (D.): a) '80,81 79; *'82, 5— 8. 10. 11. 15. 16. 29. 45. 77
—78. b) (1473). S. Vigf. '82,10: zweifellos haupttempel im Godord
des porör Gellir, dritter haupttempel im porsnessping (s. karte 2).
3. *Rütsstaöir (D.): Laxd.s. 49 [Ldn.]. privattempel. a) '82,4. 8. 10. 13.
15. 89—90. b) I 466 (s. karte 2).
4. Seljaland undir Eyjafjöllum (R.): a) '92,36—37. b) 1268—69.
5. *Lundr (Bgf.): [zuerst um 946 in der Harö.s; Ldn.]. a) '85,97—102.
b) I 311.
6. fHöföi i Dyrafiröi (isf.): a) '92,130— 32. b) I 577. c) 175— 76.
b) Nicht näher untersucht, doch deutlich mit allen anzeichen
der echtheit:
7. *Bersatunga i Saurbse (D.): wahrscheinlich der privattempel des
HolmgQiigu-Bersi [Laxd. 79J. a) '82,67; *'97, 15— 16. b) 1502.
8. Hof a Rangar voll um (R): gehöft des Ketill hsengr [Ldn. 106, 7, Eg.s.
72]. a) '92, 52. b) (I 221).
9. Hofteigr (N.M.): Ldn. 204,14, haupttempel. a) '93' 50— 51. b) II 214.
Safn II 437. 469. 495.
10. Aöalböl (N.M.): goöahüs Hrafnkells, Hrafnk.s. (1847) s. 4. 23, haupt-
tempel. a) '93, 38. b) II 219.
11. Hof i Vapnafiröi (N.M.) [Ldn. 203,7. 21]. a) '93,55—57. b) II 196.
Safn II 435. 468.
12. *fÜthliÖ (A.): wahrscheinlich haupttempel des Goden Geirr (Nj.)
(s. unten 1, 2. B) f.). a) '94, 6—7. b) 1 167—68. c) 176 ff.
c) Abweichende anläge.
13. *Saebol (Isf.): indirecte nachricht in der Gisla s. Sürss. [Eb. XH 3],
haupttempel. a) * '83, 17—20; '84/85,22—23; '92,133—34. b) (1571).
(s. karte 2).
*) a) = Arb. ('80— '93 S. Vigfüsson, '94— '06 Br. Jönsson).
b) = Käl. c) = Bruun
* : s. riss in der Arb.
f : s. riss bei Bruun
[] : an der saga-stelle ist nur das gehöft, nicht der tempel selbst
erwähnt.
Im übrigen vgl. die beiden kartenbeilagen.
DER GERMANI8CHE TEMPEL. 7
14. Hofstaöir i porskafiröi (Bat.); Gullp -. (ed. Maurer) 8. (2, [Ldn.].
a) 99,17. I») 1520. Safn 11 583.
'_') Nicht endgültig als echt erwiesen:
a) Nicht genau untersucht ;
15. *BrusastaÖir (1.): a) '80/81,21; '82,44; '"95,21. b) (1 90).
IG. Gaulverjabser (A.): gehöft des Loptr aus Gaular in Norwi
Ldn. 223,20ff., F16am.s. (1898) 8 f. a) '82,54. b) I
17. fFossnes (Ä.): a) '94,10—11. c) 17(1.
is. Oaustrhölar (1.): a) -05,3!). b) 1 186.
19. Hof i DyrafirÖi (isf.): a) '83,37.
20. Hofstaöir i BlönduhliÖ (8kg.): Ldn. 189, 19 ff. : 'Kollsveinn... bio ä
Kollsveinsstauoum ... hann haföi blol ä HofstauÖum.' a) '92,
b) II 76.
b) Unzureichende (oder undeutliche) reste:
21. Sandl.nekr (Ä.): a) '94, 10. b) (I Ist,.
22. Plateyri (landzunge) (isf.): a) '80/81,114—15; '83,3-5.
23. Hof i Vatnsdal (Hv.): haupttempel [Ldu.J: Vatzd. 8. XV. a) (82, 39 ;
«92, 122; '95, 4. b) II 37.
21. Bof i Ejaltadal (Skg): [Ldn.], vielleicht haupttempel (vgl. G. Vig-
fusson im Safn I 249). a) '92, 107—8. b) II 81.
25. Hrafnabjörg (N.M.): a) '93, 51— .VI
3) Unecht erscheinen1):
[26. *Hrafnabjürg (Ä.): a) '05,45 (Er. Jönsson: = heiniahof) J.
[27. *Fjall & SkeiÖum (Ä.): a) '94,9—11)].
[28. *MelkorkustaÖir (M.): a) '96, 17].
[29. Äsl.jarnarstaöir (M.): [Ldn.J. a) '97,16].
[30. *fEofstaöii i M\ vatussveit (Sp.): a) '01,12-13. b)II167. c)174£.].
Offen gelassen werden muss einstweilen die trage über die echtheil
folgender beiden ruinen :
31. fLjösavatn (Sp.): [Ldn.] gehöft des porgeirrgoöi: b)H 17:'. e)171 74.
32. *Freysnes (S.M.): a)'96,24 27 (Jon Jonsson). b) | II 238); Safn H460.
Vielleicht Budenruine?
II. Tempelstätten (nicht untersucht, bes. ohne deutliche ruinen).
1) Durch sagas bezeugt:
(i.) ilin ■ i
33. Hol .i Kjalarnesi (Kj.): haupttempel, [Ldn.]; Kjaln.s., tal.8. 11 K)!
a) '81,65 70. 80 83; '82,6 a 1". LI. 29. I b) I 55
') Das urteil besieht sich nur auf 'li<' tempelruine in der \
form, nicht auf die echtheit der tempelst
mente gegen <li'- echtheit der ruinen i. unten r, 2. B)f.
3. unten u. L>
8 THUMMEL
34. Olfusvatn (A.): haupttempel des Goclen Grimkell, der porgerör Ho-rga-
brüör geweiht. HarÖ.s., Isl.S. 1159; [Ldn.]. a) '81,19; '99,2. 3. b) I
89—90.
35. Mosf eil (Ä.): Ldn. 228, 21 ff. b) 1 185-86.
36. HofstaÖir i Hälsasveit (Bgf.): haupttempel, Ldn. 141, 35; Eg. s.
a) '85, 123; '93, 79. b) I 321.
37. Hofstaöir a pörsnesi (Snf.): haupttempel, Eb.IV; Ldn. 153, 3.1) a) '81,
80. 83; '82,10. 16-18. 96. b) 1435-40; Safn II 286.
38. (Odds-)Äss (Hv.): privattempel gegenüber Hof (no. 23), Vatzd.s. XXVI:
blöthüs des Hrolleifr, [Ldn.]. a) 92,121; '95,4—5 (dazu Zeichnung I).
39. Knappst aö i r (Skg.): [Ldn.] Öl.s. Tr. Fiat, I (vgl. Maurer, Bek. 1 231 ff).
b) II 89.
40. (Efri) pverä i Eyjafiröi (Ef.): der tempel (des Ingjaldr für Freyr)
stand auf dem andern (südl.) ufer, in dem späteren Hripkelsstaöir. Ldn.
197, 13; Viga Gl. s. (1897) s. 14. a) '82, 34. b) II 120-21.
41. Hof i Svarfaöardal (Ef.): [Svarfd. s.: Ljotölfr goöi] haupttempel
(vgl. Safn I 259). b) II 99.
42. Gnüpufell (Ef.): Ldn. 197,4. b) II 117.
43. BersastaÖir (N.M.): privattempel, blöthüs oder goöahüs des Spak-
Bessi, auf dem andern ufer, [Ldn.] Dropl. *) a) '93, 36; '96, 24. b) II 225;
Safn II 460.
44. Hof i Älptafiröi (S.M.): Ldn. 209,23. b) II 260. 262.
45. Hofsfell (Au. Skf.): Ldn. 211, 29. b) II 272.
ß) Indirect:
46. GoÖaland (R.): hier der tempel von Svertingsstaöir? (Ldn. 218,26).
a) '92,73; '94,23. b) 1258.
47. Hofgaröar (Snf.): [Ldn., Eb. XYI 7: Helgi Hofgaröagoöi] sicher haupt-
tempel. b) 1411.
48. Hallsteinsnes (Bst): hier Hallsteinn, opfert Thor, Ldn. 165,24,
a) '99, 7. b) I 530.
49. Melr (Melstaör) (Hv.): Oddr errichtet hier das MelmannagoÖorÖ (Bdm. s.
(1901) s. 9, vgl. Nj. c. 97, s. 505). a) '95. 12—13. b) II 5.
50. Hof ä Skagaströnd (Hv.): [Ldn., pjööölfr goöi]. Sicher haupttempel.
b) II 56.
2) Durch die Überlieferung als solche bezeichnet:
51. Hraun i Ölfusi (A.): hier poroddr goöi? a) '95,27—28.
52. Hof (A.): sicher tempelstätte. b) 1 197.
53. Norötunga (M.): gehöft des Arngrimr goöi (Hsp>. s.) [Ldn.]. a) '85, 137.
b) I 359.
54. Hofstaöir i Miklaholtshrepp (Hnp.): a) '97,11. b) 1407.
55. Störi - Langidalr (Snf.): [Ldn., Eb. 1X9], hier die inhaber eines
Godords (Laxd. s. c. 67, 1). a) '97, 14.
56. Sauöafell (D.): b) I 461 f . 464.
57. HöskuldsstaÖir (D.): b) 1468.
>) S. unten II. 1).
DEE GERMANISCHE TEMPEL. 9
58. Bjarnarstaöir (Bat.): a) '99, L6 17.
teinsstaöir illv.i: b) II 6.
60. Kofi GoÖdölum (Skg.): [Ldn.]. b) 1169- 7".
61. Bofgeröi (Ef.): a) '06,22.
62. Bof i Börgardal (Ef.): b) II 103.
63. Störidalr (der Djnpidalr der Bagae) (Ef.): b) II 115.
64. Bof i Flateyjardal (SJ>.): in den sagas nichl erwähnt, doch bat
. \ sl >). nn das Grodord im Flat.-dalr (Finnb.s. ed. Gering s. 3). b) II 136.
65. Bofströnd (N.M.): b) II 210.
66. Borg (Au. Ski.): b) II 274.
67. Huf (An.Skf.): [I.an.]. b) II 288.
Es folgen noch <li'' 5 in den Axb. beschriebenen, z. t. eing
untersuchten ruinen, welche bei fler frage nach dem Charakter der alten
'horirar' in betracht kommen nnd daher in diesem speciellen Zusammen-
hang später betrachtet werden. Sie liegen bei folgenden gehöften:
68. Börgsholt (i..): a) '00,28-29.
69. Ftri-Fagradalr (D.): [Ldn. 163,33]. a) '82,44. b; 1494.
70. Hvammr (Bst): a) 'n:!. 7— 8.
7!. auf «lein berg Bringholt (Bst.;: a) '92,141—42.
72. *H8rgsdalr (8p.): a) t»l,7— 11 (Br. Jonsson); *'03, 1— 9 (Bj.Ölsen nnd
D. Bruun).
2) Das bild des tempels.
A) Die territoriale läge,
a) Auf der insel überhaupt Verfolgt man karto-
graphisch die läge der oben genannten cultstätten1), so er-
gibt sich ein bild, das sich völlig in den rahmen der siedelungs-
verhältnisse /.tu- landnämatiö fügt. Alle liegen sie innerhalb
der grenzen der damaligen siedelungsgebiete2), nnd auch ihre
Verteilung auf die einzelnen s^slur entspricht ziemlich genan
deren siedelungsdichte zur landnämatiö.3) Die reihenf olge der
>ysluf. geordnet nach der anzahl der in ihnen gefundenen cult-
stätten i.\. N.-M. I>. Ilv. Ef. Skg. Bst Bgf. tsf. Snf. R. S.-M.
8p. Au.-skf. M. K'j. Hihm zeigt, dass die B^slur, welche die
meisten dieser Btätten aufweisen, auch zur landnämatiö am
stärksten besiedelt waren, während die i sv>lur. in denen man
Doch keine 'hoftött' nachweisen konnte (Gbr. Str. N.-I». V*.-Sk.),
auch zur landnämatiö am schwächsten bes tn sind1);
>) Vgl. karte 1.
. gl. die karte bei Schümann.
'i Vgl. Schumann
10 THÜMMEL
sie weisen auch fast gar keine Ortsnamen mit Goö- oder Hof-
auf. — 31 (32) der heutigen gehöfte, bei denen diese statten
liegen, finden sich auch in der Ldn., z. t. unter erwähnung des
tempelbaues, namentlich aufgeführt.
Diese läge der tempelstätten und ihre Verteilung stimmt
ganz zu den geschichtlichen Voraussetzungen ihrer entstehung.
Tempelstätten werden wir (im allgemeinen) nur innerhalb oder
doch in nächster nähe der siedelungsgebiete zur landnämatift,
die im einzelnen durchaus nicht mit denen der gegenwart zu-
sammenfallen, vermuten dürfen; denn in den folgenden Jahr-
zehnten bis zum eindringen des Christentums werden nur noch
wenige tempel erbaut worden sein, zumal man ängstlich be-
strebt war, den heimatlichen göttercult sofort in der ererbten
weise wider einzurichten. *)
Während aber das damalige siedelungsbild insofern von
der sonstigen regel abweicht, als nicht der eigentliche küsten-
saum, sondern infolge der vegetations Verhältnisse die tief ebenen
und grossen flusstäler am dichtesten besiedelt sind2), liegt die
weitaus überwiegende anzahl unserer tempelstätten — und
gerade die sichersten — in unmittelbarer oder nächster nähe
der küste, nur wenige liegen etwas weiter im innern, in diesem
falle in der Umgebung der grossen flüsse. Diese tatsache hat
wol in erster linie ihren grund in der allgemeinen religiösen
sitte, den künftigen wohnort durch auswerfen der ondvegissülur
zu bestimmen, die in der Ldn. und auch sonst widerholt er-
wähnt wird und bei den einwanderern, namentlich der ersten
zeit, zweifellos eine hervorragende rolle spielte.3) Daniel Bruun
fand denn auch, als er 1897 topographische Untersuchungen in
den entvölkerten gegenden des inneren hochlandes vornahm4),
weil dort am ehesten aufschlüsse über alte Verhältnisse zu
erwarten sind, nur eine einzige statte, die die Überlieferung
als hoftött bezeichnete: im ödeliegenden Hofgarör bei Ishöll
im Bäröardal (Sp.). Diese vermeintliche hoftött ist sicher als
apokryph zu betrachten, da die siedelungen zur landnämatiö
in dieser gegend noch nicht zur hälfte soweit ins innere vor-
gedrungen sind, als diese statte von der küste entfernt liegt;
J) Vgl. Schweitzer, Island s. 30; Maurer, Beitr. 61.
2) Vgl. Schumann s. 48.
3) Maurer, Beitr. 45 ff. 4) Arb. '98 fylg.
DER GERMANISCHE TEMPEL.
11
ausserdem ist der name dieses gehörtes, der eventuell für einen
ehemaligen tempeldienst an dieser stelle sprechen würde, viel-
leicht gar nicht ursprünglich.')
b) In der umgebenden natur. Bei der foischung nach
der natürlichen beschaffenheit der heidnischen cultstätten im
allgemeinen wie der tempelstätten im besonderen sind für Is-
land zwei wege von besonderer bedeutung: I) eine Statistik
der Ortsnamen im allgemeinen, die auf heidnischen göttercult
deuten, II) die natürliche beschaffenheit der bisher bekannten
tempelstätten — zwei wege, die sich in gewissen punkten
naturgemäss decken.
I. Ortsnamen, die auf heidnischen cult deuten.2)
A) 53 composita mit GoÖ-:
^ 3)
andre orte
vgl. Ärb.
vgl. Käl.
x —
£:Ja
in (nächster; nähe
bez. bemerk.
1) 10 GoÖ(a)höll:
a) bei Hof (Kj.)
'81,67.68
155. II403
33
Blötkelda, '81,68.
II 403
b) Gaulverj abser (A.)
'82, 54
1182
16
Goöadalr (Goden-j
tal?) I 182 not. 1
c) Klaustrbölar (Ä.)
'05, 39
18
d) pyrill (Bgf.)
'81, 75
[288
1
e) Hofstaöir (M.)
1386
f) Bersatunga (D.)
'82, 67
I 502
7
ein heiliger acker,
'97, 15
g) Svefneyjar (D.)
'93,1
(pinghöU mit dom-
Bseti i
h) Flateyri (Isf.)
'81,114-5
'83, 3-5
22
i) Hof i Vd. (Hv.)
'92, 122
'95,4
II 37
23
k) Knappstaöir (Skg.)
II 89
39
') Vgl. K;il. TI 153, not. 2.
-i 1. Die geographische läge der einzelneu statten i>t angegeben durch
dir namen der gehöfte, bei denen Bie liegen. — 2. Bei den • durch Sperrdruck)
hervorgehobenen geholten bezeichnet der betr. Ortsname ungleich die Stätte,
wo der temptd steht (als rnine) oder gestanden bähen solL
8) Dir zahlen beziehen Bich auf die tahelle der tempelstätten •
sowie auf karte 1.
THUMMEL
vgl. Arb.
2) 6 Goöaborg (an der
ostküste) :
a) Bersastaöir (N.M.)
b) pingnmli (S. AI.)
c) im Breiödalr (S.M.)
d) Hof i Alpt. (S.M)
e) Hofsfell (Au. Skf.)
f) Borg (Au. Skf.) .
3) 1 Goöaborgarfjail:
im Fäskrüösfjörör (S.M.)
4) 1 Goöafjall:
bei Hof (Au. Skf.)
5) 1 Goöatindr:
bei Hof i Alpt. (S.M.)
G) 1 GoÖatindar:
bei Hof im Mjöfifj. (S.M.)
7) 1 Goöaklettr:
bei Hamar (A.)
8) 2 Goöasteinn:
a) Gipfel des Eyjaf jallajök.
(R.)
b) pingmüli (S.M.)
9) 1 Goöanes:
Hofteigr (N.M.)
10) 1 Goöaskarö:
in d. pingvallasveit (A.)
'05, 42
'93, 34
vgl. Kai.
II 225
II 243
II 254
II 263
II 272
II 274
II 254
II 288
II 262
II 248
jl, ^ andre orte
&H g : in (nächster) nähe
2 « bez. bemerk.
1258
verschied.
sagen
II 243
II 215
43
44
45
66
67
44
'81,42 1154
pinghöll, Goöatün,
-toptir, -steinn
Goöaborgarfjail,
Hoffell
GoÖatindr, Hofsä,
-dalr, -jökull,
-tunga, -holmar
(wiese!)
Hoff ellsfj all, -dalr
Borgarklettr
Hoffell, Goöaborg
(s. 2, c.)
Hofsfjall, -nes
s. 2,d
s. 2,b
Blotkelda, Goöa-
töptir (-taettur)
-vaö, Disastaöir
Goöaskogr (Goden-
wald?) Hofman-
naflöt
DER GERMANISCHE TEMPEL.
lü
vgl. Ärb.
vgl. Kai.
^ o, andre orte
g*ä 2 in (nächster) nähe
£ » bez. bemerk.
11) 3 Goöafoss:
a) Hof i Svarf. (Ef.)
b) (Munka) pverä l) (Ef.)
c) Ljosavatu (Sp.)1)
II 99
II 120
II 150
Brnun 171
41
40
31
Hofsä (darin der G.)
GoÖatopt, in der
nähe die dortige
dingstätte
dingstättedes alten
Vöölufdng
in der nähe die
dingstätte des al-
ten pingeyrarping
12) 1 Goöä:
Sellatrar (S. M.)
n251
13) 2 GoÖ(a)dalr (Goden-
tal?):
a) Gaulverjabser (Ä.)
b) Svänsholl (Str.)
'82, 54
1182
1628
16
s. 1, b
14) 1 Goödalir:
Hof (Skg.)
II 69 f.
60 Hofsä, -dalr, -jökull
15) 1 GoÖadasld:
Hof i Hj. (Skg.) (wo die
götter gewascben wor-
den sein sollen)
H81
24
Blötsteinn, Goöa-
läg, -laut
16) 1 Goöavaö:
Hofteigr (S.M.)
II 215
9 s. 9
17) 1 GoÖask6gr(Goden-
wald?):
in (1. pingvallasveit (Ä.) '81,42
1154
s. 10
18) 1 Goöaland;
swisi henKrossäu.Hvannä '92,38-40
(R.)
1 259
4f,
in der nähe:
1 | alte tempel-
Btfttte
19) 1 Goöalandsjöknll:
'92, 39
I 248
2) ßönmörk
;:, Boftorfa
') Vgl. Maurer, Genn. 10, 192,
.
5 ®
andre orte
vgl. Ärb.
vgl. Käl.
&13 6
in (nächster) nähe
bez. bemerk.
20) 2 Goöavöllr:
a) Sandlsekr (A.)
b) Hof (Ef.)
'94, 10
1184
II 103
21
62
Goöaläg darin
Hörgä, -ärdalr (auch
in sagas genannt)
21) 2 GoÖalägar1)"-
a) Haukadalr (A.)
b) Hof ä Rang. (R.)
'92, 52
1166
1221
8
daneben die bof-
tött, HofsvaÖ
22) 3 Goöaläg:
a) Fossnes (A.)
b) Sandlsekr (A.)
c) Hof i Hj. (Skg.)
'94, 10
'94, 10
II 81
17
21
24
) name der ruine
/ selbst
s. 15
23) 3 Goöatöptir (bez.
-tsettnr) :
a) Hofteigr (N.M.)
b) pingnmli (S.M.)
c) Ereysnes (S.M.)
'93, 34
'96, 24 ff.
II 215
II 215
9
32
s. 9
s. 2, b
name der hoftött
24) 2 Goöatopt:
a) Hof ä Sk. (Hv.)
b) Hof (Ef.)
II 56
II 99
50
41
Hofsä
s. 11, a
25) 1 GoÖatün:
pingmüli (S.M.)
'93, 34
II 243
s. 2, b
26) 1 Goöalaut:
Hof i Hj. (Skg.)
'92, 108
24
nähe der hoftött
27) 1 GoÖabvammr:
am Hallsteinsues (Bst.)
'99,7
48
28) 1 Goöasund:
Gnüpufell
II 118
42
') Ein name, der oft widerkehrt bei gehöften, von denen berichtet
wird, dass einst ein teinpel dort gestanden habe (Käl. 1 166).
DKR GERMANISCHE TEMPEL.
15
vgl. Arli.
Vgl. Kai.
andre orte
in (nächster) nähe
bez. bemerk.
B) 68 (70) Ortsnamen mit Hof-:
1) 22 Hof)
2) 11 Hofstaöir
3) 1 Hofgaröar
4) 1 Hofkot
Gehöfte, deren namen die tempelstätte an
sich bezeichnen (falls nicht vereinzelt die
andere bedeutung = garör vorliegt).
5) 2 (3) Hofhöll:
(a) Hofstaöir (Gb.) )
b) Hofstaöir i porsk.
(Bst.)
c) Ölfusvatn (Ä.)
127
1520
189
14
34
Hofhaugr (Halls
grabhügel '?)
6) 1 Hofhaugr
1520
s. 5, b
7) 1 Hofsfjall:
Hof (Au. Skf.)
Ü288
67
s. A, 4
8) 2 Hofsnes:
a) Hestapingshöll (R.)
b) Hof (Au. Skf.)
'92, 48
H288
67
s. A, 4
9) 2 Hofsjökull:
a) Gletscher im inneren
hochland , genannt
nach Hof (Skg.)
b) Hof i Älpt. (S. M.)
H69
II 262
60
44
s. A, 14
s. A, 2, d
10) 2 Hoffell:
a) Bergspitze im Fäskr.-Fj.
(S.M.)
b) Gehöft (Au. Skf.)
H254
H272
45
s. A, 2, c
3. .\. •_'. e
11) 1 Hofsmelar:
Hof i Vd. (Hv.)
'92, 121
28
') Bei den gehöften, die nicht in die obige taWllc (g. ti ff.) aufgenommen
sind, haben Bicb bisher weder tempelreste, noch irgendwelche näheren Über-
lieferungen nachweisen las» n.
16
THUMMEL
9, m
andre orte
in (nächster) nähe
hez. bemerk.
12) 1 Hofklettr:
HofstaÖiriHäls. (Bgf.)
13) 1 Hofklettar:
Fj all a Sk. (Ä.)
14) 1 Hofkinn:
BrüsastaÖir (Ä.)
15) 1 Hofsholt:
Hof (A.)
16) 1 Hofsheiöi:
Hof (A.)
17) 2 Hoftorfa (ahhang) :
a) Seljaland (R.)
b) GoÖaland (R.)
18) 1 Hofgil:
ftoroddsstaöir (Hv.)
19) 8 Hofsä (bez. der ent-
spr. -dalr):
a) Seljaland (R.)
b) Hof ä Skag. (Hv.)
c) Hof i Go8d. (Skg.)
d) Hof ä Hoföastr. (Skg.)
e) Hof i Svarf. (Ef.)
f) Hof i Väpn. (N.M.)
g) am LoÖmundarfjörÖr (N
h) Hof i Älpt. (S.M.)
20) 2 HofsvaÖ:
a) Hof (Ä.)
b) Hof ä Rang. (R.)
21) 1 Hofmannafiöt (Ä.) j '81,34.43
'85, 123
'93, 79
'94,9
'81, 21
'85, 40
'94, 11
s. zeichn. I
'92, 36
'92, 73
'94, 23
'95, 19
'92,36.37
'01,19
'93, 56
M.)
22) 1 Hofsholmar (S. M.)
23) 1 Hofsteigr (N.M.)
'93, 50
1321
1197
1197
1269
1258
anm.
1269
II 56
II 70
II 86
II 99
II 195
II 211
II 262
1197
1225
1150
H263
II 214
27
15
52
4
46
4
50
60
41
11
44
52
8
44
9
Hofsvaö,
Büdafoss mit
blotsteinn
Hoftorfusker, '92,37
s. A, 18
s. A, 10
s. A, 2, d
s. A, 9
DER GERMANISCHE TEMl'EE.
17
-> i amlre orte
vgl. Kai. £".? = in (nächster) nähe
3 " bez. bemerk.
24) 1 Hofs(taöa)vagr
bei Hofstaöir (Snf.)
25) 1 Hofsös:
Hof ä Hüföastr. (Skg.)
'81,-83
u. a.
I 436
II 86
37
s. B, 19, d
C)
9 Ortsnamen mit Hörg-:
1) 1 Hörgsholl
'81, 92
2) 2 Hörgsholt:
a) Geböft im Hrunam.-
'81, 92
68
hreppr (A.)
b) Gehöft, in der Ldn. ge-
'00,28
'03, 16
nannt (Hnp.)
3) 1 HörgshliÖ:
Gehöft im MjofifjörÖr (Isf.)
1595
•1) 1 Hörgsnes (Est.)
1547
5) 1 Hörgä:
Hof (Ef.)
II 103
62
Hörgärdalr (scbon
in der Ldn.)
6) 2 Hörgsdalr:
a) Gehöft in der Mvv.-sveit
(SJ>.)
b) Gehöft (V. Sk.)
'01,7
'03, 1-3
II 314
72
1) 1 Hörgaej-rr (V.):
das beutige Klemenseyri?
(Kristin s. c. xx)
1279
D) 2 Ortsnamen mit B16t-:
1) 1 Blöthöll:
SanÖafell (D.)
2) 1 Blüthvanimr:
anf der insel Meiouarey
I 538-9
Beitrag« zur beschichte der deutschen spräche. XXXV
1 4»i|
56
darin Bin Blötateinn
-
18 THUMMEL
Die auffallend grosse anzalil dieser mit wenigen ausnahmen
noch heute fortlebenden Ortsnamen lehrt, wie ungemein lebendig
einst der heidnische götter- und im besondern wider der tempel-
cult auf Island gewesen ist, und wie fest die alten erinnerungen
im lande wurzeln. Bei den Ortsnamen auf Island ist kein andres
subst, so häufig wie Hof (als simplex oder im compositum)
und Goö-. Beide treten auch meist örtlich miteinander ver-
bunden auf; in diesem falle ist die echtheit der tempelstätte
wahrscheinlich, da die annähme, dass beide Ortsnamen secundär
sind, etwas fern liegt. — Andrerseits freilich muss begründeter
zweifei an der echtheit mancher namen und Überlieferungen
erhoben werden:
1) In vereinzelten fällen können solche namen
auf einen andern sachlichen Zusammenhang zurück-
gehen: a) in 3 fällen (2 Goöadalr, 1 Goöaskögr) bringt die
Überlieferung das ortscompositum Goö- in Verbindung mit dem
wort 'goöi'. Doch kann diese tatsache — abgesehen davon,
dass diese berichte, die für die ältere zeit im gründe auf einen
ähnlichen religiösen Zusammenhang zurückgehen, nicht un-
bedingte echtheit beanspruchen können — bei der endgültigen
beurteilung nicht entfernt ins gewicht fallen, da gerade die
Ortsnamen mit Goö- in den weitaus meisten fällen zugleich
eine concrete tempelüberlieferung aufweisen und auch in der
überwiegenden mehrzahl an sichere oder wahrscheinliche tempel-
stätten geknüpft sind. — Noch weit weniger kann wol ein
Zusammenhang mit dem christlichen gotte in betracht kommen;
direct unmöglich ist ein solcher bei Ortsnamen von der form
Goöa- wegen des sonst unerklärlichen -a. — b) Hof kann auch
mitunter synon}:m zu garör sein, also ein gehöft ganz allgemein
bezeichnen1) (= hd. hof); doch ist auch diese möglichkeit kaum
in den fällen anzuziehen, wo der Charakter der tempelstätte
noch auf andere weise zum ausdruck gebracht wird.
2) Manche namen und Überlieferungen können
erst secundär entstanden sein: a) die Überlieferungen auf
grund des namens, b) die namen auf grund der Überlieferungen,
die nachträglich localisiert wurden.
Es zeigt sich auch hier, mit wie kritischem äuge man der
*) S. Fritzner, Ordbog2 unter hof 4.
DKIi GKKMANISniK tEMt»Et. 1'.'
Volksüberlieferung gegenüberstehen muss, zumal auf Island, wo
die fortwährende beschaff igung mit der heimischen saga- Lite-
ratur ganz besonders dazu reizen musste, die berichte dieser
sagas zu localisieren.1) Dieser umstand fällt umsomehr ins
gewicht, als es vielleicht einmal eine zeit gegeben hat, in der
die alten Überlieferungen fast völlig in Vergessenheit geraten
waren.'2)
Allein wie skeptisch man auch diesen namen und Über-
lieferungen gegenüberstehen mag, der zweifei vermag doch nicht
die folgenden ergebnisse zu trüben, die mit aller klarheit
hervorgehen:
1. Sieht man ab von jenen beiden Goöadalr und dem einen
Goöaskogr, die durch ihre sonder Überlieferung eine kleine
gruppe abseits bilden, so bleiben noch 50 Ortsnamen, die durch
ihr Goö(a)- auf den göttercult im allgemeinen hindeuten. Alle
diese 50 namen sind, sofern nicht jegliche Überlieferung fehlt,
an alte tempelstätten geknüpft, ohne dass jedoch hierdurch
deren echtheit wirklich endgültig bewiesen wäre. Von den
43 statten, die ihrer natur nach überhaupt als unmittelbarer
Standort des tempels in betracht kommen können — die götter-
wasserfälle, -üüsse, -täler, -fürten (insgesammt 7) fallen unter
diesem gesichtspunkt fort — erweisen sich 25 als hügel bez.
felsen. Alle diese götterhügel macht die Überlieferung, sofern
sie nicht gänzlich fehlt, ausdrücklich zu trägem alter tempel;
auf ihrem abhang oder gipfel habe das heiligtum gestanden.
— Von den 10 vorhandenen Goö(a)höll sind denn auch 7 ohne
jeden zweifei wirklich die statte, auf der einst der tempel
gestanden hat; in pyrill (no. 1), Bersatunga (7), Gaulverjabser
(16) und Klaustrhölar (18) hat man ja die 'hoftöft' auf dem
betreffenden götterhügel gefunden, bei den 3 wol endgültig
sicheren tempelstätten Hof i Ad. (23), Hof ä Kj. (:>>"'t und
») Vgl. Kai.: a) Islands Fortidsln-viiinir'-r. Aarb. 1882, 81 ff.; b) K..1. 1 503,
not. 2. Es zeigte sich denn auch, daes manche der vermeintlichen 'hoftöttir'
in wirklichkeil etwas gana anderes waren, /. b. viehpfercl ler henschober-
einhegnngen: a) die 'hoftött' in [Hof-] Akr (D), vgl. Käl. I 185, daj
Äii.. '82,75; (i) die 'hoftott' in Fijötahlifl (B), vgl. Äxh '94,24, da
Äri». "00,5; y) die 'hoftött1 in Kakkarhjaleiga (A), vgl. Ärb. '05,10 LI
Maurer (Germ. 24, 88 ff.) freilich gieng in seinem skepticunrai allxnweit
■) Maurer ebda. 02
a
20 THÜMMEL
Knappstaöir (39) ist die Überlieferung auch zweifellos echt;
das gleiche kann nach Yigfussons Untersuchungen von Flateyri
(22) gelten; bei den übrigen beiden 'Goöahöll' fehlt leider eine
nähere Überlieferung. Ganz ähnlich verhält es sich mit den
6 Goöaborg: 4 bezeichnet die Überlieferung ausdrücklich als
die unmittelbare heidnische cultstätte, bei 2 fehlt jede nähere
Überlieferung. Dasselbe Verhältnis ergibt sich bei den übrigen
arten von götterhügeln, -bergen, -felsen, die mit ausnähme der
2 Goöasteinn nur je einmal vorkommen.
2. Ein paralleles ergebnis folgt aus einer betrachtung der
mit Hof- verbundenen Ortsnamen:
Von 33 (35) dieser composita sind 18 (20) an berge, hügel
oder abhänge geknüpft. Diese liegen in nächster nähe von alten
tempelstätten, die in der überwiegenden mehrzahl (12 — 14)
noch heute als echt gelten müssen. 7 von diesen tempelhügeln,
-bergen oder -abhängen sind durch die Überlieferung als die
statte gekennzeichnet, auf der der tempel einst gestanden hat.
Diese Überlieferung ist auch ohne zweifei echt bei den 2 (1)
Hofhöll, 1 Hofkinn, 2 Hoftorfa, 1 Hofklettr, bei Hofklettar
jedoch wenig sicher; in den letzten beiden fällen soll der tempel
naturgemäss nicht auf den felsen selbst gestanden haben, son-
dern auf einem hügel, der diese trägt. — Die übrigen 11 (13)
Hof-namen bezeichnen nicht die unmittelbare tempelstätte,
sondern orte in deren nähe, meist in der Umgebung eines gehöfts
Hof. Sie sind daher, wie im gründe alle Hofnamen dieser
art, an sich wenig beweiskräftig, weil die damit behafteten
orte häufig bei gehöften liegen, die noch heute den namen
Hof tragen und daher in den meisten fällen für solche Orts-
namen bestimmend gewesen sind. Sie können daher an sich
nichts für die echtheit einer tempelstätte beweisen, höchstens
indirect in vielen fällen ein zeichen sein für das relativ hohe
alter des gehöftes Hof in der betreffenden gegend. (Dass die
gehöfte 'Hof in der tat relativ sehr hohes alter aufweisen,
geht daraus hervor, dass 17 von ihnen in der Ldn. namentlich
erwähnt sind). — Immerhin ist wie bei den 'götter' -statten so
auch hier durchaus charakteristisch, dass die absolut und relativ
grösste anzahl dieser Ortsnamen eben an hügel und berge ge-
knüpft ist, die selbst tempelstätten (im engeren sinne) gewesen
sind oder doch in nächster nähe von solchen gelegen haben.
DBB QBBMANISCHE u mii i Jl
8, Bei den mit Hörg- verbundenen Ortsnamen
wegen ihrer geringen anzahl keine ähnliche Btatistü
aahme machen, doch weist auch die mehrzahl dieser noch
lebenden namen auf büge] and abhänge hin.
Die offenkundige Vorliebe für berge and hfigel als cult-
Btätten, die aus allen diesen Ortsnamen and überliefern!
hervorgeht, tritt aoch deutlicher in die erscheinung durch
parallele beobachtungen, 'li»' wir an den alten tempelstatten
machen, auch an Bolchen, wo ähnliche Ortsnamen heute nicht
nachzuweisen Bind.
II. Die natürliche beschaffenheil der bisher bekannten
tempelstätten.
\'(ni 48 der In den Arb. and bei K&L beschriebenen oder
flüchtig erwähnten 'hoftöttir' (67) wird ausdrücklich berichtet,
dass Bie auf einem hügel, berg, abhang oder sonstwie erhöhten
boden liegen i»*1/. von der Überlieferung dorthin verlegt werden.
[Jeber die läge der übrigen Bind wir leider nicht genau unter-
richtet, teils weil sich an «Im meisten dieser platze heute
keinerlei reste alter tempel mehr finden, teils infolge der
notizenhaften art mancher berichte gegenüber anderen aus-
führlicheren. Zum teil mag diese lücke in dem betr. bericht
auch reiner zufall sein1); diea geht schon daraus hervor, dass
in diesem punkte Schilderungen in den Lrb. nnd bei Kai. mit-
anter einander ergänzen. Zweifellos würde jedoch bei kenntnis
der genauen läge aller tempelstätten die I ang der
bügellage zahlenn noch klarer hervortreten.
Von diesen 18 tempelstätten liegen:
i ii i in* im hfigel od< i
■ . manche i nrfthrtchi inli<
bob< n and n hflnen ein« n namen, d< i auf d< n
rillt liiixli MI' i
I 1 1 QOtterb
22 THÜMMEL
6) 1 Goöatindr (44),
e) 1 Goöanes (9).
IL 5 tempelhügel, -berge, -felsen (s. s. 15—16) :
«) 2 Hofholl (14. 34),
ß) 1 Hofklettr (36) 1
y) 1 Hof klettar C>7) i temPe"elsen> f^e auf dem hügel stehen,
6) 1 Hofkinn (15).
HI. 1 opferhügel (s. s. 17) :
Blothöll (56).
IV. 1 Valhöll! (20).
b) Die übrigen 11 tragen keinen besonderen namen (5. 8. 10. 17. 19.
24. 37. 40. 41. 48. 60).
B) 8 auf einem abhang.
a) 2 dieser abhänge tragen den namen 'Hoftorfa' (4. 46) (s. 16).
b) die übrigen 6 tragen keinen besonderen namen (3. 6. 11. 30. 32. 49).
C) 3 auf erhöhtem boden, der nicht näher beschrieben ist.
a) 1 statte heisst Goöasund (42) (s. 14).
b) die beiden andern sind unbenannt (2. 55).
Eine ganz ähnliche läge weisen auch jene 'horgar' auf, von
denen 5 in den Ärb. beschrieben sind1): einer liegt auf dem
berge Hringholt, der in Hörgsholt auf einem hügel, in Hörgs-
dalr oben auf der beide, in Hvammr an einem abhang, in
Fagradalr in einer bergkluft, also am fusse des gebirges.
Können auch die vorliegenden angaben ihrer natur nach
keinen ansprach auf wirklich statistische genauigkeit machen 2),
so geht doch das eine mit aller deutlichkeit daraus hervor:
Die alten tempel, wie überhaupt die heidnischen
cultstätten, haben auf Island in der regel auf dem
gipfel oder abhang von bergen und hügeln gelegen;
seltener - wahrscheinlich nur dann, wenn der hügel selbst keinen
geeigneten platz zum tempelbau bot - lagen sie am fusse oder
in nächster nähe. Denn wenn auch von diesen tempelstätten
einige erst secundär auf grund von sagas localisiert worden
sein mögen, so würde gerade diese art der localisierung eben-
falls darauf deuten, dass die tempel nach einer alten, echten
Überlieferung in der regel auf derartig erhöhtem boden gelegen
haben. Wir stossen auch hier auf die für alle germanischen
J) Tabelle no.68-72.
2) Vgl. Käl. II 524.
I>KK GEBMANI8CHE i EMPEL. J
Völker geltende natürliche tatsache, dass man die götterheilig-
tiimer am liebsten an statten verlegte, die an sich schon als
heilig galten.1) Ebenso naheliegend ist es, dass man mögliche
die schönste stelle der gegend zur tempelstätte wählte, mit
Vorliebe solche, die eine weite fernsieht gestatteten.1)
Berge und hügel sind also die hauptorte der göttervereh-
rnng auf Island. — Stark zurück vor diesem ausgeprägten '
eult treten der wassercnlt, der andernorts besonders in der
form des guellencultes auftritt, namentlich aber der wald- und
baumcult, der bei den südlichen Germanen eine vorhersehende
rolle spielt. Auf Island finden sich nur vereinzelte Bpuren
davon:
a) So erregen einige gütterwasserfälle and -täler, auch ein ^'itertiuss
das interesse. Obwo] nur mangelhafte, zum teil jedoch sehr eigenartige
Überlieferungen an diese statten geknüpft sind, darf man in ihnen wol
spuren alten wassercultes erblicken.8) Besonders concret erscheinl diesei
in der Überlieferung vom Wasserfall bei Fossnes (no. 17).
b) Waldcult wird man bei dem ungemein dürftigen, dazu niedrigen
banmwnchfl in historischer zeit4) von vornherein kaum in gross* rem masse
erwarten dürfen; doch sind auch hiervon einige spnren vorhanden: 1) es
finden sich 2 Stätten, an denen einst ein von einem kreisförmigen zäun
umgebener wald gewesen -ein boII: in Lnndr (Bgf.)s) 'in der nähe der
alten tempelstätte) und in Lundrbrekka (Sp.)8) — eine Überlieferung, die
ja sehr wol zu dem uamen dieser gehöfte stimmen winde, falls er urspi
lieh ist. 2) In fjthliö soll der tempel einst mitten in einem wähle geständen
haben7) (ähnlich berichtet die Fsereyinga s., c.23, von einem tempel de«
Bakon Jarl an einer gerodeten stelle im walde, mit einem 'skiögarbr'
darum). '.',) Br. Jönsson8) berichtet von einem Ortsnamen 'Blötbjörk' beim
gehöft Björk (iL); er hält ihn für zweifellos heidnischen Ursprungs and
erklärt ihn dadurch, dass in der nähe einsl eine birke gestanden habe;
diese sei im vergleich zum wald der Umgebung bo Bchön und stattlicl
wesen, dass die heidnischen leute au sie glaubten, Bie verehrten.
c) Im Verhältnis zu den gehöften. Nicht aus allen
den berichten aber die (37 tempelstätten der oben gegebenen
tabelle geht deutlich hei vor. welche läge /.um nächstliegenden
>) VgL Grimm, D. M. I 71 i Hogk, Pauls Grundr.' III B
-» Z.b. im. i. ;,. :i. ii. i-_v 22. _'!. 71.
») VgL Hogk, ebda. 'Ü'.".: Maurer. I.it.-ld. 1880, 9. 1 l
') S
8) Kai. i :;i i (rest Heu einhegnng
") Kai. II l.M. not
■i \ib. :i»,7. i arb, •<».'•. n.
24 THÜMMEL
gehöft die betreffende 'hoftött' einnimmt, bez. wo der tempel
einst gestanden haben soll; für 15 dieser statten (no. 22. 28.
32. 35. 38. 44. 46. 47. 51. 52. 56. 60. 61 65. 67) fehlt in dieser
beziehung eine deutliche angäbe. Aus den berichten über die
übrigen 52 'hoftöttir' aber geht hervor, dass diese — mit vier
ausnahmen — alle innerhalb des engeren gutsbezirkes der
betreffenden alten gehöf te liegen, nämlich auf dem tun. l) Bei
2 von diesen 48 hoftöttir wird zwar ihre läge im tun nicht
direct festgestellt, aber angegeben, dass sie in der nähe des
Wohnhauses liegen (no. 9. 10).
Die gegenseitige läge von tempel und wohnhaus innerhalb
des tun ist natürlich in den einzelnen fällen verschieden, in
gewisser beziehung auch wol abhängig von der jeweiligen
ausdehnung des tun. In vielen fällen liegt die tempelstätte
in unmittelbarer nähe des gehöf ts (so bei no. 2. 5. 6. 15. 18.
19. 41), in andern fällen wider in der nähe des tüngarör (so
in 7. 8. 27. 53. 63), in Hof i Vd. (23) ist der götterhügel, auf
dem die tempelruine liegt, etwa 120 m vom wohnhauscomplex
entfernt.
Nur in 4 von den oben genannten 52 statten scheint der
tempel ausserhalb des tun, entfernt vom alten gehöft, gelegen
zu haben: 1) In pverä (no. 40), 2) in Bersastaöir (no. 43), in
diesen beiden fällen auf dem andern flussufer, 3) in Kollsveins-
staöir (no. 20), 4) in Hallsteinsnes (no. 48) , in 1) und 3) bei
den späteren, damals wol noch nicht vorhandenen2) gehöf ten
J) Unter tun verstellt man das gedüngte wiesenland, das zu jedem
gehöft gehört und früher immer von einer einheguug (tüngarör) umgehen
war. Es hat meist ovalen grundplan und steht im gegensatz zu den ausser-
halb des tüngarör liegenden wiesen (engjar), die gewöhnlich nicht gedüngt
wurden. Ungefähr in der mitte des tun stehen die dicht zusammengestellten
Wohnhäuser, ein gehäudecomplex (bser) von mindestens 3 — 4 häusern, der
gelegentlich durch eine besondere Umzäunung abgeschlossen war; die Wirt-
schaftsgebäude (in der regel mindestens 3) liegen meist abgesondert im
tun. Die heutige grosse des tun ist sehr verschieden (bis zu 30 dänischen
tonnen = 1600 ar, im durchschnitt 7—10 dänische tonnen = 4 — 500 ar)
und von der anzahl der kühe abhängig, für die das winterheu beschafft
werden soll; es war daher früher grösser, oft sehr ausgedehnt. So hat das
tun an der tempelstätte Hof i VapnafirÖi (no. 11) heute eine fläche von rund
640 ar; in alter zeit war es um die gute hälfte grösser, also fast 1000 ar
(Arb. '93, 56). — Vgl. Maurer, Island s. 402; Bruun s. 97; Guöm.s. 19 f.
2) Vgl. Kai. II 121.
DER GEBMANISCHE TEMPEL. 2.~>
Hripkelsstaöir bez. Hofstaöir. — Wahrscheinlich liegen in
diesen Verhältnissen reminiscenzen aus viel älterer zeit vor.
Der tempel, ursprünglich stammesheiligtum '). lag in den ältesten
zeiten dranssen in der freien natur, ersl bei den Nordgermanen
entwickelt sich der privatrechtliche Charakter des tempels und
somit die läge beim gehöft.
Eine gewisse bestätigung dieser erklärung bietet eine be-
trachtung über die läge der 5 auf Island bisher gefundenen
'horgar' (no. 68-72), jener weit altertümlicheren2) heiligtümer:
in Fagradalr, Eörgsholt und Hörgsdalr liegt der horgr im tun;
die horgar von Hringiiolt und Hvaminr dagegen scheinen vom
gehöft verhältnismässig weit entfernt: der horgr auf dem gipfel
des Hringiiolt liegt etwa in der mitte zwischen den beiden
nachbarhöfen Bakki und Sellätrar. der andre etwa 4 — 500 m
von Hvammr entfernt.
Die ergebnisse über die allgemeine läge der tempelstätten
innerhalb des tun zeigen, dass ein unterschied zwischen haupt-
und privattempeln in diesem punkte nicht bestand. Ein solcher
unterschied ist auch von vornherein nicht zu erwarten, da die
einrichtung von haupttempeln erst am ende der landnämatfö
geschah, bis zu dieser zeit also sämmtliche tempel rein prr
eigentum waren. Dieser privatrechtliche Charakter gilt ja zu
einem teile auch noch späterhin für die haupttempel, wie aach
schuu früher von den Godentempeln in Norwegen vor der land-
nämatfö, wie die beispiele von pörölfr Mostrarskegg (Eb. IV 2)
und ßörhaddr (Ldn. 208, 26 ff.) lehren; beide brechen einen
norwegischen haupttempel ab, um ihn in Island wider aufzu-
bauen.3)
Auch nachrichten aus den sagas zeigen ganz deutlich,
dass in bezug auf die läge zum gehöft kein unterschied
zwischen privat- und haupttempel bestand:
a) Kj'aln. 8., bl. 8. II 402 (vom haupttempel in Hof, do.83
bann reiaa hof mikit i ttini sinn ...': b) Laxd. s., c. 19,32 (vom privat-
tempel in HrutsetaSir, ao.3): 'Hof atti bann i tüni . . ' j c) ahnlich Sb. IV. 6
(vom haupttempel in Hofetaöir, no. 37): 'Hann setti boe mikinn ... )
bann reiaa hof (vgl. Ldn. L58,2 f.).
'; Vgl. Mogk, Paula Grandr.1 III 894.
■> 8. unten .1. II.
N Vgl. Kauxer, Beitr. 61.
2(3 THÜMMEL
Zugleich bestätigen diese Zeugnisse, wenn auch in etwas
dürftiger weise, das ergebnis von der gewöhnlichen läge der
tempel innerhalb des tun.
d) In bezug auf seine himmelsrichtung. Man hat
widerholt eine feste regel aufstellen wollen, nach der die
isländischen (nordischen) häuser, im besonderen wider die
skälar, eine ganz bestimmte himmelsrichtung gehabt hätten,
nämlich 0. — W.1) Aus der erwägung heraus, dass der haupt-
raum des tempels dem veizlu-skäli gleiche, hat man dann die-
selbe regel auf die tempel übertragen'2)^) und ihr besondere
bedeutung zugemessen für alle fälle von Umbildungen heid-
nischer tempel in christliche kircken, die auch diese 0. — W.-
richtung besessen hätten.3)
Dass in bezug auf die richtung des nordischen hauses
ursprünglich einmal ein gewisser brauch geherscht hat, geht
aus Zeugnissen der Edda deutlich hervor.4) Für die zeit jedoch,
in welche quellen und baureste zurückreichen, existiert eine
diesbezügliche allgemeine regel ebensowenig wie heute. 5) 4)
AVird schon durch diese tatsache eine derartige regel für den
tempelbau wenig wahrscheinlich, so fällt auch die annähme
einer solchen durch die erfahrungen an den tempelstätten.
Es sind nämlich alle hauptrichtungen bei den ruinen vertreten.
Soweit die Ärb. und Käl. in dieser hinsieht angaben machen,
ist das ergebnis folgendes:
a) 0.— VT.: no.2. 3. i. 7. 8. 9. 10. 15. 19. 31.
b) N.— S: 5. 11. 12. 20. (30.) 55.
c) Mittelrichtungen: 1. 0 (N.W.— S.O.). 32. 53 (S.W.— N.O).
Irgendwelche regel lässt sich aus diesen resultaten ent-
schieden nicht ableiten. Die richtung des tempels ist vielmehr
sicherlich im einzelfalle immer von praktischen rücksichten, in
erster linie von den örtlichen Verhältnissen, abhängig. Dies
leuchtet besonders ein angesichts der oben festgestellten hügel-
lage. die für die tempel so charakteristisch ist. Die beschaffen-
heit des hügels war selbstverständlich in hohem grade mass-
l) Mcolaysen s. 270. 410: vgl. H. Petersen s. 22, not. 1.
2j Xicolaysen ebda.
3; Petersen s. 22.
4) Vgl. Meissner, Zs. fda. 36, 323.
5) Gnöm.s. 12,256.
DER GEBMANI8CHE TEMPBL. 27
gebend bei der wähl der tempelstätte und somit auch für die
jeweilige himmelsrichtung.
Dass die 0. — W.-richtung, jedoch nur vereinzelt genau,
relativ am häufigsten und besonders bei ruinen auftritt, die
die grosse wahrscheinlichkeil der echtheil für Bich haben, isl
somit entweder reiner zufall oder allenfalls eine reminiscenz
aus alter zeit, in der diese richtung regel war. — Wenn man
dagegen, wie wol Petersen1), die 0. — W.-richtung auch aus dem
gründe annehmen und ihr besondere bedeutung zuschreiben
möchte, weil die heidnischen tempel gelegentlich zu christlichen
kirchen geweiht worden seien, für die ja die 0.— W.-richtung
rege] ist. bo muss ihm. wie auch Dietrichsson, Keyser, .Manch
u.a.-) gegenüber betont werden, dass aus der gesammten ger-
manischen bekehrungsgeschichte nicht ein einziges beispiel für
die Umwandlung eines heidnischen tempels in eine christliche
kirche bekannt ist. Die möglichkeit solcher Vorkommnisse
bestellt am ehesten noch für die angelsächsischen Verhältnisse,
auf grund des Bchreibens von papsl Gregor an bischof Angnstin
(601)'-1), doch muss auch für die angelsächsische bekehrung das
eintreten solcher fälle als durchaus zweifelhaft bezeichnet
werden; es liegt nicht das geringste argument dafür vor, dass
man wirklich ein verfahren im sinne dieses briefes bi
hat.1) Vielmehr wird fast immer in den berichten übet
kehrungen germanischer stamme — speciell der Priesen, aber
deren bekehrung zahlreichere Zeugnisse vorliegen — ausdrück-
lich bemerkt, dass erst nach Zerstörung oder niederreissen der
tempel an ihrer stelle kirchen errichtel wurden'), woraus auch
in erster Linie die masslose wut der heiden verständlich wird.
\indi für Norwegen ist kein einziges zengnis für Umwand-
lung oder weihung eines tempels vorhanden, alles Bprichl viel-
mehr für das gegenteil. Die tempel weiden entweder ni<
gerissen oder verbrannl '»der Btehen gelassen.*) Das letzte
■i i' 22.
■') Vgl Nioolaysen - 276if.
I BO; 'li<- betr. Stella am h '
s. 544, not
4) VgL Nieolaysen i. K
-. Vgl Grimm, D H l 70 EUchthotoa II i. i. HO 111. * 1 1
2ö THUMMEL
ist speciell auf Island, wo die bekehrung vor und nach 1000
weit mildere formen als anderswo zeigt, geschehen — ein um-
stand, dem in erster linie die erhaltung so vieler ruinen zu
verdanken ist.
Wie sehr also auch die kirche zur förderung der bekeh-
rung an die heidnische sitte anknüpft, so weit: die heidnischen
tempel zu christlichen kirchen umzuweihen, ist sie aller Wahr-
scheinlichkeit nach nie gegangen (oder doch nur in äusserst
seltenen fällen, von denen aber kein einziger bekannt ist, am
ehesten noch bei den Angelsachsen). Andrerseits steht jedoch
fest, dass die kirche in der regel an der stelle der alten tempel
oder in ihrer nächsten nähe erbaut wurde; allenfalls mag ge-
legentlich einiges baumaterial des abgerissenen tempels mit
benutzt worden sein.1)
B) Die äussere bauart und anläge.
e) Baumaterial und mauerconstruction. Es darf
zwar als sicher gelten, dass schon in alter zeit die baukunst
über den ganzen norden hin im wesentlichen einheitliche
formen aufweist2), einer der hauptunterschiede jedoch zwischen
dem scandinavischen festland und Island ist das baumaterial.
Während in den waldreichen ländern Dänemark, Schweden,
Norwegen die gebäude des altertums in der regel ausschliess-
lich aus holz errichtet wurden3), ist dies auf Island schlechter-
dings nicht möglich gewesen. Dies lehrt schon die tatsache,
dass wir hier noch so relativ zahlreiche tempelruinen nach-
weisen können, während wir solche in jenen ländern eben
infolge des materials entbehren. — Man hat zwar lange be-
hauptet, dass in der vorzeit die natur Verhältnisse der insel
auch qualitativ weit günstiger gewesen seien als heute, wo
die cultur und ertragsfähigkeit ein nicht gerade glänzendes
bild bietet — insbesondere hat man auf grund verschiedener
angaben in den sagas (vgl. dagegen die stelle Bisk.S. II 5, 21 f.)
mit Vorliebe von dem waldreichtum des landes in der vorzeit
gesprochen — doch darf es heute als tatsache gelten, dass die
J) Vgl. das zeugnis aus der jung. Öl. s. Tr. bei Maurer, Bek. I 232
(tempelstätte no. 39).
2) Guöm. 10.
3) Ebda. s. 11, 99—102.
DER OKKMAXISCFIK TEMPEL. 29
klimatische und die specifische bodenbeschaffenheit derinsel in
der historischen zeit keine irgendwie erhebliche Verschiebung
erfahren hat.') Wirkliche wühler hal es auf. [sland in geschicht-
licher zeit nie gegeben; wie heute so hat die insel auch im
altertum nur buschholz besessen, das selten eine höhe von 6 m
erreicht, in der hauptsache birke, wie aus den archäologischen
funden hervorgeht,2)
Wie heute so war also auch in alter zeit der holzbestand
der insel nicht fürbauzwecke geeignet, sondern nur zu unter-
geordneten zwecken verwendbar.3) Sowreit holz zum haushau
verwendet wurde, diente das in manchen gegenden sehr reiche
treibholz4), vor allem aber norwegisches holz, und in den weit-
aus meisten fällen nur dieses. •'■) Das einführen norwegischen
holzes muss ziemlich allgemein geschehen sein; dies zeigt unter
anderm auch deutlich ein vertrag zwischen Olaf dem heiligen
und den Isländern (anfang des 11. jh.'s), in welchem diesen
ausdrücklich das recht eingeräumt wird, ihren bedarf an holz
überall in Norwegen zu nehmen.6) Die benutzung norwegischen
holzes speciell beim tempelbau ist uns an zwei stellen bezeugt:
pörölfr nimmt das meiste holz, ßörhaddr wenigstens die Säulen
des alten tempels in Norwegen mit nach Island.7)
In allen den fällen jedoch, wo holz zum haushau benutzt
wurde, diente es lediglich für pfosten, dachwerk oder paneel8);
denn auch das norwegische holz, das ja zunächst hierbei in
betracht kommt, ist im einzelfalle in der regel nicht in gro
menge eingeführt worden, dazu waren die schiffe zu klein, die
Unkosten zu gross. Reine holzbauten hat es auf Island äusserst
selten gegeben !t); höchstens die giebel waren mitunter aus-
'i Maurer, Isl. 8 ff.
'-) Ebda. 13—15; Bruun s. 8,39; Arb. '81, 84.
3i Maurer, ebda. l.">.
- karte 1 (x). — I'i*' beimal dieses treibholzes sind diewaldi
Sibiriens, aus denen es dnrcb die Busse an .\>irns nordküste, von dort dorcb
einen polarstrom au (das nordwestliche) Island geführt wird: vgL Manier,
[al. t:;: K.,1. I 614.
i Kanrer, Esl. =-. 1 1.
a) NgL. l i:;t 88; Kanrer, Bek. l 572 t
7) Vgl. Hanrer, Beitr. 61.
nÖrn. 177.
*> Ebda
30 THÜMMEt,
schliesslich aus holz, was durch ruinen bestätigt wird, bei
denen die giebel wände fehlen.1) Wenn wir gelegentlich von
Verbrennungen hören, so ist dies kein zeichen für reine holz-
construction.'-)
Man könnte nun an steinbauten denken. Gemauerte stein-
bauten aber hat es im ganzen norden vor einführung des
Christentums nicht gegeben, und aUch diese waren zunächst
auf kirchen und klöster beschränkt.3) In den sagas ist daher
auch nirgends davon die rede4); noch heutzutage findet man
reine steinbauten, jedoch ziemlich primitiven zustandes, auf
Islaud nur an der see, und auch da sind sie- auf die sogenannten
seebuden (sjobuö) und ähnliche bauten beschränkt.5)
Zum vollen Verständnis der isländischen bauweise ist eine
kenntnis der gegenwärtigen Verhältnisse unerlässlich. Für
diese ergibt sich nun folgendes bildfi): die mauerconstruction
kann zweierlei art sein: a) gras- bez. erdtorf allein. — Wo
er in genügender menge vorhanden ist, benutzt man nur die
oberste 5—6 cm dicke schiebt des erdkörpers, den eigentlichen
rasen. Dieser sogenannte strengr7) wird in grossen flächen
geschnitten, die dann horizontal aufeinander gelegt werden.
Oft jedoch ist man gezwungen, die erdschicht bis zu einer
tiefe von 13 cm zu benutzen; in diesem falle wird der erdtorf
in schrägen, ca. 20 cm langen und etwa ebenso breiten mauer-
torf, den sogenannten hnaus, geschnitten, der dann in Verbin-
dung mit dünnem strengr zur klömbruhnaus - construetion
benutzt wird.8) — Für Wohnhäuser kommt nur die strengr-
construetion in betracht, während bei den Wirtschaftsgebäuden
vornehmlich die klömbruhnaus-, seltener die strengr-construc-
tion angewant wird.1') — b) Combination von grastorf und
unbehauenen feldsteinen in abwechselnden schichten, unter
vorzugsweiser anwendung von rasen. In diesem falle legt
man in der regel abwechselnd dünne strengr-schichten zwischen
*) Guöm. 94—95. 2) Ebda. 93.
3) Ebda. 100; Ärb. '81, 92.
4) Vgl. Keyser, Efterl. Skr. II 1, s. 39 f.
5) Bruun 81, abbild. 48.
6) Vgl. Bruun 80—85; Guöm. 93.
') Bruun 82, abbild. 49.
8) Ebda, abbild. 50. B) Ebda. 83.
i>! R GERMANISCHE i i.Mi'Kl.. .1
20 — 25 cm dicke Bteinschichten, eine construction, die bowoI
bei Wohnhäusern wie Btällen angewanl wird, i In gegenden,
wo treibholz reichlich zur Verfügung steht, benutzt man
einzell (so auf den Eornstrandir) wagerechl gelegte, unbehauene
balken Btatl der steine.2) Diese bauarl b) wird jedoch meist
nur im unteren teile der mauern angewant; weiter oben,
namentlich in den giebeln, benutzt man gewöhnlich b
grastorf.
hus Fundament der mauer \ \ i i « I bei a)wieb) in «irr
durch je eine einfache steinreihe an der innen- und aus
gebildet, mit einem gegenseitigen abstand von ca 1,6 m. An
alten ruinen treten oft doppelreihen auf.3) Häufig, uamentlich
bei Wohnhäusern, verjüngen sich die wände auf der aussen
ein wenig (so z. b. bei alten ruinen in Mööruvellir, die Brunn
untersucht hat4)
Diese für Island so charakteristische, durch die klima-
tischen Verhältnisse verursachte bauarl bedingt eine außer-
gewöhnliche dicke der wände. Sie beträgt heute bis zu l.- m,
während die höhe, natürlich ohne die giebelwände, nur l.
1. 6 ni misst.*)
Die mannigfachen neueren Untersuchungen haben endgültig
den uachweis geliefert, dass baumaterial und mauerconstruction
der isländischen gebäude schon zur Bagazeit die gleichen
wesen sind: a) aus den Zeugnissen der alten sagaliteratur wies
zunächst Guömundsson nach, dass man in allem wesentlichen
auf Island noch heute dieselbe bauweise befolgt wie ums jähr
1000. •) Der Bpringende unterschied in der constrnetionsweise
von damals und heute liegt in der form des daches7): das im
altertum allgemeine 'Aastag'8) ist allmählich vom 'sparren-
dach'9) verdrängt worden. Dies aber hat wider darin Beinen
grund, da— man heute nicht mehr bo ansehnliche hauten aus-
fuhrt wie im altertum. Island Btand an wolstand und eultur
einst wrii höher als jetzt.1") b) Diese aus der Literatur
') 1 :ruii', ») QuÖib
Brau si 35, Abbild , ,.1 b.
•» Ebda. ss. ■, BM 1 EM
•) Qaöm.1. 9,98 K . 1 ■
-la. 11t; ff.
l0) Ebda
32 THÜMMEL
geschöpften ergebnisse wurden erhärtet durch zahlreiche ein-
gehende Untersuchungen alter bauruinen. Namentlich bei den
forschungen von Daniel Bruun 1896 erwies sich offenkundig,
dass sämmtliche gebäude aus grastorf, meist von grund auf,
errichtet waren.5) Eine besonders wertvolle bestätigung er-
fuhr diese beobachtung im folgenden jähre durch seine weiteren
Untersuchungen an sehr alten, heute verödeten gehöften im
inneren hochland2); überall waren die wände aus erdtorf, bis-
weilen mit abwechselnden schichten von steinen aufgeführt,
in derselben weise wie heutzutage, somit im wesentlichen auf
ganz Island einheitlich.
Liegt schon nach den bisherigen ausführungen der schluss
nahe, dass auch beim tempel das baumaterial das gleiche ge-
wesen sein werde — die sagas geben darüber keinen aufschluss
— so wird diese erwartung durch die blosse tatsache bestätigt,
dass die wände der vorhandenen tempelruiuen sich in nichts
von den ruinen anderer gebäude unterscheiden, so dass eben
die entscheidung über die echtheit einer 'hoftöft' mitunter auf
grosse Schwierigkeiten stösst.
Die erste der oben beschriebenen bauarten zeigt sich z. b.
bei den tempelruinen von Höföi (no. 6)3), Üthliö (12) 4), Hof i
Vd. (23) 5), [Ljösavatn (31) J, während sich für die zweite kein
reines beispiel findet. Es scheint also, als ob die erste bauart:
reiner rasenbau auf steinfundament vorhersehend oder regel
gewesen ist.
Man darf von vornherein erwarten, dass der erbauung
der heiligtümer ganz besondere Sorgfalt gewidmet wurde. In
den berichten über nähere Untersuchungen wird denn auch fast
regelmässig die selbst für isländische Verhältnisse auffallende
dicke der wände und ihr gewaltiges steinfundament hervor-
gehoben, das namentlich auf der aussenseite besonders grosse
grundsteine aufweist. — So besitzt die ruine in Lundr (no. 5)
eine mauerdicke von allermindestens 1,6 m6), in Ljärskögar
(no.2) 1,7 m7), in Rütstaöir (no.3) ca. 1,3 m8), in Höföi (no.6)
1,4 m3). — Die heutige durch das zusammensinken reducierte
*) Bruun 88 f. 2) Ärb. '98 fylg. 44—46.
3) Bruun 176.
«) Arb. '94, 7. 5) '95, 4.
°) '85, 99. ■>) '82, 7. 8) '82, 13.
DEK GERMANISCHE TEMPEL.
höhe der wände beträgt in Ljarskögar (no. 2) durchschnittlich
Im1), in Hofteigr (no.9) ca. 0.8 m-), in Üthlifl (no. 12) an der
höchsten stelle 1,8 m3), in pyrill (no. 1) durchschnittlich 1,5 m*)
einschliesslich des bedeutenden Untergrundes, dessen höhe nicht
angegeben ist. — Bei allen näher untersuchten tempelruinen
ergab sich in jeder mauer das Vorhandensein grosser grund-
steine, in der aussenwand ganz besonders gross, in Dyrill (no. 1 1
an der unteren wand (die ruine liegt geneigt) ein 2-, 3- und
sogar vierfacher Untergrund4), offenbar um ein rutschen zu
verhüten. Am gewaltigsten ist das fundament der ruine in
Eöföi (no. G). Ihre mauern ruhen auf zwei reihen gri
steine, je eine auf der aussen- und auf der innenseite.0) Viele
von ihnen waren derartig gross, dass 4 männer erforderlich
waren, sie von der stelle zu rücken.8) — Aehnlich starkes
fundament besitzen auch andere untersuchte 'hoftöttir', z. Ix
in Ljärskögar (no. 2)"), Lundr (no. 5)s), Brusastaöir (no. 1
f) Aeussere form. Wie die s. 6 ff. aufgestellte tabelle
zeigt, sind auf Island bisher 67 statten als einstige Standorte
von tempeln in frage gekommen. Bei 26 von diesen statten ' |
sind keine oder allzu undeutliche spuren von ruinen vorhanden,
bei den übrigen 41 dagegen finden sich 'hoftöftir', deren äussere
umrisse noch zu erkennen sind, wenn auch zum teil nur äussersl
dürftig. Von 16 dieser ruinen wider besitzen wir deutliche,
durch ausgrabungen (mehr oder weniger) verbürgte risse.11)
Von jenen 41 'hoftöftir' erscheinen nun ihrer äusseren
form nach: a) 36 als länglich-viereckig; b) nur 5 als kreis-
förmig (no. 16. 18. 22. 41. 58). — Zu den 36 gehören ohne
ausnähme alle die tempelruinen, die aufgrund von ausgrabungen
oder sicheren Überlieferungen als echt gelten dürfen; von den
5 kreisförmig erscheinenden dagegen ist bisher noch keine als
endgültig echt erkannt, wenn auch die wahrscheinlichkeil da-
für bei den 1 erstgenannten sein- gross ist
Nach Kalunds angäbe12) finden sich auf bland widerholl
kreisförmige ruinen. die als 'hovtomter' bezeichnet werden. —
l) Äii.. "82,5. 13,50.
L, 75. > Brunn L76. Lrb. '92, ISO R
:; '82,5. 31,21.
1 ) No.22. :;.; 88. l". 12. 41 - L8. 61. 52 54 56. 57.
») 8. ; der tabelle. K&l. l 508, not 1.
Bell ebichte Jcr dcuisclicu iprmcbe, XXXV.
34 THÜMMEL
Bei jeder dieser ruinen kommen folgende mögliclikeiten in be-
tracht: a) die ruine ist echt. Dann können die beiden fälle
in frage kommen: 1) sie ist in Wirklichkeit nicht kreisförmig.
— In der tat erscheinen die mehrzahl, so auch die 5 vor-
liegenden, den berichten nach so undeutlich oder so stark zu-
sammengesunken, dass die kreisform, zumal bei der geringen
ausdehnung der meisten dieser ruinen, sehr wol nur eine schein-
bare, etwa erst durch das zusammensinken der wände hervor-
gerufen sein kann. So erwies sich z. b. die tempelruine zu
Brüsastaöir, die Siguröur Vigfüsson1) als kreisförmig oder
elliptisch beschrieben hat, bei genauer Untersuchung als läng-
lich-viereckig mit abgerundeten ecken2); ähnlich beschrieb
Kälund die angeblichen tempelreste in Bersatunga und in
Norötunga3) als kreisförmig, während sie nach Vigfüssons
Untersuchungen als länglich- viereckig erscheinen.4) 2) Sie ist
wirklich kreisförmig. — Dass es einmal kreisrunde heiligtümer
gegeben hat, erscheint unzweifelhaft schon angesichts der hart-
näckigkeit, mit der sich die Überlieferung an solche bauformen
knüpft, ferner aus dem gründe, dass der rundbau die primi-
tivste form ist; sie musste notwendig der länglich viereckigen
weichen, sobald gebäude von grösserer ausdehnung in betracht
kamen. — ß) Die ruine ist unecht. Auch diese möglichkeit
liegt vor, zumal bei der letzten der 5 oben genannten ruinen.
Die kreisrunden 'hovtomter' sind ohne zweifei mit der aller-
grössten vorsieht zu betrachten, oft sicherlich nur reste von
viehhegungen. 5)
Wie es sich auch mit den kreisförmig erscheinenden ruinen
im einzelfalle verhalten mag, so viel ist deutlich, dass solche
heiligtümer auf Island relativ selten vorhanden gewesen sind,
dass dagegen die länglich - viereckige form entschieden die
durchaus vorhersehende ist. Dieses ergebnis wird auch er-
härtet durch Zeugnisse der sagaliteratur:
a) Die Eb. s. (c. IV 6) berichtet von dein tempel in HofstaÖir (no. 37),
1) Ärb. '82, 44.
2) S. riss, Ärb. '95.
s) Kai. I 502 bez. I 359.
") Ärb. '82, 67 (s. riss, Ärb. '97) bez. '85, 137.
5) Vgl. Käl. I 503 (wo er eine kreisförmige, aber ziemlich verdächtige
'hoftott' erwähnt), ferner Kai. Aarb. f. nord. Oldk. 1882, 83 f.
DEB GEttMANIS« in. i KMPEL.
der einer der aller<esten auf Island ist: rai patmikitl dyrr
ä liliiHttr^iinuii »>k nn-r QÖrnm endannm . .
b) Die Kjaln.s. lisl.s. II M)2) vom tempel in Bofd Kj, (i . |mi
(hof) rar c. föta langt, en Bextngt a breidd'1),
c) Pie Vatnsd.s. (e.N Y | vmu tempel in Hof i Vd. (no.23): ... bof mikit
hnndrafi föta langt ■ ■ ■' l)
Diese Zeugnisse können sich nur auf eine rechteckähnliche
form beziehen. Durch diese doppelheil der quellen ist somit
ausser allen zweifei gestellt, dass die typische grundform des
isländischen tempels die länglich-viereckige ist. Die ruinen-
funde — und, wie wir sehen werden, zu einem teil auch die
sagas — lehren aber, dass wir keine genaue rechteckiorm
vor uns halten insofern, als die ecken stets mehr oder weniger
abgerundet sind. Ein blick auf die vorhandenen tempelrisse
zeigt, dass der grad der eckenrundung bei den verschiedenen
ruinen wechselt, jedoch bei den einzelnen ecken ein- und der-
selben ruine in der regel ungefähr gleich ist; an dem einen.
nämlich dem afliüs-giebel, ist sie mitunter besonders stark,
relativ am stärksten bei der ruine von Ljärskögar (no.2), die
zweifellos echt und in ihrer ursprünglichen form noch völlig
rein erhalten ist2) Bei ihr nimmt das afhus halbkreisähnliche
form an, sodass diese ruine fast genau der tempelbeschreibung
der k'.jaln.s. und somit auch der Eb. entspricht1) In diesem
falle zeigt Dämlich das afhüs eine grosse ähnlichkeit mit dem
für die bauart der kirchen charakteristischen chorabschluss
(apsis); der vergleich mit einer haube (Kjaln.s.) oder dem chor
in der kirrhe (Eb.) lag daher sehr nahe. Eine ganz ähnliche
anläge zeigt auch die ruine von Seljaland (no. i laut einer
beschreibung aus dem jähre 1821. 3)
Bei manchen der alten tempel vermögen wir auf grund
der sagas die zeit ihrer entstehung einigenr
zulegen:
1 1 Hof & EL l ii". B): anno 879 (Tgl. Qnöbr. Vigfnsson im Safn til
Hofstaßir fi p i (ßörolfr kos ich bland
:, l 228),
unten II. l >.
») Ali'. '82,78; rgl. I
t. i.
36 THÜMMEL
3) Hof ä Kj. (33): ca. 890 (Helgi bjola kommt zwischen 886—892 an;
Safn I 207).
4) Hof i Vd. (23): 892 *) (890 kommt Ingimundr nach Island (Safn
1247); ans der Vatzd. s. (c. XIV — XV) geht hervor,, dass er
sich erst im übernächsten früh jähr im Vatnsdalr niederlässt
und den tempel haut).
5) Hof i Väpn. (11): kurz vor 900 (vgl. Safn I 265—66).
6) AÖalböl (10): ca. 920 (vgl. Safn I 268).
7) Kofi Hj. (24): ca. 920 (vgl. Safn I 250).
8) Pyrill (1): vor 950 (die Harö. s. spielt von 950—70 — Safn I 304
— und setzt das bestehen des 'blötbüs at Pyrli' voraus).
9) Bersatunga (7): ca. 950 (Holmgöngu-Bersi, dessen privattempel
wir offenbar hier vor uns haben, stirbt 958, wahrscheinlich
35 jähre alt; Safn I 496).
10) Rütsstaöir (3): nach 943 (Hrütr 923* — Safn I 494 — kommt
20jährig nach Island, hält sich erst drei jähre in Kambsnes
auf (Lasd. s. XIX 11), kommt dann nach HrütsstaSir (Laxd. s.
XIX 32) , bleibt hier mit ausnähme der jähre 963—65, die er
in Norwegen verbringt; Saf n I 344 — 45).
Ueber die erbauung des tempels von Ljärskogar lässt sich
leider keine Zeitangabe aus den quellen ableiten, da das gehöft
erst in der späten Grettissaga, der tempel dagegen nirgends
genannt ist.
Verfolgen wir nach dieser zeitlichen reihenfolge die vor-
handenen risse der heutigen tempelruinen, wobei wir für die
nicht mehr erhaltenen ruinen von Hofstaöir (no. 37) und Hof
(no. 33) die von Ljärskogar einsetzen — als ein nach den
obigen feststellungen2) sehr wahrscheinliches äquivalent — so
finden wir, dass die tempelform, welche die stärkste ecken-
rundung, zum teil das halbkreisförmige afhüs aufweist, zugleich
die älteste ist, während die von Rütsstaöir, welche die recht-
eckform wegen der geringen eckenrundung relativ am reinsten
verkörpert, zweifellos bei einem der jüngsten tempel in dieser
reihe auftritt. Bei der ruine von Freysnes (no. 32), welche,
falls sie echt ist, von einem tempel kurz vor 1000 herrühren
würde3), finden wir die scharfe eckenform wenigstens an dem
einen giebel ganz rein, während der afhüs-giebel die rundung
beibehalten hat. — Es kann ferner kein zweifei sein, dass der
kreisrunde tempelbau, der — wie aus den vorigen betrachtungen
!) Nicht 893, wie G. Vigfusson (Safn I 248) angibt.
2) S. 35. 3) Arb. '96, 24. 25. 27.
DER GBRMANI8< HE TEMPE1
hervorgieng auf bland vereinzelt vorhander ■•
eine ältere Btufe in der entwickelnng darstellt als die für [s-
land typische länglich -viereckige form. ! h Bomit
für die änssere türm der tempelbauten eine entwicklung von
drei stufen: l) kreisförmig, 2) länglich-yiereckig mit immer
geringer werdender eckenrundung (die typische form des islän-
dischen tempels), 3) länglich-yiereckig mit scharfen «<k«-n
wenigstens an dem einen giebel, während man die afhtis-rundung
— wahrscheinlich aus historischen gründen I
diese form in keiner sicheren ruine auftritt, erklärl sich offenbar
dadurch, dass sie ersl am schluss des 10. jh.'s, kurz vor ein-
fuhrung des Christentums, eingeleitet wurde.
Wir erhalten also eine vollkommene parallele zu der ent-
wicklungsreihe, wie sie Guömundsson von den isländischen
häusern erwiesen ha1 l), doch so, dass die einzelnen phasen der
beiden entwicklungsreihen nicht nebeneinander bestehen, son-
dern dass die entwicklung der hausform der des tempels stets
ein wenig vorausgeht. Während der typus des isländischen
tempels die zweite form aufweist, daneben noch vereinzelt
runde tempel auftreten, ist die in dersagazeit gebräuchlichste
hausform bereits die reine rechteckform; ihr gegenüber tritt
die zweite form entschieden zurück, während die erste ziem-
lich selten auftritt, ihr Vorhandensein bei Wohnhäusern
problematisch erscheinen muss
Neben diese typische grundform stellt sieh als zw<
merkmal für die äussere anläge des isländischen teini.eiK.nies
eine einrichtung, die ebenfalls allen echt befundenen ruinen
ohne ausnähme gemeinsam ist und für die tempel charakte-
ristisch erscheint-, zumal bei einem vergleich mit den mannig-
fachen andern bauten der alten zeit. Eis ist dies i ine den
giebelwänden, d.h. den kürzeren rechteckseiten parallel,
quer durch das gebäude laufende wallartige erhöhung im
innern, die Bt ei s ohne i ttr ') ist und somit
tempels in zwei völli tnte ungleich grosse räume teilt:
1 1 d< i en langraum, der zur abhaltung der opferschmaus«
•I Quöm 91 n.
■ Dauer: türöft nang
38 THÜMMEL
diente, 2) das kleinere afhus, das allerlieiligste des tempels, in
welchem die götterbilder und altäre standen und der tempel-
priester die Opferhandlungen vollzog. — Diese erhöhung ist
ganz nach art der aussenwände aufgeführt, in der regel nur
noch weit breiter und mächtiger, wie wir sehen werden.1)
Bei der hälfte jener 41 'hoftöttir', deren form noch zu
erkennen ist, lässt sich dieser türlose querwall mit Sicherheit
feststellen.2) Dass dies in vielen fällen nicht mehr möglich
ist, wird erklärlich, wenn man bedenkt, dass dieser quer wall
gewöhnlich wol noch niedriger gewesen sein wird als die
aussenwände, also beim zusammensinken sich noch weit eher
in der Umgebung verlieren konnte und somit heute für das
äuge nicht mehr deutlich wahrzunehmen ist. Vergegenwärtigt
man sich nämlich die rolle, die langraum und afhüs bei aus-
übung des religiösen cultes in an Wesenheit der opf er Versamm-
lung spielten, so erscheint es als notwendig, dass dieser quer-
wall eine gewisse höhe nicht überschritt, denn die im lang-
raum versammelte opfergemeinde musste die götterbilder im
afhüs sowie den tempelpriester während seiner Opferhandlungen
sehen können.
Für keine andere art von bauwerken auf Island lässt sich
ein derartiger querwall nachweisen, wenigstens nicht als regel.
Die teilung eines raumes in zwei oder mehrere kleinere räume
geschah vielmehr — dies gilt für den ganzen norden — stets
durch holzwände3) und zwar entweder durch eine holzwand
quer über den räum (Jweijüli) oder durch eine dicke Scheide-
wand (bälkr), die aus mehreren wagrecht übereinander gelegten
balken bestand und gewöhnlich bis zu den querbalken empor-
reichte, bisweilen aber auch niedriger war.4)
Es wäre vielleicht zu weit gegangen, wollte man schliessen,
dass notwendig 1) alle tempel oder 2) nur die tempel einen
türlosen querwall aufweisen. — Es könnte ja wol sein, dass
ein solcher hier und da, vielleicht infolge der örtlichen Ver-
hältnisse, auch bei andern gebäuden vorhanden gewesen ist,
dass er hingegen bei einzelnen tempeln in dieser form gefehlt
') S. unten C) m).
2) No. 1—12. 15. 17. 19. 20. 21. 24. 25. 32.
3) Uuöm. 94. 98; Brunn 87.
4) Guöm. 98—99.
DEB GBRMANI8CIIK i EMPEI
hat and etwa durch einen 'bälkr' ans holz ersetzt wurde, von
dem natürlich nichts mehr übrig ist. Sicherlich aber sind
diese beiden möglichkeiten, wenn überhaupt, so um ganz ver-
einzeil in die erscheinnng getreten, znmai die letzte, obgleich
sie zunächst für gegenden, wo treibholz zur Verfügung stand,
eine gewisse wahrscheinlichkeil für Bich hat Wir finden
diesen querwall auch bei tempelruinen, die in treibholzgegenden
liegen1)) während für die ruinen, die diese anläge entbehren
und doch als 'hoftöttir1 bezeichnet werden, kein treibholz in
betracht kommt.
Es isl gewiss kein zufall, dass die echtheil gerade
'hoftöttir', bei denen der querwall in der beschriebenen form
fehlt, fast ohne ausnähme auch anderweitig wenig gestützt]
vielmehr meisl direct discreditiert wird, dass dagegen alle die
ruinen, die durch sichere Überlieferung, endgültig noch durch
ausgrabungen als echt erkannl sind, diesen türlosen querwall
aufweisen.
Somit kann kein zweifei darüber herschen, das
türlose querwall, ganz nach art der aussenwände aufgeführt,
einen integrierenden bestandteil des isländischen tempelbaues
darstellt, und dass eine starke Skepsis gegen solche 'hoftöttir'
am platze ist, bei denen er fehlt oder türen besitzt.
Wie wolbegründet diese Skepsis ist, hat dieerfahrunj
einer ruine in Fljötshliö gelehrt, die lange für eine 'hoftöft'
galt, aber durch eine mittelwand mit türen zweigeteilt vi
Die genaue Untersuchung ergab nichl das geringste kriterium
der echtheit, vielmehr erwies sich der bau als alte fjärhüs-
ruine.3) Ganz analog erscheint eine als 'hoftoft' bezeichj
nicht ausgegrabene ruine in Eelludalr (A.), deren zwischenwalJ
ebenfalls mit türen versehen ist. eher eine rjos- oder hlööi
zu sein.4)
Das stärkste mistrauen ist ferner geboten bei folgenden
ruinen: ai Fjall ;i Sk. (no. 27), b) tfelkorkustadir (no
c) Hofstaöiri M.w. (no. 30). a)undb) halt Brynjulfur J6n£
für echte 'hoftottir*. Beide haben türen an der ein»
') y..\>. do. 9. 28. 41.
•i \ii. M,24 26 Arn
•> Ai
40 THÜMMEL
des mittel walles; der zweifei an ihrer echtlieit wird besonders
genährt durch einen vergleich der beiden risse mit dem riss
von Fljötshliö, wobei sich eine grosse, kaum zufällige älmlich-
keit mit dieser fjärhustöft ergibt. Aller Wahrscheinlichkeit
nach haben wir es auch in diesen beiden fällen mit fjärhus-
oder fjöstöftir zu tun, wie in Fljötshliö und Helludalr, jeden-
falls nicht mit tempelruinen. — Ebenso zeigt die ganze anläge
der ruine c), dass es sich hier nicht um den riss eines ursprüng-
lichen tempels handeln kann.
Aehnliche bedenken erheben sich gegen die echtlieit der
ruinen von Äsbjarnarstaöir (no. 29) und Ljösavatn (no. 31). Bei
beiden fehlt jede spur eines querwalles der oben beschriebenen
art. Während die erste mit einiger Wahrscheinlichkeit als un-
echt angesehen werden darf, fällt bei Ljösavatn, dem wohnort
des Goden porgeirr, eine dahingehende entscheidung schwer
bei der tatsache, dass porgeirr doch einen tempel gehabt
haben muss, und angesichts der übrigen ergebnisse bei der
Untersuchung durch D. Brunn. Er fand spuren einer Zwei-
teilung des raumes, die dann natürlich nur durch holz bewirkt
worden sein könnte, ferner reste alter feuerstätten und knocken
verschiedener tiere. Besonders bemerkenswert ist, dass die
vorhandenen köpfe zweier schafe und eines rind.es der länge
nach gespalten waren. Es erinnert dies an jene opfer- oder
votivfunde aus der älteren eisenzeit in den mooren von Jüt-
land , z. b. bei Lundtoft. *) — Entweder liegt hier der ganz
aussergewöhnliche fall vor, dass der querwall aus holz gewesen
ist — das material hätte man ja, sofern man es nicht aus
Norwegen bezog, allenfalls von dem treibholz an der küste
stromaufwärts herbeischaffen können-) — oder wir haben eben
in Wirklichkeit keine tempelruine vor uns.
Fassen wir die ergebnisse über die äussere form
des isländischen tempels zusammen, so ergibt sich als typische
grundform ein länglich-viereckiger bau, dessen inneres durch
einen türlosen querwall — ganz nach art der aussenwände
hergestellt, in der regel aber wol etwas niedriger als diese —
in zwei ungleich grosse räume geteilt wird: 1) langraum,
') S. Müller II 178.
2) S. karte 1.
DKH GERM \\is< in: i EMP1 i I 1
2) afhüs. Die ecken des baues sind nicht lern mehr
oder weniger stark abgerundet, and zwai sdieälti
tempel die stärkste eckenrundnng aufweisen, die entwicklung
aber immer mehr zur reinen rechteckform strebt, d
nichl ganz erreicht wird. Besonders stark ist zuweilen die
rundung an der giebelseite des afhüs, die sich mitunter der
halbkreisform nähert; in diesem, falle findet bisweilen zugleich
eine geringe verschmälerung des baues nach dieser Beite
hin statt.
In bezug auf diese äussere form repräsentieren die tempel
von Ljärskögar (einer der ältesten tempel: relativ stärkste
rundung der ecken, halbkreisähnliche form des afhüs, ver-
schmälerung nach dem afhüs hin) und Rütsstaöir (ein sehr
junger tempel: sehr regelmässiges rechteck mit ganz geringer
eckenrundung) die beiden pole, zwischen denen die grund-
formen der übrigen tempel schwanken. Ein zufall ftigl
'lies»- beiden pole der vorliegenden entwicklung in näcl
nachbarschafl bei einander liegen.1)
ihrer heutigen anläge nach scheinen Bich «-i n i tr» - ruinen
nicht in diesen rahmen einfügen zu lassen: < | i thliti (no. 12),
,;i Freysnes (no. 32), ,i Sseböl (no. 13), o*) Bofstadir i borsk.
(no. l h.
. | Die ruine in UthliÖ besteht heute aas 3 teilen: _ etwa \
geri< hteti d g< bänden ;i and b (a das kl< inere) and einem ö. au b .
qoadratformigen bau c mit Btark gerundeten ecken. Jeder bau
eigenen eingang, a im Bttden, b and c im aorden. Brynjülfur J<
richtet*), daa ii andc nicht darch eine, sondern durch zwei trennt
■ inst zwischen beiden ein - aum blieb; zw i
a uii'i en scheine dieselbe Zwischenwand vorauliegi
•Ii r einseinen rninenteile i-t verschieden versucht worden. Brjrnjälfui
-"ii selbsl hält c für den 'veizlusalr', I» für da«
t * ■ ii i j = * dann mit a nichts re< i .'
Kälnnd '» mit , dass man 'Ii'
alten tempelbau ansieht
den bis!
kaum ein ine aufzul
Brynjalfur Jon In nur dar« I.
• n und repi reu dt d alten I
1 1. Bi nun vi rmatel ')
karte i and •_'.
I XIL 1 ' Braun - L'
42 THÜMMEL
den langraum. Der bau c ist ein (vielleicht secundärer) besonderer bau in
geringem abstand vom tempel. — Diese auffassung wird bestätigt durch
einen antiquarischen bericht aus dem jähre 1817 *); der pfarrer von ÜthliÖ
betrachtet da offenbar nur die kleine längliche ruiue (a + b) als teinpel-
ruine, den quadratischen bau dagegen als 'domring'. Diese bemerkung legt
zugleich eine lösung der frage nach der art des baues c sehr nahe. Bei
dem erigen Zusammenhang zwischen tempel- und dingstätten2) hat in der
tat diese auffassung grosse Wahrscheinlichkeit für sich, zumal sie gestützt
wird durch diesen älteren bericht. — Es ist kaum zweifelhaft, dass wir hier
den alten tempelbau des aus der Njäla bekannten Goden Geirr vor uns haben.
ß) Die ruine von Freysnes weicht insofern von der typischen anläge
ab, als der langraum selbst wider durch eine relativ sehr schmale Zwischen-
wand zweigeteilt ist, die in der mitte türen hat. Bei der Unsicherheit,
mit der wir der frage nach der echtheit dieser ruine gegenüberstehen, ist
es nicht angängig zu entscheiden, ob hier eine abweichung vom typus oder
eine secundäre anläge oder überhaupt kein alter tempel vorliegt.
y) und 6) erwecken ganz besonderes interesse, weil sie wegen ihrer
abweichenden anläge eine so eigenartige Sonderstellung einnehmen, dass im
anfang wol zweifei über ihre echtheit aufkommen müssen. Die erste (y)
ist von SigurÖur Vigfüsson genauer untersucht worden, während die zweite
(6) bei Kälund lediglich ihrer anläge nach kurz beschrieben ist [doch
weisen beide ruinen in allem eine derartige Übereinstimmung auf, dass über
ihre enge Zusammengehörigkeit kein zweifei bestehen kann]. Bei diesen
beiden tempelruinen liegt der eigenartige fall vor, dass die beiden räume
des tempelinnern als zwei selbständige gebäude nebeneinander bestehen:
1) der eigentliche tempelbau (das sonstige afhüs) liegt in der mitte einer
einhegung, 2) dicht dabei der 'veizluskäli'.
y) In Ssebol fand SigurÖur Vigfüsson 1882 eine sehr grosse länglich-
viereckige ruine, in geringem abstand (3,5 in) davon, parallel zu den lang-
seiten, eine quadratische einhegung, in deren mitte wider konzentrisch eine
zweite, ziemlich kleine ruine von annähernd quadratischer form. 3) Auf grund
von grabungen im fussboden beider gebäude sprach Vigfüsson die ansieht
aus, dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach das eingehegte 'hof und der
'veizluskäli' jenes porgrimr Freysgoöi gefunden seien, der in der Gislas.
Sürss. widerholt erwähnt wird. — Weitere forschungen im jähre 1888 4)
erhöhten die Wahrscheinlichkeit dieser annähme; namentlich stellte sich
dabei heraus, dass sich für diese beiden ruinen in der tat die bezeichnungen
'hof und 'skäli' eine reihe von geschlechtern zurückverfolgen lassen.
Auf grund dieser ergebnisse kann kaum mehr ein zweifei darüber
walten, dass hier eine echte tempelanlage vorliegt, umsomehr als eben
dieser ort wirklich einst tempelstätte und zwar der ort für den haupttempel
im Godord des porgrimr Freysgoöi gewesen ist, wenn auch der tempel
selbst in der saga nicht genannt wird.
!) Kai. 1 168, not. 1.
2) S. unten II. B) g). 3) S. karte 2.
4) Arb. '92, 133 ff.
DER GERMANISCHE TEMPI i.
<») Die tempelrnine in Hofstaöir i porsh /■
sprechende anläge: in <I.t nähe des gehöfta liegt ein runder flacher I
der den charakteristischen namen 'Hofhöll trägl and snf seinem
offenhar einst von einer kreisförmigen einhegnng nmgeben war. lütten
in diesem sann liegt eine länglich-viereckige rnine. Am I
mit einem giehel nach ihm hingewant, liegt parallel za jener eine zu
grössere länglich-viereckige rnine; « l i * * — ■ -"11 einst der 'veizlnskali
sein. I>i" charakteristische httgellage der rnine, 'li.' Ortsnamen, -li.- dem
tempel von Sseböl so ähnliche anläge and .li" tatsache, d
wirklich einst tempelstätte gewesen i-t, machen es höchst wahrscheinlich,
ja sich, r . rlass hier <li'' rainen jenes tempels gefunden sind, den einst
Ballr, der erste bewohner dieses gehöftes, hier errichtete (Gnllp
Kaurer b, 12).
Aller wahrscheinlichkeil nach i-t diese eigi nartige anlaf tnf an-
gleichzeitige entstehang znrückzaführen, and zwar ist das afhüs entschieden
das primäre. Ein langraum ohne afhüs erscheint völlig zwecklos, das um-
gekehrte dagegen Behr wol verständlich.
Es sind verschiedene versuche gemacht worden, eine
1 für die läge des afhüs zum langraum zu construieren.
Raubte Nicolaysen1) im anschluss an seine annähme von
der 0. — W-richtung der tempel, d;iss das afhus -t «t s deD ö.
teil des ganzen gebäudes gebildet habe; doch fällt die berech-
tigung dieser ansieht schon durch die tatsache, dass eine < >. W.-
richtung der tempel nicht als rege] betrachtet werden darf.')
Siguröur Vigfusson3) wider meinte, das afhüs habe in der
', zur rechten des häuptlings gelegen, welcher im hochsitz
des langraumes sa>s; er deutet nämlich das 'innar' der Eb.4)
in diesem sinn»- — entschieden irrtümlich; denn offenkundig
bezeichnet dieses wort ebenso wie Bein positiv 'uro' Btets eine
bewegung vom haupteingang hinweg5), wie umgekehrt ' üt.u '
= mich der tttr hin. 'ütarliga' uaheandertttr bedeutet*)
I »rr irrtum in Vigfussons meinung zeigt Bich auch bei betrach-
tung einiger tempelruinen, wie Bersatunga (no.'
(no.9), Bof i Vapn. (no. 1 1 >, 8andl83kr (no, 21 . Fn
hei denen da- afhüs sicher link- von dem im hochsitz Bitzenden
Bist Tidsskr. 410.
') All.. -M.- 10
mit. n II. t .
•i VgLQufim.88; L mos, Priöpj -
, Larzson, ebda, n, no1 .
1 I THÜMMEL
gelegen hat, da doch der hochsitz gewiss nie auf der langseite
gestanden hat, in welcher der haupteingang lag.
Eine gesammtbetrachtung der tempelruinen ergibt folgendes
für die läge des afhüs (soweit sich hierüber angaben in den
berichten finden):
a) im 0. bei den ruinen 110. 2. 3. 4. 9. 15. 21 (32); — b) im W. bei
no.7. 8; — c) im S. bei no. 12. 20; — d) im N. bei no. 5. 23.
Diese Zusammenstellung zeigt, dass die ostlage nicht einmal
bei den ruinen durchgeführt erscheint, welche die 0. — W.-rich-
tung besitzen.1) Das relativ vorhersehende auftreten der ostlage
ist — ganz wie dies schon von der O.—W.-richtung der ruinen
galt ■ — entweder zufall oder vielleicht ein argument für das
einstige bestehen eines solchen brauches in ältester zeit.2) —
Eine allgemeine regel lässt sich auch hier wider nicht auf-
stellen; in erster linie waren eben, zumal bei der hügellage
der tempel, die örtlichen Verhältnisse ausschlaggebend.
Eine besondere regel für die läge des afhüs scheint dagegen
in den fällen befolgt worden zu sein, wo der tempel nicht auf
ebener grundfläche stand. Nicht immer wird ein berg, hügel
oder abhang, die man ja gern als tempelstätte wählte3), einen
ebenen platz geboten haben, auf dem der tempel erbaut werden
konnte. Häufig wird der tempel auf schiefer ebene errichtet
worden sein. Es scheint nun, als ob in diesem falle das afhüs
gewöhnlich den oberen teil des ganzen baues gebildet hat.
Eine derartige läge findet sich wenigstens bei den ruinen
no. 1. 2. 4. 6. 11. 5, und im letzten falle berichtet Siguröur
Vigfüsson, dass er die erhöhte läge des afhüs widerholt beob-
achtet habe; für die umgekehrte läge auf schiefer ebene da-
gegen wird in den berichten kein fall erwähnt. — Die läge
des afhüs am oberen ende erscheint auch sehr zweckmässig,
da auf diese weise die opferversammlung die Vorgänge im
afhüs sehr gut verfolgen konnte.
g) Grössen Verhältnisse. Wirklich zuverlässige angaben
über die grosse der alten tempel können nur die ruinen liefern,
deren Untergrund genügend ausgegraben ist, um die äusseren
umrisse deutlich erkennen zu lassen. Die scheinbare aus-
dehnung der zusammengesunkenen, grasüberwucherten ruinen
J) S. s. 26. 2) S. s. 27. 3) S. s. 22.
DKB GEBMANISCHE TEMPEL. 45
täuscht mitunter; in der rege] erweisen sie Bich, Bobald die
grundsteine gefunden Bind, grösser als sie vorher schienen, da
die wände beim zusammenfallen nach innen stürzen. Das
beweisen zahlreiche Irrtümer, die ersl durch genauere grabungen
richtig gestellt wurden. So erwies Bich die raine zu Lundr
etwa 4m länger als man vorher vermutet hatte1); aus eben
diesem gründe gibt Eälund widerholt erheblich kleinere n
für die ausdehnung als Vigfusson nach der ausgrabung (z. b.
bei no. 1 u. a.).
In der folgenden Übersicht über die masse einzelner tempel-
ruinen sind deshalb in erster linie die in den Ärb.. vereinzelt
auch die in Brunns werk gemachten angaben über ausgegrabene
ruinen zu gründe gelegt, im ersten lalle ohne besonderen
verweis. Eälunds angaben sind nur in den wenigen fällen
herangezogen, in denen die andern quellen versagen; in solchem
falle liegt daher immer die möglichkeit nahe, dass die werte
zu klein angegeben sind.
Die zahlen sind sämmtlich auf das meter bezogen (in
parenthese die anzahl der dänischen fuss) und als aussenm
zu verstehen. — In der gesammten anordnung ist die >. 6 ff.
aufgestellte tabelle zu gründe gelegt
= langranm + afhüs
gesainiiitr lange
iy- bifl zur mit •
querwalls)
bn
1)
;l
1. Iiyiill
17,9 (57)
L2,6 L7 1
• 17)
'J. Lj&nkögar
27,6 (88)
10,7 (64
il) (ah der
br.it.
::. RütsstaSir
(60)
L0,4
4. Seljaland
24,2
19,5
.*> I.uiiilr
22,6 (72)
14,1
6. BöfW
19,8 (63
11.::
b)
7. !;• rsatnnga
it.::
>) AT.
46
THUMMEL
gesammte länge
= langraum + afhüs
(je bis zur mitte des
querwalls)
breite
8. Hof ä R.
9. Hofteigr
15 (48)
42 (135)
grösste länge
9,7 4-5,3 (31 + 17)
32 + 10 (103 + 32)
.5,6 (18)
10,7 (34)
10. Aöalbol1)
11. Hof i Väpn.
12. Üthliö (Brunn)
[12,6 (40)]
37,7 (120)
22 (70)
25,1 + 12,6 (80 + 40)
ca. 10,7 (34)
10 (32)
c)
13. Steböl
14. HofstaÖir i ]>.
(Kai.)
a) hof: 7,1 (22,5)
/?)hofgarÖr:14(45)
y) skäli: 30,8 (98)
ß) 7,5 (24)
ß) durchm. 18 (60)
y) 18,8 (60)
«)6,6 (21)
ß) 14 (45)
7) 12 (38)
a) 4,7 (15)
/?)durchm. 18(60)
y)5 (16)
2)
a)
15. BrüsastaÖir
19. Hof i Dyr.
20. Hofstaöir i Bl.
18,8 (60)
10,7 (34)
20,7 (66)
30,1 (96)
14,1 + 4,7 (45 + 15)
4,7 + 62) (15 + 19)
17,9 [9,4 + 8,5] + 12,2
([30 +27] + 39)
14,1 (45)
4 (12,5)
9 (28—30)
32. Freysnes
7,2 (23)
Der Vollständigkeit halber seien schon hier (nächste seite
oben) die masse jener ruinen angefügt, die als einstige 'hcrgar'
in frage kommen.
Es war von vornherein anzunehmen, dass die ausdehimng
der einzelnen tempel eine sehr verschiedene gewesen ist; in
jedem einzelnen falle galt es, den localen bedürfnissen rechnnng
zu tragen. Diese erwartnng wird auch durch die vorstehenden
J) Sehr undeutlich.
2) Der einzige fall, wo das aflms grösser erscheint als der langraum.
DEN GKUMANISCHK l 1 Ml'KI,.
i;
- lai ■
gesammte län
(je iiis zur mitte des
ijiHiw.iINi
breite
68
Hörgsholl
5,3 (17.
i.c,
69.
Ytri-Fagradalr
ca. 11,3 (86)
durchmesst t
70.
[ Ilvaimiir)
9,4 (30)
durchmesse!
71.
Bringholl
inhegung:
28 (90)
ß) bau: !'. 1 (30)
ß) ? [schmal]
72.
Hürgsdalr
13,2 (42)
7.!i - 17)
to
(innenmasse):
9,7 (31)
6,3 3,4 (20
zahlen bestätigt. — Gleichzeitig wird man aber auch ver-
muten dürfen, dasa jene haupttempel, welche ja öffentlichen
zwecken dienten, im allgemeinen grösser gewesen seien als
die privattempel, die für einen ?iel beschränkteren kreis be-
rechnet waren nicht so. als ob jene tempel gleich bei der
ansiedehm- des betreffenden besitzers ans dem gründe grö
eingerichtet wurden, weil sie als haupttempel dienen Bollten
(die einrichtung der haupttempel erfolgte ja 61*81 am Bchluss
der besiedelungsperiode), doch werden wo! diejenigen männer,
welche so mächtig und angesehen waren, di
langen, in der rege! auch einen tempel besessen oder dann
wenigstens eingerichtet haben, der den anforderungen an einen
haupttempel genügte, Es erscheint deshalb zweckmässig, die
vorliegenden grössenverhältnisse unter d richtspunkte
zu betrachten. Soweit es möglich ist, die einzelnen tempel
nach ihrem privaten oder öffentlichen Charakter zu trennen,
und soweit ihre masse zuverli Ibt sich
Märende
48
THUMMEL
hau
pttempel
privattempel
a) länge :
breite
b) afhüs-
länge
a)
b)
2. Ljärskogar
27,6 : 14
10,7
1. pyrill
17,9 : 5,3
5,3
9. Hofteigr
12 : 10,7
10
3. Rütsstaöir
18,8 : 6,3
8,4
11. Hof i Vapn.
37,7 : 10,7
12,6!
7. Bersatunga
11,3 : 7,5
ca. 4
12. Üthliö
24,5 : 10
13. Ssebol1)
38 : ?
7,1
23 Hof i Vd.2)
31 : ?
Diese Zusammenstellung bestätigt trotz ihres geringen
umfangs die ausgesprochene erwartung. Während die vor-
stehenden haupttempel eine durchschnittliche länge von ca.
30 m aufweisen, ergibt sich für die nebenverzeichneten privat-
tempel eine solche von nur 15 m. Man ist daher aus all-
gemeinen erwägungen wie nach dem ergebnis dieses wenn
auch geringen statistischen materials zur aufstellung der regel
berechtigt, dass im allgemeinen die haupttempel erheblich
grösser gewesen sind als die privattempel. — Natürlich haben
auch ausnahmen von dieser regel bestanden. Es hat selbst-
verständlich erheblich kleinere haupttempel, andererseits er-
heblich grössere privattempel gegeben als die vorstehenden
betreffenden durchschnitte. Dafür spricht auch die vorhin
gegebene gesammtübersicht, in der widerholt tempel mit einer
zwischen 15 m und 30 m liegenden längsausdehnung auftreten.
In erster Knie haben eben immer die besonderen localen Ver-
hältnisse den ausschlag für die grosse des tempels gegeben.
Im allgemeinen haben diese aber im sinne der ausgesprochenen
regel gewirkt.
Ueberblicken wir ganz allgemein, d. h. abgesehen von dem
eben erörterten artenunterschied,, die grossen Verhältnisse der
einzelnen ruinen, so ergibt sich: a) eine durchschnittliche länge
von 16—22 m. In sehr erheblicher weise überschritten wird
J) Die beiden getrennten gebäude sind als nebeneinander stehend
gedacht. '-') S. unten II. 1).
DEB GERMANISt HE I KMPEL. 19
dieses inass von den beiden ruinen Hofteigr und Hol i Väpn
izwei haupttempel!); auf der andern seite bleibt eine ruine
stark anter diesem durchschnitt: Bersatunga1) (privattempel!);
b) eine durchschnittliche breite von 8 m.
Für durchschnittliche grössenverhältnisse beträgl die
breite etwa ein drittel der gesammten tempellänge, in der
regel etwas mehr. Für aussergewöhuliche Längenmasse kann
diese regel nicht in betracht kommen, da man (Wr breite eine
gewisse, aus bautechnischen gründen gebotene grenze i gezogen
hat, die länge aber beliebig wachsen kann.
Wenden wir uns nun an der liand unserer masstabelle
einer gesonderten betrachtung der beiden tempelräüme zu:
1) Das afhüs. Aus der übersichi über die grössenverhält-
nisse heutiger ruinen geht deutlich hervor, dass jener räum,
in dem die altäre und götterbilder standen und der tempel-
priester die heiligen Opferhandlungen vollzog-, kleiner gewesen
ist als der zur abhaltung der opferschmäuse bestimmte lang-
raum. Diese tatsache erscheint schon durch den namen an-
gedeutel und auch durchaus natürlich bei der specifischen
bestimmung des einzelnen raumes. I>as afhüs isl somil Inder
regel kürzer als die halbe tempellänge. Nur in einem einzigen
falle (110. 19) scheint dies nicht durchgeführt. Während näm-
lich hier das afhüs völlig den durchschnittlichen Verhältnissen
entspricht, ist der langraum ca. ■'• i m kürzer, besitzt also eine
relativ recht geringe ausdehnung; es ist denn auch der kürzeste
der in der tabelle verzeichneten tempel. Vielleicht würde eine
genaue grabung nach dem fundaraent dieser nicht näher unter-
suchten ruine eine modification ihrer masse ergeben.
In den meisten fällen ergibt sich rnr das afhüs eine li
die etwas grösser ist als ein drittel der gesammten tempel-
länge. Da wir das gleiche mass schon für die breite des
tempela feststellten, so folgt, dass das afhüs in der
Quadratähnliche tonn annimmt Dies lässt sich denn auch bei
fasl allen ruinen beobachten, deren afhnslänge näher bestimmt
') abgesehen ron der noch kleiner erscheinenden, aber nicht .
nntersachten rnine no. 19 (die in wirklichkeil vielleicht <■<
rgl, ■. l.">).
•, \. faeeon 4rb. 98 7 Nl olejten, HistTidsiki 4 1 *j i
r.citi«^e im getchicbi LXV. ,
50
THUMMEL
ist. Sehr rein finden wir diese form des afhüs bei den riünen
no. 1. 5. 8. 9. 13, weniger genau bei 3. 4. 6. 11. 12. 17.1)
Die grosse des afhüs bei den einzelnen tempelruinen zeigt
keine sehr erheblichen massunterschiede. Seiner ganzen eigen-
art nach wird dieser räum eine einigermassen constante aus-
dehnung besessen haben; denn der umfang der durch den
goden vorgenommenen Opferhandlungen wechselte an den ein-
zelnen tempelstätten im allgemeinen kaum derartig stark, dass
grosse unterschiede dadurch bedingt waren. — Aus der Zu-
sammenstellung auf s. 48 geht hervor, dass das afhüs der dort
verzeichneten haupttempel die relativ grössten masse aufweist,
während bei den privattempeln das relativ kleinste mass ver-
treten ist, ein unterschied, der dadurch begründet erscheint, dass
im allgemeinen die opferhandlungen in haupttempeln in etwas
grösserem stile vorgenommen wurden als in privattempeln.
2) Der langraum. Seine grosse wechselt bei den ver-
schiedenen tempelruinen in ziemlich freier weise; sie ist immer
bedingt durch die anzahl der tempelbesucher.
Die ziemlich beträchtlichen aussenmasse verlieren insofern
stark an praktischer bedeutung, als ihnen gegenüber die für
die raumverhältnisse ausschlaggebenden innenmasse infolge der
erheblichen dicke der mauern2) einigermassen reduciert er-
scheinen. Besonders bemerkbar macht sich dies bei kleineren
tempeln, da die mauerdicke bei geringerer ausdehnung nicht ent-
sprechend abnimmt, sondern ungefähr constant ist. Soweit sich aus
den berichten die innenmasse feststellen lassen, sind es folgende:
110.
a) gesammte
länge (incl.
tiiienvall)
= langraum
+ afhüs (je
bis zur mitte
des
querwalls)
b) breite
a)
b)
1.
[15 m]
[11,2 + 3,8]
[2,3]
7.
[6,8]
t [4,5]
2.
24,2
15,2 + 9
12
8.
[10,5]
[7,4 + 3,1]
[2,6]
3.
16.2
9,1 + 7,1
3,7
9.
[35]
[28,5 + 6,5]
[7,7]
5.
19,4
12,5 + 6,9
5
11.
[33,2]
[22,8+10,4]
[7,7]
6.
15
[ohne querw.J
8,8 + 6,3
6,7
49.
7,5
5,6
') S. die vorhandenen risse.
a) S. s. 31.
DEB GERM INI8CHE i BMPEL. 51
In Eingänge. Die untersuchten tempelruinen bähen alle
ohne ausnähme zwei eingänge, und zwar bat jeder der beiden
tempelräume seinen besonderen eingang, da der querwall im
innerD des tempels charakteristischerweise nie eine tttr auf-
weist und somil beide räume völlig von einander trennt
Siguröur \ igfüsson vermutet zwar an der ruine von Ljärskl
noch eine dritte, wenn auch kleinere tür im
raumes und erklärt ihr Vorhandensein aus dei
baues1); wahrscheinlich aber ist die betreffende Öffnung in der
mauer, wie es auch den anschein hat, vom wasser ausgewaschen
und nicht eine alte tür. Selbst bei weit >n ruinen sind
bloss zwei eingänge da.
Mit Sicherheit festzustellen ist die läge >\<r beiden eing
nur noch bei den ruinen no. 1. 2. •">. ."». 6. 7. 9. 11. L2 (nicht
recht deutlich). r>. L9. 32.
Dil läge der beiden türen kann nun zweierlei art Bein:
1) Beide türen in einer der beiden langwände: im. l. 6.
7. 9. 11. L5. L9. 32. — lud keiner ruine fanden sich die türen
auf verschiedenen Seiten, stets in »du und derselben langwand.
Die läge in einer der beiden langwände kann widerum eine
doppelte sein: a) jede in der nähe der giebelecke des betref-
fenden raumes — also ganz entsprechend der beschreibung
de> tempels von Eofstaöir a" p. (no.37) in der Eb.: 'a* blii
ginum um r oörum endanum' — eine von beiden wol auch in
der giebelecke selbst (no. 1. 9. 11». in Eine von beiden
mitunter in nächster nähe des querwalls (no. 6. 7. 15. l"
dasselbe auch bei 8 und 21, wo diese Lue drr einen tttr noch
zu erkennen «rar).
2) Mine der beiden türen in der mitte einer giebelwand
(also direel gegenüber dem inneren querwall), die ander«
einer langwand in nächster nähe des andern giebels. a) Bei
den ruinen 3. 5. 12 ist die tür des langraumes in der mitte
von dessen giebelwand, die afhüs-tür in einer langwand gleich
beim afhüs-giebel (das gleiche wo) auch bei der ruine -
an der man nur noch undeutlich die tür des langraumes
stellen konnte). b) Bei der ruine no. 2 ist das tiend
umgekehrte der Call.
52 THÜMMEL
Niemals liegen die beiden eingänge einander gegenüber,
d. h. weder sind a) beide türen in der mitte der giebelwände,
noch ß) beide in verschiedenen langwänden. Die Vermeidung
dieser anläge hat wahrscheinlich ihre Ursache in der prak-
tischen erwägung, starken luftzug zu verhindern, der zumal
bei der erhöhten läge der tempel gewiss oft störend ge-
wirkt hätte.
i) Tempelzaun. An alten tempelstätten begegnen wider-
holt raseneinhegungen, welche die heutigen tempelruinen um-
geben bez. einst den tempel umschlossen haben sollen und in
derselben weise aufgeführt sind wie die mauern des tempel-
baus selbst. Ganz deutlich zeigt sich dieser tempelzaun bei
den beiden ruinen in Ssebol (no. 13) und Hofstaöir i p. (no. 14).
Bei beiden" ist, wie wir sahen '). der eigentliche tempelbau von
einem zäun umgeben, der in Sa?böl die ruine concentrisch
umschliesst, also gleich dieser quadratische form aufweist,
während er in Hofstaöir i p. nach Kälunds bericht kreisförmig
den länglich - viereckigen bau umgibt. Mit Sicherheit ist ein
solcher zäun ferner noch festzustellen bei den ruinen in Höföi
(no.6; viereckig)2), Hofstaöir i Bl. (no. 20: offenbar viereckig)3),
Hof i Yd. (no. 23; sehr dick, kreisförmig)4), Hof i Sv. (no. 41;
kreisförmig)5), Hof ä Sk. (no. 50; kreisrund)0), mit grosser
Wahrscheinlichkeit auch noch in Hofstaöir auf pörsnes (no. 37;
viereckig)7), Melstaör (no. 49; kreisförmig) s), Störi - Langidalr
(no. 55; kreisförmig)9); die gleiche Überlieferung knüpft sich an
zaunruinen in Knappstaöir (no.39)Ul) und Hofgaröar (no. 47). ")
Der tempelzaun zeigt also teils kreisform, teils wie der
tempelbau selbst die rechteck- bez. quadratform, doch muss
auch hier bemerkt werden, dass die kreisähnliche form sehr
wol mitunter nur eine scheinbare, in Wirklichkeit viereckige
sein kann.12) Diese Vermutung wird wider bestätigt, dadurch
') S. s.42. 43.
2) Kai. I 577.
a) Ebda. II 76. s) Ärb. '92, 122. '95, 4.
5) Kai. II 99. G) Ebda. 56.
7) Ärb. '82, 96 (s. zeiclmimg), Käl. I 437.
8) Ärb. '95, 13. 9) '97, 14.
10) Käl. 1411. ") Ebda. II 89.
12) Vgl. s. 34.
DEH GERMANISCHE 1 IM II l.
dass Kälund den auf pörsnes erhaltenen zaunresl als halbkreis-
förmig bezeichnet, während nach der Zeichnung in der Ärb.
kein zweifei über seine einstige rechteckform Bein kann.
Die jeweilige grosse des bempelzaunes Ist natürlich in
erster linie bedingt dnrch die gri betreffenden tempels,
in zweiter linie durch den abstand von diesem, der sich nur
zum teil nach der grosse des tempels gerichtel haben, viel-
mehr einigermassen constant gewesen sein wird. Leider finden
sich in den berichten nur sehr spärliche angaben äbi r diesen
punkt. Mit den angaben, dass die kreisförmige zaunruine in
Bielstaör (no. 49) einen dnrchmesser von 37,6 m, der halbkreis-
förmige rest in Störi-Langidalr (no. 55) einen solchen von 12 m
hat. ist wenig anzufangen. Genaueres erschliessen lü^st sich
ans Siguröur Vigfussons bericht über die tempelanlage in
Saeböl (no. L3) und wol auch aus Kälunds angaben aber die
ruineii in Hofstaöir i p. (no.14), Hut i 8v. (no.41) und Hof ä
Sk. ino. 50). — In Saeböl beträgt die äussere Länge j<'d-r
teinnelmauer 7 in, die äussere länge jeder zaunseite 1 1 m,
folglich der abstand zwischen entsprechenden aussenseiten des
tempels und des zaunes 3,5 m.1) Bei der ruine in Hofstaöir
i |'. ergibl >i<h ein senkrechter abstand: a) von ca. 6,2 m
zwischen zäun und längsseite des tempels, b) von ca. i.> in
zwischen zäun und giebelseite2), in Hof i Sv. und Hof a Sk.
endlich ein abstand von 1.7 m8) 1>"Z. •". , in.1)
I in- abstand zwischen >U-r aussenseite des zaunes und
einer Langwand des tempels mag also im allgemeinen rund
I ra betragen haben, bei kleinen tempeln etwas weniger, bei
grossen etwas mehr, der abstand zwischen äusserer tempel-
wand nnd innerer zaunseite also 3- - I m.
hie heutige höhe des natürlich stark zusammengesunkenen
zaunes in Hofstaöir auf pörsnes (no.37) I -70 cm,
-.•ine breite knapp l m. i Die gleiche zaundicke scheint sich
in Hofstaöir i b. (no.14) zu ergeben bei einem vergleich zwischen
- oben b. 16 and kei l
-i KlL I 520, -. oben - 4»;.
I Ebda, il 99
4i Naen einer angäbe von 1821, vgl. K;d. r
») KU. I 187.
54 THÜMMBL
der angäbe Brynjülfur Jönssons für den äusseren durchmesser
des zaunes1) und Kälunds massangabe, die sich offenbar auf
den inneren durchmesser bezieht.2)
Ganz besonderes interesse erwecken die reste der ein-
friedigung in Hofstaöir auf pörsnes, die aller Wahrscheinlich-
keit nach einst den tempel des pörölfr Mostrarskegg umgeben
hat.3) — Von dem einst viereckigen zäun ist nur noch eine
grosse ecke erhalten, genannt iiofgarör' oder 'hof und zwar
ist jeder Schenkel des so erhaltenen winkeis 24 m lang. Wäre
dieser rest gerade die hälfte des einstigen ganzen, so wäre
der alte tempelzaun ein quadrat mit einer seitenlange von
24 m gewesen. Dem würde eine tempellänge von etwa 16 m
entsprechen, wenn wir im sinne der vorigen ergebnisse an
tempelruinen als durchschnittlichen abstand des tempelzaunes
von der langseite des lieiligtums 4 m zu gründe legen. Ueber
die breite lässt sich in diesem falle keine Vermutung mit Sicher-
heit aufstellen; nur das eine lässt sich sagen, dass der bau
rechteckig, nicht quadratisch gewesen ist, wie wir oben sahen.1)
— Aller Wahrscheinlichkeit nach ist jedoch die erhaltene zaun-
ecke nicht zufällig die genaue hälfte, sondern der kleinere teil
der alten einhegung. Der ursprüngliche tempelzaun und somit
auch der tempel des pörolfr Mostrarskegg ist also vermutlich
erheblich grösser gewesen als eben unter jener wenig wahr-
scheinlichen Voraussetzung berechnet. Bei diesen grössen-
verhältnissen würde er seinen zweck als haupttempel in einem
dichtbevölkerten godord schwerlich erfüllt haben. Die tabelle
über die masse der tempelruinen"') zeigt, dass er so beträcht-
lich unter der durchschnittslänge bliebe; auffallend klein würde
er namentlich gegenüber den ruinen anderer alter haupttempel
erscheinen, auch wrürden diese grössenverhältnisse schwerlich
der Eb. entsprechen, die den tempel als 'mikit Ms' bezeichnet.6)
Eine andere auffassung dieser ruine ist aber nicht möglich:
die annähme etwa, dass wir hier nur den eigentlichen tempel-
») Arb. '99, 17.
*) Kai. I 520.
3) Ärb. '82,96 (s. Zeichnung); Kai. I 437; Safn II 286; vgl. s.63.
4) S. s. 34 f.
5) S. s. 45 f. 6) S. s. 63.
DBB GEBMANI8I BE ihMii.i..
räum (afhüs) mit zäun, also eine ähnliche anläge wie in Sa
und Hofstaöir i |\ vor uns haben, ist abzuweisen, da sie dem
berichl der Eb. völlig zuwiderlaufen würde. Ebenso un-
begründet ist es, die ruine nicht für i zaunes, sondern
des tempels Belbst zu halten1), obgleich diese deutung eine
scheinbare stütze darin findet, dass neben 'hofgarör' auch der
name 'hof ' an diesen ort geknüpf! ist.2) Eine breite von -\ m
isl an alten nordischen, zumal alter an Isländischen bauten
sicher nie vorgekommen; gegen die annähme sprichl auch
die relativ geringe dickt- der mauern3) sowie die ei •
dass sich schwerlich der name 'hofgarör' an die eigentliche
tempelruine geknüpft hätte. Die bezeichnung 'hof dagi
isl sicherlich ursprünglich auf die gesammte tempelanlage
bezogen.
k) Blötkelda, blötsteinn und bollasteinn.
a) Blötkelda. Vereinzelt begegnel der bemerkenswerte
name einer 'Blötkelda', über «leren Charakter in späterem zu-
sammenhange gehandeil werden soll.4) I) In Hot ä K'.i. in
liegl gleich südlich vom Goöhöll, auf dem einst der tempel
gestanden haben soll, ein sumpf "der eine Wasserlache; sie
wird als jene blötkelda bezeichnet, in welche der saga nach
die zum opt'er bestimmten menschen gestürzl wurden. -i Beide
namen erwähnt bereits Arni Magnüsson.6) 2) In Hofteigr qo.9)
Siessl ein kleiner bach, der von jeher Blötkelda heisst, in einer
entfernung von L50 200m an der tempelruine vorbei. Diesen
tatbestand scheint schon der antiquarische bericht von 1821
zu verzeichnen.7) 8) Vor dem eingang zum langraum
tempelruine von Ljarskögar (no.2) ist eine grübe 'blötkelda',
stark zusammengesunken und heute ohne wasser.*) [) Eine
blötkelda zeigl man auch bei der ruine von pvera (no.
es wird aber nicht berichtet, von weh her beschaffenheil
hier ist |
•i Vgl. Kai I i:;7. Dot •_'
-. 81. 0 S. (« 64 and) mit' it il. B
I \ri. '81,68 B IL l 56 9 ifn II W7
gl. KU. II 108,
BS - K&l. II -
| \r. '81,79 • l- II i-l
56 THÜMMEL
Eine blötkelda vermutet Siguröur Vigfüsson !) endlich auch
5) bei der ruine in Hof i Väpn. (no. 11). Es ist dies ein
künstlich geschaffener tiefer brunnen, der noch heute wasser
enthält. Er liegt am oberen ende des afhüs (die ruine liegt
den hügel hinauf, mit dem afhus nach oben). — In denselben
rahmen müsste dann auch 6) der brunnen gehören, der sich
gleich vor der tür der ruine in Brusastaöir (no. 15) befindet.2)
ß) Blötsteinn. 1) Der J?örssteinn am ]?6rsnessJ>ing.3) —
Ausser diesem aus der Eb. bekannten kennt die tradition auf
Island opfersteine, denen die gleiche bestimmung zugeschrieben
wird, noch bei folgenden gehöften: 2) Hof (A.)4) (no. 52): an
der dort liegenden dingst ätte des alten Araess]?ing5), direct
am Büöafoss; auf diesen stein seien die zum opfer bestimmten
vom steilen ufer herabgestürzt worden, dann habe sie der
Wasserfall verschlungen. — 3) Lundr6) (no.5): ca. 6 m von der
tür des tempellangraumes entfernt, ziemlich gross, scharf-
kantig. — 4) Steinsstaöir7) (no. 59): vor der einen giebelwand
des alten tempels. — 5) Hof i Hj.*) (no. 24). — 6) Sseböl»)
(no. 13): vor der tür des tempels, innnerhalb des hofgarör, ein
grosser stein. — 7) Melstaör10) (no. 49): in der nähe der tempel-
stätte, 1,85 m hoch, 1,55 m dick. — 8) Bersatunga J ') (no. 7):
unten am tempelhügel, vor dem stein eine spitze steinkante in
gleicher höhe. — 9) Joingskälar * -), in der nähe von Hof a K,
(no. 8): der opf erstem in der nähe des domhringr.
Sämmtliche 'blötsteinar' liegen also in der nähe alter
tempelstätten, in unmittelbarer nähe (3 — 8) oder von ihr ent-
fernt (1. 2. 9), im letzten falle dann an der dingstätte.
/) Bollasteinn. Andrer art als die oben erwähnten 'blöt-
steinar sind die oft mit dem gleichen namen bezeichneten
steine, in deren Oberfläche napfartige Vertiefungen eingehauen
£) Arb. (93, 56. a) Arb. '81, 22.
3) S. unten II. B) g).
*) Käl. 1 196—97: Maurer, Genn. X 492.
5) S. plan in der Arb. '94.
6) Käl. I 311. 7) Ebda. II 6.
s) Ebda. II 81.
9) Ärb. '85, 23. lt>) '95, 13.
") '97, 15, s. riss.
I2) '98, 13; Maurer, Germ. X 192.
DKK GERM WIM HE I KMIM'.I..
sind. Sie erscheinen ziemlich häufig auf feland1) und werden
widerholl mit dem alten tempel in Verbindung gebracht, so in
hyi-iir-) (no.l), Brusastaöir3) (no.15). Ölfusvatn4) (no. 34) und
nhli(V') (no. 12). Diese vier steine sind wie die meisten andern
dieser arl 20 60 cm hoch, 50 -80 cm lang and breit, die Ver-
tiefung in ihnen ist l — 2 fauste gross and 6— 12 cm tief; ganz
besonders gross sind stein und bolli in Öthliö.
Es isl höchst zweifelhaft, ob solche Bteine jemals im tempel
gestanden haben und da als hlautbollar benutzt worden Bind,
vielmehr spricht das zeugnis der sagas, wonach der hlautbolli
auf dem altar liegen bez. stehen sollte, bei der grosse d
steinblöcke dagegen; es müsste denn sein, dass gelegentlich ein
solcher grosser bollasteinn zugleich als banstein für den altar
gedient hat, was aber kaum jemals der fall gewesen sein wird.
In den meisten (allen sind solche bollasteinar sicherlich weih-
wasserbecken ans katholischer zeit.6)
Auf der andern seite ist es aber durchaus wahrscheinlich,
dass als hlautbollar wirklich einst steine mit schalenförmigen
Vertiefungen gedient haben. Der umstand, dass die Überliefe-
rung so häufig solche als -hlautbollar' bezeichnet, spricht für
eine echte tradition in diesem sinne, zumal napfartige Ver-
tiefungen seit uralter zeit, bereits in der stein- und broneezeil
als religiöse Symbole bezeugt sind.") [Vielleicht geht die christ-
liche einrichtung der weih Wasserbecken zu einem gewissen teil
darauf zurück.
• 'i charakteristische beobachtungen und fände im innern
der tempelruinen.
1) Der boden. Der ursprüngliche fussboden scheint, wie
in der stofa8), gewöhnlich aus festgestampftem lehm bestanden
zu haben. Dies zeigte sich deutlich im langraum zu Höföi
') K.il. I 90
bb. '81, Tl. - sei« lurang.
nb. '96,21.
4) Ebda. •94,7. 8; EIL I L68.
») EU. II 90 bb
■ i K.il. I 90. II i'-'. not; m.oiim Gera \.\.
- Müller [168
:- Keyeer, EfterL Skr. II t. b. U.
58 THÜMMEL
(no. 6) ') und im afliüs von Seljaland (no. 4)2), ähnlich beschaffen
ist der aus strandsand und mit besonderer Sorgfalt bereitete
fussboden im langraum zu Ljärskögar (no. 2).3) — Mitunter
ist das afhüs, aber nur dieses, gepflastert, wie dies Siguröur
Vigfüsson in mehreren ruinen gefunden hat4), am vollkom-
mensten in pyrill (no. I).5) Nur bei einer ruine fand er das
umgekehrte, d.h. nur den langraum gepflastert, nämlich in
Lundr (no. 5). 6)
1) Speciell im langraum. — Sehr charakteristisch ist, dass
sich widerholt bei grabungen holzkohlenasche längs der mitte
des golfes fand.") In Ljärskögar (no. 2) fand sich davon an
einer stelle eine 75 cm tiefe Schicht8), geringere reste ferner
z. b. noch in Höföi (no. 6)") und Üthliö (no. 12). ,J) — Zweifellos
sind dies reste von jenen langeldar, die bei den blötveizlur
längs der mitte des fussbodens brannten.10) Der alte herd
(arinn) selbst ist in charakteristischer art und reinheit noch
bewahrt in Lundr (no. 5)11); reste eines solchen liegen wol
auch in den erhöhten steinen vor, die Brynjülfur Jönsson in
Üthliö (no. 12) fand und für reste des einstigen altars halten
möchte, da er den räum irrtümlich als afhüs auffasst.1-)
2) Speciell im afhüs. — Auch hier fand sich holzkohlen-
asche, aber nicht so viel wie im langraum, in Ljärskögar
(no. 2)13) z. b. eine Schicht von 3—8 cm, an ihrer tiefsten stelle
15 cm, ähnliche spuren in pyrill (no. I)14), Seljaland (no. 4)15)
und Höföi (no. 6). 16) Besondere aufmerksamkeit erwecken :
a) die funde von pferdezähnen, die man einige male gemacht
hat, z. b. in pyrill (no. I)14), an zwei stellen in Ljärskögar
(no. 2) ,3), in der ruine auf dem Goöhöll von Flateyri (no. 22),
besonders reiche funde dieser art in Ljösavatn (no. 31) — und
>) Ärb. '92,
131.
*) '92,37.
*) "82, 78.
A) '85, 100.
5) 81, 75 f.
6) '85. 99 f.
'•) '92, 132.
8) '82, 77.
9) '94, 7.
10) S. nuten
II. C) a).
J1) Ärb. '85, 98.
12) S. s. 41 f
ia) Ärb. '82,
5. 77.
u) '81,75.
15) '92,37.
16) '92, 132.
DER GERMANISCHE TEMPEL.
ß) der fand pechschwarzer steine in Höföi (no.6), die offenbar
in starkem feuer gewesen waren. l) — Beide arten dieser
funde erinnern deutlich an die Opferhandlungen, die der gode
auf dem altar verrichtete. Pferde wurden ja besonders gern
geopfert2), and die sin.- ihr fleisch zu essen isl als Bpecinsch
heidnisch bezeugt.3)
in) 'Stallar' im afhüs. In der für die inner.- einrich-
tung des afhüs fundamentalen frage naeh der anläge der
'stallar' erscheinen folgende funde in tempelruinen wesentlich:
1) i)er querwall im allgemeinen.
Das merkwürdigste, zugleich aber auch das baupt-
charakteristikum der tempelruinen ist, wie wir (s. 37 ff .) sahen,
jener türlose querwall, der die Zweiteilung des innem bewirkt.
In derselben weise hergestellt wie die aussenwände ist er
mit ganz besonderer Sorgfalt, meisl mit noch stärkerem Unter-
grund4), vor allem aber viel dicker erbaut als diese. G<
über einer durchschnittlichen dicke der aussenwände von
l1 •■ m mag dieser querwall im allgemeinen gegen 2 m dick
gewesen sein.) Hei einigen ruinen ist diese nnverhältnismäs
dicke dieses querwalls ganz besonders auffallend. In Rüts-
staöir (no. 3) sind die aussenwände heute ca. 1,3 m dick, der
innere querwall aber 2:2 m, also beinahe doppelt so dick. Am
erstaunlichsten ist jedoch das Verhältnis in Bofteigr (n
hier beträgt die heutige dicke (\c< querwalls, die allerdings
ursprünglich nicht ganz dieses mass besessen haben wird, volle
5 m. — Sehr interessant und von Wichtigkeit isl es endlich,
dass auch in Saebö] (no. 13) eine wand des afhüs weil dicker
ist als die übrigen drei, nämlich 1,9 m, bei der geringen g
dieses batles doppelt Übel l u-diend. ■ i
Ks i>t ganz und gar ausgeschlossen, dass eine derartige
anläge nur dem einen zweck gedient habe, die Zweiteilung
lies tempels zu bewirken. Ganz abgesehen davon, dass eine
>u ausserordentliche breite einer blossen Bcheidewand auf alle
, \iip. '92, L82. ') Maurer, Bek ll
I Ebda, m .i.4l. ') Z. b. bei Q
- • *a bei ao. i I brb Bl
60 THÜMMEL
fälle unverständlich bliebe, wissen wir auch, dass zur trennung
zweier räume wie heute so schon in alter zeit im ganzen
norden nicht rasen-, sondern bretterwände gedient haben.
Bruun hat bei seinen umfangreichen Untersuchungen über die
bauart heutiger isländischer gehöfte stets bretterwände, nicht
ein einziges mal eine Scheidewand aus torf gefunden.1) Dass
das gleiche auch für die sagazeit und zwar für den ganzen
norden gilt, hatte Guömundsson schon vorher aus der alten
literatur erschlossen'2) und muss auch bei dem überaus con-
servativen Charakter der bauart, den wir kennen gelernt haben,
von vornherein als sehr wahrscheinlich gelten. — Die deutung
als Scheidewand würde denn auch ohne weiteres scheitern an
dem befuncl der ruine in Sa?böl; denn selbst hier ist die eine
wand, und zwar die gegenüber dem eingang, viel dicker als
die übrigen, obwol dieser bau durch die umhegung an sich
schon völlig vom langraum getrennt ist.
Zweiteilung des innern kann also nicht der endzweck
dieses querwalls gewesen sein, er muss daher einen andern
zweck gehabt haben; denn dass ihm eine besondere bedeutung
zukommt, leuchtet ein. Für den langraum kann er nicht un-
mittelbar in betracht kommen, sonst würde er in Saeböl nicht
im afhüs auftreten.
Aus allein geht mit Sicherheit hervor, dass der querwall
ein wichtiger bestandteil des afhüs gewesen ist, eine besondere
bedeutung für die Vorgänge in diesem räume gehabt hat. So
viel darf als sicher gelten, dass er in engster beziehung zu
den ;stallar' gestanden hat, die als altar bez. als postament
für die götterbilder gedient haben.
2) Im besonderen der 'grjötbälkr' in Hörgsholt und
Hörgsdalr. 3)
a) In Hörgsholt (no. 68) 4) fand sich ein länglicher stein-
wall, oben auf ihm eine reihe 'hellusteinar ' und etwas holz-
kohle. Die ruine war voll asche, und in dieser fanden sich
reste verfaulter knocken, dazu zwei kleine Wetzsteine.
J) Bruun 87; vgl. oben s. 38.
2) Guöm. 98—99.
3) Uebei' den Charakter der beiden ruinen s. unten 3. II.
') Arb. '00,28. '03, 16; s. unten 3. II.
DEB GERM \M-< HB i EMPEL. Ü 1
ß) \\\ Hörgsdalr (no.72)1) lief quer aber die ruine von
\Y. nach < ). ein 60 cm hoher and ebenso breiter steinwall aus
grossen steinen (15 cm an jeder kante), doch so, dass zwischen
seinem ost-ende und der ost-wand ein Zwischenraum freiblieb.
Die steine des walles waren russig, überall zwischen ihnen,
hier und da auch auf dem golf, besonders des afhüs, I
grosse und kleine holzkohlenreste, namentlich halbverbrannte
stücke von buschzweigen und einige halbverbrannte knochen-
reste. — Oben auf dem wall lagen russige und feuerfarbene
steine, in ihm seihst einige zinnstiicke.
Lng-efähr in der mitte des walles lag oben auf ihm ''in
länglicher hellusteinn-) mit unregelmässigen rändern, des
untere seite ebener war als die obere. Seine grösste länge
mass 90 cm, seine grösste breite 60 cm — der stein nahm
also gerade die ganze breite des walles ein — und die dicke
in der mitte 20 cm. diese nahm jedoch nach den rändern hin
ab. In diesem steine war nahe der mitte eine unregelmässige
Vertiefung (bolli): 18 cm lang. 12 cm breit und 6 cm tief, her
stein trug die spuren starken feuers. die feuerfarbe reichte
l1 .— 2' . cm tief in ihn hinein. Dass der stein zu einem
ganz besonderen zweck herbeigeschafft war, ist um so offen-
kundiger, ;il^ sich in der Umgebung keine grossen steine finden.
Dieser stein ruht wider auf \ steinen, die im nereck auf-
gerichtet so im querwall drinnen stellen, dass ihr oberer rand
gerade die höhe de- walles erreicht, sie bilden eine Feuerstätte
unter dem hellusteinn. Innerhalb dieser lag wider ein kleiner
bolla>teiiin ■■) (ohne feuerspur) mit einer kreisähnlichen Ober-
fläche voii 21 cm durchmesser und einer dicke von 8 cm (in
der mitte». In dem ,-tein war ein sehr regelmässige] l \ ielleicht
unvollendeter) belli von 8 cm durchmesser und 2,6 cm tiefe.
Charakteristisch Bind schliesslich noch folgende funde auf
dem boden der ruine: 7 Wetzsteine im afhus, 1 am breiliegenden
ost-ende des walle.-, 6 am giebel, hier auch pferdexahne. Im
grösseren räume fanden -ich gleichfalls zahne, dazu eine pferde-
kinulade.
'i Ali., -o:;. i- :.. Beichntum \ I viil: t, nuten -i. IL
•/ Ebda, leichnnng \ ll t _
'■ i Ebda, leicbnnng vil J.
62 THÜMMEL
3) Andre wesentliche funde.
pyrill (no. 1) i) : am f usse des querwalls, besonders an seiner
dem afhüs zugekehrten seite, sowie an der hier sich anschlies-
senden unteren (südlichen) wand, fand sich ein breiter stein-
wall, der jedoch nicht wie jener ganz bis an die obere (nörd-
liche) längswand reichte. In der freibleibenden ecke fanden
sich einige pferdezähne und viel asche. [Von der mitte der
nördlichen wand aus verläuft eine ca. 60 cm hohe, breite er-
höhuug aus steinen quer bis über die mitte des bodens; sie
ist jedoch so verfallen, dass sich nichts sicheres über ihre
einstige beschaffenhe.it sagen lässt.]
Brüsastaöir (no.15)2): nahe der mitte des afhüs fanden sich
grosse steine, die nicht aus den wänden gefallen sein konnten.
Ljärskögar (no.2)3): in der mitte holzkohlenasche, 3 — 8 cm
dick, an der tiefsten stelle ca. 15 cm, dort an zwei stellen reste
von pferdezähnen.
Höföi (no. 6): bei einer grabung vor der mitte des quer-
walls fand Siguröur Vigfüsson im afhüs kohlen und asche4),
ausserdem steine, die stark vom teuer ergriffen waren.
Inwieweit das vorliegende material zur erhellung der oben
erwähnten frage beitragen kann, wird später gegenständ der
erörterung sein.
II. Der isländische tenipel im lichte der sagas.
Zwei hauptpunkte kommen hier in frage: a) im Zusammen-
hang ist zu untersuchen, ob und wie weit die alten tempel-
beschreibungen im einklang stehen mit den ergebnissen der
ruinenforschung , bez. in welchen punkten etwa die schrift-
lichen quellen zu berichtigen sind; b) es gilt, wesentliche
punkte zu erhellen, über welche die ausgrabungen kein oder
nicht genügendes licht verbreiten können.
*) S. karte 2.
2) Ärb. '95, 21.
3) Ärb. '82, 77.
4) Bruun s. 176 (siehe a des dortigen risses) ; nach dem bericht Siguröur
Vig'füssons selbst (Ärb. '92, 131 — 32) scheint jedoch die fmidstelle innen am
ü'iebel zn sein.
DKR 0ERMANI8CHE TEMPEL.
1) Die liauptquellen.
;u Die Eb. beschreibl den Thorstempel v.\\ Hofstaöir auf
ßörsnes (no.37), welcher norwegischer lianpttempel an! der
insel Mostr in der landschaft Sunnhoröaland gewesen war; er
wird von pörölfr Mostrarskegg bei seiner auswanderung (884)
abgebrochen und nach Island verpflanzt, wo er später wider
lianpttempel wird (c. III — LV5).1)
c. IV (i 9: '11:111)1 (Porölfr) Betti boe mikinn viö Eol bann
kallaöi ä EofsstQOum ; parlel bann reisa hof 2), oh var pat mikit bös; varn
dyrr ä hliövegginum ok nser oorum endanum: [?ar fyrir Lnnan Btoöu Qnd-
vegissülurnar, ok varn par i naglar; J'eir hetu reginnaglar. |?ar fyrir innan
vur friöstaör mikill. Innar af hofinu var büs i pä liking sein du -i
songhüs i kirkjum, ok BtöÖ )>ar Btalli ä miöju gölfinu sein altari, ok la p&\
ä hringr ei ii ii mötlauss, tvitngeyringr, ok skyldi p&x al Byeija eiöa alla.
|Mnn bring skyldi hofgoöi bafa ä bendi ser til allra mannfunda. A stallannm
skylili ok standa blautbolli, ok pari hlautteinn Bern BtQkkull vasri, ok Bkyldi
j'ar >tu]<kva nieö 6r bollanum bloöi pvi, er hlaut var kallat; pat van
konar blöö, er s<efö väru )>au kvikendi, er goöunum var fornat. ümhverfis
stallaun var goöunum skipat i afhüsinn. Til hofsina skyldn allir menn tolla
gfjalda, ok vera skyldir hofgoöannm til allra feröa, sein m'i ein pingmenn
boföingjum, en goöi Bkyldi hofi app balda af själfs sina kostnaöi, BYä* a1
eigi renaöi, ok bafa inni blotveizlur. '
Von dem hier beschriebenen tempel selbst ist nichts mehr
vorhanden, nur noch ein teil des in der saga merkwürdiger-
weise nicht genannten hofgarör ist übrig: er liegt im tun, so. vom
gehört auf einem hohen sandhügel am steilen ufer der bucht.3)
Diese beschreibung ist von ungemein hohem wert, da die
Eb. als ganzes genommen eine höchst zuverlässige geschicht-
liche quelle ist, die in erster linie aus der localtradition am
BreüMfjünV gvsclniptt hat.1) Dies zeigl sich auch im einzelnen
an dem vorliegenden bericht. Er ist in allen punkten durchaus
selbständiges eigentum der Eb., mit alleiniger ausnähme viel-
leidit der ausführungen über die hlaut. Diese stelle könnte
spätere Interpolation sein und auf Snorri zurückgehen. Ein
') Der entsprechende berichl über [)6r. M. in der 8turlub.-H*uksb. ist
ein aussog ans der Eb., das ganz kurze cap. dei Kelab. dagegen du
selbständig ; vgl. Björn Olsen, Aarb. f. nord. Oldk. 1905, b. LI
») Znsatz in der Ldn. (153,3): 'oi belgaöi pör'j vgl. Eb. Ml L: pörshot
:() 8. b 54.
') Vgl. Gering, Eb. Will (einleitnng); ifogk, Pauls Grundr.' II
■ J l'iiiitnr Jönsson, Lrb
(54 THÜMMEL
abhängigkeitsverhältnis zwischen den betreffenden Sätzen der
Hkr. *) und Eb. wird wahrscheinlich durch den kaum zufälligen
vergleich des hlautteinn mit einem stokkull.
b) Die Kjaln. s. beschreibt den haupttempel des goden
porgrimr in Hof auf Kjalarnes (no. 33).
c. 2, Isl. S. II 402—4: ' ... Haiin (porgrimr) var blötmaör mikill;
let hann reisa hof mikit i tüni sinu; j?at var c föta längt, en sextugt
ä breidd; f>ar skyldu allir menn hoftoll til leggja. J>6rr var ]?ar niest
tignaör; par var gjört af innar kringlott svo sem lmfa va?ri; p>at var allt
tjaldat ok gluggat. par stöö J?6rr i miöju ok önnur goö ä tvaer kendr;
frammi fyrir ]?ar (Variante: ]?6r) stöö stallr, meö miklnm hagleik gjörr
ok piljaör ofan meö järni; j?ar ä skyldi vera eldr, sä er aldri skyldi
slokna; f»at kölluöu peir vigöan eld. Ä peim stall! skyldi liggja hringr
mikill af silfri (gnlli) gjörr; kann skyldi hofgooi hafa ä hendi til allra
mannfunda; p>ar at skyldu allir eiöa sverja um kennslnmäl 811. A (i, hjä)
J?eim stalli skyldi ok standa bolli af kopar, mikill; ]?ar skyldi i lata blöö
p>at allt, er af ]?vi fe yröi, er pöv var gefit, eör mönnum ; petta köllnöu ]?eir
blant ok hlautbolla. Hlantinu skyldi dreifa yfir menn ok fe, en fe pat,
sem f»ar var gefit til, skyldi hafa til mannfagnaöar pä er blötveizlur ern
haföar. En mönnum, er peir blötuöu, skyldi steypa ofan i fen p>at, er üti
var hjä dyrunum; J?at kölluöu p>eir Blötkeldu ...?
Auch von diesem tempel sind heute keine reste mehr
vorhanden, doch sah man vielleicht noch anfang des 19. jh.'s
ruinen davon.2)
In bezug auf seine Selbständigkeit bildet dieser bericht
den directen gegensatz zur Eb. Er ist — wie Finnin- Jönsson
im einzelnen dargetan hat3) — lediglich eine durch Inter-
polationen erweiterte compilation aus älteren schritten, vor
allem aus Eb. IV (dem unter a) widergegebenen bericht), Hkr.
(Hak. s. g. c. 14) und Ldn. Selbständig und durchaus neu sind,
abgesehen von den kleineren interpolationen, nur a) die be-
schreibung des stallr (stalli) und ß) die nachricht von der
ertränkung der menschenopfer in der blotkelda.
Die vorsieht, die bei einer Verwertung der Kjaln. s. als
historischer quelle wegen ihrer mythischen färbung schon an
sich geboten erscheint, ist bei der vorliegenden tempelbeschrei-
bung infolge ihres unursprünglichen Charakters doppelt am
platze. — Auf der andern seite ist aber zu betonen, dass der
J) Hkr. 186, 16 ff., Häk.s. g. c. 14; s. unten II. C).
*) Kai. I 55, not. 2. 3) Ärb. '98, 31 ff.
DBB GERMANISCHE i EMPEL. 65
märchenhafte zug im ersten teil dei dem der tempel-
bericht angehört) weil weniger hervortritt als im zweiten teil,
dass vielmehr der Charakter der [sl.-saga aoeh ziemlich
wahrt ist und sich unter dem mythischen gewande zweifi
reale Verhältnisse verbergen. Dies lehrt schon die tatsache
der entlehnung aus sehr glaubwürdigen Schriften, ferner ein
auch nur oberflächlicher vergleich mit den ergebnissen der
niinenforschung. Es hat sich auch allgemein gezei|
die weniger zuverlässigen und erdichteten sagas in cultur-
historischer hinsieht bisweilen ebenso wichtige aufschlösse
geben wie die andern sagas, dass sie im besonderen betreffs
der gebäude äusserst selten etwas absolut fehlerhaftes ent-
halten. l)
[st also beim heranziehen dieser tempelbeschreibung zwar
eine sorgfältige kritik notwendig, so heisst es doch entschieden
zu radical urteilen, wenn man — wie Finnur Jönsson2) —
den gesammten bericht als völlig wertlos verwirft An der
band einer durch die resultate der ausgrabungen und durch
nachrichten andrer sagas ermöglichten controlle wird er
zweifellos ein wertvoller beitrag zur alten tempelliteratur.
c) Der sogenannte Viörauki Melabökar ennar yngri enthält
folgende allgemeinen bemerkungeil über isländische tempel:
Landn. :>:U ff.: ' . . . (335) Hof i Vatnsdal oh Bot a Kjalamesi hafa her ä
landi Btserst verit, einkum stört hnndraö Eota ä Lengö, psA ByÖra var ob
I,X föta breitt Kor eöa goöastnha var bjä hverju hofi, par vorn i goöin;
]"'ir Jüppiter var seöstr oh d Ör, päFreyr, bom ööins,
conditor, Ba er ryrsl bygöi öppsali i Sviarihi; ... pessi goö BtöÖn ;i Btalli
e6a hafnin bekk; firammi fyrir pea Btöö Btalli meö mihlnm hagleih, oh
piljaör ofan meö järni; |?ar Bhyldi .i vera eldr, bb er aldri slohnaöi; pal
kölluön heirvigöan eld; ä J?eim Btalli Bhyldi oh Btanda bolli mjöh ai i
)'ar Bhyldi i lata W68 )>at allt, Bern bfiemi af Ee |\ i er parvar til |
mönnnm peim Bern til blöta vorn dsemdir; J'at kölluön )>< ir blanl eöa blant-
bolla, tu hlantinni Bhyldi bseöi dreifa yfir menn ob E< Yatshyrna.1
Die 'jüngere Melabök' ist zwar, als eine compilation des
17. jh.'s. an ßich ohne historische]] wert, doch isl gerade der
angeführte bericht in seinem kerne zweifellos von bedeutung.
.im schluss als quelle angeführte Vatzhyrna ist eine Behr
gute hs.. in der neben andern Bagas auch die Eb., Vatn
Qnöm. 13 U.
beitrage zur geichichte der deutschen spräche XXX N .
66 THÜMMEL
und Kjaln.s. gestanden haben.1) Der bericht ist im wesent-
lichen eine freie abschritt aus der Kjaln. s., der anfangssatz
stützt sich auf Vatnsd.s. c. XV.2)
d) Die ausführliche recension der Dropl.s.3) bringt einen
bericht über das blöt- oder goöahüs des Spakbessi zu Bessa-
staöir (no. 43). — Die betreffende stelle in der Dropl. (1847)
selbst lautet: (s. 10 — 11): ' . . . peir komu under hüsvegg einn ok
gengu um sölarsinniss.4) pä fundu peir dyrr, ok kenndi Helgi,
at pat var blöthüs Spakbessa.' — Dieser kurze bericht ist in
der ausführlichen recension legendenhaft ins breite gesponnen,
stark übertrieben und in mancher beziehung unklar, vor allem
in bezug auf die gesammte tempelanlage. Seiner ganzen fär-
buug nach ist daher dieser erweiterte bericht von sehr geringem
wert. Die wenigen punkte, in denen er glaubwürdig erscheint,
bieten nichts neues oder wesentliches; allenfalls kann die er-
zählung noch für den tempelzaun in betracht kommen.
e) Andre notizen in sagas. Was wir sonst noch hier und
da in den sagas über isländische tempel hören, sind gelegent-
liche bemerkungen mehr notizenhafter art, die nur als be-
stätigung, kaum als ergänzung der bisher widergegebenen
berichte erscheinen. — Sie sind zum teil schon oben berück-
sichtigt oder werden es im folgenden bei der betrachtung
der punkte, zu deren kenntnis sie im einzelnen beitragen.
2) Das bild des tempels
im vergleich und als ergänzung zu den ergebnissen der
ruinenforschung.
A) Die territoriale läge.
Ueber diesen punkt geben die schriftlichen quellen fast
gar keine directen aufschlüsse. Weder von der hügellage, die
sich als so charakteristisch ergab, noch von der himmelsrich-
tung erfahren wir etwas bestimmtes. Nur über die läge des
>) Vgl. Gering, Eb. ein]. XXVI.
2) S. s. 71.
3) Ed. Kälund, Kh. 1883 (Fljotsdoela hin meiri eller den längere Drop-
laugarsonasaga). Der in betracht kommende tempelbericht ist auch ab-
gedruckt Ärb. '82, 35 ff.; vgl. P. E. Müllers Sagabibl. I 9i ff.
4) Vgl. hierzu Maurer, Bek. II 137, not. 164.
DEIt GEBMANISCHE TEMPEL. '>T
tempels in nächster nähe dergehöfte liegen einige nachrichten
vor. die das bisher gewonnene bild bestätigen.1)
Ein mittelbares zengnis für die Übereinstimmung zwischen
den ergebnissen der topographischen Untersuchungen und den
schriftlichen nachrichten liegt auch darin, dass in fällen, wo
auf grund von saga- Zeugnissen ein tempel localisierl werden
kann, die ruine sich genau an der betreffenden statte fand, so
in In rill (no. I)2) und in Aöalböl (no. 1|!
B) Die äussere bauart und anläge.
a) Die mauerconstruction. CTeber die mauerconstruc-
tion, im besonderen über das dabei verwendete material, fehlen
jegliche directen nachrichten; doch sind die gewonnenen t-rgeb-
nisse so endgültiger natur, dass es einer bestätigung ihurh die
literarischen quellen nicht bedarf. Indirect spricht aber auch
das fehlen besonderer angaben über diesen pnnkt dafür, dass
in dieser beziehung im grossen und ganzen kein unterschied
zu den isländischen gehöften (deren bauart wir ja aus den
sagas relativ genau kennen) vorgelegen hat.
1») Das dach. Einige Zeugnisse vermitteln uns indirecten
aufschluss über das material des dachwerks — über einen
pnnkt, den die ausgrabungen nicht erhellen können. Wir hören
nämlich an drei stellen von isländischen tempelverbrennnngen
und an zwei stellen von )>vertre in isländischen bempeln.
I. Isländische tempelverbrennnngen.
et) Hrafhk.8. (1847) s. 23 (das Freyr geweihte goßahüa des Brafnkell
in A.6alböl, u". 10).
ß) Bart ,a . c 19, tsl.8. [159 (der PorgerÖr HorgabruÖr geweihte haupt-
tempel des GrlmkeU goöi in Ölfuavatn, do. 84).
y) Kjalu. a. ß.4, tsl.S. II 4in f. (der ; ihte haupttempi
ßorgrlmr gofti in EofaJSj., ao.S3).4) Die offenkundige tati
dieser berichl von der tempelverbrennung durch Büi spätere sutal
im seiner bedeutnng für die vorlief .■-■ keinen abbrach.
Da die mauern aus rasen bez. ans rasen and steinen auf-
geführl waren, also kein brennbares material boten, so muss das
•) s. i 86 t.
.;.. '81,76. ■) Irb '■
■) VgL Q. Vigftason, Sarh l '
■_• der fol| ite.
68 THÜMMEL
dachwerk — wie bei isländischen gebäuden überhaupt — aus
holz gewesen sein. Dies wird auch in der dritten erzählung
ausdrücklich bestätigt durch die worte: ' . . . näöist viö pat
nokkuö af viöinum' (s.411). Diese tempelverbrennungen tragen
daher zweifellos einen ganz gleichen Charakter wie die be-
kannte grosse Njälsbrenna von 1011 ') und wie alle brennur
überhaupt.
II. J3vertre in isländischen tempeln.
«) Kjaln. s. c. 2, Isl. S. II 404 (gleich nach der tempelbeschreibung) wird
berichtet, die pvertre des tempels seien später zum hau eines skali in Hof
verwendet worden.3)
ß) Ldn. 228, 25 ff. wird zur illustrierung von KetilbJQrns reichtum er-
zählt, dass er seinen söhnen befiehlt, für den bau seines tempels in Mosfell
(no. 35) silberne querbalken zu zimmern. An sich freilich sieht die erzäh-
lung, die in ihrem verlaufe stark an Egilss. (ed.Finnur Jonsson, c,LXXXV,17)
erinnert, stark legendenhaft aus.
Ob man bereits zur sagazeit auf Island für diese balken
gelegentlich auch anderes material als holz benutzt hat —
etwa schon eisen, wie Guömundsson glaubt :?) — erscheint mehr
als zweifelhaft. Das einzige zeugnis für eiserne querbalken,
das sich überhaupt nachweisen lässt, stammt erst aus dem
anfang des 14. jh.'s und berechtigt nicht zu einem rückschluss
auf die sagazeit. Das dachwerk der tempel ist also ein hölzernes
balkendach gewesen.
Von den beiden auf Island bekannten arten der dach-
construction: 'Aastag'4) und 'Spsertag'5) kommt nun für die
ältere zeit fast ausschliesslich das erste in betracht. Das
'Spaertag', welches bei Wohnhäusern das 'Aastag' allmählich
verdrängt6), tritt nur ganz vereinzelt, in grösserem umfang
nicht vor 1200 auf.13) Auch für den tempel, der schon in der
äusseren form noch altertümlicheres gepräge zeigt als die
Wohnhäuser, kommt aller Wahrscheinlichkeit nach nur das
1) Vgl. Döring, Eine altisl. brandlegung, 1878.
2) Diese nachricht kennzeichnet zugleich die stelle von der tempel-
verbremmug durch Büi als offenkundige interpolation. — Ueber die beiden
mit Schnitzereien verzierten hretter, die aus diesem skali stammen und für
reste der einstigen tempelbalkeu gelten, s. Käl. I 55, not. 2; Arh. '81, 69, not.
3) Gliom. 124—25. 4) Ebda. 116—25.
5) Ebda. 125 ff. 6) Ebda. 130.
7) Ebda. 116, vgl. Braun 94.
DEB GERM LNI8I SB i EMPEL.
'Aastag' mit seiner eigentümlichen 'stabconstruction' in be-
tracht. Das charakteristische dieses 'Aastag' besteh! darin,
dass «las dachwerk von einem oder mehreren dachfi]
tragen wird. Nach GuÖmundssons Untersuchungen') lassen
sich nun drei hauptarten unterscheiden, je nach der anzahl
dieser firsten il 3): h reines Satteldach (einfaches lA
1 dacbürste; für verhältnismässig kurze und sein- schmal
bände die gewöhnlichste dachform der sagazeit. 2) Altan-
dach3), 2 dachfirsten, statt <\v< eigentlichen dachrückens eine
horizontale fläche; Eür einfache, aber doch ziemlich breite
bände (Übergangsform zu 3). 3) Mansarddach (zusammen-
gesetztes 'Aastag')4), 3 dachfirsten, gebrochene Seitenflächen;
meist in breiten und grossen häusern, bei diesen ziemlich all-
gemein in der sagazeit.
In grösseren und ansehnlicheren gebäuden isl der offene
räum unter -dem dachfirsl oft zu einer Wölbung, genannl hüfa,
umgebildet.5) Die worte der Kjaln.s. 'sem hüfa vasri'6) zeigen,
das>. dies auch bei den heidnischen tempeln gelegentlich der
fall gewesen ist. und besonders im afhüs. Aller Wahrschein-
lichkeit nach hat also das dach an kleineren tempeln dir •
an grösseren die dritte tonn besessen, im letzten falle gewiss
häufig mit gewölbtem dach (hüfa), speciell im afhüs.
Nach <\ri beschaffenheil des giebels unterscheidet man
walmdach (mit ganzem oder halbem walm)7) und giebeldach.
.Man darf mit Guömundsson annehmen, dass sich das
eiste au- dem kuppelda ch entwickelt hat und somit älter ist
als das giebeldach; denn während das kuppeldach nur für
kreisrunde häuser in betrachl kommt8) also für die älteste
hausform — . ist das walmdach bedingung für ein haus mit
rundbogigen giebeln9) für die zweite stufe der entwicklung
— da- giebeldach widerum nichl zu trennen von der reinen
rechteckform der dritten und letzten stufe. -int
durchaus natürlich, da-- di itentwicklun
gefunden bat: li kreisrundes hau- mit kuppeldach; -
luöm. los ti.: -'i'i.'k a i
17. 3) I
Ebd : Bfi 19. I. La
- »,i tafim. L04
*) Ebda, toi Ebdi
70 THÜMMEL
lieh- viereckiges haus mit rundbogigen giebeln und walmdach;
3) rechteckiges haus mit giebeldach.
Nach früheren ausführungen über die tempelform1) geht
somit hervor, dass bei den (ältesten) tempeln das walmdach
geherscht hat. Das giebeldach ist, wenn überhaupt, so nur
selten und erst an tempelbauten allerjüngsten Stils in anwen-
dung gekommen, was doppelt wahrscheinlich ist bei dem alter-
tümlichen Charakter der gottesdienstlichen bauten. Da für die
einzelnen nordischen länder weder in der form noch in der
construetion des daches irgend ein bestimmter unterschied
nachzuweisen ist2), so darf man die ergebnisse für das islän-
dische tempeldach betreffs der form seiner Seitenflächen sowol
wie seines giebels ohne bedenken als für den gesammten norden
gültig betrachten.
Die dachdeckung ist sicher ganz wie bei den gewöhnlichen
häusern entweder aus rasen oder aus holz gewesen. Das rasen-
dach war das gebräuchlichste selbst in gegenden, wo holz-
bauten herschend waren, während nur bei ansehnlicheren ge-
bäuden die dachdeckung aus holz und (ganz wie die holzwände)
aussen geteert war. 3) Wenn auch bei den isländischen tempeln
die holzdeckung relativ häufiger vorgekommen sein wird, als
bei den gewöhnlichen häusern, so war doch bei der holzarmut
der insel vermutlich auch bei den gottesdienstlichen bauten das
rasendach die regel. In den waldreichen übrigen nordischen
ländern ist das holzdach bei tempeln sicher weit häufiger als
auf Island, wahrscheinlich herschend gewesen.
Oben in den beiden schrägen Seitenflächen des daches, gleich
bei den seitenbalken, waren die fenster (gluggar) angebracht.4)
Glasfenster hat es sicherlich in nordischen tempeln noch nicht
gegeben. 5)
c) Aeussere form. Dass auch in diesem punkte die saga-
nachrichten durchaus mit den ergebnissen der ruinenforschung
übereinstimmen, wurde schon oben dargelegt. 6) Die altertüm-
lichste von den bisher ausgegrabenen formen des isländischen
0 S. s. 40 f. 2) Guöm. 103.
3) Ebda. 151—53. 162.
4) Ebda. 144—46. 163—69; Traek 256.
5) Guöm. 168-69; Keyser, Efterl. Skr. II 1, 41.
6) S. s. 34 f.
DER QERMAN1 31 Hl TEMPEL. 71
tempeltypus: die tempelruine von Lj&rskogar, ist eine getreue
Illustration zu der tempelbeschreibung der Eb., die ja einen der
ältesten tempel auf bland betrifft, and somit auch zudem
bericht der K.jaln. Die vergleiche des afhus mit dem chorder
kirehe (Eb.) oder einer haube (Kjaln.) stehen durchaus im ein-
klang mit der Wahrnehmung bei den ausgrabungen, dass der
'innar' liegende räum. d.h. das afhüs, meist eine besonders
starke giebelrundung aufweist.1)
d) G-rössenyerhältnisse. In der gesammten saga-lite-
ratur finden sich nur drei angaben über die grosse von tempeln;
sie beziehen sich alle drei auf isländische Verhältnis
1 Vatnsd. 8. cXV: •... hof mikit hundraö föta langt ..
2) Kjaln. -. -,: 'c föta langt, en Bextugt ä breidd' oo. 33).
;{) 'Jüngere Melabök'1) -H"t i Vatnsdal ob hof a Kjalarneri bafa her
;i landi Btserel verit, einkum Btört hundraö föta a lengO, pal Björa vea "k
LX föta breitt.'
Während die erste nachrichl als durchaus selbständig und
zuverlässig betrachtel werden darf, ist der erste teil der zweiten
angäbe aller Wahrscheinlichkeit nach eine blosse Übernahme
der ersten, die dritte endlich eine compilation der beiden
andern.
Als einzige authentische angäbe bleibt somil die länge von
100 fuss - 31 m. Kin vergleich mit den massen der tempel-
ruinen4) lehrt denn auch, dass die angäbe der Vatnsd. s. vollen
glauben verdient. Der vergleich zeigt aber auch, dass die obige
nachrichl der jüngeren Melabök, die tempel von Hof i Vd. und
Hof ;'i K'j. seien die grössten auf Island gewesen, falsch Ist,
wenn auch das angegebene mass als ein relativ beträchtliches
erscheint, üebertroffen wird nämlich diese länge von den
beiden tempeln In Hofteigr \2 m) und Hol i Vapn. (37,7 m .
M Durch die ergebniese der ausgrabungen RUH 'ü-- an rieh schon un-
natürliche annähme Finnur Jönssons (Art. '98,31), dan rieh der
ifhfta mit den chor (in der Eb i nicht auf die runde form
sondern nur cur veranachauli I moii.'. und
dan die nach der Eb. Enge» hnitt
miBventändnifl Eurückznftthrcn Bei (Arl
i .. di i \ atntd - und «Im
mverh<niseen der h< I ist leider nicht nißglich, >U SigurAnr
Vigffi
72 THÜMMEL
Die angäbe wird, wenn man sie nicht auf das conto der Ober-
flächlichkeit setzen will, vielleicht dadurch erklärlich, dass diese
beiden tempel im äussersten osten der insel liegen, während
die Melabök ihrem Ursprung nach dem äussersten westen, dem
Borgarfjorör, angehört,
Betrachten wir nun die angäbe der Kjaln.s. über die ge-
waltige breite des tempels von Hof: I. practisch wäre diese
breite für altisländische Verhältnisse gewiss nicht unmöglich,
zweifellos aber ganz und gar aussergewöhnlich. II. Textkritisch
betrachtet erscheint sie durchaus unhistorisch: «) bei der grossen
Wahrscheinlichkeit, dass die längenangabe entlehnt ist, liegt
die Vermutung nahe, dass auch die breite nicht auf wirkliche
Verhältnisse zurückgeht. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie
eine der Vollständigkeit halber eingefügte zutat des Verfassers,
wobei das mass gegenüber der ungewöhnlichen länge ent-
sprechend gross gewählt ist. Hierfür spricht auch der umstand,
dass die breite von 60 fuss die grösste ist, die uns von einem
gebäude auf Island berichtet wird. Vielleicht ist die angäbe
jenem bericht angepasst, nach welchem der grösste skäli der
alten zeit zugleich diese grösste breite von 60 fuss aufwies.1)
ß) In diesem sinne spricht auch ein vergleich mit den massen
der tempelruinen. Die durchschnittsbreite beträgt etwa 25 fuss
= 8 m. Nur bei zwei ruinen wird dieses mass erheblich über-
schritten: Ljärskögar und Brüsastaöir mit ca. 45 fuss = 14 m
mittlerer breite repräsentieren entschieden aussergewöhnliche
Verhältnisse. Dies erklärt sich aus den bautechnischen Schwierig-
keiten, die sich bei einer derartigen breite ergaben und auf
Island bei dem mangel an bauholz doppelt ins gewicht fielen.2)
— Dass eine ähnliche durchschnittsbreite auch bei den privat-
häusern herschte, geht daraus hervor, dass die grössten islän-
dischen gebäude der alten zeit 28—30 fuss = ca. 9 m breit
waren, während ihre bedeutende länge (108. 114. 200. 210 fuss)
sich dadurch erklärt, dass der gesammtraum durch querwände
aus holz in eine reihe von einzelräumen geteilt war. 3) /) Ein
weiteres zeugnis gegen den historischen Charakter der angäbe
J) Vgl. Nicolaysen, Hist. Tidsskr. 413.
2) Vgl. Siguröur Vigfüsson, Ärb. '82,7; Nicolaysen 442 f.
3) Guöm. 74—75.
DBB OBBMANIBCHE l BMPEL.
ist endlich vielleicht ein Widerspruch, der dem verfasse]
versehen oder aus Unkenntnis der alten bauverhältnisse unter-
laufen ist. Am Schlüsse i\vs tempelberichtes sind die |>vertr6
des tempels erwähnt; nach den Untersuchungen Guömund
kommen solche in jener zeit nur für das dachwerk schmaler
häuser in betracht. l)
Unter diesen umständen und auch angesichts des compila-
torischen Charakters der gesammten tempelbeschreibung wird
es immer wahrscheinlicher — und die argumente dafür weiden
sich noch häufen — dass im grossen und ganzen bi i di
besclireibung weder der tempel von Eof ä Kj. noch iiberhaupl
ein bestimmter tempel modell gestanden hat, dass vielmehr
das ganze hier gezeichnete bild nichts ist als ein zusammen-
geflicktes phantasiebild <\ij> Verfassers, das zwar — und darin
liegl sein werl — in seinen einzelnen zügen sehr wol auf
realen Verhältnissen fusst, d.h. in dieser form gewiss existiert
haben konnte, in wirklichkeil aber wol nicht existiert hat.
e) Eingänge und türen. Dass die nachrichl <U-v Eb.
über die läge der eingänge (dyrr) am tempel in Bofstaftir —
die einzige nachricht über diesen punkl — durchaus im ein-
klang steht mit. den Wahrnehmungen an den ruinen, wurde
schon hervorgehoben. 2)
^'ie die türen selbsl (huröir) bei den tempeln beschaffen
gewesen sind, erfahren wir nicht. Der altertümlich-conservative
Charakter der tempel im allgemeinen macht es wahrscheinlich,
dass es Schiebetüren gewesen sind, nicht angeltüren, die ersl
spätei- üblich werden und jene verdrängen.8) In der r<
waren die tiiren der häuser, besonders die Schiebetüren, mit
einem ring als handgriff versehen. Wahrscheinlich ist dies
auch bei den tempeln der fall gewesen. Eine
stätigung liegl in einer nachricht vom ende des 10. jh/s in
der jüngeren Öl. s. Tr. c.150 und Hkr., Öl. s. Tr. c 65 über den
ring, der an der tempeltur zu EQaöir in Norwegen hieng und
scheinbar golden, in wirklichkeil ahn großenteils aus kupfer
war (c 193 bez. 66). Verschlossen winden die türen
Wohnhäuser in der sagazeit durch eine qnerstange aus holz
taCm. L24,
89.
74 THÜMMEL
oder durch ein schloss mit Schlüssel. Ob das letzte schon für
die tempel gilt, bleibe dahingestellt; Kjaln. s. (Isl. S. II 410)
wie jung. Dropl. ') setzen dies zwar voraus, doch kann bei dem
unzuverlässigen Charakter beider sagas sehr wol ein anachro-
nismus vorliegen.
f) Tempel zäun (hofgarör). Die dürftigen nachrichten
über das Vorhandensein von tempeleinhegungen sind durch die
funde bestätigt worden.2) Wenn die Kjaln. s. (Isl. S. II 409.
410 — 11) und die jüngere Dropl. s. (Ärb. '82, 37) berichten, dass
der hofgarör stark über mannesgrösse gewesen sei, so ist das
vielleicht etwas übertrieben. In der regel ist er kaum höher
gewesen als die mauern des gebäudes. Dafür sprechen auch
die ruinen alter einhegungen um tempel sowol wie um andre
gebäude. Wie der tempel selbst, so war auch der hofgarör
vermutlich verschliessbar; die diesbezüglichen nachrichten der
citierten sagas erscheinen durchaus glaubwürdig, weniger da-
gegen die weitere nachricht der Kjaln. s. über das schloss an
der zauntür.
g) Opfer sumpf und Opfer st ein. Ob wol der umstand,
dass die nachricht der Kjaln. s. über eine zum menschenopfer
benutzte 'blötkelda' bei tempeln3) die einzige derartige ist,
die wir überhaupt besitzen, bei dem mythischen Charakter der
saga zu besonderer vorsieht in der beurteilung mahnt, ist sie
doch deshalb noch nicht von vornherein (d. h. lediglich vom
textkritischen Standpunkt aus) zu verwerfen. Wenn auch der
tempelbericht fast durchweg compiliert ist, so hat doch der
Verfasser dabei sehr zuverlässige quellen (Eb., Hkr., Ldn.) be-
nutzt, und ein auf einzeluntersuchungen gegründetes gesamint-
urteil muss dahin lauten, dass nicht ein einziger punkt an
sich ohne reale unterläge völlig frei erfunden, wenn auch man-
ches bisweilen übertrieben oder mythisch ausgeschmückt ist.
Dass auch die Überlieferung von der blötkelda, die einzige
völlig selbständige dieses tempelberichtes, nicht aus der luft ge-
griffen sein kann, zeigt die tatsache, dass bei 6 tempelruinen
auf Island gruben oder gewässer vorhanden sind, die als 'blöt-
keldur' in betraeht kommen. Vier von diesen tragen tatsächlich
') Arb. '82, :'.7. *5 S. s. 52 f.; vgl. Arb. '83, 19.
3) S. s. 64.
DER GEBMANISCHE TEMPEL.
diesen namen1), und es erscheint unnatürlich, ihn in jedem falle
als nicht ursprünglich zu betrachten. Dass der name auch an
die tempel8tätte in Hof a Kj. geknüpft ist. 1 lIs sicher
erscheinen, dass der Verfasser, der ja in Ejalarnes seine heimal
hatte, die reale unterläge für seinen berichl über den opfer-
sumpf wirklich in Hof selbst gefunden hat.
Die Überlieferung erscheint also an sich schon durchaus
glaubwürdig-. Sie wird weiterhin durch folgende argumente
gestützt:
a) Eb. X8: "par (am porsnessping) ser enn dömhring pann, er menn
väni doemdir i (il hlöts. I beim bring stendr J>6rs steinn, er peir menn
väni hrotnir um, er til blota väru haföir, ok ser enn blöösiitinn ä Bteininnm.'
Der parallelbericlit der Ldn. lautet (15:5, 24 ff. j: 'par stendr enn pora
steinn er peir brutn l^a menn um er peir blötudu. ok pai hja e.i Ba dom-
hrhigr er menn skylldn til Motz dsema.'
Der wichtige unterschied beider Fassungen besteht darin, dass nach
der ersten der opferstein in dem gerichtsring Bteht, nach der zweiten in
seiner nähe. Es darf als sicher betrachtet werden, dass die Ldn. den rich-
tigen text bietet.-')
Die angäbe der Eb., man habe damals — zur zeit, da -
wurde, also reichlich 200 jähre später — noch blutspuren am stein gesi
beeinträchtigt nicht, wie SigurÖur Vigrusson3) andeutet, die Glaubwürdig-
keit der ganzen Btelle. Einerseits könnte in diesem punkte Selbsttäuschung
des Verfassers vorliegen, andererseits aber ist es nicht mir möglich, sondern
gar wahrscheinlich, dass man den stein wie die altäre mit dem opferblut
bestrich, Bomit ""1 glaubhaft, dass Bich hier und da (an geschützten
Btellen) blutflecken noch lange erbalten haben. Beide opferstätten, der
' ) S. s. 55.
i hon Maurer (Germ. X 491- 92) bat dies Behr wahrscheinlii
macht. Bei der besichtigung einer reihe alter dingstätten bat er stets eine
--■■ Gleichförmigkeit der einrichtung gefunden. In allen fällen aber, wo
man die opferstätte aoch zeigte, Lag sie in geringer entfernung von dem
gerichtsplatse. - Brynjulfur Jönsson (Ärb.'00,10 LI) endlich, der zuletst
nach dem pörsnesdömhringr gesucht hat, glaubt diesen wirklich
zu haiien und /.war in der nähe eben ■ der von jehei fttr den
pörssteinn gilt. Eine endgültige lösung in der suche nach dem dömhringr
und pönsteinn ist dies jedoch nicht, da die meinnngen aber identitl
nichüdentitäl des bezeichneten Steines mit dem einstigen opl
sind. Während A. Thorlacius (Safn LI 294), KU. (1
(Arb. '82,104 05) und Brynjulfur Jönsson (Arb. *00,10 1 1 > an der echtheit
.Iten. kamen Maurer und Qnöbrandr Vigfusson bei gemeii
Bichtigung zur gegenteiligen '■ '-' \X!\
s) Arb. «1,88.
70 THÜMMEL
porssteinn am porsnesspihg wie die blotkelda am Kjalarnessping, liegen in
der nähe von tempel und dingstätte. r) Dass der opferstein etwas weiter
entfernt vorn tempel in Hofstaöir liegt als die blotkelda vom tempel in
Hof, erklärt sich vielleicht dadurch, dass der gerichtsplatz von seiner ur-
sprünglichen, aber entheiligten statte verlegt worden war.2) Der bericht
der Eb. gleicht in seinem kern durchaus dem der Kjaln. s. Nur die concrete
ausgestaltung ist eine verschiedene, was sich dadurch erklärt, dass die
Opferung in verschiedener weise vollzogen wurde. Ausser diesem bekann-
testen opferstein kennt die tradition noch 8 andere, die gleichfalls in der
nähe alter tempel- nnd dingstätten liegen3) und zum mindesten nicht
sämmtlich apokryph sind.
b) Eine, freilich ausserisländische bestätiguug gibt vielleicht Adam
Brem. Schob 134: 'Ibi (beim tempel in Uppsala) etiam est fons, ubi sacri-
ficia paganorum solent exerceri et homo vivns immergi. Qui dum non
invenitur, ratum erit votum populi.' Eine abbängigkeit der Kjaln.-stelle
von der vorliegenden — was Finnur Jonsson für möglich hält'1) — ist
ebenso unwahrscheinlich wie die benutzung des tempelberichtes bei Adam
für den gesammteu tempelbericht der Kjaln. überhaupt.
c) Einen ähnlichen Charakter wie porssteinn und blotkelda tragen
wahrscheinlich auch die Goöafoss, zumal ja das herabstürzen in gewässer
oder sümpfe für die isländische form der Opferung charakteristisch ist.6)
Wir finden deren 3 auf Island, stets in der nähe alter tempel- und ding-
stätten. '■) Dasselbe gilt von dem Büdafoss an der statte des alten Ärness-
ping.'7)
Die glaubwürdigkeit der saga-nachrichten über menschen-
opfer ist von Siguröur Vigfussons) und Finnur Jonsson !l) an-
gefochten worden mit der begründung, diese seien im norden
während der letzten Jahrhunderte des heidentums nur ganz
selten vorgekommen, auf Island überhaupt nicht. Die Wichtig-
keit dieser frage für die beurteilung der nachrichten vom pörs-
steinn wie von der blotkelda erfordert ein näheres eingehen
auf diesen punkt.
x) Anhangsweise sei hier bemerkt, dass — wenigstens für isländische
Verhältnisse — ohne zweifei der tempel das primäre ist, in dessen nähe
dann die dingstätte eingerichtet wird (vgl. Brenner, Germ. XXIV 103), nicht
umgekehrt, wie H. Petersen (s. 6) angibt. Dies geht deutlich aus einer
reihe von saga-zeugnissen hervor (vgl. z. b. die einrichtung des pörsness-
und des Kjalamesspingj.
2) Eb. X 7. 3) S. s. 5G.
4) Arb. '98, 36, not.
5) Vgl. Maurer, Germ. X 491—92, Lit.-bl. 1880, 11.
6) S. s. 13. 7) S. s. 56 ß) 2).
8) Arb. '81, 81. 89. 9) Arb. '98, 35.
DEB GERMANISCHE ii'.mit.i.. 77
Darüber, dass bei allen germanischen stammen menschen-
opfer sitte gewesen sind, herschl kaum ein zweifei. ') In der
rege] winden gefangene feinde, sclaven oder Verbrecher
opfert, nur in höchster not, bei schwerstem zorn der götter,
freie männer, häuptlinge, könige, franen oder kinder.2)
7on anfang an tragt das menschenopfer sühnenden Cha-
rakter.3) Einzelne werden geopfert : a) zur bannung schweren
unheils, das als strafe der erzürnten götter für vergehen des
Volkes angesehen wird, b) zur sühne für eigene schwere ver-
brechen (namentlich tempelentheiligungen4)). — Beide arten
enthalten sowol ein religiöses wie ein strafrechtliches moment,
im zweiten fall herscht dieses, im ersten jenes vor.5) Es scheint.
als ob im laufe der Jahrhunderte die erste arl des menschen-
opfers gegenüber der zweiten mehr und mehr zurücktritt oder
auch, dass der strafrechtliche Charakter aller menscheno
allmählich in den Vordergrund rückt. Am ende des nordischen
heidentums scheint sich schliesslich die auff assung <\>-v menschen-
opfer darauf zu beschränken, dass die hinrichtung schwerer
Verbrecher als ein opfer an die götter betrachte! wird, durch
welches man deren zorn über das vergehen versöhnt Das
strafrechtliche und das religiöse moment scheinen verschmolzen,
das erste aber, wenn auch nicht das vorhersehende, so doch
das ursächliche moment.
') Löhers ausführungen 'Ueber angebliche menschenopfer bei den Ger-
manen', abh. d. acad. München 1882, Bind kein beweis für das gegenteil. Ein
hanptirrtnm in Löhers darlegungen Bcheim mir, dass sie bereits für die
altgermanischen Verhältnisse unsere moderne hohe wertnng des menschlichen
voraussetzen, die doch zweifellos wie dies aneb ein blick auf
beatige aatnrvölker lehrl — für jene zeit* d oichl angenommen werden darf.
Znsammenstellung der Zeugnisse von Lyngby, Tidskr. for pbil. X llöff.
(dazu B. Petersen 25, not. 2). Zeugnisse für Deutschland B.J.Grimm,
D. M. I 86 ff.; Bpeciell für Sachsen nnd Fries» a: Richthofen, Zur lex Saxonum
b.204 ff : Frii b. re< ntsg Beb. II 1. 419 ff ;
, .i Grimm, D.M. 1 87; Kaurer.Beh [291 126 27, dazu not 24; II 196.
Vgl. im besonderen '!;i< Zeugnis der Fngl.s. 18 (Maurer, Bek. II 197, not).
Grimm, D.M. I 85; E. B. Mey< r, Germ. myth. 199 Genn.
invtli . indr.s lll I gl BJchtbofen II 1, I
• Der Btrafrechtliche Charakter anscheinend rein
opfer leuchtet deutlich aus den schwedischen königsopfern: dem kOuig wird
Bteti die schuld an allem anbei] des rolkes beig i mit <l«ni
Leben büssen muss die tuellemeugi iei Maurer, Bek. 11 197, n
78 THÜMMEL
Menschenopfer rein religiöser natur sind auf Island sicher-
lich nicht mehr sitte, sie scheinen im gegenteil verpönt. Das
erste folgt aus dem wol kaum zufälligen mangel jeglicher der-
artiger quellenzeugnisse1), das zweite aus einer nachricht der
Vatnsd. c. XVI (ende) und c. XXX (anfang), wonach pörölfr
Heljarskinn allgemein verabscheut wurde, weil er im verdacht
stand, auch menschen zu opfern. Dagegen haben menschen-
opfer in der form von hinrichtungen schwerer Verbrecher auch
auf Island durchaus nichts unnatürliches. Die drei Zeugnisse
über menschenopfer, die für Island überhaupt vorliegen2),
weisen deutlich auf diesen Sachverhalt, lassen sich aber in
dieser form nicht fortinterpretieren. Da die hinrichtung auf
verschiedene weise vollzogen wurde3), so wechselt die bezeich-
nung der opf erstatte je nach ihrer beschaff enheit. Dass der
pörssteinn sowol wie die blötkelda und auch die heutigen funde
solcher art in der nähe von dingstätten liegen, spricht deut-
lich für die strafrechtliche natur des opfers.
Die berichte von menschenopfern am pörssteinn neben dem
gerichtsring und in der blötkelda sind also in jeder weise glaub-
würdig4) und werden bestätigt durch die tatsache, dass auch
heute noch auf Island an verschiedenen stellen eine 'blötkelda'
oder ein 'blötsteinn' traditionell bezeugt ist. Wenn auch die
tradition nicht in jedem falle recht haben mag, so liegt doch
zweifellos eine echte Überlieferung zu gründe. Auf der andern
seite ist freilich zu betonen, dass nicht bei jeder tempel- oder
dingstätte ein opferstein oder opfersumpf gewesen ist, in erster
linie wol nur bei haupttempeln, in deren nähe eine dingstätte
lag. [Nicht unmöglich ist es auch, dass einige von den opfer-
steinen, welche in unmittelbarer nähe von tempelruinen liegen,
beim schlachten der tieropfer eine rolle gespielt haben; abzu-
weisen ist jedoch die möglichkeit einer solchen deutung bei den
opfersteinen, die in grösserer entfernung, näher der dingstätte,
gelegen haben.]
*) Vgl. Maurer, Bek. II 46, not. 10; 202 f.
2) Eb. X 8; Kjaln.s., Isl. S. II 404 (s. oben s.75 bez. 64); Kristui s. c.23.
3) Vgl. Maurer, Bek. II 427, not.; II 197, not. 32.
4) Das gleiche gesammturteil äussert Maurer, Lit.-bl. 1880, 14; Verliandl.
d, Berl. anthr. ges. (Zs. f. ethn.) 1894, 322.
DER GEBMANISCHE TEMPEL. 79
C) Die innere einrichtung.
Neben den früher verzeichneten quellenstellen kommt hier
besonders noch in betracht Snorris bericht über die opfer-
gebränche im norwegischen tempel vonHlaöir (Hkr. 186, 16 f£
lläk.s. g. c. 14):
'pat var forn siör, pä er blot skyldi vera, at allir boendr Bkyldn j>ar
koiua, sein hof var, ok rlytja pannug fQng sin, pau er peir Bkyldn liala.
rneoan veizlan stoö. At veizlu peiri Bkyldn allir menn q] eiga; pu var ok
drepinn allz konar smali ok svä hross, en bloS f>at alt. er pai kom af. )>,l
var J»at kallat hlaut, ok blautbollar pat, er bloö J>at stört i, ok hlantteinar,
J?at var svä gQrt sein stoklar, inert pvi skyldi rjööa Btallana odln saman, ok
svä veggi hofains atan ok hinan, ok svä stekkva a mennina, en slätr skyldi
sjoöa til mannfagnaöar; eldar Bkyldn vera ä miSjn gölfi i hofinn ok )?ar
katlar yfir; skyldi füll um eld bera . . . !
Man darf wol voraussetzen, dass die tempel im vergleich
zu den gewöhnlichen häusern mit besonderer Sorgfalt, mit einer
gewissen pracht ausgestattet waren. Die jüngeren quellen über-
treiben jedoch in dieser hinsieht mehr oder weniger und sind
daher, wenn überhaupt, so nur mit vorbehält anzuziehen. ' | -
scheinen die berichte der Kjaln.s. und der ausführlichen DropLs.
über isländische, sowie die angaben bei Adam von Bremen
und seinem scholiasten über den nordischen tempel zu Dppsala
stark mit mythischen Vorstellungen verwoben.2) Ein inst im -
tives beispiel dafür, wie ursprüngliche Verhältnisse in jüngeren
schritten immer mehr ausgeschmückt werden, hat Finnur Jönsson
verfolgt,3)
h) Der langraum. Aus Snorris und den anderen Schilde-
rungen, insbesondere durch die er wähnung der geschnitzten
ondvegissiilur (Eb.), der feuer auf der mitte des golfes, aber
die man einander zutrank (Hkr.), des 'tjaldat' und 'gluggat'
(K'jaln.. Dropl.) geht deutlich hervor, dass der räum, in dem
die opferschmäuse stattfanden, ganz dieselbe einrichtung zeigt,
wie wir sie von dem Wohnraum kennen, der im Eamilienleben
') Vgl. Finnnr Jönsson, \vh. '98,37 f.
8) 'Teinplnin totnm ex anro paratnm' (Adam r. Br. e.96), nwie 'arbor
maiima Ute ramoa axtendenfl Bemper viridis in biemi - unmt
dem 'fons' (Ad. v. Br. Scbol. lo4> erinnern stark an Walhall mit der on-
rgnwaiilu.b hohen, immergrünen esche Yggdraaiki und dem heiligen Drd«
brunnen. ») Ärb. '98,86 f.
80 THÜMMEL
zur ablialtimg von gelagen diente. Das aber ist die stofa1)
(bei den norwegischen fürsten und häuptlingen wegen ihrer
grosse auch holl genannt), soweit nicht zu dem bezeichneten
zweck ein besonderes gebäude (norw. veidushdli, isl. dryJckjusJcäli
oder auch eldhüs) vorhanden war.
Das im folgenden gegebene bild der stofa gilt also in
seinen hauptzügen zugleich für den langraum des tempels: die
wände sind nicht selten innen getäfelt und sehr oft, beson-
ders bei festlichen gelegenheiten, mit feilen oder teppichen be-
hängt (tjaldat), während das balkenwerk immer freiliegt. Bis-
weilen sind getäfel und inneres dachwerk mit gemalten und
geschnitzten bildern geschmückt (motive alter sagen und
mythen).2) Durch die inneren pfosten (innstafir) wird der
räum in verschiedene abteilungen geteilt: a) der länge nach
in 3 schiffe: 1) den hauptraum in der mitte, genannt gölf (im
engeren sinn); er besteht meist aus festgestampftem lehm und
wird bei festlichen gelegenheiten mit stroh oder schilf bestreut;
2) zwei etwas erhöhte seitenräume; — b) der quere nach in
mehrere querf eider (stafgölf, je 3—4 eilen = 2—2,5 m lang),
deren anzahl durch die länge des hauses bedingt ist. Das
mittelste heisst ondvegi; es wird von vier Säulen (sülur) be-
grenzt, den ondvegissülur, die weit schwerer als die andern
pfosten und geschmückt sind mit ausgeschnitzten bildern von
göttern (namentlich Thor) oder beiden. — Längs der mitte
des golfes liegt der lierd (arinn), der häusliche altar. Er be-
steht aus einer oder mehreren (meist 3, an einer stelle auch 7)
feuerstätten, die in ihrer gesammtheit die langeldar ergeben.3)
Hörn oder trinkbecher werden geweiht, indem man sie über
diese feuer reicht. Der rauch steigt auf durch die rauchlöcher
oben unter dem dach. — Längs den beiden Seitenräumen ist
je ein (lang-) pallr und oben darauf ein (lang-) bekkr errichtet.
Der eine pallr bez. bekkr heisst oeöri, der andere gegenüber
uoeöri. In der mitte jeder bank ist der von den zugehörigen
hochsitzsäulen begrenzte hochsitz. Der vornehmere wird stets
]) Nicht der skäli , der gewöhnlich nur schlafraurn war. Ueber die
stofa und ihre einrichtung: Guöin. 171-206; Tnek253— 62, fig. 8. 9. 10. 11.
ä) Vgl. Hüsdräpa.
3) Ueber den trefflich erhaltenen einteiligen arinn in der tempelruine
von Lundr s. s. 58.
DEtt GERMANISCHE TEMPEt.
vom vornehmsten (in der stofa vom hausherrn) eingenommen,
der gegenüber vom nächstangesehenen (bez. vom vornehmsten
gast). Das ondvegi ist für 3—4 personen berechnet. - [rgend
eine feste regel über die läge der beiden hochsitze lässl sich
nicht nachweisen, doch scheint in der stofa, deren einjj
gewöhnlich in der giebelwand war, der vornehmere in der
regel rechts vom eintretenden gelegen zu haben. Im Norwegen
sass der könig auf dem hochsitz der bank, die gegen die sonne
zeigte, also der nördlichen.1)
Die einrichtong des langraumes entspricht durchaus diesem
bild der stofa, jedoch mit einer wesentlichen modification: im
tempel scheint nur ein hochsitz gewesen zu sein. Die worte
der Eb. (IV 3): 'pörölfr kastaöi pa fyrir borö Qndvegissülum
sinum, peim er staöit liQfou i hofinu; J?ar var |?6rr skorinn ä
annarri' deuten darauf, dass nur zwei hochsitzsäulen im
tempel gewesen sind, also nur ein hochsitz. Dass auch in der
stofa gelegentlich nur ein hochsitz vorhanden war, zeigt
gleichfalls die Eb.'2) — Diese umstände machen es wahrschein-
lich, dass das Vorhandensein zweier hochsitze nicht das ur-
sprüngliche ist, dass vielmehr die entwicklung von einem hoch-
sitz ausgegangen ist, dem sich in der stofa dann secundär ein
zweiter zugesellt hat — eine entwicklung, die sehr natürlich
vorkommt.3) Für den tempel erscheint ein doppelter hochsitz
völlig überflüssig-, in der stofa dagegen wol verständlich. Auch
stimmt der umstand, dass die tempeleinrichtung in diesem
punkte die altertümlichere ist, durchaus zu dem relativ alter-
tümlich -conservativen Charakter, den wir allgemein an ihn
tempeln beobachtet haben. — Man darf noch weiter gehen
und mit Maurer4) vermuten, dass eine derartige, zur abhaltung
von gelageu benutzte halle ursprünglich überhaupt nur dem
tempel eigen gewesen und erst secundär für ähnliche zwecke
im privatlehen erbaut worden ist nicht umgekehrt, wie
Nicolaysen5) annimmt, dass der tempel an den skaü anknüpft
') Ueber diesen noch aeuisländ. Sprachgebrauch b, Siguröur \ L
AiIk '82,9, not.
-j Mll. in. v die anmerkung dea Hrsg.
3) Auch Manier (in Beinen Beitr.46,not.ö) deutel die mSgliohkeil einer
Bolchen entwicklung an. Ebda. 62.
■-) Ili-r. Tideskr. W9.
licitruge nur ^schichte .lci CXV.
82 THÜMMEL
Die ganze einrichtung, in erster linie die mit götterbildern
verzierten hoclisitzsäulen1), sowie der verlauf der gastmähler
im einzelnen weisen deutlich auf religiösen Ursprung hin. —
Die errichtung besonderer veizlu- oder drykkjuskälar erscheint
somit älter als die eigentliche stofa, sozusagen die Zwischen-
stufe in der entwicklung zu sein zwischen der tempelhalle
und der nach diesem muster erbauten stofa des Wohnhauses;
solche besonderen veizluskälar sind denn auch nur in der
älteren zeit vorhanden, auf Island nur im 9. und 10. jh.
Das obige bild des laiigraums im tempel wird in einigen
punkten durch die Eb. und Hkr. ergänzt: auf die eine hoch-
sitzsäule in pörölfs tempel war Thors bild eingeschnitzt (Eb.
a.a.o.; auf die andere vermutlich Freyr, vielleicht auch Ööinn).2)
Ferner findet sich in der tempelbeschreibung der Eb. die an-
gäbe, dass in den hoclisitzsäulen nägel waren, die 'reginnaglar'
hiessen. Nirgends sonst sind solche 'götternägel'3) erwähnt,
sie dienten vermutlich nur zum schmuck. — Bei den opfer-
schmäusen Mengen über den längsfeuern kessel, in denen das
opferfleisch gesotten wurde. Ueber die feuer reichte man beim
zutrinken die becher zur weihe (Hkr.)
i) Das afhüs. Wie die angeführten tempelberichte lehren,
kommt für die innere einrichtung des afhüs im wesentlichen
zweierlei in betracht4): et) der stallr (ältere form5): stalli) für
die götterbilder0), in dessen mitte gewöhnlich der gott stand,
dem der tempel geweiht war; ß) der stallr (stalli) oder altar,
auf dem feuer, ring und opferblutschale waren.7)
I. Die angaben der sagas.
Im gründe machen nur zwei eine angäbe über die läge
dieser stallar:
1) Eb. (s.S. 63): '... stöö p>ar stalli ä niiöju gölfinu sein altari, ok
lä par ä bringr einn inötlauss ... Ä stallanum skjddi ok standa hlaut-
bolli . . . Urnbverfis stallann var goSunum skipat 1 afhüsinu. '
*) Wahrscheinlich gehen diese auf die gleiche wurzel zurück wie der
heilige banm der Irminsul, s. nuten 4.
-) S. Traek, abbild. 10.
3) Von Björn Olsen ('Om Euuerne i det oldisl. lit.' s. 10, not.) als 'reihen-
nägel' gedeutet. 4) Vgl. S. Vigfüsson, Ärb. '82, 14.
5) S. Isl. S. II, 402, not. 11. ") S. s. 86.
7) S. s. 8G ff. ; im Yngl.-tal anch vestallr genannt.
i>h:k <;i:kmanis< m. i i.mif.i..
2) Kjaln.s. (s.s.64): 'par stöö pön i miöjuoh önnurgoöä tveer hendr;
iraiiiiiii i'yrir |';ir (Variante: ]'öi) stört Btallr, meö niikliiin hagleih gjfln Ol
|>ilja<V ofan meö jarni; par a Bkyldi vera eldr, bb i r aldri Bkyldi Blokna
Die compUierten angaben der jung. Bfelabök kommen ersl
in zweiter linie in betracht.
II. Die ergebnisse der ruinenfunde.
Die für die vorliegende frage wesentlichen ergebnisse der
s. 59 ff. ausführlich erläuterten funde sind: 1) der querwall im
innern, das hauptcharakteristikum der tempelruinen, ist zu-
gleich ein integrierender bestandteil des afhüs und muss
zweifellos bei der frage nach den stallar in betrachl kommen.
2) Der fand von Hörgsdalr in seiner gesammtheit wie in seinen
einzelheiten spricht deutlich dafür, dass wir in dem steinwaU
mit der feuerstätte in seiner mitte einen einstigen tempelaltar
vor uns haben, auf dem das heilige feuer gebrannt hat.
Derselbe Charakter kommt aller Wahrscheinlichkeit nach auch
dein l'und in Hörgsholt zu. 3) Eine parallele zu dem stein-
wall in Hörgsdalr bildet der breite steinwall, der am fasse
des querwalls im afhüs von pyrill auftritt. Beide stimmen
auch darin überein, dass sie, von der einen längswand an-
gehend, nicht ganz bis zur andern verlaufen, sondern hier
einen räum zwischen sich und der wand Ereilassen.
Combinieren wir fliese ergebnisse mit jenen sagazeug-
n, so ergibt sich zunächst folgende Interpretation für
die angäbe der kjaln. s. :
Ein nach art der aussenwände aufgeführter, meist wo)
nicht ganz so hoher querwall im innern dient als der stallr
(stalli), auf dem die götterbilder stehen (im Thors-tempel zu
Hof ä K'.j.: Thor in der mitte). An seinem fusse verläuft ein
etwas niedrigerer wall aus stein, auf welchem ring nnd o]
blutschale liegen; in dessen mitte Ist eine feuerstätte, deraltar
für das heilige feuer (in Hörgsdalr 60 cm hoch und breit, an
der herdstelle In der mitte BO cm hoch). Durch diese stallar
wird zugleich die völlige brennung von afhüs und langraum
bewirkt. ' Betrachten wir nun die Variante: -liaiimii tvrir [>6r
Btöö stallr ... ' Bin Schreibfehler O^or' für •|,;"'> 'v| nicht an-
zunehmen, weit eher lag Vermutung im umgekehrten
sinne r|'ar' für 'J>6r' verschrieben) nahe. Vielmehr passt die
8i THÜMMEL,
Variante vortrefflich in den geschilderten Zusammenhang', wenn
wir unter 'stallr' nur die feuerstätte in der mitte verstehen.
Vielleicht ist diese einengung des begriff es 'stallr' auf den
concreten Sachverhalt zurückzuführen, dass der altar mit dem
geweihten feuer nicht immer eine derartige ausdehnung nach
beiden Seiten hatte wie oben geschildert, sondern mitunter nur
aus der feuerstätte in der mitte bestand. — Dafür, dass ein
solcher unterschied: — a) altar im weiteren sinne = der
ganze steinwall, in dessen mitte die feuerstätte liegt, und
ß) altar im engeren sinne = nur die feuerstätte in der mitte
— gelegentlich gemacht wurde bez. wirklich bestanden haben
mag, könnte vielleicht auch der umstand sprechen, dass eine
von den hss. der Kjaln., welche die gegebene Variante zeigen,
schreibt: 'Hjä (nicht: ä) peim stalli skyldi ok stand a bolli';
stallr könnte hier im engeren sinne gebraucht sein, so dass die
opferblutschäle auf dem steinwall (dem stallr oder stalli im
weiteren sinne) dann neben ihm stand. — Auch die angäbe
der Eb. ist vielleicht auf diese weise zu erklären, wenn der
stalli mit dem geweihten feuer im engeren sinne gefasst wird.
Die bemerkung ' Umhverfis stallann var goöunum skipat . . . '
scheint freilich nicht ganz treffend, doch bildet sie keinen
Widerspruch zu dein dargelegten Sachverhalt. Die meinung
Guöbrandr Vigfüssons l), der sie für offenkundige interpolation
erklärt, wird man schwerlich teilen dürfen, da sonst in dem
tempelbericht die erwähnung des stalli mit den götterbildern
völlig fehlen würde, was kaum als ursprünglich (etwa als ver-
sehen des Verfassers) zu betrachten ist.
Die beiden stallar bilden also — wenn wir die oben ge-
gebene Interpretation der Kjaln. zu gründe legen — als ganzes
betrachtet eine art bank, deren sitz gleichsam der stalli oder
stallr für feuer, ring und blutschale und deren sehr dicke lehne
der stalli für die götterbilder ist. In diesem sinne ist viel-
leicht das bild der jung. Melabök aufzufassen: 'die götter
standen auf einer erhöhung oder hohen bank (vorn davor
stand ein altar) . . . ' — Der compilator hat vielleicht selbst
die alte tempeleinrichtung noch gekannt oder diesen passus
aus den in der Vatzhyrna enthaltenen beschreibungen er-
x) Corp. poet. bor. I 40-i, not.
DER GERMANISCHE TEMPEL.
schlössen. Erst auf diese weise erhall auch die gewaltige
breite des gesammten querwalls (2 m und beträchtlich darüber)
ihre natürliche erklärung: es sind die reste der beiden an-
einander gebauten stallar. Für bloss einen berechnel würde
die breite nach wie vor nicht recht erklärlich erscheinen.
Dass ein querwall von ähnlicher beschaffenheil und deut-
lichkeit wie in Pyrill nicht häufiger an ruinenfunden beobachtel
worden ist. erklärt sich in erster linie aus dem verfallenen
zustand der ruinen. vor allem wol daraus, dass der höhere
wall (für die götterbilder) im laufe der zeit auf den niedrigeren
(für das feuer . . . ) herabgestürzt ist und ihn so zum guten teil
bedeckt hat. Vielleicht würden genaue Untersuchungen manche
parallelen zu dem bau von pyrill liefern, wo die ursprüng-
lichen Verhältnisse in besonders günstiger weise bewahrt sind.
Der mangel ähnlicher funde wie in pyrill und Hörgsdalr u.a.
wiid ferner dadurch verständlich, dass vermutlich in vielen
fällen die ursprüngliche anläge nicht mehr erhalten ist. Sicher-
lich haben, nachdem die tempel für unheilig erklärt waren,
manche Christen ihre zerstörende band an sie gelegt, auch durch
spätere benutzung zu wirtschaftlichen zwecken (besonders zu
Schafställen und heustäften) wird die ursprünglichkeit der ein-
stigen Verhältnisse vielfach gelitten haben. Endlich ist auch
zu betonen, dass es — wie für den gesammten tempelbau
überhaupt, so auch für die anläge der stallar — vereinzelt
abweichnngen auf Island gegeben haben wird, die sich z. t.
wol als residua aus älterer zeit erklären.1) — Wenn sich im
afhüs mancher ruinen auch an anderen stellen als am 411er-
wall rharakteristische funde ergeben haben-), die den schluss
nahe legen, an den fundsteilen hätten einst dir altäre ge-
standen, so gibt es für die erklärung dieser tatsache neben
den beiden erörterten möglichkeiten der onursprünglichkeil
oder abweichung noch eine dritte: neben dm beiden stallar
') Was im besonderen die min \ u Hörgsdalr ; 1 um. wo heute nur
einwall mit d vorhanden i.-t. bo i
bleiben, oh die heutigen Verhältnisse wirklich die orspi d sind and
somit eine abweichung vorstellen, tl i » - sich vielleicht aus dem Behr alter-
tümlichen Charakter dieses heiligtun • erklärt, oderobdei
fiir ili<' götterbildi r spät rt worden ist
86 THÜMMEL
können auch noch andere Vorrichtungen bestanden haben, die
bei den Opferhandlungen in function traten, zumal sowol für
die Nord-1) wie für die Südgermanen 2) das schlachten von
opfern vor dem altar bezeugt ist.
Das darf als sicher angesehen werden, dass die anläge
der stallar in den tempeln des isländischen typus im allgemeinen
eine einheitliche gewesen sein wird, nämlich die oben erschlos-
sene, zumal für sie alle der breite innere querwall so charak-
teristisch ist. Von gelegentlichen Verschiedenheiten kommt wol
im wesentlichen nur die in betracht, dass der stalli oder stallr
mit dem feuer nicht immer ein von der feuerstätte in der mitte
nach beiden Seiten hin fortgesetzter wall gewesen sein, son-
dern mitunter lediglich aus der feuerstätte in der mitte be-
standen haben wird (höchstens in bezug auf material und con-
struction sind allenfalls noch vereinzelt modificationen als
möglich zu betrachten).
a) Der stalli (stallr) für die götterbilder.
Wenn in den sagas widerholt3) von mehreren stallar die
rede ist, auf denen die götter standen, so ist dies entweder
leere phrase — es kommen fast nur jüngere quellen in be-
tracht — oder so zu verstehen, dass jedes götterbild auf einer
art sockel stand, der gleichfalls stalli (stallr) genannt wurde.
Der gott, dem das heiligtum vornehmlich geweiht ist, steht
auf der mitte des stalli vor der feuerstätte (vom langraum
aus gesehen).
ß) Der stalli (stallr) mit dem eldr, hringr und hlautbolli.
Wenn die Kjaln. berichtet, der altar vor den göttern sei
•mit grosser kunst gefertigt und oben mit eisen beschlagen',
so ist das erste wahrscheinlich ein wenig übertrieben (wenn
man auch dem in Hörgsdalr erhaltenen altar eine gewisse
kunstfertigkeit nach damaligen begriffen nicht absprechen
kann), das zweite vermutlich unzutreffend, wenigstens für is-
ländische tempel, da dieser altar meist (wie in Hörgsdalr und
J)yrill) aus stein gewesen sein wird.
') Vgl. Maurer, Bek. II 199. 2) Tac. Ami. 13, 57.
3) Hkr., Öl. s. Tr. c.76; Fms. II 154. 163; Fiat. 1401; Harö. s., isl.S.
II 59; vgl. S. Vigfrisson, Ärb. '82, 14.
I>EK GERMANISCHE TEMPEL.
1) Das feiler. Dass während der opferhandlungen ein
oder gar mehrere feuer im afhüs zum gebrauch gebrannt hal
liegt aus verschiedenen gründen nahe and erhelll auch aus
den zahlreichen funden von holzkohlenasche und feuerfar-
benen steinen im afhüs von tempelruinen. l) Dass ferner die
nachricht der Kjaln., eine solche feuerstätte sei auf dem altar
gewesen, wo eidring and opferblutschale Lagen, oicht apokryph
ist, beweist vor allem deutlich der fund von Eörgsdalr
liegt auch an sich kein grund vor, die nachrichl in zweifei zu
ziehen, obwol eine derartige angäbe in der Eb. fehlt.
Zweifellos isl aber der zusatz, dass dieses feuer oie verlöschen
sollte, nichts weiter als eine leere erfindung2), die durchaus
dem mythischen Charakter der saga entspricht. .Man darf mit
Finnur Jönsson3) annehmen, dass hier lediglich eine analogie
vorliegt zu der Überlieferung von ewigen feuern in griechischen
und römischen tempeln. — Die notiz steht auch im Wider-
spruch zu der im folgenden (bei der Schilderung der tempel-
verbrennung) gemachten bemerkung: 'Hann (Bui) tök pä
eldinn ]>ann hinn vigöa ok tendraöi; siöan bar hann loginn
um hofit'4), wenn auch die bedeutung dieses Widerspruches
dadurch abgeschwächt wird, dass die erzählung von der tempel-
verbrennung späterer zusatz ist.5)
2) Der eidring. Dieser, ein nicht völlig geschloss
(liintlauss) ring von 20 ören = 538 g gewicht, war zweifellos
aus gold, wie Siguröur Vigfusson6) gezeigt hat und auch je
eine hs. der Eb. und Kjaln. berichtet, nicht aus silber, wie
die Varianten beider texte angeben. Wahrscheinlich hat ihn
der gode aussen über dem rockärmel getragen.1)
8) Die opferblutschale. Der hlantbolli auf dem altar
ist zweifellos nicht -ehr gross gewesen; dafür sprichl schon
der name. ferner der umstand, dass jene in steine eingehauenen,
napfartigen Vertiefungen, welche von der Überlieferung auf
Island als einstige hlautbollar bezeichnet weiden, sämmtlich
') 8.
Falle nicht "'1 -u,f ,lir
daupr der Opferfeierlichkeit beschräu
•) Kjaln. b., Lsl 8. ll HO
h) s. 1.87. I ' » not
■) Art.. '82, IT. not
88 THÜMMEL
nicht sehr gross sind (10 — 20 cm weit, 6 — 12 cm tief).1) Der
kleine 'bollasteinn' im heidnischen altar von Hörgsdalr hat einen
kreisförmigen bolli, der 8 cm im dnrchmesser misst und 2,6 cm
tief, vielleicht aber unvollendet ist,2) — Der hlautbolli ent-
hielt sicherlich nur so viel blut, als zu der heiligen handlung
des besprengens erforderlich war. Dass er alles blut der opfer-
tiere enthielt, wie die Kjaln. abweichend berichtet, ist undenk-
bar3) und offenkundige Übertreibung; aller Wahrscheinlichkeit
nach beruht dieser bericht auf einer falschen interpretation
oder flüchtigen entlehnung von Snorris bericht4), wo die
gleichen worte 'blöö ]>at alt', aber in etwas anderem Zusammen-
hang vorkommen.
Aus früheren erörterungen 4) geht hervor, dass der hlaut-
bolli vermutlich aus stein gewesen ist wie der eben erwähnte
in Hörgsdalr. Die angäbe der Kjaln. 'bolli af kopar, mikill'
ist ein durchaus irriger zusatz des Verfassers.5) Dieser bolli
lag auf dem altar (im weiteren sinne) neben der feuerstätte
in der mitte (dem altar im engeren sinne0)). Der 'bollasteinn'
in Hörgsdalr fand sich jedoch innerhalb der vier aufrechten
steine, die die feuerstätte bildeten. Es ist möglich, dass der
bolli nur während des opferfestes zum gebrauch auf dem altar
lag, sonst aber unter dem herde, in dem altar im engeren
sinne aufbewahrt wurde. Wenn nun in zwei hss. der Kjaln.
wirklich die Variante 'i J>eim stalli' auftritt, so liegt vielleicht
dieser Zusammenhang zu gründe; andernfalls bliebe die er-
klärung übrig, dass der 'bollasteinn' zugleich als baustein für
den altar (im weiteren sinne) gedacht ist.
III. (xesaimiitl)ild des isländischen tempels.7)
1) Territoriale läge. Der isländische tempel (hof) liegt in
der regel auf einem berge oder hügel, der daher mitunter einen
besonderen namen trägt: Hofhöll, Goö(a)höll, Goöaborg, Goöa-
fjall. Je nach der beschaffenheit des berges liegt der tempel
auf dem gipfel oder am abhang, selten jedoch am fusse. Ganz
0 S. s. 57. 2) S. s. 61.
3) Vgl. S. Vigfüsson, Arb. '81, 82.
*) S. s.79.
5) Vgl. F. Jonsson, Ärb. '98, 31. 6) S. s. 84.
7) Vgl. karte 2.
DER GERMANISCHE TEMPEL. 39
besonders beliebt scheint die läge auf flachem gipfel, so dass
die einhegung, in dessen mitte der länglich-viere opel-
bau steht, den rand des gipfelplateaus bekränzt. Bedingt die
natnr der statte eine geneigte läge des tempels, so liegt dieser
den abhang hinauf und zwar der kleinere tempelranm, das
afhus, am oberen ende.
Der tempel steht (fast ohne ausnähme) auf dein tun der
gehöfte, also innerhalb des vom tüngarör umgebenen engeren
gutsbezirkes. Nur in ganz vereinzelten fällen befindet er sich
ausserhalb, vom gehöft entfernt — offenbar eine erinnerung
aus weit älterer zeit, in der die freie naturlage des tempels
noch allgemein war. Die entfernung des tempels vom gehöft,
welches in der regel etwa in der mitte des tüngarör liegt, isi
verschieden.
Irgendwelche feste regel im sinne einer bestimmten himmeis-
richtung besteht beim isländischen tempel nicht (oder wenigstens
nicht mehr) — ebensowenig wie bei den isländischen gehöften
der damaligen zeit — wenn es auch scheint, als ob die O.-W.-
lage als reminiscenz an frühere zeiten bevorzugt wird.
2) Baumaterial und construction. Der isländische tempel
ist in seiner gesammten anläge — mit ausnähme der dach-
itruction — ein reiner rasenbau (allenfalls unter benutzung
von Feldsteinen im unteren teil der mauern) mit etwa 1,5 m
hohen und ebenso dicken wunden, die aus einzelnen horizontal
aufeinander gelegten rasenschichten von 5 — 10 cm dicke be-
stehen. Ihr fundamenl wird durch je eine einfache oder dop-
pelte reihe mächtiger grundsteine an der innen- und am
scitc Urbilder. Holz, auf Island nur spärlich vorhanden, dient
lediglich als hilfsmaterial, in erster linie zur construction des
dachwerks (hölzernes balkendach mit der eigenartigen 'stab-
constmetion'), der pfosten und des paneela
3) Aeussere form und bauliche anläge. Der typus
isländischen tempels, wie er uns in den itritt,
ist ein einheitlicher, länglich-viereckiger bau. Die ecken sind
mehr oder weniger stark abgerundet, je oachdem der l-
fende tempel einem früheren "der späteren Stadium innerhalb
der allgemeinen tempelentwicklung angehört. I1 Ibau
in seiner äusseren form der völlig analogen entwicklung,
die an den isländischen wie nordischen Däusern überhaupt
90 THÜMMEL
stattfindet. Die ältesten tempel zeigen eine starke rundimg
der ecken. Sie tritt ganz besonders am afhüs hervor, das
mitunter halbkreisähnliche form annimmt. Im laufe der ent-
wicklung nähert sich der bau immer mehr der reinen recht-
eckform. Diese wird aber nie völlig erreicht, wenigstens
ist kein tempel mit durchaus scharfen ecken nachweisbar.
Die dahin strebende entwicklung wird durch den Untergang
des heidentums abgebrochen. Die beiden tempelruinen von
Ljärskögar und Rütsstaöir repräsentieren den anfangs- bez.
endpunkt dieser isländischen entwicklung.1)
Der innere räum dieses länglich- viereckigen baus ist durch
einen durchschnittlich Vj» — 2 m breiten, ca. 1 m (und darüber)
hohen quer wall, der von der einen langwand hinüber zur
andern verläuft, in zwei ungleich grosse, völlig von einander
getrennte räume geteilt: a) in den grösseren langrauin, in
welchem die opfergemeinde sich versammelt und die opfer-
schmäuse (blötveizlur) stattfinden, b) in das kleinere afhüs;
hier stehen die götterbilder (in der 'jüngeren Melabök' heisst
daher der räum 'goöastüka') und der altar (stalli, stallr) mit
dem geweihten feuer; hier verrichtet der tempelpriester die
heiligen Opferhandlungen vor den äugen der opferversammlung.
Dieser quer wall ist ganz nach art der aussenwände aufgeführt,
meist wol etwas niedriger als diese, ca. 1 m hoch, jedoch breiter
und im Untergrund mächtiger. — Die gegenseitige läge von
afhüs und langraum ist wechselnd, eine bestimmte regel dafür
lässt sich nicht aufstellen.
Das dach2) ist an kleineren tempeln wahrscheinlich ein
reines Satteldach (einfaches 'Aastag' mit 1 dachfirst) gewesen,
an grösseren ein mansarddach (zusammengesetztes 'Aastag'
mit 3 dachbalken), in diesem falle häufig mit gewölbtem dach-
raum (hüfa), speciell über dem afhüs. In bezug auf die giebel-
form ist das dach bei den ältesten tempeln vermutlich ein
Walmdach gewesen, das reine giebeldach nur selten und erst
an tempeln allerjüngsten stils. Die dachdeckung ist (wie bei
den gewöhnlichen häusern) entweder aus rasen oder aus holz
gewesen; auf Island war vermutlich das erste vorhersehend.
1) S. karte 2, riss I und III (II repräsentiert ein Zwischenglied).
2) Vgl. Tr«ek. fig. 8. 9.
DER GERMANISCHE TEMPEL. 91
Oben in den beiden schrägen Seitenflächen des daches, gleich
bei den seitenbalken, waren die fenster (ginggar), ziemlich
grosse liclit- und luftlöcher, angebrachl (glasfenster hat es
sicher nocli nicht gegeben).
Häufig ist der tempel von der Umgebung abgeschlossen
durch eine rechteckige (bez. quadratische) oder kreisförmige
einhegung (hofgarör); sie ist von gleicher construetion wie die
mauern und gleich den tiiren des tempels verschliessbar. Der
abstand des tempelzaunes vom tempel beträgt etwa 3 — I m,
bei grossen tempeln etwas mehr, bei kleinen etwas weniger.
Vereinzelt begegnet auch der eigenartige fall, dass die
beiden tempelräume zwei besondere, völlig von einander ge-
trennte gebäude bilden: ein von einer einhegung umgebenes
afhüs und dicht dabei der veizluskäli. ') Offenbar erklärt
sich diese anläge durch ungleichzeitige entstehung. Das afhüs
ist zweifellos das primäre, der drykkjuskäli vielleicht ersl
hinzugefügt worden, als der tempel dann haupttempel wurde.
4) Die innere einrichtung. Die einrichtung des langraumes,
deren kenntnis uns auf directem wege nicht näher vermittelt
wird, entspricht in allem wesentlichen dem bilde, das wir von
dem späteren veizlu- oder drykkjuskäli und von der noch
jüngeren stofa, dem hauptraum der privathäuser, kennen/-)
Doch hatte der tempellangraum offenbar nur einen hochsitz.
Erst in den veizhiskälar und den stofur (höchstwahrscheinlich
nachbildungen des tempellangraumes für private, weltliche
zwecke) hat sieh diesem hochsitz ein zweiter zugesellt — Die
Wände (beider räume) werden wir uns innen getäfelt und mit
feilen oder teppichen behängt (tjaldat) zn denken haben —
während «las innere balkenwerk immer freilag — getäfel und
inneres dachwerk mit gemaltes und geschnitzten bildern ge-
schmückt (motive alter mythen). — Der länge Dach wird der
langraum durch die beiden inneren pfostenreihen geteilt in
zwei Seitenräume und einen hauptraum in der mitte, den
eigentlichen golf. Längs den beiden amen i>t je eine
(lang-)bank ([lang]-pallr) errichtet; in der mitte der einen
steht der von den beiden hochsitzsäulen begrenzte hochsitz
') 8. karte 2. riss IV.
•) 8. i.80 ff.; vgl. Tmk, flg.a '.'. 10. n.
92 TIIÜMMEL
((mdvegi). Die hochsitzsäulen (ondvegissülur) sind mit aus-
geschnitzten bildern von göttern, gelegentlich wol auch mit
'götternägeln' (reginnaglar) geschmückt, — Längs des haupt-
raumes (gölf) in der mitte, dessen meist strohgedeckter hoden
in der regel aus festgestampftem lehm besteht, liegt der ge-
wöhnlich 1 — Steilige herd (arinn). auf dem die langfeuer
(langeldar) brennen. Ueber diesen hängen während der opfer-
gelage kessel, in denen das fleisch der opfertiere gesotten
wird, um dann zur Speisung der opferversammlung zu dienen.
Ueber die feuer reicht man die trinkbecher, um sie zu weihen.
Das afhüs zeichnet sich mitunter dadurch vor dem lang-
raum aus, dass es gepflastert ist. — Der breite querwall im
innern, der die Zweiteilung des gesammtraumes bewirkt, ist
zugleich die erhöhung (stalli), auf der die götterbilder stehen,
in der mitte das bild des hauptsächlich verehrten gottes. Am
fusse dieses querwalls (auf der dem afhüs-innern zugekehrten
seite) verläuft ein zweiter (etwas niedrigerer und schmälerer,
ca. 60 cm breiter) wall (aus steinen), in dessen mitte — also
vom afhüs aus gesehen vor dem bild des tempelhauptgottes —
ein etwas erhöhter (ca. 80 cm hoher, aus grossen steinen relativ
kunstvoll errichteter herd steht; auf diesem brennt das ge-
weihte feuer (vfgör eldr). Dieser zweite wall (stalli, stallr)
verläuft wol auf einer oder auch auf beiden Seiten der feuer-
stätte nicht bis zu den laugwänden wie jener; mitunter wird
dieser altar lediglich aus der feuerstätte in der mitte bestanden
haben. Auf diesem altar liegen (ausser dem feuer) noch: 2) der
stallahringr: ein goldener, nicht völlig geschlossener (mutlauss)
ring von 20 ören = 538 g gewicht (tvitogeyringr) ; auf ihn
sollen alle eide geschworen werden, ihn soll der tempelpriester
(hofgoöi) bei allen Versammlungen tragen — (dies geschah
wahrscheinlich aussen über dem rockärmel). 3) Die opferblut-
schale (hlautbolli) : aller Wahrscheinlichkeit nach ein flacher
stein mit einer napfartigen, etwa 10-20 cm weiten und 6-12 cm
tiefen Vertiefung. Er enthält das opferblut (Maut, f.), welches
dazu gebraucht wird, die altäre, die tempelwände und die
opfergemeinde zu besprengen. Zu diesem zwecke liegt im
hlautbolli ein blutzweig (hlautteinn), der als Sprengwedel dient.
5) Grösse. Die grosse der tempel ist naturgemäss ver-
schieden; im einzelnen falle sind die besonderen örtlichen
DEB GERMANISCHE TEMPEL. 93
bedürfnisse massgebend. In der rege! Bind die öffentlichen
oder hanpttempel erheblich grösser als die privattempeL Für
jene besteht eine durchschnittliche äussere länge vmi ca. 30 m,
für diese eine solche von ca. 1"> in. Natürlich hat es auch
fälle gegeben, in denen ein umgekehrtes Verhältnis auftrat.
sieht man von dieser Classification ab und betrachtet alle
tempel insgesammt, so ergibt sich eine durchschnittliche !■
von 16—22 in, bei einer breite von 8 m. Für mittlere Ver-
hältnisse beträgt die äussere breite etwa ein drittel der ge-
sainmten äusseren tempellänge, in der regel etwas mehr (fast
stets aber weniger als die hälfte). Bei außergewöhnlichen
Iängenmassen wird diese regel mehr oder weniger durch-
brochen, da in der breite aus bautechnischen gründen meisl
eine gewisse grenze innegehalten wird. Die beiden längsten
tempelruinen (Hofteigr, no. 9; HofiVäpn., no. 11, zwei hanpt-
tempel) weisen eine länge von 42 m bez. 37,7 m auf, bei einer
breite von je 10,7 m. — Die länge des afhüs beträgt (gleich
der tempelbreite) in der regel reichlich ein drittel der ge-
sammten tempellänge. Das afhüs selbst besitzt daher meisl
annähernd quadratische form. Seine grosse ist bei den ver-
schiedenen tempeln einigermassen constant, bei haupttempeln
im allgemeinen etwas grösser als bei privattempeln. — Die
länge des langraumes wechselt, je nach der anzahl dertempel-
besucher, in ziemlich freier weise.
6) Eingänge (dyrr) und türen. Der tempel hat stets zwei
eingänge (nicht mehr und nicht weniger), und zwar hat jeder
der beiden räume seinen besonderen eingang. Die läge dieser
beiden eingänge kann sein.- a) beide in ein und derselben lang-
wand, in diesem falle gewöhnlich an den beiden ecken, b) einer
von beiden ist in die mitte einer giebelwand gelegt, der andere
am entgegengesetzten ende der langwand. — Niemals li<
die beiden eingänge einander gegenüber, d.h. nie sind I
türen desselben tempels auf beide giebelwände "der auf beide
langwände verteilt. Höchst wahrscheinlich ist eine derai
vermieden, am starkem luftzug vorzubeugen. — Die türen
seilet Bind vermutlich Schiebetüren gewesen, die in der i
mit einem metallring als handgrifl versehen waren. Wie bei
den Wohnhäusern wurden sie wahrscheinlich durch eine quer-
stange ans holz verschlossen.
94 THÜMMEL
In allen diesen punkten der gesammten äusseren anläge
besteht kein principieller unterschied zwischen goden- und
privattempeln. !) Der einzige, natürlich gegebene liegt in den
grossen verhäl tnissen.
Modifikationen an diesem bilde des isländischen tempeltypus
hat es gewiss im einzelnen gegeben, insbesondere wird die ein-
richtung des altars oder stalli (bez. der stallar) mitunter eine
etwas andere — ■ altertümlichere und primitivere — gewesen
sein als die geschilderte. — Zweifellos kommen aber solche
modificationen für haupttempel wenig in betracht, zumal auch
die beiden berichte der hauptquellen (Eb. s. und Kjaln. s.) zwei
haupttempel betreffen, die gleich im anfang der landnämatiö
nach dem muster der heimat Norwegen errichtet wurden.
Auf der andern seite wird es viele privattempel gegeben
haben, die primitivere Verhältnisse in anläge und einrichtung
repräsentieren als das eben gezeichnete bild des isländischen
typus. Sie werden häufig sehr bescheidene bauten gewesen
sein, mitunter vielleicht nur ein kleines afhüs als anbau an
das wTohnhaus.2)
Für privattempel in erster linie oder gar ausschliesslich
kommen wol auch jene runden tempelruinen in betracht, die
sich vereinzelt neben der typischen tempelform auf Island
finden und offenbar residua einer altertümlicheren stufe der
entwicklung darstellen — der stufe, aus welcher sich (w7ie
allgemein bei der hausform) die länglich- viereckige entwickelt
hat. Bei der durch diese form bedingten geringen ausdehnung
— das streben nach grösseren gebäuden gibt ja den anstoss
zur entwicklung der länglich -viereckigen form — liegt die
Vermutung nahe, dass kreisrunde tempelhäuser mit kuppeldach
vornehmlich als privattempel gedient und sich als solche noch
lange erhalten haben bis in die zeit, in der für öffentliche
zwecke bereits die längliche form typisch war.
Bei denjenigen haupttempeln, in deren nähe eine dingstätte
lag, scheint — bald näher dem tempel, bald näher der ding-
stätte — in der regel ein opfersumpf (blötkelda) [oder ein 'goöa-
') "Vgl. [karte 2] riss I (haupttempel) mit II und III (privattempel).
2) Wie etwa das (Vatnsd. s. c. 42 erwähnte) blötliüs des Hrolleifr und
seiner mutter Ljot in Ass (no.38); vgl. den riss des gehüfts, Ärb. '95, zeiclm. I.
I'i'i; Ql km \\i- < iik i EMP1 i
gewesen zu sein, in welchen die vom dinggerichl zum
tode verurteilten schweren Verbrecher gestürzl worden,
ein opferstein (blötsteinn, speciel] auch ^örssteinn), an dem
ihnen das rückgral zerschmettert wurde. Solche als opfer an
die götter betrachteten strafrechtlichen hinrichtui einen
die einzige arl der menschenopfer zusein, die auf Island noch
aitte waren; germanische menschenopfer im eigentlichen sinne
gehör« n einer früheren zeil an.
Anhang*
I > i «■ hauptgöl t er auf [sland.
I. Die Bagas nennen (direct oder indira > Thors-
tempel, ■_' (5) Freystempel. In jedem tempel wird ein
v<t allen andern verehrt; sein bild stehl auf der mitte
für die götterbilder bestimmten Btalli vor1) der heiligen
feuerstfil
Thor sind folgende tempel geweiht: l) dei dea [)6r61fr
Bfostrarskegg in Bofstaöir auf ßorsnes (no. 37)2); überhaupt ist
das ganze ßorsnessping durch die Thorverehrung charakteri-
siert*); 2) der Beines sohnes Ballsteinn ttorskafjaröargodi in
Sallsteinsnes (no.48)4); 8) der des Porgrimr gooi in Bofa Ki.
im». 88) »); 1 1 wahrscheinlich der des Jorundr in Svertingsstaöir
(no.46?).a) Freystempel waren: L) in pvera bez. Bripl
Btadir in". M))1); die statte isl bezeichnenderweise \'\\
nannt 2) der des [ngimundr zu Bofi Vd. (no.23).8) I
eiht sind natürlich auch die tempel der drei goden, die
n: ßorgrfmr in Sseböl (n 11 in
Aftalbo] no.10)9) und t)6ror im 8kap1 Warum
wo] ein entsprechender beiname horsgoöi, der die zahl
erschlieesbaren Thontempel vermehren würde, nirgends
kommt, wird nachher t'i"ii«-it werden.
II. Die I.<in. nennt von allen gottheiten nur |>6i r
lieh. Die Verehrung theit wird l" len fünf
') Vuin l.inu'r.iiiin
i \ :;i QnSbnutdi \ igl
■. Lda I
96 THÜMMEli
personell mehr oder weniger ausführlich geschildert: 1) pörolfr
Mostrarskegg (mit seinem ganzen anliang), 152, 28 ff. — 153;
2) Hallsteinn, 165, 23 ff.; 3) Kräku - Hreiöar, 187,38. 188,12;
4) Helgi enn magri, 193, 15 — 16, 18 (halb Christ, halb Thors-
verehrer; 5) Äsbjorn, 217, 10.
III. In den von der Ldn. verzeichneten isländischen Orts-
namen findet sich Thors name 4 mal, Njorös name 1 mal,
der anderer gottheiten überhaupt nicht.
IV. In den namen der fast 4000 personen, welche die Ldn.
aufzählt, kommen porr 980 mal, Freyr 4 mal, andere gott-
heiten überhaupt nicht vor.
1) porr: 980 (969 pur- + 11 -porr) und zwar 704 masc. (693 + ll)1),
276 fem. (276 + 0)'2),
2) Freyr: 4; 2 masc.3), 2 fem.4)
V. In heutigen Ortsnamen5) kommen porr gegen 10 mal,
Freyr 4 mal. (im O.), Njorör 2 mal, andere gottheiten über-
haupt nicht vor.
Aus allen diesen punkten geht mit deutlichkeit hervor,
dass porr haupt- und nationalgott der alten Isländer gewesen
ist. Neben ihm spielt nur Freyr noch eine hervorragende
rolle, namentlich im osten der insel (in der Fljötsdalsheiöi)
tritt sein cult stark hervor. Von allen andern gottheiten
kommt allenfalls Njorör in frage, völlig fehlt dagegen der
Odinscult. Mit diesen ergebnissen stimmt überein die nach-
richt der jung. Melabök6): 'porr eöa Jüppiter var seöstr ok
mest göfgaör, }?ä Freyr'; ebenso stimmt der bericht der
*) 83 -steinn, 74 -Ör (darunter 1 HQföa-j?6rör), 58 -ir (darunter 1 Holta-,
I Yxna-p>örir), 56 -kell (-ketill), 53 -bJQrn, 51 -geirr, 45 -arinn, 40 -grimr,
28 -gils, 28 -valdr, 27 -61fr, 25 -möör, 23 -leifr, 13 -oddr, 12 -finnr,
II -läkr, 9 -brandr, 9 -varör, 8 -hallr, 8 -leikr, 6 -bergr, 5 -haddr,
5 -ormr, 4 -gestr, 4 -viör, 2 -fiör, 2 -gautr, 1 -älfr, 1 -gnyr, 1 -halli,
1 -ljotr. — 6 Berg-, 3 Stein-, 2 Haf-.
2) 57 -iSr (puriör), 43 -gerör, 37 -dis, 34 -unn, 27 -a (darunter
3 Berg-, 1 Haf-, 1 Langaholtspora), 17 -bJQrg, 15 -katla, 10 -laug,
8 -hildr, 7 -arna, 5 -ny, 4 -ey, 3 -ljöt, 2 -leif, 2 -vor, 1 -elfr, 1 -finna,
1 -grima, 1 -odda, 1 -ve. Vgl. Jon Jönsson, 'Um Islenzk Mannanöfn'
Safn III 4, 680—81.
3) 1 Freysteinn, 1 -viör.
4) 2 Freygerör; vgl. Jon Jonsson ebda. 591.
5) Käl., register. a) S. s. 65.
bEH GERMANISCHE TEMPETi. 07
ausführlichen Dropl. s. '), im tempel zu Bessastaöir in der
Fljötsdalsheiöi seien 1) Freyr und 2) Dörr am meisten verehrt
worden'), sehr gut zu unsern beobachtungen. Eine bestätigung
des weitaus vorhersehenden Thorscultes liegt vielleicht auch
darin, dass sich gegenüber dem dreimal bezeugten beinamen
Freysgoöi kein pörsgoöi findet. Wahrscheinlich bezeichnet jener
name zugleich etwas von der regel abweichendes, wenn auch
damit nicht geschlossen werden soll, dass das Simplex gofci stets
gleichbedeutend mit ßörsgoöi ist.
Dieses bild der götterverehrung auf Island ist ein ziemlich
getreues abbild des norwegischen eultes.3) Es bildet somit die
bestätigung der natürlichen Voraussetzungen, die man in dieser
frage liegen durfte, als auch eine weitere festigung der für
den norwegischen göttercult bisher gewonnenen kenntnis.
2. Der nordgernianische tempelbau ausserhalb
Islands.
Die einzigen reste, die wir von germanischen heiligt ümern
ausserhalb Islands kennen, sind einige in Jütland gefundene
steinaltäre aus der älteren eisenzeit.4) Tempelruinen vom
ausgang des heidentums dagegen sind auf dem scandinavischen
festland aus naheliegenden Ursachen nicht erhalten.5) Alles,
was über den nordgermanischen tempelbau erschlossen werden
kann, gründet sich daher in erster linie auf das bild des
isländischen tempels und auf die nachrichten der quellen.
Diese fliessen für Norwegen relativ reich, wenn auch nicht in
dem masse wie für Island, sind dagegen für Schweden und
Dänemark viel zu dürftig, als dass sich aus ihnen allein ein
irgendwie klares bild zeichnen Hesse — wenn sich auch aus
den Ortsnamen gewiss noch mancherlei finden lässt
a) Der uorwegische tempel. 1) Der tempelberichl der Kl...
dir überaus zuverlässige und ausführlichste beschreibung über
') c.36, b. Lrb. '82,86
^ Vgl. die localsage, Lrb. '82,89, not
") Vgl. E.Mogk, Germ, myth., Panls Grandr.' III 354 319.
*) s. >. 99.
s.28. Die &nf Gotland erhaltene banrnine, ?on dei 3ftv< (Ann. f.
n. 0.1852, L58 ff.) meintj >i-' kOnne vielleicht ?on einem Bpätheidnischen
tempel herrühren, gehört schwerlich in diesen Ensammenhang.
lieiträge zur geschichte Her deutschen iprache. XXXV. J
08 THÜMMEL
einen isländischen tempel, welche vorhanden ist, die auch durch
die ergebnisse der ausgrabungen in allem endgültig bestätigt
wurde, bezieht sich auf einen tempel, der 884, also in den
anfangen der landnämatiö in Norwegen abgebrochen und nach
Island verpflanzt wurde. Dieser ist zugleich der typus jener
alten isländischen tempelform, deren abbild uns in der ruine
von Ljärskögar vorliegt. Sicherlich hat porölfr seinen tempel
auf Island ganz nach dem alten norwegischen muster wider
aufgebaut. 2) Aus zahlreichen Zeugnissen der Ldn. geht klar
hervor, dass die ansiedier eifrig beflissen waren, ihren religiösen
cult möglichst rasch in der alten, heimischen weise widerein-
zurichten. 3) Alle nachrichten der sagas über tempel in Nor-
wegen setzen die Übereinstimmung zwischen isländischem und
norwegischem tempel voraus, kein zeugnis spricht für irgend
einen wesentlichen unterschied, der (abgesehen vom baumate-
rial) zwischen beiden bestanden hätte. — Es kann somit
kein zweifei heischen,, dass zum mindesten die ältesten
formen der isländischen heiligtümer in voller reinheit aus
Norwegen übernommen sind, dass sie also als getreue ab-
bilder der norwegischen vom ausgehenden 10. jahrh. gelten
können; und angesichts der überaus innigen bezielmngen
zwischen dem norwegischen mutterland und der isländischen
tochtercolonie darf man annehmen, dass auch in der folge bis
zum ausgang des heidentums isländische und norwegische
tempel ein in allem wesentlichen völlig gleiches gepräge
tragen.
b) Das baumaterial ist in allen nordischen reichen von
jeher dasselbe gewesen1), ebenso hat die hausform im ge-
sammten norden die gleiche entwicklung durchlaufen.2) Es
darf allgemein als sicher gelten, dass im bauwesen die gleichen
hauptprincipien über den gesammten germanischen norden hin
herschend waren3), wenn auch geringe Verschiedenheiten localer
art bestanden haben4), die jedoch speciell für den tempelbau
fast gar nicht in betracht kommen. —
Im grossen und ganzen darf also das bild des norw.-isl.
tempels als das bild des nordgerman. tempels überhaupt gelten.
i) Guöm. 7, 99. 2) Ebda. 91—93.
3) Ebda. 10. <) Ebda. 11.
bfiR ni^HMANIsCHK TEMPEt. 99
Der grundlegende, zugleich auch einzig« wesentliche unterschied
zwischen dem isländischen tempel und dem tempel auf dem
scandinavischen festlande liegt im baumaterial. Der nordische
tempel ausserhalb Islands ist wie alle andern gebäude durch-
weg aus holz erbaut. — Ob es da vereinzelt auch tempel
aus erde und feldsteinen, wie beim isländischen typus, gegeben
hat, ist fraglich, zumal dieses material schon beim gewöhn-
lichen häuserbau selten, nur in einzelnen gegenden, auftritt.1)
:». Aeltere formen des nordgermanischen
heiligtums.
I. Einige funde in Jütland und auf Island.
1) In den mooren Jütlands wurden folgende beiden funde
aus der älteren eisenzeit (bis 500 n. Chr.) aufgedeckt2): a) bei
Rosbjerggaard (n. von Hobro) fand man l1/»— 2 m tief im moor
einen opferplatz, der ernst im walde gelegen hat und lange
zeit hindurch benutzt worden ist. Zwei grössere und mehrere
kleinere gewölbte Steinhaufen an diesem orte lassen sich nur
als ehemalige altäre erklären. Charakteristische funde hier
sind ferner: ein feuergeschwärztes etrurisches gefäss aus der
bronzezeit, unter welchem kohlenreste und halbverkohlte brande
lagen, ein geschnitztes trinkhorn aus der römischen periode
(bis 400 n. Chr.), sowie gleichzeitige oder jüngere tongefässe,
ausserdem zahlreiche Scherben rings verstreut. — Oben auf
dem grössten altar standen zwei dicke holzstücke, die wol
reste von den fassen eines alten götterbildes sein können, aber
zu vermodert sind, um sich als solche sicher nachweisen zu
lassen, b) Bei Viborg fand man einen Steinhaufen von gleicher
form und grosse wie der eben erwähnte. Schon der Orts-
name 'die heiligen berge' deutet auf alte cultstätte; hier lag
auch späterhin eine der vier hauptopf erstatten in Dänemark.3)
— Bei diesem Steinhaufen stand eine gut erhaltene, 88 cm
hohe, stark phänische holzfigur, die zweifellos ein götterbild
gewesen ist. sie hat einen sorgfältig geschnitzten köpf, aber
keine arme und endet unten in zwei zugespitzten stricken vnii
•) Guftm. 99. 2) S. 8. Müller IT 179—81.
3) Vgl. II. Petersen 8.
100 THÜMMEL
gleicher art wie die unter a) erwähnten. [Sie stammt ver-
mutlich aus dem ersten teil der eisenzeit.J *)
2) Auf Island hat man ebenfalls ruinen zweier heiligtümer
gefunden, die zeitlich vor der entwicklung des eigentlichen
tempelhauses liegen: a) auf dem berge Hringholt (no. 71) eine
sehr altertümliche länglich - viereckige steinhegung, innerhalb
deren ein auffallend grosser stein steht; b) in Hörgsholt (no.68)
einen dachlosen steinbau. Beide funde werden im folgenden
noch zur spräche kommen.'2)
IL Die altnordischen bezeichnungen für die cultstätten
(insbesondere das problem des 'horgr').
Die allgemeinste bezeichnung für eine heilige statte ist ve
(vgl. vega vig i venm; vargr i veum). Die ausdrücke blöthüs
(s. no. 1. 38. 43; synonym hierzu wäre nach Axel Kocks ety-
mologie3) das wort disarsalr) und gocfahüs (s. no. 10. 43) sind
zweifellos sehr jungen Ursprungs, da sie auf eine ziemlich
vollendete bauform weisen. [Vielleicht sind sie gar erst secun-
däre Wortschöpfungen aus christlicher zeit.4)] Blöthüs speciell
wird ausschliesslich auf privattempel angewant,
Der technische ausdruck für den tempel der sagazeit ist
hof; es bezeichnet sowol goden- wie privattempel, vorzugsweise
jene. Daneben erscheint in der alten literatur das wort liQrgr.
Es ist eine alte Streitfrage, welches der unterschied zwischen
diesen beiden bezeichnungen gewesen ist. Die älteren ansichten
über den Charakter des hQrgrrj) schwanken zwischen 'opfer-
hügel', 'opferaltar' (aus steinen) an erhöhter statte, unter
freiem himmel, und 'haus'. Von neueren auffassungen seien
folgende widergegeben:
K.Maurer6): a) liof = eigentliche tempel; b) hgrgr =
blosse opferstätten, wie es scheint aus im freien aufgerichteten
steinen bestehend. — Eine ganz ähnliche deutung gibt
Keyser"): a) hof = eigentliche tempel; b) hgrgr = art
steinaltar oder von steinen eingehegte opferstätte unter freiem
himmel; ältere einrichtung.
') Aarb. 1881, 369 ff. 2) S. s. 107 f.
3) Arkiv XX 44. 4) Maurer, Bek. II 190, not. 1.
5) Vgl. Siguröur Vigffisson, Ärb. '81, 90—91.
8) Bek. II 190. ") Samt. Af h. III.
DBB QERMANI8CHE TEMPEL. Inl
Siguröur Vigfusson1) (beschränkt Beine Untersuchungen auf
Island): beides holzbauten: a) hof Aas grössere god
(afhus) mit v€islusJcdli\ b) hgrgr das kleinere godahüs ohne
veislusJcdM, daher gewöhnlich privattempel, S. V. folgert dies
aus der tatsache, dass in der stereotypen alliterationsbindnng
'hof ok horg(a)r' hof stets an erster stelle stehe. Di<
argument kann jedoch nicht Btichhalten, Mau/- abgesehen da-
von, dass an einer stelle (Vsp.7) — und das ist gerade der
älteste beleg — die umgekehrte reihenfolge eintritt. Wie
andere ähnliche bindungen hat auch «lies*- in der alliterations-
poesie ihren Ursprung; sie erscheinl schon in der ältesten
dichtung.-) Die reihenfolge ist lediglich durch rhythmisch-
metrische gründe bedingt. Aus eben diesen gründen tritt denn
auch Vsp. 7 die umgekehrte folge ein, wie ferner auch in der
Jxekst. 93) das hof dieser bindung durch blöthus ersetzt wird.
Durch den gebrauch in der dichtung ist dann diese bindung
stereotype formel geworden; dies wird deutlich illustriert durch
die beiden quellenstellen aus der Stjörn4), wo beide male für
hof oh horgar kein äquivalent in der Vulgata vorhanden ist.
E.H.Meyer5): haruc, hea/rg, hgrgr = altarstein oder ein
von einem Steinhaufen umschlossenes heiligtum; ursprünglich
Steinhaufen.
Kimmr Jönsson6): horgr als religiöses eultwort ist eine
uralte bezeichnung des tempels, im norden speciell des tempels
für die göttinnen. wo die frauen den opferfesten vorstanden
(im ae. auch der götterbilder). — So viel auch für diese auf-
fassung ins fehl geführt wird, sie scheitert doch an der summe
folgender tatsachen (abgesehen von der etwas gesuchten Inter-
pretation verschiedener quellenstellen, die zu dieser deutung
in Widerspruch stehen): 1) Yaf|>r. und ('-irinin. ist von einein
horgr des Njorör die rede. — F. J. erklärt dies als eine alte
erinneruug an die weibliche Nerthus. Ist diese erklärung an
sieh schon wenig einleuchtend, so scheint auch aus den Worten
der \'af)T. 'oh varö-ai km alinn' deutlich hervorzugehen,
dass den äsen gewöhnlich horgar eigen waren. ! gen-
Lrb. '81,9a '82,44.
i Vgl. Qislason, Bfterl. skr. 1 218 ti.
4) 8. s.105. •) Genu. mytl. L98.
') Festschrift für K. Weülhold 18 20.
102 THÜMMEL
argument büsst zwar durch den Charakter dieser zeile als
interpolierter stelle an gewicht ein, doch spricht auch Vsp. 7
in demselben sinne. 2) An einigen stellen erscheint horgr
zweifellos als steinhügel, steinaltar.1) — Die art, wie F. J.
in den einzelnen fällen diesen widersprach erklärt, kann nicht
überzeugen. 3) In Schweden sind zwei alte bezirksnamen
Odhinsharg und Torsharg nachgewiesen2), umgekehrt aber
keiner mit dem namen einer göttin. 4) In Norwegen finden
sich mehrere alte gehöftsnamen Freihov, die aller Wahrschein-
lichkeit nach auf *Freyjuhof zurückgehen, da der name Freyr
in solchen Zusammensetzungen stets in der genetivform auf-
tritt.3) In einigen fällen sind auch Ortsnamen mit Fre{i)-
noch in der alten form Freyju- (nicht Freys-) belegt.4) In
einem falle, wo Freishov und Freihov örtlich nebeneinander
vorkommen, ist das zweite sicher auf *Freyjuhof zurückzu-
führen.5) — Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein solcher Orts-
name aufkam, wenn hgrgr wirklieh typische bezeichnung für
tempel von göttinnen gewesen wäre.
Björn Olsen6): a) hof der engere begriff, stets haus, ge-
wöhnlich eingehegt, haupt- oder privattempel ; b) hgrgr hat die
grundbedeutung: ort, wo man zum opfer zusammenkam (zur
selben wurzel wie got. harjis, an. herr[?]), bezeichnet daher:
1) hain, 2) berg, 3) altar, 4) einhegung, 5) haus, in dieser be-
deutung speciell den privattempel.
Während also in bezug auf den Charakter des hof als
wirklichen tempelbaus volle Übereinstimmung herscht, gehen
die ansichten über die art der hgrgar umsomehr auseinander.
Da keiner der deutungsversuche völlig befriedigend ge-
nannt werden kann (was zum teil in der unvollkommenheit
des angezogenen materials begründet ist), so sei im folgenden
aus dem gesammten nunmehr verfügbaren material heraus eine
neue lösung des problems versucht.
1) S. s. 109.
2) Styife, Skandin. under Unicmstiden. Stockh. 1880; 296. 238.
3) Eygk, Norske Gaardnavne II 362.
4) Rygh, Minder ... 19. 21. 23.
5) Ebda. 14. «) Arb. '03, 9—16.
DEB GEBMANISCHE TEMPEL.
L03
A) hgr
FngL-ta] 28l)
illkr. 51, Yngl.s.
c.26)
lläk.-dr.tpa')
(Hkr. 180, Hak. B. g.
c. 10
- Fms. I 30)
VqI.7*)
Yal'|>r. 38
.">. (iriinii. 16
6. Helgakv. Bjorv. 4
7. Ihndlulj. 103)
8. Rekst. 9a4)
9. Orv. Oddss.
(ed. Boer 18K8) B. IM
10. a. a. o.
>j >■ in der alten Literatur,
a) In der dichtnng.
Eh) il;i ining | farra triönn
iiituns eykr a Agli rauß
ff aUStl äuan hafÖi
brüna hory j of borinn lengi.
Austrluiidnni försk undir
allvaldr, Bas gaf skqlduin.
(hann fekk gagn at gunni)
gunnhorga, slqg, morgum.
peira /<■<'>•<•/ oft hof | hntiinbrupu
\/td/)nn ok horgv/m hann (Njojrör) raepr bnnd-
ttlQrgum]
varpat hann üsuni alinn?
inanna pengill j enn meinsvaui || hQtimbrupnm
hgrgi raepr.
Hof nmnk kiösa, i horga marga.
(Freyja:) Horgm&i gerpi | (of) hlapinn steinum
Femililr fylkir vildi i tirna morg ok horga
blothns brenna Lata baö hann heiöin goö meifia.
Bof svipnopo I horgar brnnno
(Variante: giori hverr meginn bettra
hof Svipiöflar horga brenna.
Oddr rauö eggiar ok eyddi hof.)
< Iddr brendi hof \ ok horga braut
ok tregoponi | tyndi )ünom.
8. 1^0 (nur in der erweiterten redaction): Alla vega bü
borgimri stoou hof ok hQrgar; oddr Lei ilä i eldi "k
brenna all nmhverna borgina.
') VgL Jon DorkelBson, Arb. '82, L6 L&
*) Wahncheinlicb unter directem einflua von •>. entstanden.
■) Die dentnng dieser atrophe dnreb Pinnni Jönsson ifl för
LL Weinhold 18/.) Ist iweifellos der durch Gering (Edda-ttbers. 119) vorzu-
ziehen, jedoch mir dem vorbehält, dasa wix einen ateinaltar (Gering), nicht
ein gebinde <l .Jönsson) vor uns haben.
•) Vgl. Gialason, Efterl. Skr. 1 318 ib
104
THUMMEL
11. Brachst, d. alt. Gulap.-l.
a) älteste fassung NgL.
IV s. 7, 150—51
b) jüngere f. NgL. II
s. 496, 2
12. Aelt. Gulap.-l. c. 29
(NgL. 1 18, 2 ff.)
13. Christenrecht Sverrirs
c. 79 (NgL. 1430, 17 ff.)
14. Sn.E. c.13 (ed.A.M.)
a) II 260, 10 ff. : Cod.
Ups. (u. Hypnon.)
b) 162, 7 ff.: Cod. reg.
und Worin.
15. Ldn. s. 158, 6—9
16. Kristni s.,
Bisk. s. I s. 20, 18
17. Öl.s.h.,Fms.V239,4ff.
18. Knytl.s.,Fms.XI305,7
19. Öl.s.Tr.. Fms.I285,19f.
20.
II 41, 2 ff.
h) In der prosa:
a) ... ma cona henda syn til fra husum peim
er hun a goeng i, ok gange pa hvorke fyrer
hcergur nie haugur, og ma huu padan mann
kenna.
b) En ef niaör verör at pvi [kunnr oc sannr
at hann leör hauga eöa (fehlt im original) ]
gerir lms oc kallar horg . . .
Blot er oss oc kviöiat at ver scolom eigi hlota
heiöit guö. ne hauga. ne liorga. En ef niaör
verör at pvi kunnr oc sannr. pa hever hann
firigort hverium penningi fiar sins.
Blott er os kuiöiat at ver skuluni seigi blota
haeiönar vetter. oc seigi haeiöin guö ne hauga
ne horgha. En ef maör vserör at pui kunnr
eöa sannar at hau laBÖr hauga eöa gerer lms
oc kallar horgh . . . , pa heefir han firergort
huerium pseningi fear sins.
a) . . . Annan sal gerpu peir er horgr var i.
b) Var pat hit fyrsta peirra verk, at gera liof,
pat er sseti peirra standa i, XII öimur en
hässetiö pat er Allföör ä. pat hiis er bezt
gert ä jöröu ok niest; allt er pat utan ok
innan svä sem gull eitt; i peim staö kalla
menn GlaÖsheim. Annan sal geröu peir, pat
var hörgr er gyöjurnar ättu, ok var hann
allfagr. pat hüs kalla menn Vingölf.
par haufdu frsendr hennar sipan ätrunad mi-
kinn a holana var pa giaur haurg er blot
toku til. trudu peir pvi at peir dsei i ho-
lana. ok par var pordr Gellir leiddr i adr
hann tok mannvirding sem seiger i sogu hans.
par (ä HQrgaej'ri) vom aör blot ok hörgar.
Ölafr konüngr . . . braut niör . . . baeöi hamra
ok hörga, sköga, vötn ok tre ...
Hörg'a (höröa) varöist herr i borgum.
pa reiddist Stefnir ok tök at briota hof oJc
hörga ok brenna skurögoö . . .
er pat . . . kunnigt at ek (Ölafr) hehr guöin
i marga staöi svivirdt ok minkat peirra rett,
brotit likneskiur peirra, brent hof oJc hörga . .
1>KK GERMANI8CHE TEMPEL.
105
21. Fiat. 1285, 20 f.
22. III 246, 26 ff.
23. Hery. b. c. 2
24. Sturl. s. I 378, 7 ff.
25. Beilagram. b. 173,1711'.
(ed. Unger)
26. Karl. s. 131,35
(ed. Dnger 1860)
27. 137,2211*.
213, 37 f.
Stjörn 580, U i.
30.
582, L9f.
... let hann breuna bof en briota horga ok
raeisa i stadinn kirkinr . . .
. . . braut hann nidr . . . baedi hamra ok horga
Bkoga votn ok fcre ok oll onnr blol . .. (vgl. 17»
Kitt haust \ar gört disablöt mikit hia Alti
konungi, ok gckk Alf hildr nt blötinu; . . .
en um nöttina, er hön rauö hörginn, aam
Starkaör Alndrengr Älfhildi a burt, ok hafSi
hana keim meß Ber.
Kolbeinn . . . nam staö undir hliöinni a griöt-
hörg mikluin.
slikar prettafullar forsagnir af diurlum fram-
fluttar i hofum eöa blothaurgum truöu
margir heiöingiar . . .
pau skurguo, hof ok hörga er keisarinn fann
in Hispaniis, let kann breuna eyöa ok niör
briöta.
... leytir at niör briötist kirkiur en hof med
hörgwn upp reisist.
... lätit siöan hleypa eykiunum am hveri
straeti borgarinnar ok griöt ok hörga,
[Vulgata, Könige 1 12,31: fecit fana in e>
Hann geröi hof ok haurga a hseöum ffiöa
heiöum . . .
. . . setti kennimenn moti gubs vilia af hinuni
lsegstum gttum lyömanna. oc BkipaÖi paeim
yfii hof oc haurga.
(Könige 1 13, 32 f., ein äquivalent für 'hof oc
haurga' fehlt in der Vulg.)
B) Das wort im ahd. und ae.
a) AM. fiiinnj, honte, harvh lucus, nemus, fanum, ara1), also: hei-
liger lmin. beiligtom, altar.
b) A-'. hearg, hearh = 1) Lucas, aemai — 'J> Baoellam, tanum, dein-
brum 8) idolum*), also: \) bain, l'i altar, tempel, 8) gOtsenhild.
Uthochd. iprachsch. IV 1015—16.
■i Wright-Wolcker, Angio-Saion and Old-Englieb Vocabulariea' ]
Ol, 10. 508, i" 517 ia 510, i": Greto, Spraehichatj da
dichter II |
106 THÜMMEL
C) Das wort im heutigen nordgerrnanischen.
a) In dialekten:
1) Schwed. harg, horg (in.) = a) ein von natürlich aufgehäuften steinen
erfüllter platz1), ß) steinhaufe2) 3), -hügel (als Seezeichen)1), y) häufe, schar,
menge.2) Eigentümliche hedeutung in einigen landschaften: Jiorge, horje
= 6) dicht bewachsene Waldung.1)
2) Norw. horg (f.) = a) häufe, schar, menge2) (besonders von tieren)*),
ß) fels-, bergspitze2) a), meist als name einzelner grosser berge4), hat gern
steile seiten und flachen gipfel, pl. einige bergflächen mit vielen flach-
gedrückten steilen bügeln5), y) synonym mit hang in einigen redensarten.5)
3) Isl. hörgur sehr häufig gebraucht von Unebenheiten im geläude, von
bergspitzen.7)
b) In Ortsnamen:
1) Schweden l) : 1 Ojünshargher, 1 Jtorshargher, 1 Östraharg. 1 Yestraharg.
2) Norwegen: ebensowenig wie für die andern nordischen länder be-
sitzen wir für Norwegen bisher eine umfassende darstelluug über die Orts-
namen im allgemeinen. Das noch unvollendete werk von Rygh8) berück-
sichtigt nur die gehöftsnamen. An der hand dieses werkes und früherer aus-
fübrnngen Ryghs über spuren altheidnischen göttercultes in norwegischen
Ortsnamen9) ergeben sich folgende hierher gehörigen gehöfte: «) 1 Horg
« Hqrgr, name eines gehöfts und des nach diesem benannten kirchspiels in
Südthrondheim), 1 Horghagen, 1 -moen, 1 -eien (in der nähe dieses gehöfts),
ß) 8 Horgen « HQrgin < Horgvin) und 1 Horgjem « Horgheimr), sämnit-
lich südlich vom Dovrefjeld. Nach Ryghs angäbe10) wird das wort in der
Volkssprache des westlandes häufig von bergspitzen gebraucht und kommt
dort in einer menge zusammengesetzter bergnamen vor.
3) Island11): hier sind 9 mit Hörg- zusammengesetzte Ortsnamen nach-
weisbar. Siehe s. 17.
Hqrgr erscheint also in Ortsnamen: a) nur ein einziges mal als simplex
(in Norwegen), ß) in Verbindung mit götternamen nur in Schweden.
D) Funde alter hgrgar auf Island.
aj In Hörgsdalr (Sp.) (no. 72) haben B. Olsen und D. Bruun im
sommer 1901 eine höchst interessante und wertvolle ausgrabung vor-
J) Eietz, Svenskt Dialektlexikon. — S. oben s. 102, not. 2.
2) Falk-Torp, Norsk-dansk etymologisk Ordbog.
3) Ross, Norsk Ordbog. 4) Aasen, Norsk Ordbog.
5) Ross, ebda, unter hang, horg.
6) Rygh, 'Norske Gaardn.' Forord og Indl. 58 — 59.
') Ebda. XT7 260; Olsen, Arb.'03, 9; Cleasby-Vigfusson, Dictionary 311.
8) 'Norske Gaardnavne' Forord og Indl., I— P7. VHI. XIV— XVI.
9) 'Minder om Guderne og deres Dyrkelse i norske Stedsnavne', anhang
P. A. Munch, Norrene Gude-og Helte-Sagn2, Krist. 1880.
10) Norske Gaardnavne XIV 260.
n) Vgl. Kai., register; Ärb., reg.
DER GEBMANISCHE TEMPEL. 107
genommen. ') Sie fanden nämlich hier im tun nahe beim geböft die rniuen
eines alten nord-südlich gerichteten länglich-viereckigen gebändes, das eine
äussere länge von 13,1 m und eine äussere breite von 10 m besass, bei einer
manerdicke von 1,7 m eine innere ausdehnnng von 9,7 m bez. 6,3 m. Der
Untergrund der wände bestand aus je einer äusseren und inneren reibe
grosser steine; die wände selbst waren aus torf. (,»ner über den innenraum,
also von W. nach 0., verlief ein 60 cm bober steinwall, der «-ine Zweiteilung
des innern im genauen Verhältnis 1 : 2 bewirkte, bo dass der kleinere räum
im X. lag. Diese ganze anläge der ruine, die sofort an die typische islän-
dische tempelanlage erinnert, die resultate bei der sorgfältigen Untersuchung
des t'usshodens, mehrere sehr charakteristische funde im innern *), endlich
auch der name des gehöftes lassen keinen zweifei übrig, dass es sich hier
nur um den fund eines alten beiligtums, einer heidnischen opferstätte
bandeln kann.
b) In Hörgsholt (A.j (no.68) war vorher eine ganz ähnliche ruine
in der nähe des geböfts unter einem alten aschebügel gefunden worden3):
ein länglich-viereckiger, nord-südiich gerichteter bau von 5,3 m länge und
1,6 m breite. Die 1,2 in bis 1,9 m hohen wände waren aus stein errichtet
und schienen in die erde gegraben. In der mitte der O.-wand war ein
schmaler eingang. Ganz wie später in Hörgsdalr hatte sich hier im X.-ende
der charakteristische längliche steinwall gefunden. Auch sonst ergibt ein
vergleich beider ruinen eine vielfache Übereinstimmung, besonders noch in
der art charakteristischer funde.4) An sich könnte zwar dieser rund im
einzelnen keine endgültige beweiskraft beanspruchen, da der beriebt darüber
— mit ausnähme der massangaben — nachträglich von dem besitzer des
gehöfts aus dem gedächtnis gegeben wurde auf grund von Wahrnehmungen,
die er zwölf jähre vorher gemacht hatte, und eine nachprüfung der angaben
nicht mehr möglich ist. — Durch den späteren fund von Hörgsdalr sind
jedoch diese angaben in einer weise bestätigt, die die enge Zusammen-
gehörigkeit der beiden ruinen ausser allen zweifei stellt. Auch die ausgrabung
von Hörgsdalr geschab auf den mündlichen bericht eines bonden (neun oder
zehn jähre nach dem fund) und bestätigte diesen fast bis in die kleinsten
einzelheiten.
Aus den namen der beiden gehöfte geht mit voller Sicherheit hervor,
dass die dort gefundenen ruinen reste alter tyrgar sind, nach denen beide
gehöfte genannt wurden. — Während aber die ruinen von Hörgsdalr sicher
von einem wirklichen banse herrühren, ist die steinheguug von Hergeholt
offenkundig einst ein dachloser bau (unter freiem himmel) gewesen.*)
') Arb. '03, 1-!». zeichn. VI- VIII.
2) S. s.61. ») Arb. '00, 28— 21». 4i 8.
"i Vgl. Arb. 'OH, 16. — Bemerkenswert erscheint, dass der innere quer-
wall, dessen tnrlosigkeit für die tempelruinen so charakteristisch war, bei
der ruine von HOrgsdalr nicht gans bis zur O.-wand reicht, dass vielmehr
zwischen dieser und dem O.-ende des walles ein etwa 1 m breiter Zwischen-
raum frei bleibt. Die frage muss offen gell len, ob es sieb hier
108 THÜMMEL
c) Auf dem berge Hringholt1) (no. 71). und zwar an seiner höchsten
stelle, von der aus sich eine weite fernsieht bietet, auf halbem wege zwischeu
Bakki und Sellätrar, liegt eine grosse länglich-viereckige steinhegung, sehr
altertümlich und zusammengesunken, mit einer inneren länge von 28 m
und einer inneren breite von 19 m. Die ca. 2,5 m dicken wände sind aus
grossen steinen errichtet, die ein wenig aus der erde hervorragen. Das
fundament selbst ist ebenfalls ganz aus stein. In der Südwand dieser ein-
hegung befindet sich ein eingang. In der N.-O.-ecke ist ein 9,4 m langer,
schmaler2) bau, so dass die einhegung die eine wand bildet. Quer über
den bau, also von N. nach S., verläuft ein sehr breiter wall, der diesen in
zwei ungleich grosse räume teilt, so dass der kleinere im 0. liegt. Im
nördlichen teil der einhegung steht ein auffallend grosser stein : 1,8 m hoch,
4,4 m lang, 4,4 m breit. Er scheint ein wenig bearbeitet und weckt um so
grössere aufmerksamkeit, als sich in der nähe kein gleich grosser und merk-
würdiger stein findet.
Bei der besichtigung ergab sich mit Sicherheit, dass hier keine vieh-
pferche, noch viel weniger ein tüngarör in frage kommen kann. Die einsame
läge an sich, entfernt von den gehöften, insbesondere die charakteristische
läge auf dem gipfel des hohen hügels3), sowie die ganze anläge, im beson-
deren wider der tempelähnliche kleine bau und der grosse felsblock im
innern, legen den gedanken zwingend nahe, dass wir hier eine heidnische
eultstätte vor uns haben. Von einem 'hof im sinne der typischen tempel-
bauten aus der sagazeit kann jedoch nicht wol die rede sein; sie alle lagen,
soweit sich etAvas feststellen Hess, fast ausnahmslos auf dem tun der ge-
höfte, auch hat sich bei keinem eine anläge in der eigenheit gefunden wie
hier. Aus solchen, besonders aber noch aus gründen, die später zur spräche
kommen werden, wird es höchst wahrscheinlich, dass wir hier, wie in Hörgs-
holt und Hörgsdalr, einen alten liQrgr vor uns haben.
Eine unbefangene prüfung des vorliegenden materials lehrt,
dass JiQrgr unmöglich ausdruck für eine ganz specielle kategorie
von heiligtümern gewesen sein kann. Das wort erscheint viel-
mehr als ein ziemlich weiter begriff, der in mehrfacher be-
deutung auftritt:
um eine abweichung von der typischen tempelanlage oder um nicht ursprüng-
liche Verhältnisse handelt (vgl. s. 85, not. 1). Auf keinen fall darf man aus
dem vorliegenden Sachverhalt einen für die hprgar im gegensatz zu den
hof charakteristischen unterschied folgern. Abgesehen davon, dass eine
dadurch bedingte klassifizierurig in zwei arten von heiligtümern wenig
verständlich wäre, scheint auch diese abweichung weder bei der ruine von
Hörgsholt vorzuliegen, noch bei der ruine auf dem berge Hringholt (s.ohen c).
x) S. S. Vigfüsson, Arb. '92.141 — 42; der name des berges ist neueren
Ursprungs.
a) Ein mass für die breite gibt Vigfüsson nicht an.
3) Vgl. s.22.
DER GERMANISCHE TEMPEL. L09
a) Hügel oder hänfen oder altar ans stein, so in 7.1)
12.2) i3. i7. 22. Die bedentnng -altar" liegt zweifellos auch
vor in 14a. der fassung der Sn.E., wie Bie Cod. Ups. (und
llypn.) bieten, während hgrgr nach der fassung des Cod. reg.-
Worm. ebenso zweifellos 'haus1 bedeutet. Ganz abgesehen von
der frage, ob u oder r den am meisten ursprünglichen text
der Sn. E. bieten, liegt kein grund vor, die eine fassung- end-
gültig als verderbt zu verwerfen, wie es Finnur Jönsson mit
a) tut.3) Nichts spricht gegen die andere möglichkeit. dass
beide hss. eine alte bedentung- von hgrgr bieten. — Eine
dritte möglichkeit wäre die. dass in b) hgrgr allgemein 'heilig-
tum' bedeutet und der angefügte relativsatz diesen begriff
specialisiert. l) Bemerkenswert ist. dass auch ahd. haruc ein-
mal als 'ara; belegt ist (Ahd.gll.I 636,23). In der bedeutung
•hügel, haute" wird daher hgrgr widerholt synonym gebraucht
mit haugr — wie noch heute gelegentlich im norw.5) — so in
IIa. 12. 24; der griöihörgr der letzten stelle ist zweifellos
dem sinne nach völlig identisch mit dem griöthaugr, der einmal
in der St Jörn (364,11) begegnet,'1) Zu dieser art hgrgar ge-
hören aller Wahrscheinlichkeit nach auch die in den mooren
Jütlands gefundenen Steinaltäre aus der älteren eisenzeit.7)
b) Steinhegung bez. dachloser steinbau. Zeugnisse für
diese bedentung sind die hgrgar von Hringholt und H<
holt8) Es ist möglich, dass hgrgr in der bindung hof ok
l) Die zahlen weisen auf B. 103 ff. — Wie Fritzner (Ordbog) zu der
auffassung gelangt, bqrgr bezeichne hier einen hauten zusammengelegter
Bteine ohne rücksicht auf seinen zweck, ist unverständlich, zumal das cha-
rakteristische besprengen mit Mut in der Btrophe erwähnt ist. Unver-
Btändlich >ind auch die gegenargumente Finnur Jönssons (a.a.O. 15 16).
-') Finnur Jönsson (a.a.O. 20) bestreitet, dass hgrgr hier Bteinhaufen
bedeutet; auch an dieser Btelle erscheint jedoch seine deutung wenig
naturlich. Ibda. L6 f.
*) So Gering-. Edda (übersetz.) 307.
8) S. s. 106. fl) Vgl. Fritzner, Ordbog. ') g -
i Ni.ht hierher gehören jedoch jene Bteinsetzungen, die aus grossen,
nach oben etwas EUgespitzten und in massigen Bwischenräumen von einander
aufgestellten steinen bestehen und lange Jahrhunderte hindurch für alte
opferstätten gehalten wurden, auch noch ron Keyser (Saml. Afh. HI) und
von Rfnnch (Nordm. eldste Qude-og Beitee. 169), die hgrgar in ihnen ver-
muteten. — Diese denkmäler >in<l vielmehr alte grabstiit ten aus der Stein-
lei t; vgl. 8. bfullei 1 L24 ff.; Nicolaysen
110 THÜMMEL
hgrgr mitunter die bedeutung 'einhegung' zukommt, da ja hof-
gar dar üblich gewesen sind.
c) Haus, ganz oder teilweise aus holz errichtet, je nachdem
norwegische oder isländische Verhältnisse in betracht kommen.
Argumente für diese bedeutung sind: 1) an 2 [3] stellen (IIb.
13. [14b]) wird hgrgr deutlich Ms genannt, in 14b zugleich
salr. Die gleiche bedeutung Ms liegt auch vor in den beiden
kenningar: brüna hgrgr (1) und gunnhgrgr (2).1) 2) An zwei
stellen (3. 5) wird hgrgr als lidtimbradr bezeichnet2), in 3 in
dieser beziehung den hof gleichgesetzt. 3) An vier stellen
(8. 9. 10. 20) wird das brenna von hgrgar berichtet. — Diese
quellenzeugnisse zeigen, dass hgrgr mitunter auch ein wirk-
liches Ms nach art des hof bezeichnen kann. Dass hgrgr ge-
legentlich ein dem hof sehr verwanter begriff ist, geht aus
folgenden weiteren tatsachen hervor: 4) Der in Hörgsdalr
ausgegrabene hgrgr niuss ein dem hof durchaus ähnliches ge-
bäude gewesen sein. 5) hof und hgrgr treten nebeneinander
als bezeichuung für ein und dasselbe heiligtum auf: «) die
ruine in Fagradalr (no. 69) wird hof oder hgrgr genannt.3)
ß) Das heiligtum auf dem Krosshöll wird Ldn. 158 hgrgr,
Fms. I 249 hof genannt.4) (Es ist zwar möglich, dass die
beiden Verfasser sich verschiedene concrete Vorstellungen ge-
macht haben, doch spricht der Sachverhalt auch in diesem
falle noch für die enge verwantschaft der beiden begriffe.)
Oft lässt es sich nicht entscheiden, in welcher concreten
bedeutung hgrgr im einzelfalle gebraucht ist: a) in den schwe-
dischen Ortsnamen — ß) im ahd. ae. — 7) in stelle 18 —
6) in stelle 29, 30 — t) in der stereotypen bindung hof oh
hgrg(a)r; für jede der drei bisher erkannten hauptbedeu-
tungen (a b c) lassen sich gründe anführen; es ist auch mög-
lich, dass man sich bei dieser formelhaften anwendung keine
genaue concrete Vorstellung gemacht, sondern hgrgr hier in
der allgemeinen bedeutung von 'heiligtum, opf erstatte' über-
haupt gebraucht hat, ebenso wie wahrscheinlich in den fällen
ß, 7 und 6.
x) Vgl. Jon porkelsson, Ärb. '82, 45—46; F. Jonsson, Festschr. f. K. Wein-
hold s. 18—19.
2) Vgl. Müllenhoff, DA. IV 286; Gislason, Efterl. Skr. I 214 f.
3) Arb. '82, 45. ") S. s. 104 (15). 111 f.
DBB OERM \m 'in ii \ni i 111
Während also hof stehende bezeichnnng für den tempelbau
in jener vollendeten und sehr jungen form ist, die wir im i
html und Norwegen kennen, bezeichnel hprgr bald ein dii
hof entsprechendes gebäude, bald aber auch dachlose stein-
bauten, steinhegnngen, Bteinhügel und Bteinaltäre, also weil
primitiyere und altere heiligtümer. horgr ist Bomil
ältere bezeichnnng für heiligtümer als hof Diesem höheren
alter entspricht anch der umstand, dass hprgr in dei
und Literatur gegenüber hof mehr und mehr zurücktritt l1
sprechen folgende momente:
ii hgrgr begegnet, wie die gegebenen belege zeigen, zum
ssen teil in quellen Behr hohen alters oder doch altertüm-
lichen Charakters: in erster lüde in der norwegischen skalden-
dichtnng, in den allen Eddaliedern und in der alten
Literatur, nur vereinzelt dagegen in jüngeren quellen, von denen
überdies fast alle auf ältere zurückgehen, relativ sehr Belten
vor allem in der umfangreichen sagaliteratur; hier erscheint
ibgesehen von der Ldn. und der mythischen Herv.s., aus-
schliesslich in bekehrnngsgeschichten compilatorischen Cha-
rakters. — Für das auftreten von hof dagegen \x steht ein etwa
umgekehrtes Verhältnis. Wählend es in der skaldendichtung
Überhaupi nicht belegi ist, in den Eddaliedern nur in der bin-
dung mit horgi (als hof ok hgt ist es in der
i-literatur der typische uame für den heidnischen tem]
2 Gewiss nicht zufällig ist es, dass in der Ldn. nur an
einer einzigen stelle ein horgr erwähnt wird. Die erbauung
von hof dagegen wird widerholl berichte! (wie die angaben
in der tabelle über die tempelstätt n q).
S) Besonders instruetiv erscheint der berichl obei
heiligtum auf dem Krossholl, der uns in i •
liefert ist: a) Ldn. 158: •... var pi giaur haut- er blöt toku
til...' i b) In der grossen Öl.s.Tr. erscheinl dei
') Dm hoj in Hymakr.
■ n
- oben 1.104(15) ' >bn rieht nur i
I i-t. nicht in dem betreffenden capitel der «tI
rifl ,l", ii oam nreifel ichon den liehen Ldn texi .m. •
>\<t hl l-i EU)
ilun Ii >• . uiil" ■
112 THÜMMEL
bericht (Fms. I 247—49) als eins jener einschiebsei, die auf
die Stb. zurückgelien (Ldn.261 ff.): ' . . . En eptir andiät hennar
viltust frsendr hennar af rettri trii ; var sij?an gert hof ä Kross-
hölum, )'a er blöt töko til.' — Wenn auch diese einschiebsei
im allgemeinen einen besseren text repräsentieren als die er-
haltene abschritt der Stb., so kann doch über die Priorität
der fassung a) kaum ein zweifei h ersehen. Es sieht ganz so
aus, als ob der compilator der grossen Öl. s. das wort hgrgr
der alten fassung durch hof ersetzt hat, weil er dieses für
zutreffender hielt oder sich über den Charakter von hgrgr nicht
recht klar war.
4) Auch eine statistische Übersicht über die alten mit hgrgr
und hof gebildeten Ortsnamen in Island und Norwegen r) spricht
in jenem sinne:
I. auf Island: a) Ldn. : a) — Hqrgr, 3 HQrg(s)- |
ß) 9 Hof, 8 Hof(s)- \ a-ß =
b) heute2): «) - Hörgr, 9 Hörg(s)- ^
ß) 22 Hof, 46 Hof(s)- \ a '■ P ~ y : bö
IT. in Norwegen3): «) 1 Horgr, 12 Ho.rg(s)- \ _
ß) 66 Hof, 62 Hof(s)- j " : P ~ lö : lda
Auffallend erscheint: 1) dass Hgrgr nur ein einziges mal
(als gehöftsname) nachzuweisen ist gegenüber 88 Hof 2) dass
es auch in zusammengesetzten Ortsnamen gegenüber hof stark
zurücktritt (21 : 108). Der altertümliche Charakter von hgrgr
als concreter wie als rein sprachlicher begriff lässt beides
erklärlich erscheinen: die erste tatsache findet ihre erklärung
in dem umstände, dass der religiöse eult umsomehr an die freie
natur geknüpft ist, je älter er ist. Die hgrgar werden daher
zum grossen teil, zumal in den ältesten Stadien ihrer entwick-
lung, fern von den gehöften gelegen haben (wie der hgrgr auf
dem berge Hringholt). — Die hof dagegen lagen fast aus-
nahmslos in nächster nähe der gehöfte, auf dem tun.4) — Auch
17
den capiteln vor und nach dieser lücke mit den entsprechenden in der Stb.
zeigt ausserdem eine wörtliche Übereinstimmung beider fassungen, so dass
man annehmen darf, die noch erhaltene stelle der Stb. deckt sich mit der
lücke in der Hb., hat also schon im ursprünglichen Ldn.-test gestanden.
l) Für Dänemark und Schweden liegt bisher kein geeignetes material vor.
J) S. oben s. 15 ff.. 3) K. Rygk 'Minder . . . '
4) S. s. 23 ff.
DER GERMANISCHE TEMPEL. 113
die zweite tatsaclie erklärt sicli z. t. hierdurch, z. t. auch da-
durch, dass die älteren Ortsnamen mit hgrgr leichter in Ver-
gessenheit geraten und von Hof(s)-namen verdrängt werden
konnten als eben diese jüngeren (mit hof), zumal die dauer
von gehöftsnamen nicht so lange ist, wie man zu glauben ge-
neigt ist.1)
Die Untersuchung über den Charakter von hgrgr und sein
Verhältnis zu hof führt also zu folgendem ergebnis: hgrgr als
der weit ältere ausdruck bezeichnet die Heiligtümer vom pri-
mitiven anfangsstadium ihrer baulichen entwicklung an (Stein-
haufen oder fels als altar [mit einhegung], dachloser steinbau,
haus), wird aber, als die fortschreitende entwicklung beim
eigentlichen tempelhaus angelangt ist, allmählich verdrängt
durch das jüngere wort hof, welches als typische bezeichnung
für diese vollendete form des heiligtums dient,2)
Dieser Vorgang, durch den hgrgr von hof abgelöst wird,
hat naturgemäss nicht jäh stattgefunden. Vielmehr wird es
eine zeit des Übergangs gegeben haben, in der ein gewisses
schwanken zwischen beiden ausdrücken besonders in der weise
stattfand, dass hgrgr mitunter auch zur bezeichnung der eigent-
lichen hof diente, während das umgekehrte gewiss weniger in
betracht kommt. — In diese Übergangszeit gehören wahr-
scheinlich die kreisrunden tempel3), da sie als die älteste und
primitivste hausform in der entwicklung zeitlich und technisch
zwischen jenen altertümlichsten, dachlosen tempelanlagen aus
stein und der länglich -viereckigen tempelform der sagazeil
stehen. Man hat auf Island einige ruinen davon gefunden.
leider nicht eingehend untersucht, z. b. in Fagradalr (no. 69)
und Hvammr (no. 70), während sich bei einer dritten ruine,
die man auf dem gipfel des Goöhöll im Önundarfjörör gefunden
hat (no. 22). weder die kreisform noch ihr hauscharakter sicher
nachweisen lässt. Während die ruine von Hvammr noch heute
lwftoft genannt wird, heisst die in Fagradalr hof oder hgrgr.
Zu beginn der sagazeit ist dann der Wechsel im Sprach-
gebrauch so weit vorgeschritten. da<s hof typische bezeichnung
') Vgl. ftygh, Minder ... 2."..
2) Vgl. l'hleubeck, Beitr. 22. L96: an. hof = tempel mit dach.
3) 8. B.33f. tri.
Beiträge zur geschieht« der deutschen spräche. XXXV.
Ü4 THUMMEL
für die jüngste und vollendetste form der spätheidnischen
tempel ist, wie wir sie vom ende des 9. und vom 10. Jahrhundert
aus Norwegen und besonders aus Island kennen. — hgrgr er-
scheint völlig zurückgedrängt, Dass es nicht ganz verschwunden
ist, wird schon dadurch erklärt, dass bis zum ausgange des
heidentums neben den Jwf auch ältere und einfachere formen
der heiligtümer bestanden haben, wofür ja die horgar von
Hringholt und Hörgsholt zeugen sind. —
Noch einen blick weiter zurück in die entwicklung können
wir tun, in die Zeiten, da sich der göttercult noch eng an die
freie natur knüpfte. Wir sahen, wie charakteristisch für das
heidentum auf Island der bergcult ist, der ganz besonders in
der hügellage der tempel zu tage tritt. r) Zweifellos ist dieser
in der natürlichen beschaffenheit der länder begründete berg-
cult auf den gesammten scandinavischen norden auszudehnen.
Ein beredtes zeugnis dafür ist, dass das alte wrort in den
heutigen nordischen dialekten auch in der bedeutung 'hügel,
fels- oder bergspitze' fortlebt.2) Besonders charakteristisch
ist der in Norwegen bewahrte gebrauch; hier bezeichnet Jwrg
meist einzelne grosse berge mit steilen abhängen und flachem
gipfel (der pl. bergflächen mit vielen flachgedrückten steilen
lmgeln).'2) Sicherlich hat hier die spräche eine uralte erinne-
rung mit grosser reinheit bewahrt: knüpfte sich die götter-
verehrung mit Vorliebe an berge, so wird man sich bei der
wähl der cultstätte in erster linie für grosse steile berge mit
flachem gipfel entschieden haben.3)
Der bergcult ist also offenbar die seit uralter zeit vor-
hersehende form des nordgermanischen eultes gewesen. Auf
bergen und hügeln in erster linie hat man die götter verehrt,
hier ihnen opferstätten und heiligtümer errichtet, Hgrgr ist
die bezeichnung sowol a) für den berg als die cultstätte im
weiteren, als auch b) für das auf ihm liegende heiligtum im
engeren sinne.
>) S. s. 22. 2) S. s. 106.
3) S. s. 88 f.
DER (IKHMAMMIIK TEMPEL. 1 1 •'
1. Der südgermani8che tempel.
Ausserhalb des uordens sind bisher Doch von keinem ein-
zigen heiligtum, geschweige denn einem tempel der Germanen
sichere reste nachgewiesen: wir sind daher lediglich auf schrift-
liche quellen beschränkt. — Nachrichten über tempel Büd-
germanischer stamme finden wir — wenn wir von dem taci-
teischen templnm, das späterhin erörtert werden soll, absehen
— erst seit dem 5. jh. in einigen ;vitae'. Nirgends jedoch
lindet sich irgend eine beschreibung ihrer beschaffenheil und
einriebt ung.
Der einzige gegenständ heidnisch - germanischen eultes
jener zeit, von dem eine etwas deutlichere Überlieferung vor-
liegt, ist die 772 von Karl zerstörte altsächsische irminsül1),
bald fanum. bald lucus, bald idolum genannt. Nach Rudolf
von Fulda (um 850) 2) war sie ein unter freiem himmel in die
höhe gerichteter, in die erde gegrabener baumstamm von be-
deutender grosse.1) J.Grimm4) sieht in ihr 'die grosse, hohe,
göttlich verehrte bildsäule', Mannhardt5): 'die säule der volks-
gesammtheit bez. des gesammtvolkes, säule, die von allen ver-
ehrt wird, oder die für alle ein heiligtum ist", wahrscheinlich
das nationalheiligtum des Engernstammes, Müllenhoff (in dop-
pelter hinsieht abweichend): Eresburg und irminsül ein- und
dasselbe heiligtum, auf den gott Irmin (Tiu) bezogen.' i
Es handelt sich offenbar um eine in heiligein hain auf-
gestellte säule; über die sonstige beschaffenheit dieser eultstätte
erfahren wir nichts. So viel erscheint jedoch sicher, dass ;m
einen tempel, in dem die bildsäule stand — wie Richthofen
will — entschieden nicht zu denken ist: eine derartige Inter-
pretation liegt nicht im sinne der quellen. Eis nmss dahin-
gestellt bleiben. <>b man sieh die irmensänle als einen 'künstlich
') S. Grimm, DM.1 I 96 ff. (qnellensengniase ; vgl. Mannhardt, Wald-
nnd feldcnlte s.303ft'.: Richthofen, Prii t&gesch. II 1,423; abweichend
Kttllenhoff, DA. IV 532; vgl. Brenne, Beitr. 21, 3 oben ä hnchhardt,
All- Btg. 1898, bei!
») Transl. S. Alex., Hon, Uenn. II 876.
8) Vgl. Hannhardl ■!. dam not. 3; Qrimm a.a.O. 97.
• A.a.o. 98. a.o 804
") 8. aneb Brenne, Bi itr 21, '■'< oben.
-
116 THÜMMEL
aufgerichteten, mithin am fuss verstümmelten, über der wurzel
abgehauenen bäum, einen mastbaum artigen, hölzernen schaff
zu denken hat oder als einen lebenden, an ort und stelle ge-
wachsenen bäum.1) — Diese vielleicht mit einem götterbild ge-
schmückte säule erinnert deutlich an die für den nordischen
tempel charakteristischen Qnävegissulur. Vermutlich besteht
zwischen beiden ein inniger Zusammenhang.2)
Die gesammtsumme der aus den quellen erschli essbaren
kenntnis über tempel bei den südlichen Germanen beschränkt
sich im wesentlichen darauf, dass vom 5. — 8. jh. bei Burgunden,
Franken, Langobarden, Alamannen, Angelsachsen, Sachsen und
Friesen heidnische heiligtümer vorkommen, und dass in ihnen
gelegentlich bilder (idola oder simulacra) aufgestellt sind.3)
Je einmal werden templa bei den Burgunden (anfang 5. jh.)
und Franken (614) erwähnt4), ferner bei zwei verschiedenen
gelegenheiten (um 600) ein castrum der Burgunden5); in allen
andern fällen heissen diese heiligtümer fana.
Durch diese bezeichnungen wäre das Vorhandensein wirk-
licher tempelhäuser an sich noch nicht erwiesen; denn ab-
gesehen davon, dass weder fanum noch auch templum not-
wendig einen wirklichen tempelbau bezeichnen, beziehen sich
einige Zeugnisse vielleicht gar nicht auf germanisch-heidnische
heiligtümer.6) Der ausdruck castrum (ein von mauern umschlos-
sener ort), falls jenes heiligtum wirklich germanisch ist, würde
eher für eine ähnliche anläge sprechen, wie sie auf Island in
der steinhegung von Hringholt oder allenfalls in dem dachlosen
steinbau von Hörgsholt vorliegt; auch die erwähnung von
imagines lapideae würde gut zu diesem tatbestand stimmen.
Der beweis dafür, dass auch die südlichen Germanen schon
wirkliche tempelhäuser (von holz) gehabt haben, liegt vor allem
in den häufig widerkehrenden berichten von der Verbrennung
der fana ; namentlich bei der bekehrung der Friesen ist diese
') Vgl. Mannhardt a. a. o. 305, not.
2) Vgl. W. Müller, Altd. religion s. 71. — Zugleich ein weiteres argu-
ment für die annähme, dass die isl. stofa eine spätere nachbildung des ur-
sprünglich nur beim tempel auftretenden langraumes ist, s. s. 81 f.
3) Vgl. Grimm a. a. o. I 64—69.
• <) Ebda. 64—65. 66.
£) Ebda. 67-68. 6) Ebda. 68-69.
DEB GERMANISCHE TEMPEL. 117
tatsache regelmässig- erwähnt.1) Wirkliche tempelbauten
müssen wir auch notwendig voraussetzen, wenn wir den in
der zweiten hälfte des 9. jh.'s relativ weit entwickelten nor-
dischen tempelcult vor äugen haben und bedenken, dass die
in einheitlichen anlangen wurzelnden altgermanischen Verhält-
nisse im Süden eine raschere entwicklung erfahren haben als
im abgelegenen norden.2) Besonders bei den Friesen — dem
stamme, der zuletzt bekehrt wurde — hat der tempeldieiist
sicherlich einen durchaus ähnlichen Charakter getragen wie
der nordische derselben bez. der nächstfolgenden zeit, den wir
freilich nicht quellenmässig kennen.
Die einfachheit des cultes, wie sie sich noch mitte des
8. jh.'s in der Verehrung der irmensäule als des sächsischen
nationalheiligtums, sowie der ihr sachlich nahe verwanten )
hessischen donnereiche offenbart, scheint jedoch darauf zu
deuten, dass der tempelcult bei den südlichen Germanen auch
nicht annähernd so grosse bedeutung und ausdehnung erlangt
hat wie späterhin im norden.
5. Das altgermanische heiligtum.
Aus den bezeichnungen der alten spräche für die heid-
nischen heiligtümer. insbesondere aus der ahd. glusse haruc ist
[angst erschlossen worden, dass bei den südlichen Germanen
der wähl der hauptsächlichste ort für die götterverehrung
gewesen ist.4) Vollends bestätigt wird dieses ergebnis durch
das wichtige zeugnis des Tac. — Germ. 9: 'ceterum nee cohi-
bere parietibus deos neque in ullam huinani oris speciem ad-
sinnilare ex magnitudine coelestium arbitrantur: lucos ac
nemora consecrant, deorumque nominibus appellanl secretum
illud, quod sola reverentia vident' — und auch anderwärts wird
dieser waldcult noch bezeugt, i Die göttliche Verehrung des
waldes wird gelegentlich auch auf einzelne bäume übertragen,
die gleichsam gottheiten darstellen6); die bekanntesten bei-
M Vgl. Bichthofen II l. im LI.
n \"-l. Mttöenhoff, r>.\. IV 96
3) Ebdu. 9a
•) Grimm, DM.< I 53 ff.
■ i Ebda. 61, not
118 THÜMMEL
spiele dafür sind die hessische donnereiche und die sächsische
irminsül.
Umstritten ist jedoch immer noch die frage, ob die alten
Germanen zur zeit des Tacitus neben diesem waldcult auch
schon tempelhäuser gehabt haben. Tacitus selbst scheint sich
in seinen berichten zu widersprechen: während er a.a.O. den
waldcult der (südlichen) Germanen als die einzige oder doch
hauptsächlichste form des göttercultes hinstellt, tempelbauten
dagegen ausdrücklich leugnet, erwähnt er an zwei andern
stellen je ein templum:
Germ. 40 (Nerthusverehrung) : est in insula oceani castum neinus, clica-
tuinqne in eo vehicnlnm veste contectum ; . . . rtonec idem sacerclos satiatam
conversatione mortalinm ileam templo reddit.
Ann. 1, 51 (Germanien* überrascht die Marsen beim opfersclimans, anno
14): profana simnl et Sacra et eeleberrimnm illis gentibus templum, qnod
Tanfanae vocabant, solo aequatnr. —
Teils hat man in diesen nachrichten wirklich einen Wider-
spruch gesehen und die angäbe über den völligen mangel ger-
manischer tempel als irrtümlich bezeichnet1), teils hat man
den Widerspruch so zu beseitigen versucht, dass man templum
als den tempelbezirk mit einfriedigung, altar und bäumen
deutete. 2)
Werfen wir zunächst unabhängig von diesen nachrichten
des Tacitus, lediglich auf grund der bisher gewonnenen ergeb-
nisse einen blick zurück in jene altgermanische zeit, so stehen
folgende grundlagen fest, auf denen wir fussen können: 1) der
junge nordgermanische tempelbau seit dem (ende des) 9. jh.'s
bis 1000. 2) Iu den letzten Jahrhunderten des südgermanischen
heidentums (400—800) hat es zwar schon tempelhäuser ge-
geben, doch ist diese form des cultes allem anschein nach zu
jener zeit durchaus noch nicht allgemein; vielmehr scheint sich
die götterverehrung vorwiegend noch an einfachere formen zu
knüpfen, im letzten gründe noch immer an den wald- und
baumcult in seinen verschiedenartigen ausprägungen. 3) Im
norden (auf Island) begegnen noch um 900 relativ einfache
formen des heiligtums: dachloser steinbau (Hörgsholt) und
v) E. Mogk, Germ, myth., Pauls Grundr.2 III 396 ; E.H.Meyer. Germ.
myth. 193; Golther, Handbuch 595.
2) Müllenhoff, DA. IV 220 f. 473.
DBB OBttM LNISCHE TEMPEL. 1 L9
steinhegung mit einem grossen stein innerhalb, der vermutlich
als altar gedient hat (Hringholt). h In Dänemark besitzen
wir aus der älteren eisenzeit primitive Bteinaltäre im walde
mit resten von hölzernen götterbildern. Die funde liegen zeit-
lich nicht vor der taciteischen zeit, da götterbilder bei den
Germanen erst seit der römischen periode aufgekommen sein
werden1) und anch Tacitus selbst ausdrücklich die bilderlosig-
keit ihres göttercultes hervorhebt.2)
unter dem gesammteindrack dieser argumente wird es
durchaus unwahrscheinlich, dass es zu Tacitus' zeit schon
tempelhäuser gegeben hat. Namentlich sprechen die beiden
letzten momente gegen diese annähme; denn wenn man auch
in jenen altertümlichen heiligtümem aus einer relativ weit
hinter Tacitus Liegenden zeit nicht die herschende form der
betreffenden epoche sehen wird, welcher sie angehören, sondern
residua aus einer früheren, so erscheint es doch unnatürlich,
die zeit, in der solche formen die herschenden waren, so weit
zurück zu, datieren, dass dann das Vorhandensein von tempel-
häusern schon zu Tacitus' zeit verständlieh wäre. Vor allem
müsste man dann am ende des südgermanischen heidentunis
eine viel grössere Verbreitung des tempelcultes erwarten, als
sich in Wirklichkeit feststellen lässt.
Gelangen wir somit schon auf diesem wege zu dem schluss,
da» die entwicklung des heiligtums zu Tacitus' zeit noch nicht
beim eigentlichen tempelhaus angelangt gewesen sein könne.
so wiid diese annähme zur gewissheit erhoben durch die
nachricht des Tacitus über den mangel germanischer tempel-
häuser zu seiner zeit.-) 'Tacitus' worte darf man nicht anders
nehmen, als sie lauten.'3) Es wäre denn auch in der tat
höchst merkwürdig, wenn sich in Tacitus' aussagen innerhalb
desselben werkes ein so diametraler widersprach fände.
Unter dem taciteischen 'templum' isl daher kein gebäude
zu verstehen, sondern eine jener primitiveren formen des
heiligtums. wir sie in den 'horgar' des germanischen nordens
gefunden i>ez. aus der spräche oben4) erschlossen worden sind:
') Vgl. 8. Müller II 180; Richthofen II 1,448
*> Germ. e. !) (s. obeu).
Ghimm, DM.4 l •"■•;. not. 1.
•) S. B. lt;:.
120 THÜMMKT,
a) dachloser steinbau (etwa dem castrum auf s. 116 ent-
sprechend), oder b) steinhegung mit einem grossen stein (als
altar) in der mitte bez. steinaltäre (an gehegter statte) im
walde.1) Tacitus würde sich vermutlich nicht der wendung
'solo aequare' bedient haben, hätte er wirklich — im Wider-
spruch zu Germ. 9 — an ein hölzernes gebäude gedacht; ein
solches hätte man wol durch brand zerstört. Dagegen stimmen
die worte sehr gut zu dem dargelegten Sachverhalt.
0. Scliluss: eiitwickluiigsskizze.
Die götterverehrung knüpft sich bei den Germanen ur-
sprünglich — wie bei allen naturvölkern — eng an die freie
natur. Wälder und berge, flüsse und quellen, wiesen, auen
und inseln sind seit alter zeit heilige orte und statten der
götterverehrung. Von allen cultstätten treten jedoch zwei
arten ganz besonders hervor: Wälder und berge. Hier werden
die unsichtbar anwesend gedachten götter verehrt, hier ihnen
dann opferstätten und heiligtümer, schliesslich die tempelhäuser
errichtet. Während bei den südgermanischen stammen der
waldcult die weitaus vorhersehende form des religiösen eultes
ist, findet die götterverehrung im germanischen norden im
bergcult ihren charakteristischen ausdruck — eine erscheinung,
die ihre natürliche begründung in der speeifischen boden-
beschaffenheit der länder hat.
Im süden tritt hinter dem waldcult der bergcult fast ganz
zurück; je weiter wir nach norden kommen, desto stärker tritt
der bergcult gegenüber dem waldcult hervor. Doch finden
sich sowol im süden spuren von bergcult als auch reste von
waldcult im norden.
Wälder und berge sind daher auch die orte, an denen die
opferstätten und heiligtümer errichtet werden: ursprünglich
ein von steinen eingehegter platz, in dem ein grosser stein
oder ein Steinhaufen als opferaltar steht (vielleicht auch eines
von beiden — steinhegung oder steinaltar — allein). Als
') Eine andere niöglichkeit in der erklärung des scheinbaren Wider-
spruchs bei Tac. wäre wol auch die: kam man zu einem opferschmaus zu-
sammen, so war sicher ein räum da, wo sich die teilnehmer während des
festes aufhielten; auf diesen sei die Vernichtung zu bezieben — doch scheint
mir diese deutung weniger einleuchtend.
DER GERMANISCHE TEMPEL. 121
nächste stufe der entwicklung erscheint dann innerhalb der
einhegung (ausser dem altar) ein dachloser bau aus stein-
wänden1) (etwa jenem lat. castrum entsprechend, das als be-
zeichnung eines burgundischen heiligtums vom 7. jh. begegnet .
Einige Sitten aus späterer zeit erinnern noch deutlich an die
ursprüngliche dachlosigkeit des tempels.2)
Die letzte stufe der entwicklung- bildet dann das wirk-
liche, überdachte tempelhaus aus holz (auf Island rasenbau)
innerhalb der einhegung (wol auch gelegentlich ohne eine solche).
Zur bezeichnung all der primitiveren arten von heilig-
tümern, die zeitlich vor dem tempelhaus liegen, dient das
germ. *harug : ahd. haruc, ae. hearg, an. hgrgr, und daraus
erklärt sich die mannigfaltigkeit seiner bedeutungen im ein-
zelnen3): 1) Wald, hain im südgerm.4) (reste dieser bedeutung
auch noch nenschwed.). 2) Berg, hügel. felsen im nordgerm.
(besonders ihre gipfel). 3) Einhegung (aus stein) (ae. an.).
4) Altar (aus stein) (ahd. an.). 5) Steinhaufen allgemein, wo-
raus sich (im nord.) secundär die bedeutung 'häufe, menge,
schar ; entwickelt.
Mit dem beginn der entwicklung des wirklichen tempel-
liauses (aus holz) erscheint ein neues wort: an. hof, welches
den tempel mit dach bezeichnet1) (in dieser bedeutung ahd.
nicht nachweisbar, vereinzelt aber mhd. ''•)).
Etymologisch ist hnrgr — auch aus den sachlichen gründen,
die sieh ergeben haben — am ehesten wol zu lat. earcer 'ein-
friedigung' zu stellen, wie es Noreen tut.*') In der bedeutung
•fels, steinhaufe, stein altar' stellt es Grimm8) zu kelt. cmreg,
earraig, da bei den keltischen Völkern der steincult besonders
entwickelt scheine.
An. hof hat die grundbedeutungen: 1) erhöhung oderhügel9)
(in dieser bedeutung noch neunorw.), 'Ji kreisförmig »■inL'vhegter
') Vgl. den hgrgr auf dem berge Bringholt (Island) b. L08.
2) Vgl. J. Grimm, 3DS. 83. ») 8. s. LOS t
4) Vgl. namentlich die charakteristische ahd. (flösse: Alnl.gl. [816, 59. 80.
■) Vgl. Uhlenbeck, Beitr. 22, 195.
fi) J. Grimm, DM.4 Hl 82. 7) Hg. lautl. 87.
~t QDS.; ebenso Falk-Torp, EBtym. Ordb.; Bieti, Srenskt Dial.-lex.
alk-Torp a.a.O.; Tamm, Etym. Svenak Ordbok; Aasen, NonkOrdb.j
Boss, Norsk Ordb.
122 THÜMMEL
platz1) 2), 3) das 'gewölbte'2). An. /^/"bezeichnet also — ähn-
lich wie hgrgr — ursprünglich bald die tempelstätte (hügel,
eingehegter platz), bald den tempelbau selbst. —
Für die Chronologie in der entwicklung des tempelheilig-
tums lassen sich naturgemäss nur grosse umrisse zeichnen:
Sicher ist, dass zu Tacitus' zeit noch der einfache wald-
bez. bergcult die vorhersehende form der götterverehrung ist.
Im wald und auf dem berg liegen die heiligen steinhegungen
und altäre. Die entwicklung des tempelhauses hat offenbar
erst gegen ende des südgermanischen heidentums eingesetzt
und bei diesen stammen nicht mejir starke wurzeln geschlagen.
Die volle ausbildung des wirklichen tempelcultes ist vermutlich
eine speeifisch nordgermanische entwicklung. Zu diesem um-
stand stimmt auch die beobachtung, das sich privattempel bei
den Südgermanen noch nicht nachweisen lassen. Erst im
norden entwickelt sich neben dem tempel als ursprünglichem
Stammesheiligtum3) der privattempel und schliesslich der
privatrechtliche Charakter aller tempel. Dies offenbart sich
auch darin, dass der tempel im norden von der freien natur
hinweg immer mehr in die nähe der gehöfte rückt und schliess-
lich auf Island regelmässig innerhalb des engeren gutsbezirks
liegt; nur noch reste der ursprünglich freien naturlage finden
sich hier.
Wie die tempelhäuser, so sind auch die eigentlichen götter-
bilder (aus holz) erst unter römischem einfluss entstanden.
Anfangs besassen die Germanen nur heilige Symbole — von
Tac, Germ. 7, efflgies et signa genannt — die an der cult-
stätte aufbewahrt und zu kriegszeiten dem heere vorangetragen
wurden. Von den Römern erst entlehnten die Germanen —
vermutlich nach der entwicklung des tempelhauses — die sitte
der eigentlichen götterbilder in menschengestalt, in denen
schliesslich die götter selbst verehrt wurden.
1) Tamm a.a.o.
2) Uhlenbeck, Beitr. 22, idh.
3) Vgl. E. Mogk, Germ. myth. Pauls Grundr.2 III 394.
DEK GERMANISCHE TEMPEL. 123
I \ HA LT.
I. Der isländische teinpelbau 4
1. Im liebte der ausgrabungen und topographischen unter-
surhungen 4
1. l'eberbliek über die vorgenommenen Untersuchungen . 4
2. Das bild des teinpels 9
A. Die territoriale läge: a) auf der insel überhaupt,
1»; in der umgebenden natur, c) im Verhältnis zu
den gehöften, d) in bezug auf seine himmelsrichtung
B. Die äussere bauart und anläge: e) baumaterial und
mauerconstruetion , f) äussere form, g) grossen-
Verhältnisse, h) eingänge, i) tempelzaun. k) blöt-
kelda, blötsteinn, bollasteinn.
C. Charakteristische beobachtungen und funde im inuern
der tempelruinen: 1) der boden, m) 'stallar' im afhus
11. Im lichte der sagas 62
1. Die kauptquellen 63
2. Das bild des tempels im vergleich und als ergänzung
zu den ergebnisseu der ruinenforschung .... fi<i
A. Die territoriale läge
B. Die äussere bauart und anläge: a) mauerconstruetion.
b) das dach, c) äussere form, d) grüssenverhältni-
e) eingänge und türen. f) tempelzaun. g) opfersumpf
und opfersteiu
C. Die innere einrichtuug: h) langrauni, i) afhus: die
'stallar'
III Gesammtbild
Anhang: die bauptgb'tter auf Island 95
_' Der uordgermanische tempelbau ausserhalb Islands .... 97
3. A eitere formen des nordgermanischen heiligtums OH
I. Einige funde in Jütland und auf Island. II. Die altnord.
bejteichnnngen für die cnltstätten (das problem des 'hq
4. Der südgermanische tempel 115
5. Das altgermanische heiligtum l IT
6. Schluss: entwicklnngsskizze l'_'<i
LEIPZIG. LLBERT THÜMMEL.
GOTISCHE
LEHNWORTE IM ALTHOCHDEUTSCHEN.
I. Innerhalb unsrer christlichen terminologie hebt sich
von lat. lehnworten wie priester, probst, predigen u.s. w. und
von Wortübersetzungen nach lat. mustern wie gevatter und
gewissen eine Schicht von Worten ab, für die der verdacht
lat. herkunft völlig unbegründet ist. So setzt Jcirche allen
bemühungen widerstand entgegen, die es zu einem lat. kirchen-
wort machen möchten. Und zu dieser Schwierigkeit tritt eine
neue, wenn wir das gleiche wort bei den Angelsachsen, wie
bei allen Deutschen des festlandes treffen. Lat. kirchenworte
können naturgemäss dem ganzen abendlande gemeinsam sein:
worte wie manch und nonne kehren überall wider, weil der
gemeinsame ausgangspunkt begreiflicherweise im latein beruht,
das seine wortmaterialien mit der römischen missionierung
überallhin empfahl. Eine dritte Schwierigkeit in der beurtei-
lung von deutsch lärclic und engl, church liegt in dem umstände,
dass die gemeinsame grundlage beider worte (Jcirika) schon
für das 5. jh. vorauszusetzen ist, also weit vor die zeit Karls
des grossen fällt, der wir die hauptmasse unsrer christlichen
terminologie älterer zeit verdanken.
Die Vermutung ist sehr alt, dass unser kirche, das dem
latein nun einmal nicht zugeschrieben werden kann, vielmehr
aus dem griech. abgeleitet werden muss, und es ist begreif-
lich, dass die theologen früherer Jahrhunderte sich gern um
dies problem bemüht haben. Aber es blieb der aufblühenden
germanistik vorbehalten, das kirchengeschichtliche problem
unsres Wortes aufzuklären. Rudolf v. Raumer hat in seiner
schrift Ueber die einwirkung des Christentums auf die alt-
hochdeutsche spräche (1845) versucht, die gründung und aus-
breitung einer christlichen ausdrucksweise in hd. spräche dar-
GOTISCHE LEHNWORTE IM AIID. 125
zulegen. Er hat sich darin streng auf das alid. beschränkt,
weil er auf möglichst sicherem grund und boden hauen wollte.
Aber wohvollende freunde haben es schon damals gemisbilligt,
dass er nicht wenigstens das got. noch in seinen bereich ge-
zogen hat. An diese Sachlage und diesen Vorwurf knüpfte
dann Räumer in einem aufsatz an, den er 1848 Zs. fda. G, 401
— 412 veröffentlichte: Ueber den geschichtlichen Zusammenhang
des* gotischen Christentums mit dem althochdeutschen. Diesem
titel gab er noch den Untertitel: Anfragen und Vermutungen.
In den kreis dieser Vermutungen fällt nun auch das worl
Jnrche, in dem er diejenigen widerlegt, die den griech. Ursprung
für unmöglich erklärten. Allerdings hatte der theologe Jacobsson
1846 das griech. etymon gut geheissen, aber eine got. Vermitt-
lung dafür verworfen, weil es in unsern got. sprachresten gar
nicht vorkomme. Nun widerlegt Raumer s. 410 diesen einwand
mit dem hinweis darauf, dass Ulfilas zur Verwendung einer
entsprechung von gr. xvquxxov keinen anlass hatte. Denn die
texte des neuen testaments kennen noch gar keine für gottes-
dienstliche zwecke errichteten gebäude. Eine hauptschwierig-
keit bei der herleitung von ahd. Liricha aus gr. xvQtaxöv
macht noch der unterschied des geschlechtes. Denn xvquxxov
ist bei den Griechen der Jahrhunderte, von denen hier allein
die rede sein kann, durchweg neutrum, und erst im 11. jh.
findet sich ganz vereinzelt ein fem. xvoiaxtf. Nun zeigt
Raumer ganz schlagend, dass sich das fem. des deutschen
Wortes aus einer got. Vermittlung sehr bequem erklären lässt.
weil die spräche des Ulfilas aus griech. neutren auch sonst
feminina bildet.
Raumers Vermutung hat sich bewährt: das deutsche wort
ist griech. herkunft, und wir verdanken es got. Vermittlung.
Zwar ist auch in den 60 jähren, die seit der Veröffentlichung
von Raumers aufsatz verstrichen sind, noch immer keine neue
got. sprachquelle mit der gesuchten entsprechung (kyrikö) zu
tage getreten. Aber wir sind doch in einigen kleinigkeiten
jetzt etwas weiter mit der beweisfiihrung gekommen. Mehrere
gräcisten wie Dieterich, Thuinb und Kretechmer haben fest-
gestellt, dass griech. handschrifteD und Inschriften «'ine ver-
kürzte lautform xvQtxöq an stelle von xvquzxöq im adjeetivum
aufweisen, und damit wäre in der tat eine kleine lautliche
12(5 KLUGE
Schwierigkeit aus dem wege geschafft, wenn man got. Jcyrikö
als dreisilbige grundform für das urdeutsche voraussetzen darf.
Daneben hat Kretschmer (Kuhns zs. 39,541) darauf hingewiesen,
dass jetzt ein reiches belegmaterial für gr. xvgiaxöv in der
bedeutung 'gotteshaus' für das 4. jh. zur Verfügung steht; die
belege beginnen mit Origines (3. jh.). Die entlehnung ins got.
muss ins 4. jh. fallen, als unter Konstantin der kirchenbau
seinen grossen aufschwung genommen hatte, und der ausdruck
y.vQiayjjv gerade modern war. Diese mode war aber nur eine
vorübergehende. Das wort ist auch auf griech. boden gänzlich
ausgestorben, und das ältere exxXijala hat bis ins neugriechische
allein das feld behauptet. Aus diesen ermittelungen Kretsch-
mers ergibt sich die not wendigkeit einer annähme, dass sich
das griech. wort bei den Goten in der zweiten hälfte des
4. jh.'s hat festsetzen müssen: hätten die Goten erst im 5. jh.
den begriff entlehnt, so musste wahrscheinlich das schon vor-
handene got. aikklesjö, das die 'christliche gemeinde' bedeutete,
die räumliche bedeutung mit übernehmen.
Der geschichtliche Zusammenhang des got. Christentums
mit dem ahd. tritt also in unserm hirclie klar und deutlich zu
tage. Das hatte schon Walahfrid Strabo in der ersten hälfte
des 9. jh.'s richtig vermutet, wenn er in seinem Libellus de
exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesias-
ticis rerum (Zs. fda. 25, 99) die frage auf wirft, qua occasione
ad nos vestigia haec grecitatis advenerint? Diese frage gilt
zwei deutschen Worten : Jcirche und pfaffe. Walahfrid Strabo
erörtert daselbst die fremdwörter seiner muttersprache und
unterscheidet ganz richtig lat. und griech. bestandteile: ab
ipsis Grecis kyrica a kyrios, et papo a papa (quod cuiusdam
paternitatis nomen est et clericorum congruit dignitati). Auch
mit der beurteilung unseres pfaffe hat Walahfrid Strabo
durchaus recht. Und Eaumer vertritt denselben Standpunkt.
Aber er ist hier weniger glücklich als in der beurteilung von
Mrche. Er erinnert zwar daran, dass das deutsche wort in
der bedeutung clericus sich nicht mit lat. papa verträgt, das
nur 'bischof bedeutet, uud sein hin weis auf got. papa im got.
kalender und in den unterschritten der neapolitanischen Ur-
kunde war ein neues gewichtiges moment. Aber wir sind
heute entschieden viel besser in der läge, den got. -griech.
cutis« in; LBHNWORTK IM AHD. 127
Ursprung unsres pfaffe zu erhärten. Die historische grammatik
der deutschen spräche hat seit der mitte des 19. jhu'a bedeut-
same fortschritte gemacht, und der begriff der lautchronologie,
den Raumer nur erst unbestimmt ahnen konnte, hal nichl
bloss für die allgemeine Schichtung des deutschen Wortschatzes
eine durchschlagende bedeutung. Auch in nnserm besonderen
falle können wir jetzt viel entschiedener feststellen, dass pfaffe
lange vor dem 8. jh. bestanden haben muss, wo das wort lite-
rarisch zuerst in die erscheinung tritt. Denn es tragt den
Stempel der zweiten lautverschiebnng, den wir in lat. kirchen-
worten wie predigen, priester, probst vermissen. Eine entleh-
nung aus lat, papa hätte im 8. oder 9. jh. nie und nimmer
ein ahd. pfäffo ergeben können. Ganz abgesehen von der
völlig abweichenden bedeutung des lat. kirchenwortes, das
vielmehr die grundlage unsres papst (ahd. mhd. babes) geworden
ist, wird jeder grammatiker sich an der differenz der voeal-
quantität von lat. papa : ahd. pfäffo stossen. Und wenn es
auch noch wissenschaftliche hilfsmittel geben sollte, die ahd.
pfäffo von lat. j/üjui ableiten, kann doch nicht scharf genug
betont werden, dass dies eine lautgeschichtliche Unmöglichkeit
ist. Der gedanke an die russ. bezeichnung des priesters als
pope hilft uns in diesem falle mehr als lat. papa ;bischof.
So gelangen wir mit got. papa auf gr. Jiaxäg, »las seit dem
3. bis 4. jh. den 'geistlichen' schlechtweg bedeutet, Freilich
bleiben zunächst formelle differenzen zu erledigen. Es kann
keinem zweifei unterliegen, dass ein griech. nominativ rrern'-
in der spräche des Ulfilas einen nominativ pkjkis ergeben
mnsste, so gut wie gr. ycrci-r^ ein got. s<it<uius oder Boqq(
ein got. Barrabas. Indem aber solche nominative im griech.
aecusative auf -äv neben sich haben, erhalten wir im got. die
parallelen acc. sti/<non>. Barraban. Nun hätten wir zwar
eigentlich nom. satanäs, acc satanän als genaue lautentepre-
chungen für das got. zu erwarten: indem aber der germ.
accent bei der übernähme die erste wortsilbe trifft, während
im griech. nltimabetonnng gegolten hat. trat von Belber Ver-
kürzung des vocals in der endung »'in. und vom aecusativ aus
erfolgte dann die ueuregulierung der declination: «rt-n. satanins,
dat. 8atanin} und die letzte consequenz war ein nein, sakma.
So mnsste sich mit natnmotwendigkeil aus gr. vaxög ein
128 KLUGE
flexionsscliema papas, papins, papin, papan ergeben, und ein
nom. papa konnte nicht ausbleiben, d.h. das lehnwort wurde
ein normales schwaches masculinum, und damit ist die schwache
declination von ahd. pfaffo endgültig erklärt.
Freilich bleibt ein punkt in der beweisführung zunächst
fraglich. Eaumer gieng stillschweigend von der annähme aus,
dass got. papa wirklich in der bedeutung 'geistlicher' vor-
komme. Das fehlen des wortes bei Ulfilas kann natürlich
nicht ins gewicht fallen. Wir treffen es erst im got. kalender,
der nach den neueren feststellungen in den schluss des 4. jh.'s
zurückreicht, als die Goten noch auf dem Balkan lebten. Der
im got. kalender begegnende Wereka papa ist aber durch
griech. menologien als presbyter erwiesen; die beweisführung
von H. Achelis (Zeitschr. f. neutestamentl. Wissenschaft 1 [1900]
s. 325) hat das endgültig festgestellt. Das einzig sichere, was
wir heutzutage über got, papa wissen, ist eben die bedeutung
'geistlicher'. Dass aber got. papa nur allein 'vater, bischof
bedeutet haben soll, braucht man auch dem neuen Stamm-
Heyne (neu herausgegeben von Wrede 1908, s. 455) nicht ohne
weiteres zu glauben. So steht also die bedeutungsgleichheit
von ahd. pfaffo und got. papa völlig fest und Baumers Ver-
mutungen erhalten ihre volle bestätigung.
Indem ich Eaumers anschauungen aufgegriffen und weiter-
gebildet habe, erfährt der betr. artikel meines Et. wb. soeben
eine energische ab Weisung, indem Zimmer (Sitzungsberichte
der kgl. preuss. akademie 1909 I 28) darüber das kategorische
verdict fällt: 'soviel Schlüsse, soviel fehlschlüsse!' Er will unser
pfaffe als ir. lehnwort angesehen wissen, das wir den ir. mis-
sionaren des 7. jh.'s (Kolumban, Gallus, Kilian) verdanken
sollen. Das altir. wort, von dem Zimmer ausgeht, lautet popa
und dies war eine ehrenvolle anrede an beliebige respects-
personen. Ob es im altir. auch die regelmässige bezeichnung für
den geistlichen gewesen ist, scheint nach Zimmers darlegungen
nicht wahrscheinlich. Wenn er aber keine gruppe von irischen
lehnworten des 7. jh.'s für Deutschland erweist, so muss noch
mit entschiedenheit hervorgehoben werden, dass ein ir. popa
im 7. jh. nicht mehr unter die gesetze der hd. lautverschiebung
gefallen wäre. Zu gunsten der von mir vertretenen ansieht
spricht die bedeutungsidentität von ahd. pfaffo = got. papa
G0TI8CHE LEHNWORTE IM AHI>. 1-".'
und die existenz von got papa 'geistlicher1 in dem noch dem
4. jh. angehörigen got. kalender. Dies alles gibt mir die ge-
wissheit, dass pfaft'e mit hirche gleich beurteilt werden muss.
Die stärke meiner beweisführung, wie ich sie heute versuche,
liegt in der feststellung unserer ältesten christlichen termino-
logie, und in dieser kann ich keinerlei irische züge erkennen.
Für den christlichen begriff heide stellt sich neben das
deutsche wort noch ein einmaliges got. haipno iieidin'. IN
ist schlagend richtig, wenn Baumer s. 407 erklärt: "bei der
eigentümlichkeit dieses ausdrucks ist es kaum glaublich, dass
er zweimal für den begriff ethnicus gewählt oder gar gebildet
ward; viel wahrscheinlicher ist, dass er von den Goten zu den
andern erst später bekehrten Völkern sich verbreitet hat.'
Raumers anschauungen über dieses wort und sein ganzer auf-
satz sind aber nach ihrem erscheinen keineswegs gebilligt
worden. Die behandlung des Wortes heide im DWb. erwähnt
den aufsatz Raumers ebensowenig wie Weigands Deutsches
Wörterbuch. Beide hilfsmittel lehren, dass heide eine nach-
bildung von YaX. paganus sei: 'nach der einführung des Christen-
tums dem lat. paganus bewohner des platten landes und
gegenüber der christlichen lehre altgläubiger, nachgebildet1
(s. Heyne 1870 DWb. IV 2, 799). Heyne und Weigand gegen-
über habe ich mich schon 1882 in der 1. aufl. meines Et. wl>.
auf Räumers seite gestellt, wenn ich unter dem worte heide
sagte: 'vielleicht ist hier wie bei Jcirche, pfaffe ein einfluss
der Goten und ihres Christentums auf die übrigen Germanen
zu erkennen.' Wenn mein Et. wb. in seinen 7 auflagen, die
es bisher erlebt hat, an dieser anschauung immer festgehalten
und damit Räumers kriterium zur anerkennung verhelfen hat,
so ist Räumers hauptsächlicher grnnd heute noch so durch-
schlagend wie vor CO jähren: es ist kaum glaublich, dass der
gleiche ausdruck heide als christlicher begriff zweimal anab-
hängig voneinander gewähll oder gar gebildet wäre. Denken
wir uns das nur einmal bezeugte got. haijmü 'heidiif aus
unserer ulfllanischen Überlieferung fort, bo wäre dir beurteilung
\nn deutsch heide = engl heathen unendlich erschwert; wir
würden mit dem christlichen ausdruck in unserer Bprache
etymologisch nicht leicht in> reine kommen. Penn mil lat.
pagänus neben pagus kommen wir nicht voran. Der alte
Beitrage rur [Mchkhtf Jer dcuMchen iprache. XXXV. <j
130 KLUGE
gedanke, mit welchem Heyne an Adelung* anknüpft, will von
lat. pagus aus an Jwide 'feld' anknüpfen. Das ist aber eine
geschichtliche Unmöglichkeit, denn heiäe 'unbebautes feld' tritt
in hd. quellen erst seit dem 12. jh. auf, dem gegenüber ist
aber heiäe 'paganus' schon als wort des 8. jh.'s vielfach bezeugt.
Das wort heide 'unbebautes feld' nützt uns also gar nichts,
um das ahd. adj. heidan 'paganus' aufzuklären. Nun liegt
aber in got. haipnö 'heidin' ein um 400 jähre älteres wort-
zeugnis vor, das uns lehrt, dass ahd. heidan nicht erst von
den missionaren des 8. jh.'s geschaffen sein kann. Die mis-
sionare des 8. jh.'s fanden also in unserer spräche wort und
begriff schon vor, und so wagten sie auch gar keinen versuch,
lat. paganus in den deutschen wortvorrat hinein zu empfehlen,
wie sie es mit lat. terminologie sonst gern machten. Auch
zeigen die slav. sprachen mit ihrer entlehnung von lat. paganus,
dass eine derartige wortentlehnung nicht nur nicht zu den
Unmöglichkeiten gehörte, sondern nahe genug lag. Wenn also
ein ahd. pagano (*bagano) vollständig fehlt, so muss ahd.
heidan mit seinem christlichen wortinhalt das hindernis ge-
wesen sein, an dem eine entlehnung von paganus im 8. jh.
scheitern musste.
So wahrscheinlich Raumers annähme von der entlehnung
des deutschen wortes aus dem got. auch ist, sie bleibt immer
eine Vermutung, die erst durch andere got. lehnworte im
deutschen (wie Mrche und pfaffe) zur Wahrscheinlichkeit wird.
Sie würde aber an Wahrscheinlichkeit entschieden gewinnen,
wenn eine neuere ansieht recht hätte, dass got. haijmö 'heidin'
mittelbar oder unmittelbar auf gr. tßT?j 'beiden' zurückgienge.
Dieser annähme aber stehen schwerwiegende bedenken ent-
gegen (Literatur s. Zs. fd.wortf. 11, 21), und so dürfen wir uns
zunächst mit dem verdachtsgrund beruhigen, den Raumer für
die herkunft von deutsch heide aus dem got. beigebracht hat.
Damit wird ja allerdings die frage nach der herkunft des
deutschen wortes verschoben in die frage nach der herkunft
des got. wortes. Dieses macht insofern erhebliche Schwierig-
keiten, als von dem got. worte auffälligerweise nur ein ganz
vereinzeltes wortzeugnis vorliegt, während Ulfilas den christ-
lichen begriff von gr. e&vr] sonst immer mit pkidös widergibt.
Vielleicht hat er hier einem begriff unsers altgerm. heidentums
GOTISCHE LEHNWOKTK IM AHD. 131
ein« ii neuen, christlichen wortinhalt gegeben. Denn überall
lieferte unser heidentum den missionaren heimisches wort-
material, um den neuen ideen des Christentums den einzng zn
erleichtern. Das gilt von unserm hölle (got. hdljä), das gilt
auch von ostern, das ursprünglich die bezeichnung eines heid-
nischen festes gewesen sein muss. So wird der Ursprung des
wortes heide vielleicht in altgerm. anschauungen zu suchen
sein, und ich hege den verdacht, dass unsere heidnischen vor-
eitern mit ihrem adj. heidnisch etwa Völker einer niedereren
culturstufe oder eines längst überholten niedereren götter-
glaubens charakterisierten, wie die Griechen mit ihrem ßaQ-
ßctQOQ einen charakteristischen ethnologischen inhalt verbanden.
Die umprägung eines altgerm. wortes zu einem christlichen
begriff dürfen wir Ulfilas zutrauen, und seine Goten werden
sich ihrem apostel schnell angeschlossen haben. Dass aber
dieselbe umprägung in Deutschland unabhängig von den Goten
vollzogen wäre, ist in sich nicht recht glaubhaft.
Auch für unser taufen nimmt Eaumer got. Vermittlung
an. Denn dass das christliche wort auf germ. Sprachgebiet
zweimal voneinander unabhängig mit demselben wort (got.
daupjan = ahd. touffan) widergegeben wäre, ist unwahrschein-
lich. Nun vereinigt got. daupjan eine ursprünglich sinnliche
bedeutung 'eintauchen' mit der christlichen bedeutung 'taufen',
aber das deutsche wort zeigt schon in ahd. zeit nicht mehr
die natürliche bedeutung, sondern nur noch die christliche.
Die missionare des 8. jh.'s fanden unser heutiges wort mit
seinem christlichen inhalt schon in Deutschland vor. Wären
sie von einer derartigen älteren benennung unabhängig ge-
wesen, wer weiss wie sie dann das lat. />a))(i~<irr auf deutsch
wiMergegeben hätten! Während dem got missionar gr. ßdjctm
die widergabe durch daupjan nahelegte, musste den abend-
ländischen missionaren des 8. jh.'s der ursprüngliche wortinhall
des kirchlichen baptiean verschlossen bleiben, und so konnte
man in England für 'taufe1 ein ags. fuhriht eigtl. 'vollweihe'
bilden und in Niederdeutschland haben missionare hristenm,
d.h. 'zum Christen machen1 für 'taufen1 eingeführt. An der-
artigem verhalten der missionare auf ag& und asächa boden
Lässt sich erkennen, <ia>s unser tuu/'oi keineswegs eine selbst-
verständliche Verdeutschung eines christlichen wortes wai
132 KLUGE
werden wir unser deutsches wort nicht leicht als eine von
got. daupjan unabhängige Spracherscheinung ansehen. Besteht
aber ein Zusammenhang, so darf man ihn mit Baumer so
deuten, dass das deutsche wort als lehnwort aus dem got, an-
zusehen ist.
Wenn ich im voranstehenden die teils zu kurze, teils zu
zaghafte behandlung der von Kauiner aufgeworfenen fragen
mit eingehenderer begründung vom Standpunkt einer fort-
geschritteneren grammatischen und sprachgeschichtlichen er-
fahrung aus näher begründet und sichergestellt habe, so muss
ich nun ein paar punkte erwähnen, in denen Raumers Ver-
mutungen nicht mehr bestehen bleiben können. Die exaktheit
der lautgeschichtlichen begründung war in der mitte des
19. jh.'s nicht so gross. Die anspräche an lautgeschichtliche
beweise waren noch sehr gering, und so stand Raumer auf
dem boden seiner zeit, wenn sein grammatisches gewissen es
ihm gestattete, die ahd. bezeichnung des hlg. geistes als der
iviho ätum mit got. sa weiha ahma in denselben Zusammen-
hang zu stellen, in den er mit fug und recht hirche und pfaffe,
heide und taufe gestellt hat. Diese Vermutung können wir
heute nicht mehr ernst nehmen, weil ahd. ätum gar nicht aus
got. ahma abgeleitet werden kann. Die glückliche combinations-
gabe Raumers scheiterte hier, weil die Wortbetrachtung es mit
den lautlichen Übereinstimmungen damals noch nicht so ernst
nahm. Wenn dann Raumer seine 'Anfragen und Vermutungen'
mit dem verdacht schliesst, dass die ags. benennung des hei-
lands als neriend durch Deutschland hindurch auf got. nasjands
'heiland' hinweise, so fehlen hier grade die lautlichen beweise,
und es kann im günstigsten falle von einer vagen möglichkeit
geredet werden.
II. Von Raumers wortzeugnissen, die er alle nur als
anfragen und Vermutungen angesehen wissen wollte, kommen
also mit bestimmtheit zwei in wegfall und wir haben nur die
vier fälle Mrche, pfaffe, heide und taufen mit neuen gründen
stützen und sichern können. Nun habe ich aber selber schon
seit vielen jähren in den verschiedenen auflagen meines Et. wb.
und in den beiden auflagen von Pauls Grundriss mehrere neue
be weisstücke vorgelegt, die — im sinne Raumers — den zu-
GOTISCHE LEHNWORTE IM AIII>. 133
sammenhang des got. Christentums mit dem deutsclien erhärten,
und es liegt mir nunmehr ob, hier über die von mir neu ge-
fundenen beweise zu berichten.
Das überraschendste und schlagendste Zeugnis, das ich
gefunden zu haben glaube, sehe ich in der ahd. andd. benen-
nung von Christus als Krist So heisst der heiland in allen
alten quellen des 8. und 9. jh.'s wie überhaupt durch das
ganze mittelalter. Die Helianddichtung wie das Evangelien-
buch Otfrids kennen ebensowenig die lautform Christus wie
die namensform Jesus; und doch sagt Otfrid immer Petrus so
gut wie der Heliand. Warum haben nun die christlichen
missionare des abendlandes das lat. Christus bei uns nicht
ebenso empfohlen wie etwa Petrus? Die lautform, so sacro-
sanet sie scheint, konnte nicht eindringen noch durchdringen,
weil wir in der lautform Krist schon eine einheimische wort-
gestalt besassen. Und diese einheimische wortgestalt beruht
nicht auf lat. Untergrund. Wenn missionare von England,
Irland oder Frankreich aus im 8. jh. oder auch früher das wort
zu uns gebracht hätten, würde es sicher Krist im deutschen
lauten. Denn es ist nicht im geringsten zu bezweifeln, dass
das wort in England, Irland und Frankreich mit i gesprochen
wurde, das beweist die neuengl. ausspräche bis auf den heutigen
tag und niemand bezweifelt, dass die Angelsachsen immer (
gesprochen haben. Und frz. christ deutet auch auf i und nicht
auf 1. So läge denn für ahd. asächs. krist die anknüpfung an
got. Xrlstus näher. Darin kann uns das X des got, wort-
anlautes nicht beirren. Das war eine literarische schreibform
des sacrosaneten namens, von der ein so hochgebildeter mann
wie Ulfilas nicht abweichen durfte. Aber seine Goten sprachen
sicher viel mehr hrtstus, denn sin konnten gar kein griech. /
sprechen. Wo ein eigenname "der Eremdwort ein solches auf-
wies, -teilte sich von selber der /,-laut ein. und manche spuren
in der bibelsprache des Ulfilas deuten darauf hin. dass auch
der got. Übersetzer kristus sprach. Kr sagt für A%ala vielmehr
Äkaia, für ÖQaxfirj vielmehr ärakmi. War aber hristus die
normale ausspräche des wortes im got., bo haben wir nur noch
die westgerm. auslautsregeln dafür verantwortlich zu machen,
dass »-in ursprüngliches Jcristus (etwa um 500 herum) zu krist
geworden ist: doch können wir ans in diesem zusammenhange
134 KLUGE
unmöglich auf die Chronologie der westgermanischen auslauts-
gesetze einlassen.
Von der lautgeschichtlichen beweisführung, die ich soeben
vorgelegt habe, war das Zeitalter Baumers und Jacob Grimms
noch weit entfernt. Und so konnte man früher auch in der
lautgeschichtlichen beurteilung des Wortes teufel kein glück
haben. Mehrere gesichtspunkte sind für die beurteilung dieses
wortes von durchschlagender bedeutung. Es zeigt schon in
den ältesten hd. sprachquellen eine sehr weitgehende lautliche
entfernung von dem lat. diabolus, das im munde römischer
missionare zu erwarten wäre. Es ist schwer zu sagen, was
eigentlich aus lat, didbolus durch die vermittelung der mis-
sionare des 8. und 9. jh.'s bei uns geworden wäre. Sicherlich
nicht thifal, wie das wort im ahd. lautet. Schon das an-
lautende t unseres hd. wortes setzt die existenz des wortes
für Deutschland voraus, ehe die römischen missionare kamen.
Die hd. lautverschiebung, die aus ä ein t macht, war schon
im 8. jh. in Oberdeutschland vollzogen. Vollends beweist der
diphthong iu in der tonsilbe von ahd. thifal längeres bürger-
recht vor dem 8. jh. und die roman. sprachen haben an diesem
iu nicht den anteil, den man erwarten würde, wenn es sich
um ein wort der römischen missionierung handelte. So weist
die erste silbe des wortes teufel mit bestimmtheit darauf hin,
dass das wort einer früheren christlichen schiebt angehört
und wir können dies auch noch mit einem weiteren laut-
kriterium beweisen.
Die deutsche grammatik sollte eigentlich schon längst den
mundartlichen lautgestaltungen des ahd. wortes einen gesichts-
punkt abgewonnen haben, den ich aber noch nirgends aus-
gesprochen finde. Unser wort lautet nämlich in den fränk.
und sächs. dialekten der ältesten zeit immer mit iu in der ton-
silbe: fränk. tiufal, diufal = asächs. diudal. Nun gibt es ein
lautgesetz, wonach vielmehr io zu erwarten wäre. Dieses
gesetz lautet: dem fränk.-sächs. io muss vor lippen- und kehl-
lauten im oberdeutschen iu entsprechen; aber dem oberdeutschen
iu vor lippen- und kehllauten muss in den fränk.-sächs. dia-
lekten ein io entsprechen, wenn in einer zweiten silbe ein
a-vocal steht oder gestanden hat (Braune, Ahd. gr. § 47). Wenn
wir also bei Otfrid und im Heliand die lautgestalten tiufal,
GOTISCHE LEHNWORTE IM Alll>. 1 ■'■<
dmhal linden, so müssen wir sie auf grund i\q± eben charak-
terisierten lautgesetzes in Mittel- und Niederdeutschland für
fremdlinge erachten, die ans Oberdeutschland zugezogen sind.
Wer die beweiskraft solcher lautkriterien mit mir gleich-
massig einschätzt, wird also Oberdeutschland als den heimats-
bereich für das fränk. und weiterhin auch für das Bachs, worl
ansehen. Dann hätten wir hier einen sehr wichtigen finger-
zeig dafür, dass die älteste terminologie des deutschen Christen-
tums von Oberdeutschland nach Mittel- und Niederdeutschland
vorgedrungen wäre. Unter allen umständen bleibt sicher, dass
die ahd. lautgestalt tiufal eine lange einbürgerung des wertes
vor dem 8. jh. bei uns voraussetzt.
Hat aber dieses wort vor der römischen missionierung des
8. jli.'s seine volkstümliche lautgestalt erhalten, in der es fortan
haften geblieben ist, so dürfen wir nunmehr auch das gegen -
stück zu teufel unter dem neuen gesichtspunkt betrachten.
Das wort enget zeigt jedoch im ahd. keine charakteristische
Umgestaltung, aus der wir überzeugende Kriterien für eine
frühzeitige entlehnung oder einbürgerung abnehmen könnten.
Auch die missionare des 8. jh.'s hätten vielleicht ihr lat. angehts
zu engil (später engel) umgestaltet. Da aber das wort im got
aggilus lautet, so könnte ein got. lehnwort im deutschen auch
nur zu engil (später engel) geführt haben. Die grammatik
entscheidet in diesem falle nicht, so viel ich sehe. Aber sprach-
geschichtlich wird man sich wol schwerlich dazu entschliessen,
das wort cnyel (ahd. asächs. engil) von seinem gegenstück teufel
(ahd. tiufal, asächs. diuhal) loszureissen. So spricht die Wahr-
scheinlichkeit doch schliesslich dafür, dass engel mit teufel in
unsere älteste christliche terminologie gehört, die wir nicht
aus dem latein, Bondern aus dem got herleiten.
und in diese wortgruppe hinein stelle ich das wort ;
Die identitüt der griech. und lat. benennung erschwert hier
wie bei engel und teufel die beurteilung. Es müssen Bchou
erhebliche gründe Bein, die nns bestimmen, das wort aus der
lat. terminologie des christlichen abendlam izureissen.
Dass es aber schon vor dem 8. jh. mindestens durch das ganze
hd. Sprachgebiet eingebürgert war, dafür ist auch hier widerum
die 2. lautyerschiebung ein untrüglicher beweis. Wii haben
vorhin bei pfafl* festgestellt, dass das inner«: // nicht erst im
136 KLUGE
8. oder 9. jh. entstanden sein kann. Wenn nun das p des
christlichen grundwortes im ahd. auslaut als f (für ff) erscheint,
so kann die durchschlagende beweiskraft dieses kriteriums
nicht im mindesten in zweifei gezogen werden: wir müssen
nur noch ausdrücklich feststellen, dass kein lat. fremdwort
der ahd. kirchensprache inneres ff für lat. p zeigt. Und schliefst
sich nicht bischof und pfaffe zu einer guten gruppe zusammen,
gerade wie enget und teufet? Und sind es nicht überhaupt
die wichtigsten begriffe des neuen glaubens, die hervorstechend-
sten grundanschauungen des Christentums, die wir in unserer
ältesten schiebt christlicher terminologie feststellen konnten?
Da hebt sich Christus (ahd. l-rist) ab. Der begriff des taufens
und sein gegen teil, das sich in dem wort heule ausdrückt,
gehen voran; es folgen tcufel und engel als die andeutung der
mächte des bösen und des guten. Die Organisation der gemeinde
schliesst sich an, wenn bischof und pfaffe der gleichen gruppe
angehören. Aber wunderbar genug gehört auch das gottes-
haus, die hirche zum urbestande unseres Christentums, ehe
römische missionare das lat, ecelesia empfehlen konnten.
So sind wir heute entschieden weiter gekommen mit dem
problem, das Raumer vor 60 jähren beschäftigt hat. Es han-
delt sich jetzt nicht mehr um anfragen und Vermutungen wie
damals, sondern um feststehende tatsachen. Der sprachliche
beweis ist zugleich ein culturgeschichtlicher beweis. Die kleinen
grammatischen kriterien der lautgeschichte sind ebenso sichere
culturgeschichtliche quellen wie die schriftliche Überlieferung
auf dem pergament. Man würde die ganzen erfolge der mo-
dernen Sprachwissenschaft bezweifeln oder leugnen, wenn man
die berechtigung der historischen lautbetrachtung in frage
stellte. Wer die spräche nach Schillers glücklichem wort als
einen Spiegel der nation ansieht, der strebt naturgemäss von
der lautbetrachtung zur eulturgeschichte. Und das problem,
das uns heute beschäftigt, ist ein culturgeschichtliches problem
ersten ranges, wenn wir festgestellt haben, dass eine ganze
reihe christlicher begriffe unsern vorfahren geläufig waren,
die aber von der römischen missionierung unabhängig sein
müssen.
Diese älteste Schicht unserer christlichen terminologie
habe ich aber immer noch nicht erschöpft. Denn es gehören
GOTISCHE LEHNWORTE IM AHO. l-'-T
noch zwei wochentagnamen hinein, die ein christliches gep
haben. Der gesichtspunkt der 2. lautverschiebung wird wider
bedeutsam, wenn wir die alid. lautgestall von samstag als
s<nithaz-tag schon im '.». jli. antreffen. Darin füllt zunächsl
daz z auf. Denn wenn wir an lat. sdbbatum denken würden,
so steht fest, dass kein lat. kirchenwort unserer spräche für
ursprüngliches / ein z hat. Dieser lautgeschichtliche Gesichts-
punkt hat mich schon im jähre 1889 bestimmt, unser samstag
von der lat. terminologie abzusondern und in die von Raumer
angebahnte, von mir selber weiter fortgeführte und ausgebaute
wortschicht einzureihen. Meiner begründung war die tatsache
besonders günstiü'. dass das innere m von ahd. sambae-tag
auch im osten unseres Sprachgebietes widerkehrt: aslav. so-
Iota, nngr. s.vomlxü, rumän. sämbätä. Dieses innere »i aber
von ahd. sambae-tag sträubt sich ebenso entschieden gegen
herleitnng aus lat. sdbbatum (= ital. sabbatö) wie das innere z.
Sicherlich würden abendländische quellen irgendwelche spuren
eines vulgärlat. sambatwm aufweisen, wenn die Volkssprache
es irgendwo besessen hätte: denn überall können gelegentlmh
volksübliche lautvarianten in die Schreibgepflogenheiten ylv
handschriften eindringen. Fehlt nun jede spur eines lat. sam-
batum, so muss auch noch hervorgehoben werden, dass wir
damit unter keinen umständen das innere : von ahd. sambat-
tag erklären könnten. Denn die tatsache bleibt bestehen, dass
kein lat. kirchenwort ein hd. b i::) für ein lat. / aufweisl
Nun ist unser samstag ein oberdeutsches wort und seine
nächsten verwanten sind sicher im osten zu suchen, in diu
gebieten der unteren Donau, wo einstmals die Goten gesessen
haben. Da ist es nun auf den ersten blick eine unüberwind-
liche lautschwierigkeit, dass die got. entsprechung das zu er-
wartende innere „> nicht aufweist: Dlfllas schreibl immer
sabbatö, sabbatus und nie sambatd, sambatus, in abereinstim-
mung mit dem ;; des griech. grundwortes. Da Bah ick mich
schon im jähre 1889 zu der annähme gedrängt, ein vulgär-
griech. <"',", ;' zov vorauszusetzen und den (-inten einen anteil
an der mo-aussprache beizumessen. Obwol mir Theod. Nöldek<
alsbald in manchen morgenländischen sprachen da- worl sabbai
mit der gesuchten mo-anssprache nachweisen konnte. bli<
meine Dachforschungen nach einem gr. aäftßaroi erfol
108 KLUGE
Aber ich hatte das glück, dass gelehrte wie Gustav Meyer
und Wilhelm Schulze meine conjectur ernst nahmen. Auf-
sätze in den IF. 4, 326 und Kuhns zs. 33, 318 spürten meinem
hypothetischen adfißarov erfolgreich nach und heute wird seine
einstmalige existenz für den Balkan nicht mehr bezweifelt.
Dann aber dürfen wir auch den Goten des Ulfilas ein volks-
sprachliches sambatö zutrauen, wo der bischof selber nach
literarischer gepflogenheit an sdbbatö festhielt.
Wenn meine theorie von der herkuhft des ahd. sambaz-tag
aus einem gr. ödfißatov schule gemacht hat, so war daran die
tatsache schuld, dass ich unser samstag noch mit einem
andern wochentagnamen zu einer charakteristischen wort-
gruppe vereinigen konnte. Es handelt sich um die bayr.
benen nung des donnerstags als pfinztag. Das wort tritt erst
im 12. und 13. jh. in die erscheinung. Aber vom 8. bis zum
12. jh. sind auch die übrigen namen unserer Wochentage nur
erst so spärlich bezeugt, dass man das späte auftreten von
mhd. pfinztac nicht auffällig finden darf. Und dass es tat-
sächlich ein viel höheres alter beansprucht, ersieht man schnell
an" den charakteristischen Kennzeichen der 2. lautverschiebung;
denn jedes hd. pf und jedes hd. z sind das resultat der 2. laut-
verschiebung, die von einer grundform pint- ausgegangen sein
muss. Nun hat bereits Schmeller den gedanken verfolgt, dass
h&yr.jifinztag mit der spätgriech. benennungsweise des donners-
tags als jTt/.L7TTtj, d.h. 'fünfter tag' ein und dasselbe sein muss.
Aber er hat die Verbindung des bayr. wortes mit der griech.
entsprechung durch got. Vermittlung nicht hergestellt und
hinterliess damit ein rätsei, das auch im DWb. nicht gelöst
wird. So habe ich unser wort mit ahd. sambaz-tay combiniert
und für beide die gleiche got, Vermittlung angenommen wie
für Christ und heide, bischof und pfaffe, enget und teufet, sowie
für Jcirche. Tn der tatsächlichen got. Sprachüberlieferung kommt
begreiflicherweise kein pinte (paimpte) vor, wie wir es für das
bayr. pfinztag voraussetzen müssen. Aber das fehlen eines
got. hyriko hat uns doch auch nicht gehindert, unser nhd. Jcirche
durch got, Vermittlung aus gr. xvqiccxöp abzuleiten.
Wemi meine eigenen uachforschungen das richtige ergeben
haben, bin ich in der beurteiluug des uns hier beschäftigenden
Problems entschieden weiter gekommen als Kaumer, der an
GOTISCHE LEHNWORTE IM All I ». 1 ■'■'•'
eine combination mit ahd. A'm7 and biscof and mit mhd, sai
tac und pßne-tac noch gar nicht gedacht hat; denn auch bei
samstag and pßnztag handelt es sich augenscheinlich um christ-
liche worte und begriffe, die vor dem Zeitalter des Qlfilas anch
im got undenkbar wären. Zudem trägt die ganze nomen-
clatnr der Wochentage in allen europ. sprachen so manche
christliche spuren, dass wir auch für samstag und pfmztag
den einfluss des Christentums nicht verkennen dürfen. Nun
sind es ja allerdings nicht die bedeutsamsten tage der christ-
lichen woche, die wir für die früheste christliche schiebt im
deutschen in ansprach nehmen. Wenn wir aber für sonntag
und für freitag nachbildnngen von lat. solis dies und Veneria
dies schon im ahd. besitzen, so müssen diese wochentagnamen
ebensogut wie z. b. montog und dienstag und donnerstag
schon früher bei uns volksüblich gewerden sein. Schon vor
dem siege einer frühen Christianisierung war die römische
woche bei uns eingebürgert und wenn dann got missionare
nur für donnerstag und samstag ihre griech. lehnworte mit
erfolg deutschen stammen aufdrängen, so ist in dem einen falle
der grund des erfolges durchsichtig. Sie beanstandeten den
altheidnischen götternamen Donar in dem donnerstag. Warum
sie aber den namen samstag durchdrückten, ist um deswillen
weniger durchsichtig, weil wir nicht wol wissen können, welche
ältere benennung sie verdrängen Avollten. Zwar hat das west-
liche Niederdeutschland, sowie die Niederlande und England
an der römischen benennung Saturni dies festgehalten. Ob
diese aber auch den übrigen german. stammen wie /.. b. den
Thüringern und den Bayern zukam, das lasst sich mit keinem
noch so kleinen anzeichen erhärten. Wir wissen also auch
nicht, ob ahd. sambaa-tag ein älteres synonymon zur Voraus-
setzung hat. das den got. missionaren anstössig war.
Die tatsache, dass die namen des donnerstags und •
ds als mhd. pfinstac und tarn h. orsprungs
Bein müssen und nicht ans dem latein erklärt werden können,
führt uns zur benrteilung einer seltenen benennungsweise für
den freitag. ÖraffV360 belegt ein selten ntac al>
glosse für parasci oes und sein frühester beleg Btammt aas den
hrabanischen glossen (Ahd gl I 22! 1);-' belege < Mid.gl.
140 KLUGE
1815, 37) *) führen uns alle nacli Bayern und der früheste an
das ende des 8. jh.'s. Aber die 2. lautverschiebung beweist ein
weit höheres alter des wortes und der j^-anlaut lässt ohne
weiteres auf ein fremd wort schliessen so gut wie bei pfinztag.
Es kann kein anderes wort als grundwort in frage kommen
ausser nur gr. jiaQadxevtf 'freitag', denn an das entsprechende
lat. parasceve lässt sich nicht wol denken ; ein lat. kirchenwort
hätte an der hd. lautverschiebung keinen anteil. Nun wissen
wir aus den arbeiten Gundermanns und Thumbs (Zs. fd. wortf.
1,183. 166. 67), dass in der griech. spräche jrciQaoxtv// als be-
zeichnung des freitags seit dem 3. jh. oft genug bezeugt ist,
wie denn das neugriech. an dem alten namen festgehalten hat.
Dem got, bibel Übersetzer war das griech. wort geläufig; er
verwendet es zweimal in seinem got. text, als paraskaiwc, acc.
parasJcaiivein. Das abayr. wort würde nach analogien, von
denen wir die eine schon behandelt haben (pfinztag) und eine
zweite gleich behandeln werden (crtag), auf einen got, urtypus
zurückgeführt werden müssen: parems-dags oder vielleicht
besser: pare, acc. parein. Nun kommen im bereich der fremd-
worte überall volkstümliche Verstümmelungen und Verkürzungen
vor (wie fesch für engl, fashionable, sarg aus lat. sarcophagus,
pfropfen aus propago, ahd. disco für discipulus, ags. rceps für
responsorium), dass man vielleicht den verdacht wagen darf,
dem Ulfilanischen paraslcakve, acc, parasJcaüuein hätte ein
vulgärgot, pare, acc parein entsprochen. Trifft diese erklärung
das richtige, so haben wir eine schöne reihe pfinstag — plierintag
— samstag festgestellt.
Hier ist nun auch der ort, die bayrische bezeichnung des
dienstags zu behandeln.
Unter unseren Wochentagen weist der dienstag eine kleine
Synonymik auf. In den gebieten von Augsburg herscht das
etwas farblose aftermontag, das insofern ein rätsei aufgibt, als
man gern wissen möchte, warum ein so kleines gebiet sich der
herschaft eines synonymons der n achbar gebiete entzogen hat.
Man möchte glauben, dass hier irgend ein heidnischer anklang
vermieden werden sollte. Spiegelt doch schwäb.-aleman. Zistag
im verein mit der bezeichnung der Schwaben als Cyuuari
x) Glosse zu Matthäus 27, 62, wo auch Ulfilas paraälcahce hat.
GOTISCHE LEHNWORTE IM AHO. 1 1 1
(Much. Himmelsgott s. 4) den götternamen Zio wider! und
wenn Augsburg von hause aus Ziweslmrg hiess und dann den
namen änderte, so darf die secundäre Umwandlung von Ziwestag
in aftermontag wol in Zusammenhang gebracht werden mit
der umtaufung des stadtnamens, und da liegt der verdacht
doch nicht fern, dass der Zusammenhang- des Wochentagnamens
mit dem heidnischen götternamen aufgehoben werden sollte.
Neben das schwäbisch -alemannische eistag stellt sich als
weiteres synonymon das schriftsprachliche dienstag, das einst
auch nur einem engeren geographischen bereich angehört hat.
Das wort hat im 16. und 17. jh. seine Urheimat im deutschen
nordwesten verlassen und die mittel- und oberdeutschen land-
schaften erobert. Erst seit fünfundzwanzig jähren ist es ety-
mologisch aufgehellt und zwar auf grund einer einzigen tat-
sache, die nicht einmal auf deutschem boden basiert. Eine
lat. inschrift auf dem boden Englands, noch aus der Römerzeit
stammend, hat der schwankenden beurteilung des Wortes dienstag
ein ende bereitet. Die lat. inschrift steht auf einem altar, den
fries. Söldner im röm. beer ihrem gotte Mars-Thingsus geweiht
haben. Das war der germ. gott, nach welchem der dienstag,
der ursprünglich ein Dingstag war, seinen namen hatte. Denn
so gut wie aleman. zistag eine Wortübersetzung für lat. Mortis
dies (= frz. mardi, ital. martedi, marti) ist, so wahrscheinlich
ist von vornherein, dass auch dienstag eine wortübersetzum:
nach demselben original ist. Und nun bestätigt jene inschrift
der fries. legionäre den gott Thingsus, dem der altar ge-
widmet ist, als einen Mars. Im gründe sind also die be-
zeichnungsweisen dienstag und eistag inhaltlich im wesent-
lichen gleich.
Denn man weiss schon lange, dass überhaupt mehrere
unserer deutschen namen für Wochentage nichts anderes sind.
als eben wortübersetzungen nach den lat. entsprechungen
(Solis dies, Lunae dies, Joris dies, Veneria dies). Gegen eine
entsprechende deutung der auf bayr. -Österreich, gebiel her-
Bchenden bezeichnung des dienstags als ertag haben aber
bisher alle experimente versagt (Much, Bimmelsgotl B.7). Und
doch glaube ich beweisen zu können, dass dieses ertag auch
den gleichen inhalt hat wie das Bchwäb.-alemaiL eistag und
das fries. dienstag. Ich bringe es aber nicht in zusammen"
142 KLUGE
hang mit lat. Mortis dies, sondern möchte an die griecli. ent-
sprechung "Aquoq fjfttQa anknüpfen.
Aber wie gelangen wir von der griech. benennung "ÄQEcoq
tjjitQa zu dem bayr.-österr. ertag? Nach unsern ermittlungen
über die urdeutsche terminologie unseres Christentums würden
wir auch hier got. Vermittlung annehmen, und dann müssten
wir nunmehr fragen , ob wir nach massgabe unserer got. sprach-
quellen wol zu berechnen im stände sind, wie die Goten sich
dem gr. "Aqscdq rjfiega gegenüber verhalten haben würden.
Ich nehme nun an, dass Ulfilas, oder wer bei den Goten
die neue wochenrechnung einbürgerte, ausgegangen ist von dem
nom. "Aqtjq, acc. "ÄQrjv. Nun können wir an der spräche des
Ulfilas sehr wol ermessen, wie diese wortformen damals im
got. munde lauten mussten: zunächst Ares, acc. Aren] aber
daneben müsste auch der acc. eine secundärform Arein auf-
weisen. Und nach manchen Indizien aus ulfilanischen texten
ergäbe sich für die 2. hälfte des 4. jh.'s für den griech. götter-
namen im got. sicher ein flexionsschema Ares, gen. Areins, dat.
Arein, acc. Arein, und daneben würde man auch Schreibungen
erwarten dürfen gen. Arins, dat. acc. Arin.1) So hätte der
dienstog bei den Goten Areins-dags oder Arins-dags gelautet.
Mit umsomehr Zuversicht dürfte man das annehmen, wenn man
wüsste, dass bei den Goten der sonntag = sunnins-dags und
der montag = menins-dags gelautet hätte, wie das wol wahr-
scheinlich ist. Die conformität mit den beiden ersten wochen-
tagsnamen sichert für das got. ein Areins-dags als bezeichnung
des dienstags.
Es wird keinem zweifei mehr unterliegen, dass diese hypo-
thetische form donauaufwärts zu den bayr. stammen dringen
konnte, so gut wie ahd. sanibaztag, pfmzintag und pherintag,
und dann hätte man etwa für das 9. und 10. jh. ein altbayr.
erintag normalerweise zu erwarten. Wenn sich von einer
x) Der kürze halber stelle ich hier vorläufig die indizien für meine
beweisführung zusammen, will aber eingebender ein anderes mal darauf
zurückkommen: evayyeXiar^q hat den gen. ahvaggeh'stins; dem acc. ÖQayjitjv
entspricht drakmein und dazu gehört ein dat. drahnin; zu gr. inioxoXt\v
got. aipistaülein dat. und acc; zum acc. dnootohjv gehört der gen. apaii-
staüleins und der dat. apatisiaidein; vgl. noch den acc. paraskmwein und
paintehiste».
OOTISCHK LBHWWOBTE IM AHD. 143
solchen form in alten sprachguellen bis durch das 12. jh. hin-
durch kein einziges zeugnis beibringen Lässt, so haben wir
vorhin in der behandlung ile* wortes pfinetag darauf hinweisen
können, dass überhaupt die namen der Wochentage in unseren
alten quellen nur ganz spärlich vertreten sind. Wenn bayr.
pfinetag vor dem 12. jh. nicht vorkam, darf man auch ertag
nicht früher erwarten. So ist auch bekanntlich das bayr. enk
'euch' erst seit dem 13. jh. bezeugt, beansprucht aber ein alter
von mehreren Jahrtausenden, insofern es in das abgestorbene
System des idg. duals gehört.
Erst im 13. jh. tritt erintag in quellen des österreich.-bayr.
Sprachgebietes in die erscheinung, leider aber in mehreren
lautformen, die nicht ganz einwandfrei sind. Unsere ahd.
grundform printag musste nach den lautgesetzen, die für die
Entstehung des mhd. charakteristisch sind, für das 11. jh. ein
erentac und für die classische zeit um 1200 ein erntac ergeben;
dies aber führte mit notwendigkeit zu einem ertac, das im 13.
und 14. jh. oft belegt ist. Dass diesem umlauts-e zukam, be-
stätigen nach mitteilungen von Brenner, Hintner und Nagl die
neueren mundarten. Wenn daneben dann eine secundäre laut -
gestalt erintac auftritt, so macht der vocal der mittelsilbe wol
Schwierigkeiten, aber man darf daran erinnern, dass äerpfin
nach Schmeller- Frommann I 438 in mhd. zeit auch j>fni.:'nü<u-
geschrieben wird. Man wird auf die lautform erintac nicht
so viel gewicht legen, um von hier aus gegen meine bewci>-
führung bedenken zu erheben. Schwieriger ist schon die im
II 15. jh. bestehende lautform erichtag. Dass dessen inneres
eh nnnrsprflnglich sein mnss, lässt sich erhärten mit der von
Schmeller 1 245 angeführten lantform kemich 'kamin', wofür
reichliclie bayr. belege beigebracht werden: B0 hat das bayr.
auch eine lantform kümich für mhd. kümin (Schmeller I 1249).
Danach lassl sich nicht bezweifeln, dass mhd. erichtag irgend
eine lautmechanische Umgestaltung für erintag Bein mnss. Wir
dürfen also getrosl für die ahd. zeil »'in bayr. erintag als be-
seichnung des dienstags voraussetzen, dem wir vorhin ein got
AreinS'dags als quelle zugrunde gelegt haben.
Diese meine beweisführung begründet zum ersten male
einen verdacht, den Bchon der alte A.ventin gehegt hat. Seiner
gedenkt schmeller l rj>. aber er fühlt sich bei dem verdacht
144 KLUGE
nicht recht behaglich, weil er gr. "Agscoq ^fiega nicht kannte.
Und doch wird ihm I 438 der gedanke etwas vertrauter, als
er sich mit dem worte pfmzlag auseinandergesetzt hatte: 'den
bayr. eri-tay getraue ich mir, wenn die herstammung vom
gr. "Aqscoq (rj/iEQa) durch die hier supponierte des pftnztages
und durch byzantinischen einfluss auf das Noricum nach Zer-
störung des ostgotischen reiches nicht einigermassen begründet
wird, nicht zu deuten.' Und so bleibt uns nur noch Schindlers
bedenken zu zerstreuen, wenn ihm eine griech. bezeichnung
"Aqscoq fjutgu unbekannt geblieben ist. Wir wissen durch
Thumbs reichliche nachweise (Zs. fd. wortf. 1, 171), dass die
dem umsichtigen Schindler unbekannt gebliebene bezeichnung
"AgtcoQ rjfisQa in griech. sprachquellen des 3. und 4. nachchrist-
lichen jh.'s sehr gut bezeugt ist. Wenn es mir oben gelungen
ist, den alten verdacht Aventins und Schindlers durch eine
eingehende beweisführung sicherzustellen, so ist das bayr.
ertag wider ein wichtiges glied in der kette der beziehungen,
die donauabwärts zu den Goten und von diesen in die weit
der griech. spräche führen.
Freilich sticht bayr. ertag (eritag, erchtag) — wenn unsere
deutung richtig ist — von den christlichen benennungen pfmz-
tag, pferintag, sambastag darin ab, dass gr. "Agscog ?)iJtga und
sein got. gegenstück nichts christliches an sich tragen. Man
muss sich aber hüten, in dem vorausgesetzten got. Areins-dags
irgend einen heidnischen anklang zu suchen. Denn das got.
wort ist nur ein herübergenommenes fremd wort, dem die Goten
keinen inhalt mehr beizulegen brauchten. Man denke nur an
die herübernahme von lat. Saturui dies bei den Angelsachsen
und im nordwesten unseres Sprachgebiets: ags. Scetemes-dceg
enthält nichts heidnisches, mag auch im hintergrunde ein lat.
göttername anklingen. So war unser hypothetisches Areins-
dags nichts anderes als eine einfache inhaltslose bezeichnung
für den dienstag, wenn auch der vermittler des gr. Aqscoq
fj[i£Qa von den griech. götternamen wusste. Man darf auch
nicht erwarten, dass die Goten im Zeitalter des Ulfilas ein
einheitliches princip für die namengebung der Wochentage
besessen haben müssten. Weicht doch die in \mszvm. pfinstag
zutage tretende zählende methode des gr. jitfurrtj gleich ab
von der mutmasslichen benennung des freitag als pare =
i.ol Im HE I. Kl I N W OB I I IM \ HD. 145
paraskaiwil Ks kann sehr wo] zwei schichten von benennungen
der Wochentage im got gegeben haben, eine ältere mil 'Aqscoq
r)(iioa und eine jüngere mit jtdfunn, xaQaöxevij, ödfißarov
wie denn auch in unseni deutschen wochentagnamen zwei
Bchichten übereinander gelagerl Bind eine vorchristliche
und eine christliche!
Wenn wir so im bereich der woche und der Wochentage
so manche Bpuren eines östlichen einflusses bestimmen können,
erhebt sich uns schliesslich noch die frage, ob nicht auch die
von uns bisher übergangenen sonntag und montag got-griech.
Ursprungs sein müssen? Im bereich der griech. spräche treten
die benennungen fyioa'HXlov und r/fiiga SsXijvrjg (Zs.fd.wortf.
1,171) auf, und diese können den deutschen benennungen ebenso
gul zugrunde gelegt werden, wie lat. Solu dies und Lima*
dies. Wir müssen uns aber hüten, den üstliclien einfluss im
bereich der Zeitrechnung zu überschätzen; wir kommen an der
annähme eines lat. einflusses im westen und besonders im nord-
westen nicht vorbei. Denn Saturni dies gilt bei den Bächs.-
fries. stammen und einem teil der Franken, so dass hier von
Nordgallien nach dem Niederrhein hin lat einwirkungen sicher
sind. Für die ursprünglich fries. benennung des dienstags
nach dem Mars Thingsus spricht der geographische ausgangs-
punkt im nordwesten wider für lat. einfluss. Bei dem minien
freiiag kann man nicht bloss an die Venus | \'< neris dies . Min-
dern auch an die Aphrodite (fjuioa 'AyQodlrijq, Zs.fd.wortf.
1,171» denken. Wenn es aber wahrscheinlich wäre, dass die
altbayr. benennung von hause aus pherintag gewesen ist, dann
wäre bei dem ahd. fria-tag doch wol eher an die Venus als an
die Aphrodite zu denken.
Wir kommen mithin zu dem resultat: im bereich am
wochentagnamen kreuzen sich westliche einflüsse vom latein
und östliche einflüsse vom griechischen her. Aber aller griech.
einfluss muss durch got Vermittlung hindurchgegangen Bein.
Auch unser woche verträgt hier vielleicht eine deutung. Das
westgerm. worl deckt rieh mit dem einmal bezeugten got wikö
und diese Übereinstimmung von got wikd mit ahd. w&'hhc
darf der erklärung. heim es ist keine selbstverständliche
Wortbildung, die überall hätte entstehen können. Wenn nun
die tatsache gesichert ist, dass unser pfinstag und samsiag
ll'-ilragc »nr schichte «lei lltlllll IlMI ipracho. XXW \[\
146 KLUGE
aus dem got. stammen, so darf an Übernahme unseres woche
aus got. wiko gedacht werden, wobei freilich immer noch die
erklärung des letzteren problematisch bliebe.
Ist nun aber die christliche Zeitrechnung im bereich der
Wochentage von den Goten nach Deutschland gedrungen, so
dürfen wir nunmehr auch die frage erheben, ob nicht etwa
noch ostem und pfingsten von der lat. kirche unabhängig und
etwa vom got. Christentum abhängig sind. Denn für ostem
lehrt der augenschein die Unabhängigkeit von der lat. fest-
benennung und für pfingsten könnte gr. jrtvTt/xo6T>} ebenso
nahe liegen wie lat. pentecoste (= frz. pentecöte). Aber ganz
einfach liegt die entscheidung nicht.
Denn ostem entfernt sich von der gemeinchristlichen be-
nennung und ersetzt dieselbe durch einen einheimischen begriff.
Man weiss schon lange, dass deutsch ostem = engl, easter
nach der gerin. frühlingsgöttin Ostara benannt ist, die Beda
als Eostre für die Angelsachsen ausdrücklich überliefert. Zu-
nächst fällt auf, dass England die benennung des festes mit
Deutschland teilt. Wenn beide Sprachgebiete gemeinsam an
dem entsprechenden lat. kirchenworte (pascha) festgehalten
hätten, so wäre das gewiss nicht auffällig. Aber nicht recht
glaubhaft ist, dass die missionare, die nach England das
Christentum verpflanzt haben, unabhängig von den missionaren,
die das lat. Christentum zu uns brachten, gleichmässig einen
rest des Heidentums mit Schonung duldeten, der in sich gewiss
etwas anstössiges enthielt. Selbst wenn das christliche pascha
bei allen deutschen stammen üblich wäre, wie es tatsächlich
im westl. Niederdeutschland lebendig geblieben ist, käme die
möglichkeit got. Vermittlung sehr wol in betracht, denn auch
Ulfilas sagt pasxa. Immerhin lässt sich der verdacht nicht
abweisen, dass das bis nach England vorgeschobene ostem der
ältesten christlichen schiebt unseres Wortschatzes angehören
kann. Wir vermuten also ein got. Auströns, dessen heidnischen
urinhalt möglicherweise Ulfilas so gut umgeprägt haben kann,
wie es bei got. haiftno wahrscheinlich ist. Also die toleranz,
die sich in einer solchen umprägung immerhin äussern würde,
wird sich nicht wol auf verschiedenen gebieten unabhängig
von einander vollzogen haben.
Wenn nun bei der bezeichnung des Osterfestes keinerlei
GOTISCHE LBHHWORTE IM AHD. 117
grammatische Gesichtspunkte für die annähme einer entlehnnng
aus dem got, beizubringen sind, sprichl der verschobene anlanl
von nhd. pfingsten für eine frühe einbürgerung so gul wie der-
jenige vini pfaffe und pfinstag. Gegenüber dem frz. penti
zeigt unser pfingsten entschieden stärkere züge der einbil
rang, und wir sind verwundert, diese züge auch schon in der
altsächs. lautform pinkoston (10. jh.) widerzuerkennen. Eine
solche lautform setzt entschieden voraus, dass das worl schon
durch viele generationen dem Wortschatz angehörl hat, oder
es muss sonst irgendwie eine compliciertere Vorgeschichte
haben, wie denn frz. pentccote mit seiner lat. Voraussetzung
für unser deutsch wahrscheinlich ausscheidet. Gehen wir aber
von got. paintSkusti aus, so müssen wir die Verkürzung eines
viersilbigen grundwortes zu einer dreisilbigen lautform nicht
nur für möglich, sondern wol geradezu für notwendig erklären:
das e der zweiten silbe wäre zu i verkürzt und dieses dann
ausgestossen , aber paintkusU hätte einen dativ pluralis pint-
Jcustim, pinhustim ergeben. Davon tritt uns in altsächs. pin-
koston eine lautgerechte entsprechung entgegen und die selt-
same lautgestalt fimfchusti, in der wir unserm wort auf hd. ge-
biete zuerst in der Bened.-regel begegnen, stimmt im 2. wort-
gliede völlig damit überein, zeigt aber in der ersten silbe eine
gelehrte omdeutschung oder vielmehr verschlimmbesserung, an
der die alem. Volkssprache sicher keinen anteil hatte, und
warum sollte bei pfingsten und bei ostern nicht ebenso gut
entlehnnng aus dem got. zugestanden werden wie bei samstag
und pfinstag, erintag und pferintag?
80 glaube ich mit einer gewissen zuversichtlichkeit, dass
auch anser ostern und pfingsten vor der lat missionieranj
8. and 9. jh.'s im deutschen Sprachschatz ganz lebendig
sind. Mit weniger zuversichtlichkeil möchte ich Doch ein paar
andere deutsche worte in den bereich der got entlehnungen
hineinziehen, ohne aber in der läge zn Bein, meine verdachte-
gründe ausreichend zu Btützen.
Unser deutsches hölU isl als christliches woii keines
selbstverständlich und tatsächlich haben auch charakteristische
Synonyma auf onserm sprachgebiel nicht gefehlt Im Beliand
treuen wir fern (aus lat. infemum)\ im ahd. wird gern einfach
für höü im bayr. des mittelalters gilt ein
148 KLUGE
woraus die Slaven ihr wort für hölle entlehnt haben. Wir
würden uns nicht wundern, wenn England und Deutschland
in irgend einem andern synonymon übereinstimmten als gerade
in hölle. Aber nun reicht die Übereinstimmung gar bis zu den
Goten hin; denn auch Ulfllas sagt hat ja, Man ist lange darin
einig, dass hier ein heidnischer begriff eine christliche um-
prägung erhalten hat. Aber können wir glauben, dass der
altheidnische inhalt des wortes den christlichen anschauungen
so nahe stand, dass die missionare Englands unabhängig von
den missionaren Deutschlands, und die deutschen missionare
unabhängig von dem apostel der Goten die gleiche umprägung
vorgenommen haben sollten, die sich keineswegs von selbst
versteht? Wenn ich eine continuität von England über Deutsch-
land zu den Goten herstellen möchte, so ist es die gleiche con-
tinuität, die engl, church mit dem deutschen Jnrche und weiterhin
mit einem mutmasslichen got. kyrikö verbindet. Aber während
got. kyrikö nur erschlossen werden muss, liegt got, halja bei
Ulfllas gut bezeugt vor.
Fehlen in diesem neuen falle die kleinen lautlichen kri-
terien, wie wir sie bei den got. lehnworten pfaffe und pfinztag
und teu fei zur Verfügung hatten, so müssen wir uns für hölle
mit dem verdacht an stelle eines beweises begnügen.
Mit mehr entschiedenheit kann ich unser wort barmherzig
in unsere älteste christliche terminologie einreihen. Die er-
reichbar frühste wortform der deutschen spräche ahd. arma-
herzi ist aber schnell als eine Wortübersetzung aus lat, misericors
erkannt und römische missionare könnten an und für sich die
urheber der Wortübersetzung sein. Aber diese auffassung com-
pliziert sich, wenn wir sehen, dass Ulfllas schon ein identisches
armahairts aufweist. Wenn ags. earmheort noch dazu stimmt,
wäre die möglichkeit eines dreifachen processes der wortüber-
setzung nahe gelegt. So sehr das im bereich der möglich-
keiten zu liegen scheint, darf jedoch eine Schwierigkeit nicht
unterschätzt werden. Während nämlich für das deutsche
abendland der lat. urbereich (misericors) nahe genug liegt, muss
das ulfllanische armahairts stutzig machen. In der kirchlichen
terminologie unserer got. texte, stechen durchaus griech. grund-
züge hervor. Aber von dem gr. elerfficov aus wäre der got.
bibelübersetzer niemals auf ein armahairts verfallen. Von
GOTISCHE LEHNWORTE IM AHD. 1 !'.•
dieser Schwierigkeit aus fällt nun entschieden neues licht auf
die Übereinstimmung von ahd. armaherzi got. armaha
so dass nunmehr eine continnitäl zwischen beiden Worten als
möglich erscheint. Und so kann auch unser barmherzig im
letzten gründe der ältesten christlichen schichl angehören, für
die wir got. Vermittlung in ansprach nehmen. — Was von
dem adjeetivum barmherzig gilt, lässt sich auch an dem Zeit-
wort erbarmen erhärten. Das zugrunde liegende ahd. barmen
gehört in unsere älteste christliche terminologie, insofern es
eine jüngere lautform für ein älteres, nicht mehr nachweisbares
ab-armen (ags. of-earmian) ist. Das lässt sich nun nicht wo!
trennen von dem gleichbed. got. arman. Eine continnitäl
zwischen dem deutschen und dem got. wort ist nicht wol zu
bezweifeln, und die Priorität der got. Überlieferung legt widerum
den verdacht nahe, dass unser deutsches wort got, herkunft
ist. Dabei ist es uns jetzt zunächst gleichgültig, dass got.
arman eine nachbildung von lat. misercre ist.
Ein anderes merkwürdiges problem steckt in dem christ-
lichen wort demut. Die älteste wortform ahd. thiomuoti ist
im zweiten wortteil ohne weiteres klar: das wort mut (ahd.
mhä.muot) ist darin nicht zu verkennen. Die erste silbe von
ahd. thio-muoti enthält ein etymologisch völlig durchsichtiges
umt für 'knecht', das aber in keiner einzigen ahd. sprach-
<puelle mehr als selbständiges wort bezeugt ist. Dann niuss
aber auch das feste wortgefüge thiomuoti schon lange vor dem
8. jh. in Deutschland geheischt haben, wenn christliche mis-
rionare gar kein thio für 'knecht' mehr vorgefunden haben
Ich glaube nicht. dass unser Sprachgefühl sich tauscht, wenn
wir die begriffe demut und demütig zugleich mit den deutschen
Worten t ii i- lein christlich halten. Wir dürfen als«» ahd. thio-
muoti mit ahd. armaherzi getrost verbinden und annehmen,
dass sie beide nicht eist durch die missionare des v. jh.'-
schatten wurden. Man darf nicht einwenden, dass l'ltilas
keine spur eines piumödei oder friteamödei aufweist; denn
wir führen die hier in Frage kommenden Sprachmaterialien
und um. entlehnungen nicht auf l'ltilas zurück, sondern nur
auf die zum Christentum bekehrten Goten, und deren spräche
braucht sich nicht in allen Fällen mit (lern wortgebrauche des
rifilas gedeckt zu haben, wie wir denn für die rieten nach
150 KLUGE
Ulfilas auch die existenz des Wortes heide behaupten, während
wir bei Ulfilas, der immer piudös sagt, doch nur erst einen
zaghaften ansatz zu der sprachlichen neuerung wahrnehmen.
So mögen auch nachulfilanische Goten von der christlichen
tilgend der piwamödei geredet haben, während Ulfilas noch
ängstlich nach einer nostrification eines christlichen begriffes
für seine spräche suchte. Im got. aber war das grundwort
des ersten bestandteils von ahd. thio-muoti gang und gäbe: es
ist das oft bezeugte Jmis 'knecht'. Es mochte aber auch
noch im urdeutschen lebendig gewesen sein, als got. missionare
ihr Christentum bei uns verkündigten. Es starb aber dann
bei uns durch das 7. jh. aus, so dass die missionare des 8. jh.'s
das simplex nicht mehr vorfanden.
Zu den Worten der christlichen Sphäre gehört unser heilig,
von dem Ulfilas noch nichts weiss. Man kann kaum bezweifeln,
dass unsere heidnischen voreitern auf allen germ. gebieten den
begriff 'heilig' mit dem worte wih ausdrückten, zu dem sich
aus der lebenden spräche das zeitwort weihen sowie der name
des weihnachtsfestes stellen. Es war ebenso natürlich, dass
Ulfilas zu seinem iveihs griff, wie dass ahd. missionare ein
wih gebrauchten: die umprägung eines heidnischen Wortes zu
einem christlichen lag überall gleichmässig nahe, so gut wie
bei dem worte gott, und es wäre voreilig, für beide worte
eine continuität zwischen deutsch und gotisch herzustellen. Die
Schwierigkeit besteht vielmehr in der existenz des Wortes
heilig und in dem fehlen dieses Wortes bei Ulfilas. Man kann
wol kaum bezweifeln, dass die ahd. missionare des 8. jh.'s in
dem worte heilig bereits den christlichen inhalt vorfanden.
Dann würde heilig wol auch in die christliche urschicht unserer
spräche zu rücken sein, und die frage bliebe bestehen, wer
denn dem worte heilig seinen christlichen inhalt zuerst ge-
geben hätte. Da fällt uns die folgende tatsache auf: während
Ulfilas von dem worte heilig noch nicht eine einzige spur auf-
weist, gibt es eine got. runeninschrift, in der es vorkommt; es
ist die inschrift Gutaniowi hailag auf einem goldring von
Pietroassa. Die deutung der inschrift ist schwierig; aber das
wahrscheinlichste ist doch, dass sie eine widmung des ringes
an eine Gotin beweist, der der ring zu eigen geschenkt wurde.
Christlich-religiöser inhalt liegt hier sicher in dem wort hailag
GOTISCHE LBHNWOKTE IM Ain>. IM
nicht vor; -zu eigen gewidmet oder geweiht1 wird das wort
hier bedeutet haben und dann läge eher der nachklang eines
heidnisch-religiösen Wortes als der vorklang eines christlichen
begriffes vor. Der fall hätte eine gewisse Ähnlichkeit mit
dem oben besprochenen gothaipnö (heidin). Haben wir nun-
mehr bewiesen, dass den Goten eine entsprechnng onseree
heilig nichl fehlte, so dürfen wir wo! auch annehmen, das
schon bei den Goten nach (Jlfilas christlich gewant werden
konnte. Und bo lässt sich der verdacht nicht abweisen, dass
unser heilig, wenn es wirklich unserer ältesten christlichen
wortschichl angehört, durch got. missionare seinen christlichen
inhalt bekommen hat.
III. Aber des sicheren ist viel mehr als des ansicheren
in unserm problem. Was uns das gefühl der Sicherheit im
einzelnen falle verleiht, ist die tatsache, dass die ganze cultur-
bewegung sich in kleinen gruppen äussert, die in sich zu-
sammenhält haben. I 'ml dann sind es die markantesten begriffe
i\v^ neuen glaubens und keine unbedeutenderen Zufälligkeiten.
Wenn die lautform Krist für Christus den wichtigsten \n
des neuen glaubens widerspiegelt, so schliessl sich naturgemäss
das zeitwort taufen and das hauptworl heide an; und es kann
hier der verdacht nicht unterdrückt weiden, dass die merk-
würdig altertümliche lautform des wertes /wd< chronoL
auch auf die urdeutsch-got wortschichl hindeuten mag. An
die bezeichnung des gotteshauses als kirch* jchliessen sich
bischof und pfaffe\ und wenn die worte mit y//'-anlaut in
unserem deutsch fremdlinge Bind, so muss auch pfam anter
dem verdacht einer frühen christlichen entlehnung Btehen, wie
das pf der 2. Lautverschiebung andeutet Wh enzuden
hohen feiertagen pfingsten und ostern, und wenn sich daran
au- einer christlichen nomenclatur der Wochentage die worte
pfinsiag, phei amstag fügen, bo Ist wol auch der verdacht
begründet, dass »■■><■!,, iv...t. u •'-> hierher gehört lud zu den
Institutionen des neuen glaubens, Beinen organen und seiner
seitrechnung fügen Bich auch die innern anschauungen der lehre
Neben Krist treten enget und /<>//</ und an da- letzte reiht -ich
wider halle an. unter den christlichen tagenden glänzen >•
und barmhtrMigh
152 KLUGE
So stellt sich von sprachlichen gesichtspunkten das älteste
Christentum der Deutschen dar, wie es sicher vor dem 8. jh.
bei uns gelebt und gewirkt hat. Halten wir aber sprachliche
kriterien in dieser richtung für beweisend, so kommt ent-
schieden das 5. jh. eher in frage als das 7. jh. Das innere ff
von pfaffe, das einfache /' im auslaut von bischof und das an-
lautende pf von pfaffe, pfingsten, pfinztag, pherintag xm&pfarre
erweisen in gemeinschaft mit dem anlauts-^ von teufel den
dnrchgang dieser christlichen worte durch die 2. lautverschie-
bung, die auch in ahd. sambaz-tag das charakteristische z für t
erzeugt hat. Zwar lehrt die historische grammatik, dass die
hd. lautverschiebung ein sehr complicierter process war, dessen
Wirkungen chronologisch und geographisch sich abstuften.
Aber doch ist so viel sicher, dass die durchführung der dop-
pelten Spiranten ff, zz, Jih im 6. jh. abgewickelt war. Begonnen
hat er wol schon am ende des 5. jh.'s.
Der name des hunnenkönigs Attila hat die hd. lautverschie-
bung mitgemacht (mhd. Etzel). Als er 453 starb, war sein
name mit der geschiente germ. volksstämme bereits eng ver-
wachsen, insbesondere seit der Burgunder - katastrophe 437.
Im 2. drittel des 5. jh.'s ist der eigtl. got. name {attila ' Väterchen')
allen Germanen geläufig gewesen — das dürfen wir getrost
annehmen. Wir würden somit als frühesten termin der 2. laut-
verschiebung die zeit um 440 — 460 annehmen.
Wir haben nun ein anderes got. lehnwort in Oberdeutsch-
land, das gleich beweiskräftig in die wagschale fällt: das ist
nhd. maut = ahd. müta 'wasserzoll'. Die identität mit got,
mota 'zoll' liegt auf der hand, wenn sie auch das DWb. ab-
lehnt; aber urverwantschaft ist ausgeschlossen; es kann sich
nur um eine entlehnung handeln. Nun wissen wir, dass got. 6
in jüngerer zeit nach ü hinneigte (in derselben weise wie e
zu i). Die annähme von entlehnung habe ich für maut seit
jahren in meinem Et. wb. vertreten, und es ergibt sich wol
keine andere möglichkeit für die entlehnung aus dem got.
als das Zeitalter Theodorichs des grossen, dessen machtsphäre
sich nördlich bis in die Donaulande erstreckte. Später könnte
man für ein got. lehnwort im deutschen wol keine erklärung
auffinden.
In diesen Zusammenhang gehören nun die oben erörterten
(iOTISCHK LRHXWOIUK IM AFID. L53
Lehnwörter der frühesten christliche!] terminologie, die in ahd.
pfaffb,hirihhat 8cmbcustag,pfinetag sicher die .:. lautverschiebung
zeigen. Spuren des Christentums findel man im Donaugebiete
bei den Germanen schon hinlänglich im 5. jli Und so erklären
wir auch die tatsache, dass pfaffe im ndd. and kirche im
ganz lautcorrecte entsprechungen haben.
Die künde von dem got. Christentum and vielleicht auch
die ersten glaubensboten desselben werden schon in der mitte
des 5. jh.'s nach Norddeutschland vorgedrungen sein viel-
leicht in derselben zeit, als der aame Attila durch das west-
german. synkopierungsgesetz im orsächs. zn AÜo (Engl. stud.
21, 117 | verkürzt wurde.
I »iesc lehnwörtlichen tatsachen scheinen daraut hinzudeuten,
dass die 2. hälfte des 5. jh.'s und spätestens die zeit etwa am
500 das Zeitalter der •_!. Lautverschiebung war. Man muss natür-
lich skeptisch sein in lautlichen tragen, wo die möglichkeit von
lautsubstitutionen mit in anschlag zu bringen ist und die Ver-
mutung naheliegt, dass nicht alle hd. stamme den process in
der gleichen zeit durchgemacht haben. Wenn die got. lehn-
worte zunächst donauaufwärts gedrungen sind und damit nur
für das bajuvarische gebiet beweisen, lassen sich nun auch
vielleicht vom alemann, her beweiskräftige indicien beibringen.
Auch liier treten Lehnwörtliche tatsachen ans entgegen, aal
die wir wert zu legen haben. Da ist in erster linie zu er-
innern an nhd. gemse ahd. gamtw, das nach Wuchs deutung
auf ein alpines camoa zurückgeht. Der anlaut des grnndwortes
wird gewährleistet durch frz. chamois und ital. tonm..,,. Dat
Her und seine namen konnten die Alemannen erst in den Alpen
kennen leinen. Als sie durch das f.. jli. die Schweiz besetzten,
hatien Bie das anlautende ch Bchon gehabt, da- für Bie späterhin
charakteristisch werden sollte. In derselben richtung be-
weist da- bei Notker widerholt bezeugte ahd. garminön (Graff
[V 268) als lehnwort aus lat. cartninare. Widerum dürfen wir
;iui das Eranzös. hinweisen, wo charm den alten anlaut von
lat. earmen festhält. Das lat. verb war nachweisbar aui frz.
boden geläufig, und wir dürfen annehmen, da-> es im Zeitalter
< lundobads und der Lex Burgundionum nach nordosten vordrang.1
M Zur geschieht« ron 1*1 oarmmmt raf gell. bodenrgL die folgenden
154 KLUGE
Wir dürfen auf grund dieser wortzeugnisse wol den schluss
wagen, dass die Alemannen bei ihrer südwestdeutschen aus-
dehnung durch das 6. jh. ihr anlautendes ch schon besessen
haben. In diesem punkte erblicken wir also eine gleichmässig-
keit der beweisenden indicien für Alemannen und Bajuvaren.
Meine annähme, dass die 2. hälfte des 5. jh.'s die periode
der 2. laut Verschiebung ist, steht in Widerspruch zu den h er-
sehenden anschauungen. Ich finde dieselben noch eben jetzt
vertreten in der Altbayr. grammatik von J. Schatz § 55. Es
verlohnt sich, seine worte hierher zu setzen:
'Die ganze bewegung der hochdeutschen lautverschiebung geht von
südeu nach norden, also im gegensatz zu Änderungen im vocalismus, welche
im norden des deutschen Sprachgebietes am stärksten ausgeprägt sind und
nach süden zu immer schwächer werden. Auch das langobardische hat die
hochdeutsche lautverschiebung und zwar sicher im zusammenhange mit dem
angrenzenden alem. und bayr.'
Die Langobarden haben Oberitalien im letzten drittel des
6. jh.'s besetzt, und da ist es nicht leicht, an eine continuität
der lautverschiebung von süden nach norden zu denken. Ich
glaube nicht mehr daran, dass die 2. lautverschiebung von Ober-
italien nach norden immer weiter vorgedrungen ist. Wenn
hier eine continuität vorliegt, muss sie älteren datums sein
und für frühere sitze der Langobarden angenommen werden.
Nun führt allerdings Schatz in seiner grammatik § 56
einige tatsachen an, die auf einen weit jüngeren Zeitabschnitt
für den Ursprung der 2. lautverschiebung hindeuten könnten:
"Die sprachlichen Veränderungen, deren ergebnis die hochdeutsche
lautverschiebung ist, können erst eingesetzt haben, nachdem die Lango-
barden, Bayern und Alemannen sich in den Alpen und südlich davon nieder-
gelassen hatten, d. i. zu ende des 6. jh.'s, weil die Langobarden Oberitalien
im j. 568 besetzt haben. In der 1. hälfte des 8- jh.'s war die lautverschiebung
nachweise bei Geyer in Wölff lins Archiv (1893) VIII 476 : ' als ausschliesslich
frz. verbum wird von Dietz II c. 544 charmer 'bezaubern' verzeichnet (ital.
rncantare, span. encantare). Das weist auf ein speciell dem gallischen latein
angehöriges wort carminare hin, welches sich denn auch bei dem Gallier
Sidonius wirklich findet epist. 1,9 und 9,15 nebst dem davon abgeleiteten
carminabundus 8,11. In der .bedeutung 'bezaubern' 'rncantare, oder wie
Marcellus sich sonst auszudrücken pflegt, praecantarc, findet es sich bei
unserm autor viermal: 8,171 oculo clauso qui carminatus erit; 14,26 cum
tu ipsum (= klem) feceris et carmina veris; 15, 102 glandulas mane car-
minabis) 28,74 si iumenta carminabis. Spätere beispiele bei Du Cange.'
GOTISCHE LEHNWORTE IM AH1>. L55
in Bayern durchgeführt, die ältesten Bprachquellen zeigen die Denen
Doch kommen in den Salzburger guterverzeichnissen desbisehofe Arno, die
um 7!'<> abgefasst sind, noch formen der altern Schreibung vor, die auf «lfm
lautstand vor der Verschiebung beruht; vgl. ad Lauppiom Salzb. \. b. 51 =
ad Laufom s. 16 'Laufen" n. Salzburg, ad Diupstadum b.12 iuxta Tiuf-
rtaduns.271 'Tiefstadt', Pontenas. 10 Phunziua s. 127 'Pfunzen', Hult-
husir s. lo 'Holzhausen', Cuculloa b.5. 18 'Küchel' an der Salzach, Malla-
kinga >.U 'Malcliinif' am hm. I »eoilckin^as s. 1 1 • Tvrhuliing' QW. Salzburg
zu einem norm. Teorleih). Teoderic, Bildolf B.9 I Deotrlh, Eiltolf), Krla-
stedi s. 12 = Erlasteti s. 151 'Eristädt'.
Wir stehen liier vor auffälligen rätseln. Wenn derartige
erratische formen auf nördlicheren gebieten, nach Mitteldeutsch-
land zu, begegnen würden, könnte man sich leichter damit
abfinden. So weit südlich der Donau alter, und zwar am ende
des 8. jh.'s (um 790) fallen jene ausnahmen der Salzburger
güterverzeichnisse doppelt schwer auf. Traditionelle Schrei-
bung, die aus einer zeit vor der 2. lautverschiebung stammt.
ist im allgemeinen hier ausgeschlossen, wo es sich um kleine
unbedeutende orte handelt. Nach unserer annähme müssten
derartige archaische Schreibungen gut drei Jahrhunderte zu-
rückgehen. Das scheint mir umsomehr unmöglich, als Schatz
selber angibt, dass die lautverschiebung in der l. hälft e des
8. jh.'s in Bayern vollständig durchgeführt war. Wer hilft uns
aus dieser Schwierigkeit? Das tut vielleicht die türm Hulthüsir
mit ihrem auffälligen vocal n im 1. gliede der Zusammensetzung.
Dieses hult scheint mir eine got. laut form zu sein, wenn auch
das worl im gotischen nicht liezeugt ist. Auf das fehlen de*
wortc- im gotischen braucht man keinen wert zu legen, w i
auch got. kyrikö nicht Dachzuweisen i-t. So fehlt auch das
got. substrat für pfxmtag und samstag, und doch sind es gute
got worte. Ich glaube, dass sich der verdachl nicht abweisen
lägst, dass gotische spuren in den von Schatz beigebrachten
ausnahmen stecken. In den eben besprochenen Ortsnamen
werden wir an das nur einmal bezeugte got guähüa erinnert.
und wir sehen an diesem sporadischen vorkommen von hüs,
mit weichen Zufälligkeiten wir innerhalb der alten Überliefe-
rung rechnen dürfen. Neben das einmal bezeugte ur«'t. hüs
tritt jetzt ein keinmal bezeugtes got hult. So können wir in
dem Salzburger Diupstodum ein got tUnpstqPam wider-
erkennen. Wenn wir in den zurückgebliebenen tenues ienei
156 KLUGE
eigennanien eine got, sprachspur wittern, so erinnern wir uns
an die auffällige tatsache, dass unsere gotische Überlieferung
uns einmal sicher nach Salzburg führt. Ich denke an das got.
runenalphabet und die sonstigen kleinen notizen der Salzburg-
Wiener handschrift. Das rätsei dieser Überlieferung gehört in
das 9. jh. hinein. Darf man etwa für das 8. jh. noch nach-
kommen der Goten in jenen gegenden suchen? Dass es got.
Stationen im Donaugebiet gegeben hat, die doch wol aus dem
Zeitalter Theodorichs des grossen stammen müssten, dafür lässt
sich vielleicht ein sprachlicher anhält beibringen. Wenn unser
maut = ahd. müta als lehnwort auf got. möta zurückgeht,
dann kann auch der Ortsname Mautern, der in den Nibelungen
als Miitarn (St. Müller, Topographie von Niederösterreich 6, 306
unter Mautern) erscheint, wol auf ein got. mötärjam zurück-
gehen und somit auf eine got. zollstation hindeuten. Weniger
zuversichtlich möchte in dem von Schatz beigebrachten Lauppiom
ein got. hlaupjan zu finden sein; ahd. loupfo 'läufer' könnte
auf eilboten und somit vielleicht auf eine poststation hinweisen,
wie denn im Zeitalter Alfreds des grossen hleaperas den de-
peschendienst von England nach Rom besorgten.
Immerhin ist das runenalphabet und das got. notizen-
material der Salzburger handschrift ein ernsthaftes rätsei.1)
Wenn es hier eine art von auflösung fände, so würde die
Chronologie der 2. lautverschiebung in eine neue beleuchtung
rücken, die ihr Schatz noch nicht geben konnte. Die aus-
nahmen der 2. lautverschiebung bei Schatz kommen also für
das alter der grossen bewegung nicht direct in frage.
Wenn wir uns mit der 2. lautverschiebung im lichte der
geschichte bewegen, dürfte man eigentlich viel mehr positive
indicien aus dem eigennamenmaterial historischer quellen er-
warten. Es fehlen solche spuren auch nicht. Da ist auf den
') Wenn Walahfrid in dem oben s. 126 citierten tractat (Zs.fda. 25, 99)
von der existenz gotischer texte positives wissen besitzt, so führt uns hier
der verdacht widernm nach Salzburg. Und wir dürfen hier noch feststellen,
dass sein ansatz Jcyrica als grundform für ahd. chirihha mit dem auffälligen
y doch wol literarische Voraussetzungen haben muss (wie sollte er sonst zu
unverschobenen formen hier wie auch bei papo für pfaff'o kommen !). Dann
hätten wir hier wirklich ein literarisches zeugnis für das von uns wider-
holt vermutete got. Jcyrikö.
Q0TI8CHE LEHNWORTS IM A ! 1 1 > . 157
geographen von Etavenna zu verweisen, bei welchem insbeson-
dere das elsäss. Zobern, dessen Ursprung ans lat taverna nicht
zu bezweifeln ist, in der charakteristischen schreibang Ziaverna
vorkommt l'a heissl Zürich Ziurichi, Würzburg Ubtu
ähnlich Ascapha für Aschaffenburg, Arnefa is1 die Erfl und
enthält wol das bekannte elemenl apa 'wasser1 in derselben
weise wie Ascapha. So darf man auch werl Legen auf die
Schreibungen Anternacha, Breeecha 'Breis ach'; hierher auch
Porta. Die Lautliche ausdeutung von Gormetia 'Worms' bleibt
unsicher.
Jedenfalls ist der anonyme geograph von Etavenna, den
schon Wackernage] in Bachen der 2. lautverschiebung zugezogen
hat, ein sicheres zeugnis für unsere chronologische frage. Er
Bcheint auf alleren verloren gegangenen quellen zu beruhen.
die gewiss noch ins 6. jh. zurückreichen, wie er selber im
7. jh. geschrieben haben boII. So ist es für das alter seiner
quellen charakteristisch, dass er für England keine angel-
sächsischen, sondern durchaus nur keltische ortsnamen ver-
zeichnet Aber Leider nutzen uns die Zeugnisse, die der .
graph von Etavenna liefert, nicht positiv für eine chronologische
üzierung, wie wir Bie Buchen nur dass er Bich mit jenen
annahmen verträgt, die für das 8. jh. die hd. lautverschiebung
als vollendete tatsache für Oberdeutschland anerkennen.
Ich breche hier ab und habe nur zu wünschen, dass die
vorstehenden Beiten «las problem der hd. Lautverschiebung in
neuer belenchtung zeigen. Was bisher unsere hilfsmittel über
das alter der hd. Lautverschiebung bieten, bedarf einer gründ-
lichen re vision, zu der ich nur den anstoss in haben
möchte. —
Wir gelangen nunmehr zu der wichtigen frage: wann hat
das ur"t. Christentum bo mächtig auf die deutschen Btämme
einwirken können, dass wir eine verhältnismässige fülle von
christlichen Lehnwortes im deutschen behandeln konnten, die
von einer lat. missionierung unabhängig Bind? Nachdem ich
;m verschiedenen Btellen meines Etwb. und auch in beiden
auflagen von Pauls Qrundr. die grosse t. einflusses
weit über das bescheidene mass hinaus erhoben habe.
Etaumer nur vermutungsweise und nur zaghaft fragesd vor-
158 KLUGE
bringen konnte, müssen wir nun auch das chronologische
problem in einem andern lichte zeigen als Raumer.
Dieser erwägt zunächst (Zs. fda. 6, 404) die möglichkeit
rein literarischer beziehungen, wie sie der heilige Columban
zwischen Bobbio und St. Gallen hergestellt hatte, um diesen
verdacht jedoch alsbald abzulehnen. Er erwähnt dann, dass
Columban und Gallus am Bodensee schon einen christlichen
priester namens Willimar mit missionsarbeit beschäftigt trafen,
und freut sich, in diesem zeugnis eine spur von Christentum
zu finden, die nicht zu weit von dem Zeitalter Theodorichs
entfernt ist. Denn in Theodorichs zeit verlegte Eaumer den
von ihm angenommenen einfluss des got. Christentums auf das
deutsche und . möchte die Alemannen als denjenigen stamm be-
zeichnen, unter dem das got. Christentum zuerst wurzel schlug.
Darin habe ich Raumer nicht folgen können. Nach meiner
meinung scheidet das Zeitalter Theodorichs des grossen hier
völlig aus; denn wir haben soeben erst festgestellt, dass
zwischen 450 — 500 die fülle der christlichen worte deutschen
stammen schon vertraut war.
Und nicht von Alemannien her kann sich der got. einfluss
ausgedehnt haben. Die geographische ausbreitung der oben
von uns behandelten worte widerlegt das ganz entschieden.
Die Alemannen haben an unserer christlichen lehnschicht
gewiss einen anteil in alter zeit gehabt. Aber auch England
hat daran anteil, wenn worte wie cliurcli, easter, heathen und
bishop mit den deutschen entsprechungen sich decken. Nieder-
deutschland hat schon eine grössere anzahl von Worten, die
zu der von uns behandelten grossen Schicht gehören; denn
pfaffe und taufen sind auch in Niederdeutschland heimisch.
Ueber Oberdeutschland erstreckt sich noch samstag. Aber nur
in der bayr.-österreich. ma. treffen wir die charakteristischen
pfmztag und pherintag, sowie das auffällige erintag, das man
in andern landschaften gar nicht versteht.
Im gebiet der Donau ist die Urheimat des deutschen
Christentums, und seine schlagworte erstrecken sich vom
deutschen Sprachgebiet aus donauabwärts. Im osten finden
wir die lautentsprechung für samstag, wenn der name dieses
Wochentages, magyar. szombat, rumän. sambäta, aslav. sabota,
das charakteristische m des wortinnern von gr. oäftßcaor
OOTISCHK LEHHWOBTE IM AHI>. 159
aufweist, l'nd abermals nach Osten Führt uns das wort pfinztag
in die slav. weit. Nur bedeutet die entsprechung dort nicht
'donnerstag', sondern 'freitag': aslay. ptfükü (poln. piantek,
darnach altprenss. pentinx und noch magyar. penteh). Aber
der Zwiespalt der bedeutung ist schnell erklärt, wenn man an
die bedeutnng des griech. Substrate denkt: gr. xiyjnr^ 'der
fünfte tag'. Offenbar begannen die christlichen Germanen die
woche mit dem sonntag, aber die Slaven mit dem mon
AYeniger charakteristisch ist es, dass Germanen und Slaven
das wort pfaffe gemeinsam ist (aslay. popü, ebenso russisch).
Von den Goten an der antern Donau ist unser Christentum
stromaufwärts gezogen und hat aus den alten sitzen auf dem
Balkan auch die grundfarben des Griechentums übernommen,
dessen Stempel Worte wie hirche und pfaffe, samstag und pftnetag
so unzweifelhaft tragen. Freilich wirkte auf Ulfilas nicht bloss
ein griech. Christentum ein. Er zeigt auch spuren der lat.
kirchensprache, wenn er für 'barmherzig1 armahairts und für
'erbarmen1 armem sagt, die beide nur der lat. und nicht der
griech. entsprechung nachgebildet sein können. Zum Ver-
ständnis dieses lat. einflusses auf das got. Christentum ver-
weise ich auf Harnack. Mission und ausbreitung iWs Christen-
tums 2, 202: 'im f. ,jh. ist doch Mösien die provinz gewesen,
in der sich ein grosser teil des geistigen austausches von ost
und west in der kirche vollzogen hat' So wäre man auch
versucht, in der got doppelform für evangelium den Zwiespalt
von west und ost widerzuerkennen. Denn ein lat. evangelium
konnte seine endung verlieren und durch die got. auslauts-
tze zu aiwaggöli werden, während gr. evayyiliov notwendig
zu got aiwaggeljö werden musste.
An der unteren Donau treten uns die Goten schon in der
'2. haltte des 3. jh/s vom Latein umgeben entgegen. Eines der
frühesten Zeugnisse für die got Bprache ist, wie zuerst v.Doma-
szewski gesehen hat, ein auf lat. Boldateninschriften in Serbien
und Bulgarien auftretendes got bruHs, das nnserm braut ent-
spricht Damals stand nach einer glücklichen Vermutung
Braunes die got spräche noch auf einer altertümlicheren laut-
Btufe, die man erst im beginne des i.jh.'s verliesa Wenn die
auslautsgesetze des got erst im beginn des 4. jh.^ die altüber-
kommenen worte vielfach kürzen, so musste auch ein lat
1G0 KLUGE, GOTISCHE LEHNWORTE IM AHD.
evanyelium, das im 3. jh. bei den Goten der römischen beere
eingang fand, zu aiwaggeli verkürzt werden.
Wenn aber neuerdings W. Schulze (Sitzungsberichte der
kgl. preuss. akademie 1905, 2 s. 743) got. anvaggelista für eine
lat. entlehnung angesehen wissen will, so kann ich ihm darin
nicht folgen und hoffe mein bedenken den fachgenossen an
anderer stelle zu unterbreiten.
Es sind gewiss nur geringe spuren der lat. kirchensprache,
die wir in den Übersetzungen des Ulfilas antreffen. Es ist
nicht zu bezweifeln, dass der griech. einfluss auf sein gotisch
überwog, und so sind es denn auch überwiegend spuren von
gräcität, die wir in unserer ältesten christlichen terminologie
widererkennen. Diese spuren der gräcität in unserer mutter-
sprache haben — wie wir sahen — schon den Reich enauer
theologen Walahfrid Strabo um 840 beschäftigt, als er sich
um die worte kirche und pfaffe bemühte. Er warf die frage
auf: qua occasione ad nos vestigia haec graecitatis advenerint?
und beantwortete diese frage mit einem hinweis auf den aufent-
halt der Goten in Grecorum provinciis.
Was Walahfrid Strabo bei den Worten kirche und pfaffe
geahnt hat, dafür hat Räumer eine kulturgeschichtliche auf-
fassung angebahnt, aber er fand dafür keine allgemeine Zu-
stimmung. Denn weder Schades Ad. wb., noch das DWb. hat
an allen massgebenden stellen Raumers anschauungen ver-
treten. Am auffälligsten ist, dass Weinhold in seinem schrift-
chen Die gotische spräche im dienste des Christentums (1870)
Raumers 'anfragen und Vermutungen' mit keinem worte er-
wähnt. Wenn mein Et. wb. die got. spräche im dienste des
deutschen Christentums in grösserem umfange zur darstellung
gebracht hat, als Raumer mit seinen 'anfragen und Vermutungen'
— so hat mein aufsatz die absieht gehabt, das dort zerstreute
einmal zusammenzufassen. Aber das problem des gotischen
und deutschen arianismus, das hier im hintergrunde steht, ist
nicht die sache des Sprachforschers — hier hat der historiker
und insbesondere der kirchenhistoriker einzusetzen.
FREIBURG i. B. F. KLUGE.
ZUB DEUTSCHEN ETYMOLOGIE.
Die folgenden Seiten enthalten grösstenteils kritische be-
merkungen zu anfechtbaren etymologien anderer forscher und
meine ergebnisse Bind demgemäss vorwiegend negativ. Nicht
selten aber habe ich es anch versacht, eine verfehlte etymoli
durch eine bessere zu ersetzen. Dabei habe ich nach Selbst-
erkenntnis and Selbstbeschränkung gestrebt, in der festen Über-
zeugung, dass ohne diese eigenschaften nichts dauerndes erziell
werden kann. Meringer macht mir freilich zum vorwarf, meine
eigene pi i nicht mil meinen strengen grundsätzen in
einklang. Darauf kann ich nur erwidern, dass meine grund-
Bätze allmählich Btrenger geworden Bind, indem ich mich immer
mehr von der uichtigkeil der meisten etymologischen ver-
mutungen überzeugte. Gern gesteheich, dass es anter meinen
frühem versuchen auch Bolche gibt, welche ich nichl für
er halte als die von mir bestrittenen. Jedenfalls haben
viele meiner etymologien bei Bachkundigen leuten eine gün
aufnähme gefunden und Meringer boU mit Beinern eigene]
wissen zu rate gehen, ob er die allgemeine aussage, dass ich
der originalitäl entbehre, aufrechl erhalten kann. Habe ich
denn niemals etwas geleistet, was zugleich neu und richtig
wäre? Hat Meringer denn auch all« en, was ich über
indogermanische und andere sprachen geschrieben habe? ich
halte seine etymi • methode in scharfen Worten
ohne ihn aber beleidigen zu wollen. Wo er, nach meiner an-
sieht, das richtige trifft, habe ich das gern anerkannt. Nicht
kritiker, der nach innerer üben lt. was ihm
elnsweii erscheint, macht sich der beleidigung schu
wol aber der kritisierte, der Bolchen tadel mit angerechter
heftigkeil beantwortet Auch jetzt werde ich itlich
Ifei . ... glaube mir
- - ■
162 UHLENBECK
dass ich das nur darum tue, weil mir die Wissenschaft lieb
ist. Jeder handelt, wie ihn sein inneres Schicksal treibt:
tenänugishtah pravanäd ivämbho | yathä niyukto ' smi tathü
bhavämi (Mbh. 2, 64, 8). Das gilt auch von Meringer und
mir selbst. Annäherung zwischen uns beiden ist übrigens
nicht ausgeschlossen, denn ich will mich gern über die ' Sachen'
belehren lassen und hege anderseits doch immer eine gewisse
hoffnung, dass auch Meringer von mir etwas lernen will.
1. Aal. Nach Hirt (IF. 22, 65 ff.) stünde ahd. äl, ags. cel,
an. all 'anguüla' mit -ein- in gr. syxeZvc, das er als eine ur-
alte Zusammensetzung auffasst, in einem ablautsverhältnis.
Mit tyyiXvg sucht er zunächst lat. anguüla zu vermitteln,
indem er dieses auf *anguilü-, *anguiluä- zurückführt und
jenes als analogischen ersatz eines älteren *dyxsXvg betrachtet
(aus *äyytZvog hätte lautgesetzlich tyyJZvog entstehen können).
Mit der Verschiedenheit der gutturale (gu : y) sucht er sich
irgendwie abzufinden. Ich halte das alles für unwahrscheinlich.
Obwol ich mir gewisse Schwierigkeiten nicht verhehle, bleibe
ich doch dazu geneigt, in lyytlvc und anguüla Z-suffixe zu
vermuten, und was das germanische wort betrifft, scheinen
ganz andere combinationen viel näher zu liegen als die mit
dem aus lyytXvq zu kühn herausgeschälten *elu-. Wir sollen
nämlich nicht vergessen, dass an. all ausser 'anguüla' auch
'schmale Vertiefung' bedeutet, dass ein femininum dl für
'riemen' und 'zügel' gebraucht wird und dass man aus den
adjectiva auf -dlöttr eine allgemeine bedeutung 'streifen' ent-
nehmen kann. Zwar hat Liden (Stud. zur aind. und vergl.
sprachgesch. s. 82 f.) all 'schmale Vertiefung' von all 'anguüla'
trennen wollen, aber ich kann das nicht gutheissen, denn die
rinnenförmige einsenkung, der riemen, der zügel, der streifen,
der aal machen einen ähnlichen gesichtseindruck und es ist
nichts dagegen, anzunehmen, dass ein wort für 'streifen' oder
'riemen' auf schmale Vertiefungen und den aal übertragen
wurde. Bei meiner auffassung der Verhältnisse ist die in die
zeit der germanischen einheit zurückreichende bedeutung 'aal'
jünger als die nur im norden daneben erhalten gebliebene
bedeutung 'riemen' oder 'streifen', welche ausserhalb des
germanischen in aind. äVt- 'streifen, linie' eine stütze findet.
Köhlers Vermutung (Die altengi. fischnamen s. 17 f.), dass der
BÜB im i raCHBB i i i H01
aal n.K'li Beiner Bchleimigkeil oder nach Beinen aufenthall in
BÜmpfen benannt wart-. Bcheiterl an den bedeutungen von du,
dl, -dlöttr and dasselbe gilt von der in jeder hinsieht ans
liehen dentnng des wortea als eine -Zo-ableitung von •
(E. Schröder, Za. f da. 42, 63 1). Schon in meiner beaprechung
der Denbearbeitnng des Weigandachen wörterbuchea (Museum,
juli 1908) habe ich kurz meine meinung aber aal angedeutet
_' \ bend. Wie da erhältnis der formen
mit und ohne / nach dem labial auch zu beurteilen sei (vgl.
Brugmann, \V. 5, 376 ff.; Wiedemann, BB. 28, ~~ Et; Weyhe,
Bei tr. 30, 60 f.; Möller, Semitisch und indogermanisch 1,2
jedenfalls werden wir es mit einem einstmaligen ablautenden
consonantstamm zu tun haben und von einem durch den accent-
wechsel im paradigma bedingten lautwechsel > \ > ausgehen
müssen. And. dband, as. tiband und ags. <6fen enthalten die
vollstufe zum a in an. apiann, das demnach auf > zurück-
gehen muss. Das worl gehört also der treibe an und lässl
sich wein- mir ab, got. af} aind. dpa, noch mit >l»i>. ur"t. xbna
(ib-dalja), aoeh auch mit gr. 6ip£ vermitteln, ins demselben
gründe und zugleich aus semantischen erwagungen sind die
vorschlage Johanssons (IF. t, 145 f.) und te Winkels (Taal-
biedenis als geschiedenia van den geest, Gent 1906, & 20)
abzulehnen.
3. Alp. Ifikkola (BB. 22,241) hat mhd. atp, ags. a&f,
an. dlfr ala (atem seele1 gedeutet und es mit lett rfp<
•atciii, luftschöpfen' verbunden, was zu dem ursprünglich
Beelischen Charakter der elfen gut stimmen wind.'. Wir hatten
zwischen dem germanischen und dem baltischen worte ein
ablautsverhältnis anzunehmen. Dennoch Bcheiterl die an sich
ansprechende etymologie an dem von den meisten forschern
angenommenen Zusammenhang von aip mit aind. fbku-, daa
eine bezeichnung kunstfertiger elflscher wesen ist Daa rieh-
aber aip ■. ri'lm- hat wol Wadstein, Qppsalastudiei b. I
lett. tlpi betrifft, konnte man an vei\vants< halt mit luft,
Utfhu denken, d lp-tu- entstanden sein kann. An.
lopt in der bedeutung 'ober ist wol \ luft'
/u t ivanen
i Ambosa Unter ambos* wird bei Weigand1 die -
fon ahd. böfan, i an, an. I
164 UHLENBECK
verwante ausserhalb des germanischen ist wol lit. baudziü,
baüsti 'strafen, züchtigen' (Wood, Mod. lang, notes 15, 237).
Es wundert mich, dass diese gleich ung bei Weigand5 keine
aufnähme gefunden hat. Haben die bearbeiter baudziü nicht
von der wurzel *bheudh- trennen wollen? Oder haben sie
anstoss genommen an dem umstand, dass baudziü auch von
bestraf ung mit blossen worten gebraucht wird? Dann aber
sollen sie bedenken, dass auch lit. bariü, bdrti 'schelten' nach
ausweis von an. berja und lat. ferio ursprünglich 'schlagen'
bedeutet hat (vgl. Walde, Lat. etym. wb. s. 217) und dass baudziü
eine ähnliche bedeutungsentwicklung durchgemacht haben kann.
Andere, aber sehr zweifelhafte combinationen bietet Gärtchen
(Die primären praesentia mit o-vocalismus, Breslau 1905, s. 22),
der ebenfalls bei Weigand5 keine berücksichtigung gefunden hat.
5. Ameise. Die verschiedenen formen weisen teils auf
*ämaitjön-, teils auf *aimaäjün-. Ist nun *ämaitjön- etwa durch
dissimilation der beiden ai aus *aimaitjön- entstanden oder ist
letzteres vielmehr durch angleichung der anfangssilbe an die
zweite silbe zu erklären? Das eine ist ebenso gut möglich
wie das andere, auch können bei den Umänderungen des schon
früh verdunkelten wortes volksetymologische einflüsse mit
hineingespielt haben. Wenn Binz (Zs. fdph. 38, 372) sich auf
grund von ags. cemette (cemette?) für *aimait/jöii- als einzige
urgermanische grundform entscheidet, so glaube ich nicht,
dass die tatsachen ihn dazu berechtigen. Seine mit lobens-
werter Zurückhaltung vorgetragene deutung des wortes als
'raschheitskornig' — ich construiere das wort nach seinen aus-
führungen — oder ähnliches verdient auch sonst keine empfeh-
lung. Andere erklärungsversuche findet man bei Kluge6 s. 12;
Weigand5 s. 49; van Zandt Cortelyou, Die altengl. namen der
insecten etc. s. 44 f.
6. Art. Nach Meringer (IF. 17, 123 f.) ist arl 'indoles'
von art 'aratio' nicht verschieden. Gerade so urteilten schon
im jähre 1866 die Verfasser des niederländischen Wörterbuches,
deren ausführliche begründung noch heute ihren wert behält
(s. Wdb. d. ned. taal 1, sp. 534 ff.). Ueber die versuche Meringers,
noch andere Wörter in die sippe von arjan hineinzuziehen (IF.
17, 121 f. 128 f. 18, 246 ff.), ist Tijdschr. v. ned. taal- en letterk.
25, 251 ff. zu vergleichen. Jedenfalls verfehlt ist seine erklärung
zi'K Dl D re< ni:.\ BTTMOLOGH 165
von as. "/". agß. . ■■ an. grr, deren bedeutungen Bich nach
ihm vi'ii 'ackernd1 zu 'dienstfertig, bereit, zu brauchen, schnell'
d. dgl. entwickell hätten, während wir doch aufgrund von
aind. drvan(ty u.s.w. vielmehr von 'schnell1 ausgehen müssen.
Gewiss, wir sollen die bedeutungen in den verschiedenen
sprachen mit einander vergleichen und wo möglich zugleich
mii dem grundsprachlichen worte auch seine bedeutung oder
bedeutungen reconstruieren. Wenn nun aber ein worl im
germanischen und im arischen 'schnell1 bedeutel und dir sonst
belegten bedeutungen sich aus 'schnell1 herleiten lassen, so
haben wir nicht den geringsten grund, für die Ursprache eine
andere bedeutung anzusetzen. Culturhistorische einwände sind
in diesem lalle ausgeschlossen, denn Wörter für 'schnell1 sind
wol immer vorhanden gewesen, so lange der mensch »du
denkendes und redendes geschöpf i-t. Weiter als die indo-
germanische urzeit in die vergangenheil vorzudringen, könnten
wir nur durch vergleichung mit etwaigen verwanten sprachen,
als welche zunächst die finnisch-ugrischen in betrachl kommen
dürften. A.uch Bollen wir nicht vergessen, dass die semantischen
möglichkeiten, obwol durch psychische gesetze beschränkt, doch
überaus zahlreich sind und dass wir bei der reconstruetion
; fichichtlicher bedeutungen der hilfe regelmässig wider-
kehrender entsprechungen entbehren. Darum wird die prä-
historische Semantik niemals den strengen Charakter der ver-
gleichenden Lautlehre erreichen können. Nur wenn bedeutung
im ! lautgestall beide stimmen oder wenn wir es mit verschie-
d sprösslingen eine]' Beiben würze] zu tun haben, deren bil-
dung oaefa form und bedeutung durchsichtig i-t. dürfen wir
eine gleichun inz sicher betrachten. Nicht d.i.-- ich es
unstatthafl nenne, etwas zu vermuten, was man nicht beweisen
kann. Nur boII man ansicheres nicht für sichei ausgeben und
Überhaupi ' wie möglich an den überlieferten tatsachen
festhalten.
7. Back- Marstrander (IF. 20, 351 t) identiflei
'rücken1 mit aind. bhaga- 'weibliche schäm1 Ich glaube
aber nicht, dass wii bin Cham1 von bhaga- in
andern bedeutungen nennen dürfen, denn die Bpäl auftrete
minus1 woneben vereinzelt auch 'perinaeum1 an-
eben wird) beruht offenbai am euphemistischer anwendung
166 UHLENBECK
von bhdga- 'reichtum, glück, herrlichkeit, Schönheit, lust'. Auch
bhaj-, das stammverbum von bhdga-, wird in erotischem sinne
gebraucht. Auch sonst gibt es für baka- keine wahrscheinliche
anknüpf ung ausserhalb des germanischen. Vgl. Bugge, Beitr.
13, 185 ff.: Persson, Wurzelerweiterung s. 190; Stokes, IF.2,169
(wozu Zupitza, KZ. 36, 234).
8. Bald. Meringer (IF. 18, 285) meint, *bal])a- könne
ursprünglich 'klobig, fest wie ein balken, eine bohle' bedeutet
haben. Bei einer solchen grundbedeutung müsste das wort
wol denominativ sein, was jedoch offenbar nicht der fall ist,
denn es entbehrt eines secundären Suffixes. Oder denkt Meringer
sich, dass *balpa- erst 'balken, bohle' bedeutet hätte und dann,
im prädicativen gebrauch, als adjectiv empfunden wäre ('er
ist ein balken = 'er ist fest wie ein balken')? Er könnte
sich auf die bedeutungsentwicklimg von ags. trum 'stark' =
aind. ärumd- 'bäum' berufen (vgl. Osthoff, Etym. parerga 1,
109 ff.). Nun wissen wir aber ganz bestimmt, dass ärumd-
ein wort für 'bäum' ist, aber im falle von *bal]m- gibt es
keine anhaltspunkte für eine ähnliche annähme. Freilich gibt
es anklingende Wörter mit bedeutungen wie 'bohle' und der-
gleichen, aber es fehlen auch nicht anklänge, welche in ganz
andere begriffskreise hineinführen, und in der geschiente von
*balfia- ist nichts, was auf eine grundbedeutung 'balken' hin-
weisen könnte. Dagegen liegt es nahe, *balj)a- mit dem schon
von Grimm herangezogenen lit. bdltas 'weiss' gleichzusetzen,
denn die begriffe 'glänz' und 'kraft' finden wir auch in aind.
tejas zusammen und ags. ca/' schnell, kühn' wird mit lit. zatbas
'blitz', zibh 'glänze, schimmere, leuchte', zibinh 'leuchte', ziburys
'licht, fackel' verwant sein. Und was den namen des gottes
Balder betrifft, der nach Meringer eigentlich einen behauenen
baumstamm bedeutet hätte, möchte ich fragen, ob ihm noch
andere fälle bekannt sind, dass der eigenname eines bestimmten
gottes aus einem wort für shurägoä oder tremaetr hervor-
gegangen ist? *Ansu-, das nach Meringer mit got. ans, an.
dss 'balken' zusammenhängen könnte, ist ja ein gattungsname,
nicht der eigenname eines bestimmten gottes — obwol sich
unter umständen solch ein gattungsname zu einem eigennamen
entwickeln konnte, wie z. b. Tyr, Zlo = aind. devd- — und
lässt jedenfalls auch ganz andere erklärungen zu (vgl. unten
zu; DE1 i K im/, ii \ MOLOOIE 167
aber gönnen). Das Verhältnis von an. Baldr and &g&.beaidor
'herr' ist gewiss wo! bo aufzufassen, dass man den gotl als
den 'herrn1 par excellence bezeichnet) le wir man dem
söhn des Njor&r den Damen Freyr (got. frauja) beilegte. Nun
meinl Geringer, bealdor 'herr' bedeutete arsprfinglicfa eben-
falls 'behauener baumstamm', and um dieses glaubhaft zu
machen, beruft er Bich auf ags. eodor 'fürst'. Aber eodor ist
doch eigentlich "zäun' und der eodor Ingwina (Scyldinga) im
Beowulf findet, wir Meringer Belbsl zugibt, eine parallele in
i'n/.nc '.t/<:n~i)\ IHl halt»' Imihlnr für eine h)i))i)l<J, drivii
eigentliche bedentnng die von *bal})a- gewesen ist oder ihr
wenigstens sehr nahe gestanden ha1 (vgL Tijdschr. v. ned. taal-
en letterk. 25,257).
9. Bank. Germ. im,t/,l- wird einerseits mit an. baklci,
engl. /"////■ 'ufer, bodenerhebung, uebelwand' d. dgL verbanden
(so z. l». Eüuge-Lutz >. lli. anderseits zu air. bongaim, aind.
bhanäjmi 'breche' gestellt (Wood, Mod. lang, notes 15,95).
Das eine ist mit dem andern nichl in widersprach, denn dir
ursprüngliche bedentnng von banki- und *bankan- kann 'ab-
gebrochenes holzstück' gewesen Bein, woraus sich dann die
specialisierang 'sitzbank' und weiter bei bankan- durch &ber-
tragung dir andren bedeutungen entwickeil hätten, (»der aber
dir bedeutungen von "bankan- sind unmittelbar auf 'abbrechung1
zurückzuführen. Auch niiit es aoch andere möglichkeiten, zu-
mal weil dir bedeutung8entwicklnng viel complicierter gewi
Beiu kann, als man oberflächlich vermuten würde. In der
Bemantik wir äberhanpl in der Wissenschaft ist das ein-
fache gewiss nichl das kennzeichen des wahren. Das lehrt ans
dir bedeutungsgeschichte historischer zeiten. Nur glaube ich
oicht, dass wir complicierte semantische Vorgänge reconsti uieren
können, wenn Bie Bich ganz vor der Überlieferang abgespiell
halten. Gerade hier Bteckt dergegensatz zwischen meinen und
Iferingers anschauungen, nicht wir er zu glauben Bcheinl
— in irgendwelcher abneigung meinerseil ben\
Wir Bchöne ergebnisse man durch die Verbindung sachlicher
und sprachlicher kenntnisse erreichen kann, haben a.b. bei
im- in Holland die Untersuchungen Kluyvers gezeigt
bewegen Bich in mittelalter und oeuzeit, also in perioden, \\"
1G8 UHLENBECK
man den bedeutungsveränderungen schritt für schritt nachzu-
gehen vermag.
10. Bauen. Meringer (IF. 18, 263 ff.) spricht über 'die
unterirdischen häuser, wo der eigentliche Wohnraum unter
und nur das dach über der erde ist' und meint, eine würze],
die eine solche wohnstätte bezeichnete, wäre *bhöu-. Dann
zählt er eklektisch einige Wörter auf, die gewiss zusammen-
gehören, aber vielmehr auf einer wurzel *b}icuä- beruhen.
Meringer soll mir doch mal sagen, wie sich z. b. aind. bhävitum
aus *bhöu- herleiten lässt. Nach der aufzählung behauptet er
ohne irgendwelche Skepsis kundzugeben: 'das genügt, um fol-
gende entwicklung zu erkennen: *bhöu bedeutet »das leben in
einem erdloch«. Dann bedeutet es »eine grübe zu einer hätte
ausnehmen«. Dann »wohnen^. Alsdann aber auch »ackern«,
»den boden aufreissen«, um samen hineinzulegen.' Und weiter
kommen die ' Sachen': 'von solchen im boden steckenden häusern
bieten uns die ausgrabungen ein recht gutes bild' u.s.w. Ich
meine, das genügt, um uns ein recht gutes bild von Meringers
verfahren zu geben. Statt seine Vermutung mit Zurückhaltung
zu äussern, stellt er sie als etwas sicheres hin. Statt das
material vollständig vorzuführen, gibt er eine willkürliche aus-
wahl aus der von ihm behandelten sippe. Statt die meinungen
anderer forscher — ich denke hier insbesondere an Osthoff,
Suppletivwesen s. 66 ff. — zu berücksichtigen und zu prüfen,
tut er, als ob sie nicht da wären. Statt die 'sachen' mit vor-
sieht zu benutzen, bringt er sie gleich mit 'Wörtern' in Zu-
sammenhang, bei denen nicht der geringste grund vorliegt, an
jene 'sachen' zu denken. Behauptungen ohne gründliche be-
weisführung können die gähnende kluf t, welche die prähistorische
archäologie von der prähistorischen Sprachwissenschaft trennt,
nicht überbrücken.
11. Beichte. Dieses wort geht bekanntlich auf ahd. bi-jiht
zurück, dessen zweites glied mit kelt. *jekti- 'spräche' identisch
ist (Stokes, Urkelt. Sprachschatz s. 223) und zu ahd. jehan 'aus-
sagen' gehört. Van Blankenstein (IF. 23, 131 ff.) versucht noch
aussergermanische anknüpf ung an die folgenden Wörter: umbr.
iuka, hiku 'preces', aind. yäc- 'flehen, fordern', lat, jocus : lit.
jükas 'scherz'. Er nimmt einen besonders engen Zusammen-
hang an zwischen umbr. hika, iuku und lat, jocus, was aber
ZUR DEUTSCHEM ETYMOLOGIE, I 9
• ii der bedeutungsverwantschaft von ja u und jtikcu ab-
gelelmt werden mnss. Die grundbedeutung 7011 jfika . das bei
Kurschat mit 'das Lachen, gelacht er, scherz, spott1 erklärt
wird, geht klar aus dem primären verbum jükiü'8,jüklis 'lachen*
hervor, Bodass auch bei jocus diebedentnng 'scherz1 ani
"achter' zurückzuführen ist Mit rechl hat Walde (Lat etym.
wb. s.807) sich nicht entschliessen können, das ambrische wort
mit jocus gleichzusetzen. I « - 1 1 glaube, «las- idj 'lachen1
gar nichts mit den von meinem landsmann herangezogenen
Wörtern zu tun hat. Eaben wir also nicht den geringsten
grund, jocus \ jükas mit yoc- und jehan zu verbinden, auch
die Letztgenannten Wörter werden nicht mit einander verwant
sein, denn — abgesehen von dem bedeutungsunterschied —
yOc- macht bestimmt den eindruck, eine schwere würze! zu sein.
Darum ist auch meine an yac- anknüpf ende etymologie von an.
jöl aufzugeben. Nebenbei Bei bemerkt, dass van Blankenstein,
was die unstatthafte Verbindung van jehan mit yac- betrifft,
in Wood (Mod. philology 2, 173) einen Vorgänger hat und dass
inch Sfttterlin II'. 1. lOOf.) hätte berücksichtigen müssen,
Bei es denn auch nur. um dessen wenig ansprechende com-
binationen zu verwerfen. Ech will diesen erörterungen auch
noch etwas positives hinzufugen. Denken wir daran,
Wörter für 'rühm1 Bich nicht Balten an verba mit bedeutungen
wie 'tönen, reden, erwähnen* anschliessen, - iahe,
Bind, ydcas 'rühm' mit jehan zu verbinden. Auf grund von
wäre das h von jehan auf die palatale tenuis
zurückzufuhren. Der artikel ydcas in meinem Etym. wb. der
.und. Bprache enthäH kaum etwas richtiges und nur Pogodins
gleichung ydcas : aksL ji [F. Anz. 5, 260) dürfte noch
erwägung verdienen. Bei der mehrdeutigkeil des alavis«
Wortes ziehe ich es aber vor, ydcas zu jehan zu Btellen.
12, Dotter Eb acheinl mir, dass Geldner (Ved, Btudien
i.i mit recht der würz-: die grundbedeutung der
dickheil und steifheil beigelegt bat und 1 1 ine annähme
r (ZDMG. 52, 7 3, fussnote 2) nicht hatte widerrufen
sollen. \ <T allem ist der ausdruck tan 'xm beweis-
kraftig. Zu dudh- stellt Bich die bei Kluge1 und Weigand5
unter 1 dottei bebandelte germanische sippe Mit ahd.
totoro, ;iv dodro als dessen ursprüngliche bedeutung 'verdickung'
170 UHLENBECK
oder ähnliches zu gelten hat, ist zunächst das vedische adjectiv
äadhrd- 'steif, stark' zu vergleichen. Spuren der wurzel *dheudh-
in andern sprachen sind mir nicht bekannt.
13. Epheu. Hoops (IF. 14,484) stellt ahd. ebah mit seinen
verwanten zu lat. ibex 'Steinbock', indem er in beiden fällen
von einer Grundbedeutung 'kletterer' ausgeht. Die bedeutungs-
entwicklung würde keine Schwierigkeiten machen, aber ich
habe mich vergebens nach einer wurzel *eibh- oder Hebh-
' klettern' umgesehen. So lange eine solche wurzel nicht
nachgewiesen ist, entbehrt Hoops' geistreiche Vermutung eines
festen bodens. Wol gibt es gr. otg>to (ohpuo) und aind. ydbliati,
slav. jebati, aber das sind Wörter für 'futuere', welche bedeu-
tung sich freilich aus 'springen' oder ähnlichem entwickelt
haben könnte. Wenn das reflexivum des slavischen Wortes
auch von der frau gebraucht wird (Pedersen, IF. 22, 361 f.),
so halte ich das nicht für ursprünglich. Hoops' etymologie
würde etwa voraussetzen, dass zur zeit der indogermanischen
Sprachgemeinschaft neben 'futuere' auch noch die eigentliche
bedeutung 'springen' in gebrauch gewesen wäre und dass diese
sich weiter zu 'steigen, klettern' entwickelt hätte. Ein zu
luftiges hypothesengebäude. Zudem kann ibex auch unmittelbar
mit *eibh-, Hebh- 'futuere' verbunden werden, wenn wir mü-
den begriff 'Steinbock' mit Walde (Lat, etym. wb. s. 293) als
eine Spezialisierung von 'bespringer' betrachten wollen. Auch
aind. iblia- 'elefant' könnte einen ähnlichen Ursprung haben,
aber bei diesem worte werden wir kaum zu irgendwelcher
Sicherheit gelangen (vgl. zuletzt Tijdschr. v. ned. taal- en letterk.
25, 246 f.). Es sei noch bemerkt, dass gegenseitige verwant-
schaft von ol<pm und ydbhati, jebati nicht für unbedingt sicher
gelten darf. Zu ydbhati, jebati gehört vielleicht gr. C,t<fVQog
(Beitr. 24. 243) und über gr. C = aind. y ist das letzte wort
noch nicht gesagt. Mögen wir auch dazu geneigt sein, mit
Sommer anzunehmen, dass solche C alle auf idg. i zurückgehen,
wir können doch nicht behaupten, dass die bedingungen dieses
lautwandels endgültig festgestellt sind. Kehren wir nun zu
unserem ausgangspunkte, epheu, zurück. Ahd. ebah und ags.
ifeyn (ifiy) setzen nicht notwendig eine wurzel mit bh voraus,
sondern ihr labial kann ebenso gut aus p entstanden sein.
Gelangen wir auf diesem wege zu einer wahrscheinlichen an-
zi'K !>KrTscni:\ i i v\ioi.«x.ii 171
knupfung und ist der Dame des Bteil-klettemden epheus etwa
mit gr. ii ir. verwant?
11. Falke. Wird der Falke Beinen Damen Dicht von dem
glänze seiner äugen erhalten haben? Die russischen Volks-
lieder legen ihm das epitheton jdsnyj 'hell' bei and oeben
idstiiii sökol 'heller falke' ist auch von sökol jasnoökij 'hell-
äugiger falke" die rede. Formell passt falke, ahd. faicho am
besten zu aind. phalgu-, phdlguna- 'rötlich, schimmernd', lett
spulffüt 'glänzen, funkeln', spulgans, spilgans 'glänzend, schil-
lernd'. Slav. sokolü, lit. säkalas ist vielleicht eine ähnliche
dchnung, denn es kann mit h aus idg. ht zu sehen, got.
saiban gehören, als dessen grundbedeutung 'glänzen1 vermutet
werden dürfte (vgl. Beitr. 29, 336 f.). Das baltoslavische wort
kann Bich aber auch bei sehen in der historisch beglaubigten
bedeutung 'videre' anschliessen. Ob lit. säkalas einheimisch
oder aus dem Blavischen entlehnt ist, bleibt gleichgültig. Eine
andere Vermutung über sokolü findet man Etym. wb. der aind.
spräche b. 301 b. v. gakunäs. Was falke betrifft, sind Kluge1
-.li»:; und Wähle. Lat etym. wb. s. 204 zu vergleichen.
l.'i. Gaffen. Kluge1 b. 180 wirft die frage auf. ob gaffen,
nl. gapen, engl gape, an. gapa zu aind. jdbh- 'schnappen' gfe-
höre. Diese frage muss entschieden verneint werden, denn
j'ihh- hat a aus //'. wie die Btärkere tonn jambh- uns lehrt.
Zudem ist das , auf die palatale media zurückzuführen, denn
jdmbha- entspricht genan aksl. nqbü, trr. fSutpog, ahd. ckamb.
Nun stehen neben idg. ¥gtmbh- auch formen, welche des nasals
entbehren, aber wegen des abweichenden anlauts sind auch
diese nicht mit gaffen zu vermitteln. Man vergleiche mein
Ktym. wb. der aind. Bprache s. 97 und zu den nasallosen form« n
van Blankenstein, Tijdschr. v. ned. taal- en letterk. 26, i
Lieber gaffen weiss ich nichts positives ra sagen (vgl noch
Zupitza, I •»•im. gutt b. l -
16. Gönnen. Kluge* s. 149 (Beitr. 9, 155; Za.fi wortt
9,817) will mn in immmm auf n* aus tu lurückftthren, weil
rieh bo das s tu gunst1 als wurzelhaft aurfassen li<
Km weetgermanischer Lautwandel kann hier nicht vorliegen,
denn auch das nordische hat unma und an DTgermanische
Dilation von m zu nn zu denken,
dativs (»/;-i 'balken' und wegen in. ■■> aus mm (Noreen,
172 UHLENBECK
Pauls Grundr. I2, 619) ausgeschlossen. Man wird sich daran
gewöhnen müssen, das s in anstl- und auch dasjenige in *ansu-
'gott', falls dieses wort wirklich als 'der gnädige' hierher zu
stellen ist, als suffixal zu betrachten. Für Kluges auffassung
von *ansu- könnte man sich auf ausdrücke wie holt regln, nyt
regln berufen. Man kann für *ansu- aber auch eine bedeutungs-
entwicklung 'atem' > 'geist' > 'gott' vermuten und an got.
-anan, aind. dnlti u.s.w. anknüpfen. So wie so wäre -su- ein
formans. Will man aber das s in *ansu- lieber zur wurzel
ziehen, so kann man aind. dsu- 'lebenshauch, lebensgeist, leben'
vergleichen, das dann ursprünglich oxytonon gewesen sein
müsste und a aus n enthalten würde. Von dsu- kann das oft
mit *ansu- verglichene dsura-, avest. ahiira- abgeleitet sein.
Indessen ist auch Meringers auffassung von *ansu- (IF. 17, 159 f.)
nicht unmöglich.
17. Hager. Das nur auf deutschem boden und spät be-
legte wort ist meines Wissens noch nicht befriedigend erklärt
worden. Zupitza (Germ. gutt*. s. 104) hat es zu aind. Jcrgd-
gestellt, bei welcher annähme hager durch dissimilation oder
einwirknng von mager ein r verloren haben müsste. Sicher
verwant mit hrcd- ist an. liorr 'starvation' aus *hurha-, dem
ein aind. *Jcrga- entsprechen würde (Th. V. Jensen, s. IF. Anz.
13, 222). Zwischen hager und horr wäre demnach gramma-
tischer Wechsel anzunehmen. Diese auffassung ist zwar mög-
lich, muss aber als recht unsicher bezeichnet werden. Ich
selbst habe (Beitr. 26, 298 f.) an verwantschaft von hager mit
slav. cemati 'schwinden' gedacht, bin aber seitdem zu andern
gedanken gekommen (vgl. über cemati KZ. 39, 258 f. 40, 553 f.).
Denken wir nun an slav. chudü, das die bedeutungen 'schlecht',
'gering' und 'mager' in sich vereinigt, so werden wir gewiss
nicht anstehen, hager als idg. *kdkrö- mit gr. xaxöc 'schlecht,
feig' und avest. Itasu- 'klein, gering' zu verbinden. Anders
über xaxog z. b. Mansion, Les gutturales grecques s. 169.
18. Hirse. Ueber ahd. hirsi (hirso) ist noch keine ein-
stimmigkeit erreicht worden, wie man aus Osthoff (Etym.
parerga 1, 27. 63 ff.) und Walde (Lat. etym. wb. s. 114 f. 122)
ersehen kann. Mir scheint es, dass die bedeutung 'hirse' sich
aus 'acker' entwickelt hat und dass wir an aind. Izarsh- (krskdü)
'pflügen' anzuknüpfen haben. Ein entgegengesetzter ent-
ZUB i>F.c m BEB n \ HOLOOII
wicklungsgang Bcheint bei ri\.tana 'weizen' : Lit ttovä 'acker,
Saatfeld' stattgefunden zu haben (vgL aind. dürva 'panicum
dactylon'). Wo und wann die specialisierung von 'acker' zu
'hirsenacker', woraus sich dann die bedentnng 'hirse' leichl
ergeben konnte, möglich war, entzieht sich unserer oder jeden-
falls meiner erkenntnia Gewiss bat man das alter und die
les hirsenbanes oft überschätzt s, Wald-
b&nme and cnltnrpflanzen, register b.v. hirse), abei d
treide hat in den germanischen landen doch wo! -
Verbreitung gehabt, dass die entwicklang eines hirsennamens
aas einem worte für 'acker1 an sich nichts unwahrscheinliches
hat. Kher könnte man einen andern einwand gelten 1.—
Neben 'pflügen' bedeutet die wurzel karsh- auch 'ziehen' (kdr-
shati) and offenbar bat Bich die bedeutung 'pflügen' <i >t aas
'ziehen' entwickelt (vgl. ags. sulh 'pflog' and li I 'furche'
zur würze] syelk- 'ziehen'). Jedenfalls aber muss man das
alter von karsh- 'pflügen' bis in die indo- iranische periode
zurückverlegen, denn auch av< ' sehen vom gleich-
lautenden, aber uichl verwanten wort für 'ausschütten', 'aus-
säen' - - bedeutel bowo] 'einfurchen' und 'pflügen' als 'zie
(Bartholomae, Altiran. wb. e. 456 ff.). Und es gibt keine cultur-
historische gründe, aus welchen man eine Bchon ursprachliche
itwicklung -ziehen" 'pflügen' für unwahrschein-
lich halt, n sollte (vgL Hirt. I F. 5,395 ff. and Boops a.a.O. a.347).
Aher ist die gleichung hirsi : karsh- lautlich wo! angäi
denn zu karsh- (karshA-, avest kariü-, karäa-) stellt man seit
langem gr. riXaov 'grenzfurche'? Darauf ist zu antworten,
es doch viel oäher liegt, in mit Prellwitz (Etym
wb. iterbildong von tiXoq •ende' zu suchen.
das nicht zu ka\ reu kann (Meringer, II-'. 16,187 I
der identitäl von karsh 'pflügen' und karsh- 'ziehen' keine rech-
oong), bo dass nichts im wege Bteht, um karsh- auf id(
zurückzuführen. nicht erlaubt,
'aussaat' zu avest kari- 'ausschütteu, aussäen', pe a.
.' zustellen, denn dieses ist eine wo! erst arisch«- weiter-
bild leichbedeutenden wuj rden
eher bei aind.Aors4*, avest kari- 'pflügen' belassen müi
Vielleicht gehört zu derselben warsei, aher dann wo! in der
ursprünglichen bedeatung / • ■ luch an. hert her
174 UHLENBECK
districtsliäuptling ' aus *körsiio-, denn herzog und lat. dux zu
ziehen, lat. dücere lehren uns, dass man den häuptling als den
'zieher' ('führer') bezeichnen konnte. Ein ähnlicher fall ist
aind. gräma-ni- (vgl. Zimmer, Altind. leben s. 171). In vocalismus
und suffix würde hersir sich zu activischen bildungen wie lat.
socins zu scquor oder lit. gaidys zu gedöti gesellen. Man könnte
sich freilich die bedeutungsentwicklung von hersir auch so
denken, dass man es als denominativum zu einer ableitung
von *Jcers- in der speci eilen bedeutung 'furchen ziehen' auf-
fasste. Bei avest. karsa-, karsu- hat sich aus 'grenzfurche' die
bedeutung 'bezirk, gau' entwickelt und auch karsvar- 'erdteil'
wird eine ähnliche geschiente gehabt haben (mit den pdnea
krshldyah des Rigveda hat es eine ganz andere bewantnis).
Demnach könnte hersir von einem verlorenen worte für 'district'
(etwa idg. *körso- = avest. karsa-) abgeleitet sein. Die auf-
fassung von hersir als 'dux' wird aber den Vorzug verdienen.
19. Hof. Schon vor vielen jähren habe ich dieses wort
in die verwantschaft von aind. küpa- 'grübe, höhle, brunnen'
hineingezogen, ohne jedoch in semantischer hinsieht etwas
treffendes bieten zu können (Beitr. 22, 195 f.). Meringer (IF.
18, 267), dem mein erklärungsversuch entgangen war, stellt
hof jetzt ebenfalls zu küpa-, indem er die verschiedenen be-
deutungen von hof alle auf '(wohn) grübe' zurückführt. Es
freut mich, mit Meringer zusammengehen zu können. Ich
glaube jetzt auch, dass diese durch culturhistorische data ge-
stützte auffassung meiner früheren Vermutung entschieden
vorzuziehen ist. Auch hoben, mhd. kobe, ags. cofa, an. kofi
wird einmal '(wohn) grübe' bedeutet haben (Schrader, Sprach -
vergl. und urgesch.2 s. 493, wozu ferner auch Johansson, IF.
2,50 f.; Zupitza, Germ, glitt, s. 148; Brugmann, IF. 11, 111 f.;
Janko, Vestnik Ceske Akademie 17, 185 f. zu vergleichen sind).
Noch andere parallelen findet man bei Schrader, Reallex. s. 876 ff.
20. Hummel. Mit ahd. humbal, ags. *humbol, dessen b
sich aus den casus obliqui zwischen m und l erklären lässt,
habe ich (Ark. f. nord. fil. 15, 156) slav. *cimeli 'hummel' und
weiter auch aksl. koman ' Stechmücke' verbunden, was ich jetzt
noch für richtig halte (vgl. auch van Zandt Cortelyou, Die
altengl. namen der insecten etc. s. 37). Ich hätte aber damals
noch lit. kamäne, kämme 'erdbiene' und apr. camus 'hummel',
ZUR DEUTHCHKN BTTMOLOOIE, 11
welche Zubatj (Arch. I Blav. phil. 16,387) als mit Xmel\ und
kommt verwanl bezeichnet, hinzufügen sollen.
21. Leister. DiaL Ulster, ahd. listara, ril.lijster 'drossel'
kann, wie ahd. lastar (vgl. ags. leahtor), vor dem s ein A v» r-
loren haben, aber gegen die von Lehmann (KZ. LI, 392) \<i-
Bnchte anknüpfung an die würze] *leuk- 'glänzen' muss wegen
der vocalverhältnisse einsprach erhoben werden. Warum aber
dürfen wir diesen alten drosselnamen nicht als eine ableitung
von der in got laikan u.s.w. | Etym. wb. der got spräche- -
enthaltenen würze! betrachten? Dass laikan zur »-reihe ge-
hört, ersehen wir deutlieh aus air. heg 'kalb', und 'hüpferin'
ist eine wenigstens ebenso geeignete benennung Vax die drossel
wie das allerdings auf den amselhahn passende 'glänzerin'
(vgL Lehmann a.a.O.). Setzt man aber für listara eine ältere
bedeutungsschattierung 'amsel' voraus und bevorzugt man auf
grund von air. Ion "amsel' : loch 'schwarz' : *leuh- 'glänzen'
Lehmanns semantischen ausgangspnnkt, dann kann man mit
rncksicht auf die lautverhältnisse von got. haifsts : an. heipt
: ahd. heist(t) in listara Schwund eines /' annehmen und das
-wort mit an. leiptr 'glänz, schein, blitz', leiptra 'glänzen,
leuchten, blitzen' verbinden (ablaul t% : oj). Diesen weg möchte
ich Ereilich nicht liehen, denn verwantschafl von listara mit
laikan ist mir wegen der bedeutung 'drossel' wahrscheinlicher.
Schliesslich bemerke ich. dass lat. merula wol nicht, wie Leh-
mann vermutet, zu gr. uaQfialoco, sondern mit raus s zu kelt
■iuris, tlL-n- (Stokes. Lrkelt. Sprachschatz s. :205) und dein in der
bedeutung abweichenden meise, ahd. meisa, ags. mdse gehören
wird (vgl. Sommer, Eandb. der lat. laut- und formenlehre b. 7v
und Wald.'. Lat etym. wb. 8. 381). Diese auffassung ist auch der
gleichung amsel : lat. merula, welche Kluge8 s. 13 mit rechl
als unsicher bezeichnet, vorzuziehen.
22. Müssen Ueber Meringers hypothesen (IF. 18,211 tri
habe ich schon das meinige gesagl (Tijdschr. \. ned. taal- en
letterk 25, 268 ff.). Besonders will ich noch den nachdruck
darauf legen, dass muss, got gamdi formell kaum zu messen,
got mitan gehören kann, denn ein langer vocal im perfectum
passl gar zu Bchlecht in die '-reih.-. Wir könnten freilich
eine entgleisung vermuten, wie sie bei faran : flfr (zur würze!
k groban : gröf (IUI wiuzel ' ghrtbk» 1 Stattgefunden hat.
176 UHLENBECK
aber für die annähme eines *matan 'messen', dessen a sich aus
irgendeinem tiefstufigen vocale erklären Hesse und das den
anstoss zu einem analogischen *möt 'ich habe gemessen' hätte
geben können, gibt es nicht die geringsten anhaltspunkte.
In fällen wie gröf und für dagegen lautet das praesens graban,
faran, während die normalen vollstufigen formen auf germa-
nischem boden fehlen. Die einzige primäre praesensbildung
der wurzel *med- hat germ. e und demnach wäre ein anderer
perfectvocal als germ. a etwas ganz unbegreifliches. Zu messen,
mitan gehört mass, mat. Wo aber muss, möt unterzubringen?
Vielleicht denkt man, im anschluss an Delbrück (Vergl. syntax
2, 331), an die möglichkeit eines zunächst von messen, mitan
zu trennenden verbums der e-reihe, das aus idg. *me- 'messen'
erweitert oder durch mischung von *me- und *med- (vgl. gr.
fiijöofiai) entstanden wäre, aber auch dieses scheint mir un-
statthaft, weil solche verba im germanischen den reduplicie-
renden typus zeigen {letan : lailöt; slepan : saizlcp).
23. Pflegen. Meringer (IF. 16, 184 ff. 17, 100 ff.) hat ver-
sucht, alle bedeutungen von pflegen aus 'ackern' herzuleiten,
wodurch sich verwantschaft mit pflüg ergeben würde. Weder
principiell noch im einzelnen habe ich etwas dagegen einzu-
wenden, denn hier liegen die tatsachen ganz anders als bei
der wurzel *uen-, wo jeder anhaltspunkt für eine grundbedeu-
tung 'ackern' fehlt. Die grundbedeutung von *uen- — falls
wir es wirklich nur mit einer wurzel zu tun haben — ist
nicht zu erraten und wenn ich eine ganze reihe von bedeu-
tungen aufzähle, so will ich eben nichts anderes ausdrücken,
als dass ich auf eine reconstruetion der Urbedeutung verzichte.
Was Meringer (KZ. 40, 232) daran 'köstlich' findet, ist mir nicht
recht klar geworden (das kommt aber gewiss dadurch, dass ich
nicht einmal ein 'halbwegs williger leser' bin!). Mit unrecht
zeiht er mich auch einer art 'moralischer entrüstung'. Die
auffassung der frau als 'Saatfeld' war mir schon längst aus
dem sanskrit (kshe'tra-) ganz geläufig. Aber das alles ändert
nichts daran, dass ich mein urteil über die von Meringer (IF.
16, 179 ff.) befolgte methode aufrecht erhalte. Was mm pflegen
betrifft, ist er aber über Franck (KZ. 37, 132 ff.) und Siebs
(KZ. 37, 301 f.) in semantischer hinsieht hinausgekommen.
Anders als Meringer halte ich Kluges versuch (Zs. f d. wortf.
ZÜB IUI ist im \ i.i | KOLOOIE. 177
8, 29 n.i. westgerm, pl in pflegen auf // zurückzuführen and
das wort einem got (a)t-ligan gleichzusetzen, für durchaus
anstatthaft. Am ags. mapuldor : ahd. majfaltra darf er rieh
nicht berufen, denn hier weichen die westgermanischen round-
arten anders als bei pflegen anter einander ab. Und
wo sonst wäre // zu pl geworden? Mit /'/- aus />l- dürfen
wir den von Kluge vorausgesetzten Übergang von ti zu j>i
darum nicht parallelisieren, weil es gar nichl notwendig ist.
<l:ivs das / eine ähnliche Wirkung .tut den vorhergehenden
dentalen verschlusslauf wir auf den correspondierenden reibe-
laut gehabl hätte. Auch Btehl dem got ligan in allen andern
dialecten eine j-bildung gegenüber, ein umstand, der Kli
auffassung von pflegen jedenfalls nicht günstig ist
24. Bock, sicher verwanl mit rock, gevm. *rukka- ist
]\\w das angefähr gleichbedeutende kelt *ruktu- 'tunica' (Stokes,
[Jrkelt Sprachschatz s. 235). Dass man ferner vermutungs-
weise <• esponnenes' mi1 rocken zu einer würze! \terg-
'drehen' stellen darf, wie Rfarstrander (IF. 22, 332 ff.) vor-
schlägt, gebe ich gerne zu (in *ruktu- hätte man ein verbal-
abstractum zu derselben würze! zu sehen i. Es gibl jedoch
noch eine andere erklärungsmöglichkeit, welche neben Ifar-
Btranders etymologie ernsthaft in betracht kommt Dass rock
und rocken verwant sein können, ist nicht zu leugnen, wo!
aber dass sie verwant Bein müssen, and somit ist .-n erlaubt,
eine erklärung von rock zu versuchen, wobei trennung von
rocken vorausgesetzt wird. 8o hatte Marstrander seihst nicht
lange vorher (IF. 20, 346 ff.), indem er rocken etymologisch zu
deuten versuchte, rocJI beiseite gelassen [ch meine dann, dass
rock, germ. *rukka- mit aind. rugnd- 'gebrochen' gleichgesetzt
werden kann. Dass tue altindische würze! r*j- idg.r ha;.
aufgrund der von Lewy (Beitr. 32, 146) verglichenen Wörter
recht wahrscheinlich and der artikel rujdti in meinem Etym.
wb der aind. spräche ist demgemfiss umzugestalten (neben idg.
ib es jedoch ein.' gleichbedeutende würze! mit / und
palataler media), hie bedeutung ?on *rukka- hatte sich aus
erissenes Btück zeug1 entwickelt : vgl 'M. ahd.
n/t, an. ripi ("/'/'. ripti "stink zeug' zu an rifa • •
i-. Lilly Stroebe, Die altengL kleidernamen §.54) und akal.
• Im pi>»n '. czech. '";' 'kleid', M 'weiberherad',
178 UHLENBECK
pol 11. rqbek 'schleierzeug-', nsorb. rub 'gewand', klruss. rub
'grobes kleid', russ. rübisce 'grobe kleidung, lumpen', rubächa
'liemd' zu slav. *rqbiti, *rqbati 'hauen' (Miklosich, Etym. wb.
s. 281). Wer nun die entstehung der geminierten verschluss-
laute durch assimilation eines vortonigen n an einen vorher-
gehenden verschlusslaut unwahrscheinlich findet (vgl. R. Traut-
mann, Germ, lautgesetze s. 62 ff.), der muss zwar die gleich-
setzung von *rukka- mit rugnä-, nicht aber die anknüpfung
von *ruhha- an aind. ruj- aufgeben. Kelt. *ruktu-, das keines-
falls von *rukka- getrennt werden darf, passt ebenso gut zu
aind. ruj- wie zu lat. vergo, denn ruj- hat nach ausweis seiner
bei Lewy (a, a. o.) verzeichneten verwanten eine idg. rein-velare
(nicht labiovelare) media. Dennoch ist Marstranders erklärung
von rock nicht weniger wahrscheinlich als die hier vorgetragene
und vielleicht sind noch andere gleichberechtigte erklärungen
denkbar. Die meisten Wörter sind ja vieldeutig und selten
wird der vorurteilsfreie eine eigene oder fremde etymologie
als sicher betrachten.
25. Spiess. Ahd. spiog, an. spjöt, germ. *speota- ist gleich-
bedeutend mit nl. spriet, ags. sprcot, germ. *spreota- 'schaff,
stange, spiess', das wie an. sprotl 'rufe' ursprünglich ein wort
für 'spross' gewesen ist und zu spriessen gehört. Ist *speota-
etwa in der Zusammensetzung mit Wörtern, welche ein r ent-
hielten (vgl. ags. eoforspreot) durch dissimilation aus *spreota-
entstanden? Oder ist es etymologisch von *spreota- verschieden?
Dann dürfen wir vielleicht an lit. spdudMu, spdusti 'drücken'
anknüpfen, indem wir *speota- als 'hervordringender spross'
auffassen. Franck (Etym. wb. 935. 948 f.), der die sippe von
nl. spulten zur erklärung heranzieht, denkt bei *speota- eben-
falls an eine grundbedeutung 'spross'. Ein ähnliches seman-
tisches Verhältnis wie bei *speota- : lit. spdiidfiu liegt vor bei
*spreota- (*spreotanan) : lit. sprducUm 'dränge etwas hinein,
klemme', sprüstu 'dringe heraus, fahre heraus, entschlüpfe'
(Brugmann, IF. 1, 177). Auch Wood (Indo-Europ. qx : axi : axu)
s. 127) hat *speota- zu lit. spdudziu gestellt, aber er scheint
sich die bedeutungsentwicklimg ganz anders zu denken.
26. Taumeln. Nach Kluge0 s. 391 weisen taumeln, tum-
meln, mhd. turnen, tumeln, ahd. tümün, tümalön auf germ. *du-,
vorgerm. *J/w-, und wenn die sippe wirklich dem hochdeutschen
ZUB M'i i.si ihn i i \ MOLOOIB.
angehört, werden wir Beine annähme als richtig anerkennen
müssen. Wie erklärt er aber das i \mi mnl. nnd. tarnen, mnl.
tümelen, nnl. tuimelen, das auch in franz. tamber and Beinen
verwanten (die spät auftretenden an. lum&a, ags. tumbian, engL
tioithtr sind wol zunächst romanischen Ursprungs) widerkehrt?
Schon Franck (Etym.wb.sp. L038) meint, das dem hoch- und
niederdeutschen gemeinsame / Bpräche für entlehnung. Obwol
die tatsachen kein sicheres urteil gestatten, dürfte es bei der
weiten Verbreitung der mit t anlautenden formen doch näher
11, ahd. iitmön, tümalön aus dem niederdeutschen herzu-
leiten als das umgekehrte. Der von Kluge vermutete Zusammen-
hang mit sind, dhünöti ist deshalb, wenn auch oichl unbedingt
abzulehnen, doch wenigstens äusserst problematisch.
27. YVat. Kluge* b. ilti Btelll ahd. wät, ags. wdsd, an.
rnil 'kleid' unbedenklich zu sind, vä 'weben', indem er es,
wie es Bcheint, als ein verbalabstractum m-ti- betrachtet,
was allerdings möglich ist Man kann aber auch mit Hirt
(Beitr. 23, 295 f. A.blau1 B. 101) zunächst an lit. äudäiu 'webe'
anknüpfen, so da>> wir eine zweisilbige würze! *<in,,lli- oder
ähnliches anzusetzen hätten. Bei Hirts auffassung wäre d
Ih- Ereilich eine erweiterung der von Kluge herangezogenen
würze] und somit winde es nichl möglich sein zn entscheiden,
id) das wort auf \iedh-i- oder %e~-U- zurückgienge. Kalls wir,
anders als Hin. die form >" <■>■ bevorzugen, so kehren wir zu
Kluges auffassung zurück. Eine andere erklärung, welche be-
stimmt eine grundform ^edh-i- voraussetzt, sieht in wäi eine
ableitung dei in der letzten zeit mehrfach behandelten würze!
m,ih- 'binden' (vgl. Noreen, Uppsalastudier b.197; Fick, BB.
06; Meringör, [F. 16, 177 tt. 17.1 I2f.; verf., Beitr
wo das Bternchen vor dem als parallele zu
angeführten, häufig belegten aind. samyuga- dmckfehler i-t
Tijdschr. v. n**\. taal- en letterk. _•'>. 'J7"i. Bei es, dass mau
unmittelbar an die bedeutung 'binden' anknüpft (1 oder
man 'weben' als mittelbegrifl ansetzt (Me Um
deutlich zn zeigen, wie verzweifelt schwierig es bisweilen ist.
irgendwelche Sicherheit zn erringen, füge ich den bishei
Vermutungen Doch eine neue hm/u. Wäi kann nämlich als
:: ilie sippe \"ii lat. ' vuo ziehe aus', mduo 'ziehe an',
lit. artti, :iiv-liekleidur. '.-1. <>l> uti
180 UHLENBECK, ZUR DEUTSCHEN ETYMOLOGIE.
(fussbekleidung) anziehen', avest. aopra- 'Schuhwerk, schuh-
zeug-' gehören. Das lateinische beweist, dass die wurzel *aue-
' bekleiden' nicht ausschliesslich von den fassen gebraucht wurde.
Unter den neueren etymologien gibt es nur wenige schlagende
wie z. b. got. hröt : apers. *sräda- (Liden, Nord, studier s. 432 ff.)
oder germ. *rauma- 'rahm' : avest. raoyna- 'butter' (Schwyzer,
IF. 21, 180 ff.) und in den meisten fällen müssen wir uns mit
der ermittelung einiger möglichkeiten zufriedenstellen.
Nachschrift. Lange nachdem die vorhergehenden bemer-
kungen eingesant waren, erschien Kluges aufsatz Beitr. 34, 552 ff.
Ich finde mich selbst zu gut dazu, seine grobheiten mit grob-
heiten zu erwidern. Dass er mir einzelne flüchtigkeiten nach-
weist, erkenne ich gern an. Seine eigene akribie ist leider
sehr zweifelhaft. Er wird sich davon überzeugen können, wenn
er die von ihm verwerteten artikel des neuen Weigand etwas
aufmerksamer studiert. Auch noch eins möchte ich Kluge
fragen. Weiss er denn gar nicht, dass versehen und flüchtig-
keiten nicht immer auf Unwissenheit beruhen müssen? Wenn
jeder fehler durch dummheit erklärt werden sollte, so würde
das an fehlem aller art keineswegs arme Etymologische Wörter-
buch der deutschen spräche für Kluges eigene kenntnisse ein
nicht gerade glänzendes zeugnis ablegen. Aber solche fehler
beweisen nichts gegen die allgemeine tüchtigkeit eines forschers
und darum beurteile ich Kluge ganz anders als er mich l).
x) Beitr. 22, 188 ist natürlich *brüdi- zu lesen, Beitr. 26, 300 'ein germ.
labial' oder 'hd. f statt 'germ. f\ Beitr. 33, 185 *etesi- statt *etesi- (aber
das über brüps und id/'s gesagte nehme ich überhaupt zurück).
LEIDEN. C. C. UHLENBECK.
ZUR DIMINUTIVBILDUNG IM SCHWÄBISCHEN.
.Mit grosser Ereude ist es zu begrüssen, dass Danmehr
Ferdinand Wrede, unter dem titel Deutsche dialektgeographie,
bericlite und Stadien aber < r. Wenkers Sprachatlas des deutschen
reicha herauszugeben beginnt I>as soeben erschienene l. lieft l)
enthält gleich zwei höchst interessante and wichtige Unter-
suchungen, die uns den weiteren pablicationen mit Spannung
entgegensehen lassen.
Aus dem die ganze Sammlung einleitenden vorwort, das
in die form einer hegeisterten apostrophe Wredes an Wenker
gekleidet ist, wird mancher mir äusserstem erstaunen ersehen,
dass ein so "hm- alle frage nützliches und zeitgemässes unter-
nehmen wie der Wenkersche Sprachatlas rings von feinden
und aeidern amlauert scheint; ja, "er der atlas] weckte eine
zeternde polemik und führte schliesslich sogar zu einem Preis-
ausschreiben, welches tausend mark dem erfinder des besten
mittels zusicherte, mit dem der Störenfried unschädlich gemacht
werden könnte.' Man möchte doch gar zu gerne wissen, welch1
böser 'dogmatiker' dergestalt einen preis aal den köpf des
'undogmatischen' atlas' gesetzt hat: der betreffende verdient
die Bchonnng, mit der uns Wrede seinen mimen verschweigt,
wahrhaftig oicht !
Uns Schwaben muss es zur lebhaftesten genngtuang
reichen, jetzt als ergebnis des Wenkerschen Sprachatlas' be-
•t za lesen, was wir Bchon -fit einem Jahrzehnt und länger
ans Hermann Frischei hwäbischen mnndart
und Carl Haags auf eigene aufnahmen basierten onter-
Bochnngen3) wissen: so z.b. dass es öfter zweifelhaft bleibt,
') M hhandlao
•') Zu Bauten i«t liit-r m erster In.
uiuii'l.irt' ii
182 VEIT
ob die heutigen grenzen zwischen zwei dialektformen 'noch
irgendwo die ursprünglichen, durch Wirkung der lautgesetze
bedingten sind, oder ob sie sich im laufe der Jahrhunderte
durch politische grenzverschiebung mit verschoben haben'
(Wrede s. xi). Wenn indes Wrede im anschluss daran auf
'die lautgesetze, die linguistischen formein' im allgemeinen
losschlagen zu sollen glaubt, so trifft dieser hieb doch ziem-
lich vorbei. Denn mögen manche formen auf dem wege der
wortverdrängung1) noch so weit gewandert sein: irgendwo
müssen sie sich doch streng lautgesetzlich entwickelt haben.2)
Wo aber einerseits ein bestimmtes lautgesetz bodenständig
ist und als solches ursprünglich ausnahmslos gewirkt hat,
was andererseits an einem bestimmten ort auf einheimischer
lautentwicklung beruht, was durch wortverdrängung von
draussen eingeschleppt ist — das kann meist nur eben die
von Wrede allzu geringschätzig behandelte localforschung ent-
scheiden. Denn nur sie kann für gewöhnlich sämmtliche fälle
überblicken, die in einer bestimmten mundart für ein bestimmtes
lautgesetz in betracht kommen. Gar oft aber zeugt nur eine
vereinzelte form3), die vielleicht bloss im munde der älteren
generation noch lebendig ist, manchmal sogar lediglich noch
ein flurname4) von dem, was an einem orte einst die regel war.
grenzgebiet: Baarmundarten). Mit karte. Reutlingen 1898. [Im folgenden
citiert als 'Baarmaa.']. Ferner aber noch ein paar kürzere, leider in Zeit-
schriften verzettelte abhandlungen, darunter namentlich diejenige über
mundartgrenzen im Archiv für das Studium der neueren sprachen und lite-
raturen bd. 115.
*) Dies ist der treffende ausdruck , den Haag (Baarmaa. s. 88 ff.) für
dieses phäuomen geprägt hat.
2) Finde ich z. b. in einer ortsmundart ahd. iu durch ui vertreten, so
bin ich durchaus berechtigt, zu sagen : dieses ui hat sich (durch metathese)
aus ahd. iu entwickelt, ehe letzteres der anderwärts üblichen monophthon-
gierung zu ü verfallen war. Ich darf so sagen, auch wenn ich daneben
genau weiss, dass an dem betreffenden orte die lautgesetzliche ent-
wicklung von ahd. in über iu zu u und ü geführt hat.
3) Für Oberdigisheim OA. Balingen erweist nur noch der sing. iud.
praes. lug, lughl, lugd < liugu u. s. f. die einstige Zugehörigkeit des orts
zum gebiet der u <C ahd. iu; für Ostdorf nur noch die Wörter ufradr»
(Fischer, Schwab, wb. 1, 408) und graerig (ebda, b, 404) ursprüngliches -aer-
< ahd. -er- : solche Wörter bringt kein fragebogen zu tage!
4) Widerum in Ostdorf lassen nur noch die flurnamen düfadäl, brönd-
ZUR DIMINUTIVBILDÜNG IM BCI1WÄBI8CHRN. 183
I>as sind, um mii Johann Willibald Nagl1) zn reden, die Spar-
pfennige der mundart, deren man durch Fragebogen niemals
habhaft wird. Mittelst solcher 'münzfunde' al sich das
ursprüngliche gebiel der einzelnen sprachlichen erscheinnngen
häufig weit sicherer bestimmen, als durch «las meisl etwas
willkürliche operieren mit den alten territorialgrenzen.
Indem er den französischen Atlas Linguistique mit Wenkera
Sprachatlas vergleicht, legt Wrede gerade aui das doch allzu
wenig gewicht, was ni. e. den hanptvorzug des erstgenannten
Werkes ansmacht. Denn dieser liegt sicherlich nichl sowol in
dem umfange des materials, das dem herausgeber Gilli6ron
aus den von ihm ausgewählten orten zur Verfügung stand
(das wird nicht einmal so viel mehr sein, als was Wenkers
10 sätzchen zusammen ergeben), sondern darin, dass Grillieron
dieses sein material aus dem munde wirklich naiver laien
durch Vermittlung eines erfahrenen dialektforachers von fach
(Edmont) erhielt.-) Wohingegen die Übersetzer von Wenkera
sätzchen, die lehrer. in sprachlichen dingen zwar meistens Laien,
aber keineswegs unbefangene laien sind, sondern solche.
denen schon durch ihren beruf die neigung innewohnen muss,
wie so vieles andere, so auch die mundart zu corrigieren.
Diese tendenz, den dialekl zu schulmeistern, bildet, wie ich
aus erfahrung weiss, eine weit bedenklichere fehlerquelle, als
etwa die in der schule gelernte schreibgewohnheit
Daher macht es auf den Sachkenner einen etwas sonder-
baren eindruck, wenn für Wrede der Wenkersche atlas als
'der noch unverbildete naiurbursche* gilt, wählend er — da
nun einmal ein derartiges bild gebrauchl weiden soll doch
eher dem eingefleischten bürokraten vergleichbar scheint, für
den nur vorhanden ist, was er am grünen tisch in seinen acten
(den Fragebogen) findet.
füxfo erkennen, dass 'li>' echte ortsmundarl bei Huf, fiuhta ursprünglich den
nngebroehenen lanl durchgeführt hatte: vgl Veit, Ostdorf er stud. 2,7, anm.l.
•i l Putsche nrandarten l. 218.
ir einen weiteren roraug des atlas linguistique li:tl t »• ich, dass
er nichl an den grenzen Prankreichs ball macht, Bondern au-
Baaunenhängende fransflmsche Sprachgebiet amfaast Wihrend Wenkers
Sprachatlas, Bchon für SüddeuUchland nichl mehr rechl genügend, die
deutsche Schweif und Deutsch i b Oberhaupt nicht
181 VEIT
Nachdem ich mir diese bedenken gegen Wredes vorwort
vom herzen geschrieben, kann ich jetzt, mit übergehung der
in dem vorliegenden hefte an erster stelle stehenden Studien
von Jacob Eamisch zur niederrheinischen dialektgeographie,
für die ich nicht competent bin1), um so uneingeschränkter
das lob der von Wrede selbst herrührenden zweiten abhand-
lung über 'die diminutiva im deutschen' singen. Dieselbe
scheint mir nach der descriptiven wie nach der analytischen
seite hin ausserordentlich wertvoll, ja ich möchte sie geradezu
als vorbildlich für die bearbeitung derartiger fragen bezeichnen.
Da Wrede (s. 75) selbst zur nachprüf ung seiner resultate
auffordert und anhaltspunkte für weitere localforschung geben
will, so erlaube ich mir, hier vorzubringen, was ich von
meinem, dem südwestschwäbischen Standpunkt aus dazu zu
sagen habe.
Wrede meint § 7 (s. 79): 'so ist z. b. die bewahrung des
sogenannten zwischenvocals in den süddeutschen mundarten
zumeist von dem grade kosender Zärtlichkeit abhängig (bisslc
— bissele).'1 Das ist nur sehr teilweise richtig, und verhält
sich vielmehr folgendermassen. Kurze, offene, unbetonte paen-
ultima vor nebentoniger ultima wird im schwäbischen aus-
nahmslos synkopiert; erhalten bleibt kurzer vocal in un-
betonter paenultima nur in gewissen fällen vor mehrfacher
consonanz. Demgemäss lautet zwar — was Wrede entgangen
zu sein scheint — das diminutiv zu vogel, äpfcl, ofen, ivaycn in
ganz Schwaben stets vögele, äpfele, öfele, wägcle2), niemals
etwa * vögle, *äpfle, *öfle, *wägle, da hier ein mhd. vögel-lin,
epfel-lin, öfellin, ivägcllin (in den beiden letzten fällen mit assi-
milation: -nl- > -ZP)) zu gründe liegt. Andererseits aber kann
*) Nur einen schlusssatz daraus sei mir gestattet hierherzusetzen,
weil er leider auch bei uns zu lande noch nicht immer beherzigt wird:
'Wer . . . nicht mit hypothesen, sondern mit beglaubigter geschichte arbeiten
will, der wird darauf verzichten < müssen >>, in unsern dialektgrenzen
uralte gau- und stammesgrenzen widerzuerkennen' (s. 67). Ungefähr das-
selbe steht schon in Hermann Fischers Geographie d. schwcäb. ma. (Tübingen
1895) s. 88.
2) Der vocal der paenultima ist teils -d- (-ah), teils, mit regressiver
vocal-assimilation, -f- (-ffc). Auch zwischen diesen beiden formen lassen
sich grenzen ziehen; doch will ich hier nicht weiter darauf eingehen.
3) Also wie im lateinischen aselhis, scabellum u. s. f.
ZUR DIMINUTIVBILDUNG IM SCHWÄBISCHEN. 1 5
zu köpf, hand, magd das einfache diminutiv nur köpfte, handle,
mä(g)dle lauten; wenn wir also daneben — hauptsächlich in
der kindersprache — doch auch gelegentlich formen wie LopfeU,
handele1), mä(g)dele treffen, so muss eben auch da eine doppel-
consonanz dahinterstecken: also Tcopfellin, handellin, mägdellin.
Das soll besagen: neben den gewöhnlichen, einfachen diminu-
tiven auf -lin gibt es auch solche, bei denen das eigentliche
diminutiv -suffix (-Un) erst an eine koseform auf -el gefügt
wird2): also eine bildung, die genau der mitteldeutschen auf
-eichen entspricht.3) Doch ist diese doppelendung, die aller-
dings sehr kosend und zärtlich klingt, in der gewöhnlichen
Umgangssprache erwachsener Schwaben, wie gesagt, sehr
selten. l)
In parenthese möchte ich hier eine eigentümlichkeit
unserer Büdwestschwäbischen mundarten erwähnen, die bei
fremden wol gelegentlich zu misverständnissen anlass gibt.
Die feminina auf -/ bilden auch bei uns ihren regelmässigen
plural auf -te\ also nüdl : nudte, lihüsl (mutterschwein) : TchösU
n.s.f. Eine anzahl dieser substantiva jedoch, wie d&bl (zwiebel),
d/siU u.a.m. haben im plural auffälligerweise -9ls\ also dsibdla,
d/sd.ih, welche formen von Schwaben aus andern gegenden
gerne für diminutiva gehalten werden — sehr mit unrecht,
da das diminutiv zu swiebel, distel in unserer gegend (im sing.
und plur.) dsibele, dudele lautet, sich also durch die qualität
der beiden endsilbeu scharf von dem plural des grundworts
abhebt. Wie ist nun aber dieser plural auf ->'< zu erklären?
Bekanntlich geht dsibl auf ein romanisches cepulla zurück
') In solchen fällen onterblelbl gern der sonst beim diminutiv i
massig eintretende nmlaut der Stammsilbe
-, 80 schon, liir die ma. von Goldbach, Bedwig Ealdimann (Zsf.hd.
maa, 5, 230 f.).
1 Lehnlich /. b. im italienischen im pochettino a. dgl.
•i Nur bei penonennamen, wo j.i die koseibrmen ani -el auch
mmen, ist ->i< etwai häufiger; man sagl /.. Wobeie, \
Bei bisseh wird wo! nicht bis», sondern bissen als grund-
»'•n ansunehmen sein: daher dai etwas hänfigere vork nun; wie om-
gekehrl /.. \> böglein nicht von bogen, sondern von einem schwachen nom.
sing bog{e) abiuleiten ist Wredea ansieht s in Oberdentacbland
'die naive alttagsspracke [sie] ... in Verkleinerungsformen zu Bchw
scheine, i-t im <ii.' schwäbische Volkssprache gani unsutreffend.
186 VEIT
wird also fürs ahd. zibulla, mit -11-, anzusetzen sein, und ein
davon gebildeter plural zibulla oder zibullün muss im süd-
westschwäbischen notwendig- äsibdld ergeben. Es liegt dann
nahe, auch für die übrigen fälle ein -11- im suffix anzunehmen ;
so könnte z. b. disdl auf ahd. *distüla < pistiljö zurückgehen. l)
Im § 57 (s. 111) rät Wrede: zur begrenzung des -Z/-gebietes
folge man von der gegend von Achern an 'ganz ungefähr der
badischen landesgrenze nach S. bis an den Boden see: das so
abgeteilte badische land hat -li (seltener -le), aber die grenze
ist unsicher und schwankend und schickt versprengte -li noch
oder schon östlicher bis ins Hohenzollernsche vor'. Zunächst
muss man sich hier fragen, ob denn Wrede hinsichtlich der
bestimmung der -li / -Ze-grenze auf dem für die Geographie der
schwäbischen mundart in betracht kommenden gebiete wesent-
lich besser daran ist als Hermann Fischer, von dem uns Wrede
in einer anmerkung wissen lässt, dass er [Fischer] diese grenze
'nicht bestimmen konnte'. Wrede hätte aber weiter kommen
können, wenn er nur Carl Haags Baarmaa. (erschienen 1898;
vgl. oben s. 181, anm. 2) hätte beachten wollen, wo es s. 86 von
den tief ton vocalen heisst: 'der palatale vocal ist auslautend e,
etwa nördlich 29 W. und6ß0.2), südlich davon offenes i; doch
ist e geschlossener, dem i näher, zwischen 2 £ und 17 /."-)
Die von Haag hier gegebene abgrenzung des reinen -li und
-le stimmt auch mit meinen eigenen aufzeichnungen so ziem-
lich überein: es ergibt sich daraus, dass einerseits der grösste
teil des badischen oberamts Messkirch reines -le, dagegen auch
teile der württembergischen oberämter Rottweil und Tuttlingen
reines -li haben. In der von Haag umschriebenen Übergangs-
zone ist von SW gegen NO eine ganz allmähliche Senkung von
-li über -li zu -le zu beobachten, mit starken localen und
individuellen Schwankungen. Bemerkenswert scheint, dass in
1) Aehnlich widerum schon Hedwig- Haldimann a. a. o. s. 229. Denkbar
wäre übrigens auch eine von dsibdU ausgehende sufnxübertragung; denn
wenigstens in der mir am besten bekannten ma. von Ostdorf betreffen
sämmtliche fälle von femininen pluralen auf -dld namen von pflanzen bez.
pflanzenproducten: brömdh (brombeersträucher), bwph (Fischer, Schwab, wb.
1, 1500), rpxdh (eichein), häsd-babdld (Oxalis Acetosella), häMdh (himbeeren),
mikhte, wn&äste (Ononis spiuosa). Daneben jedoch dödMh (Fischer a.a.O.
2, 283), möadh (Daucus Carota), nesfo u. a. m.
2) Diese siglen beziehen sich auf Haags karte.
ZI U DIM1NÜTIVBILDÜNG IM B< HW
gewissen altwürttembergischen orten amts Tuttlingen
die annaherung an -le wesentlich mehr hervortritt, als z.b. in
den neuwürttembergischen, obgleich dem geschlossenen
näher gelegenen orten des oberamts Rottweil.
Ich komme nun zu den plnralen auf -len, die WV
(a 121) behandelt Hierbei scheint ihm aber eine, nichl ein-
mal so ganz kleine, -Zen-enclave ganz entgangen zn Bein, die
schon Fischers karte 21 wenigstens teilweise1) verzeichnet
Dieselbe liegt im oberamI Rottenburg, ebenfalls hart an der
grenze des gebiets, das den diminntivplural anf -U vom Bingnlar
auf -/i unterscheidet Die lautliche erklärung überläset v
in diesem falle ausdrücklich der localforschung, Für welch«
in der tat auch ziemlich nahe liegt Postvocalisches •/' im
auslaut ist in ganz Schwaben nur erhalten, wenn es auf
Becundärer*) geminata beruht; also z.b. in der ma. von i
dort': '", -ein", aber &n •einen': >■>>■ 'jener', abei uen'
u.8.f. 3) Demnach muss auch unser Ifn bez. -Wh zunächst auf
ein Becundär entstandenes -linn zurückgehen. Nun verdanken,
wie auch Wrede I.e. mil recht vermutet, diese auffallenden
formen ihre entstehung offenbar dem bestreben, den plural
der diminutiva lautlich vom Bingnlar zu differenzieren; zu
diesem zweck hat man in jenen enclaven die diminutiva zur
schwachen declination übergeführt: dann ergab Bich als plural-
form -Unen, das weiter über -Unn -li>t>i regelrecht zu -Un
bez. -i[n geworden ist.
Im zweiten teile Beiner arbeit handelt Wrede voll der
herkunft der diminutiva im deutschen, und legi zun
§ 76 ff. descriptiv, im anschluss an Polzin, dar. wie die dimi-
nuüvbildnng erst in mhd. zeit der Bprache geläa rden
ist Wollte Wrede .seine lebhafte abneigung gegen '
lektische localchronologie' (s. xi) überwinden, bo könnt
eine weitere Btütze für sein.- these aus dem verhalten una
oberdeutschen mundarten gewinnen. Hier weist aamlich ein
ursprüngliches a der Stammsilbe vor der diminutivendtu
: . Dia booIat« oafa
•un. Wendelshein und die itedi i.' ti
•l X 1 1 « I, I I 11 j I N.T.'llll'.t. | •
li wunden: mrt 'mann', '/;■ 'kinn' D
188 VEIT
der regel den secuiidäreii späteren1) umlaut ä auf. Da der
vocal der mittelsilbe wol von jeher -i- gewesen ist, also
nicht bloss das -l- der dritten silbe den umlaut bewirkt haben
wird2), so lässt sich das verhalten der mundarten überhaupt
nur so erklären, dass die diminutiva ihrer überwiegenden
mehrzahl nach erst zur zeit jenes späteren umlauts gebildet
worden sind, so dass sie auch etwa aus älterer zeit vorhandene
diminutiva mit primärem umlaut -e- durch formale ausgleichung
zu sich herüberziehen konnten.*)
Im gegensatz zu Polzin erklärt sodann Wrede die dimi-
nutiva auf -lin für eine genuin deutsche bildung. Er kommt
dabei etwa zu folgendem ergebnis (§ 87): 'die appellativa dimi-
nutiva des deutschen haben ihren Ursprung bei den eigen-
namen, den personennamen; sie sind von hause aus koseformen,
von appellativen gebildet nach dem muster der kosenamen.'
Dass die formantien der diminutiva und der kosenamen ur-
sprünglich identisch seien, hat schon vor fünf jähren Brug-
mann1) ausgesprochen. Neu ist also an Wredes these nur,
dass hierbei die kosenamen das prius seien, den ausgangspimkt
für die diminutiva bilden. Und was er zu gunsten dieses seines
satzes anführt, scheint mir wenigstens recht einleuchtend, ja
überzeugend. Demnach sind, was gleichfalls schon Brugmann
(1. c.) gesehen hat, diminutiva wie hypocoristica im gründe
nichts anderes als denominative bildungen mit der allgemeinen
bedeutung der Zugehörigkeit: ihr formans -l- ist durchaus das-
selbe wie etwa im ahd. stcngil, eichila; wortal, lutzil.
Die grundbedeutung der Zugehörigkeit schimmert vielleicht
sogar bei den diminutiven der modernen mundart gelegentlich
noch durch. So ist beispielsweise in den protestantischen
dörfern Schwabens der pfarrerle keineswegs etwa 'der kleine
pfarrer', sondern die zur familie des pfarrers gehörige manns-
*) Vgl. Braune, Ahd. gramm.2 § 27, anm. 2c; Heusler, Germania 34, 118.
-) Vgl. Braune, 1. c. § 27, anm. 4.
3) Im unterschied von den schweizerischen mundarten, wo das princip
der formalen ausgleichung hier durch gewisse etymologische gruppen durch-
brochen wird (Basel: Heusler 1. c. ; Goldbach: Hedwig Haldimann, Zs. f. d.
niaa. 4, 304), erscheint z. b. in Ostdorf der secundäre a-umlaut bei der
diminutivbildung ausnahmslos durchgeführt: wir finden da also z. b. neMle.
segle, gif sie neben den pluralen nesd (äste), scg (sacke), glesdi:
A) Kurzgef. vergl. gramm. d. indogerm. spr. § 417.
BUB DIMINUTIVBILDUNG IM SCHWÄBISCHEN.
persoB, also in der rege] wo] des pfarrers söhn, unter umständen
aber auch des pfarrers neffe, oder des pfarrers knechl u. dgl.
Aehnlich ist in Ostdorf s graesle ( das; grce^elin) der eben-
falls grossgewachsene söhn des banern X.. welch* letzterer von
seiner Statur den Übernamen ddr graos ( der grötfe) be-
kommen hat.1)
Zum Schlüsse (§ 99) wirft Wrede noch die frage au!, ob
seine 'these von der herkunft der diminutiva im germanischen
auf den gebieten der übrigen indogermanischen sprachen
parallelen oder für die lehre dieser consequenzen' habe, und
führt, die nähere Untersuchung den betreffenden specialisten
überlassend, in aller kürze eine anzahl in betracht kommender
fälle an, die sich wol unschwer werden vermehren lassen.
Ich möchte mir nun erlauben, dem auch noch einiges aus
dem gebiete der semitischen sprachen hinzuzufügen.
In erster linie möchte ich darauf hinweisen, dass die ge-
wöhnliche arabische diminutivfonn vom typns fuail von
einem so guten kenner wie Franz Praetorius auf eine ver-
mischung zweier altsemitischer caritativformen, f<i ül und fdlai,
zurückgeführt wird.*2)
(■"einer besitzl das semitische zwei formantien zur bildung
denominativer nomina, -an und -üj. Von diesen dient -an I
zunächst in den meisten semitischen sprachen zur bildung die
Zugehörigkeit bezeichnender adjectiva (hebr. qa&m-$n 'östlich1
zu qedem ' Osten', syr. nUr-än •feurig' zu nur -feiur' u. s. t);
sodann bilden aber verschiedene arabische dialekte damit kose-
formen (wie z.b. 'Äbd-än zu irgend einem mit 'abd 'diener'
zusammengesetzten Personennamen ). und endlich dient -an in
mehreren semitischen sprachen zur diminutivbildung (z.b. arab.
'aqrab-än 'ohrwurm', eigentL 'skorpiönchen', hebr. tf-pn 'pupille',
eigentl. 'männchen').4) Das andere formans -aj dient eben-
falls wiiler in verschiedenen semitischen dialekten zur bildung
von Zugehörigkeitsnomina (z.b. syr.jad-qj 'Jude*. &asyr.qür-äj
') VgL dasu noch Z-. t d. bim L908, i isT. anm. l.
i \ iheres -. /.-. >\ dteeh. morgen) ■'_.'! n
•) Bei detten Lautgesetaliche Weiterentwicklungen*
'i Brockelmann (Qrundr. d. vergl. gramm. d. -•■mit. sprachen l. >-t7>
iprii iit bereita die rermutnng aus, <lu-s diese diminutiv- and caritativ-endnng
•an rielleichl mit den gleichlautenden adjectiv Edentiscb
190 VEIT, ZUR DIMINUTIVBILDUNG IM SCHWÄBISCHEN.
Tyrier); dann im Tigrina, einer abessynisch-semitischen spräche,
und besonders dem ihm näehstverwanten Tigre zur bildung von
koseformen *) und als diminutivendung (z. b. te. c äsetäj 'fisch-
artig', dann 'fischchen' zu c äsä 'fisch', lallebäj 'hündchen' zu
kaleb 'hund' u. s.f.).
Auch bei noch viel weiter abliegenden sprachen, soweit
sie überhaupt eine diminutivbildung kennen, wird sich, wie
ich glaube, bei näherem zusehen der enge Zusammenhang von
Zugehörigkeitsnomen, koseform und diminutivum herausstellen.
So sieht z. b., um nur noch einen fall anzuführen, das türkische
diminutivsuffix -dsilc ganz wie eine Weiterbildung des zur
bildung von Zugehörigkeitsnomina dienenden formans -dsi aus
(z. b. zu balyq 'fisch' : balyq-tsy 'fischer', balyq-tsyq 'fischchen').
Möchte uns Wrede recht bald weitere ergebnisse seiner
beschäftigung mit Wenkers Sprachatlas zugänglich machen!
Wenn, wie zu erwarten, auch die folgenden hefte der Deutschen
dialektgeographie sich auf der höhe des vorliegenden halten,
so haben wir allen grund, die deutsche mundartforschung zu
beglückwünschen. Nicht vergessen darf man freilich, dass
gerade die deutsche diminutivbildung auch für den laien laut-
lich und formell besonders leicht zu fassen ist, so dass die
Schattenseiten des fragebogensystems diesmal vielleicht weniger
hervorgetreten sind. Seine feuerprobe wird der Sprachatlas
erst zu bestehen haben, wenn er uns etwa über die erhaltung
des dativus pluralis, die entwicklung der e -laute oder eine
ähnliche schwierigere frage auskunft geben soll. Unterdes
wollen wir uns der diesmal gebotenen gaben dankbar erfreuen.
x) Wahrscheinlich gehen die besonders im aramäischen häufigen cari-
tativendungen -ai, -öj, für die Brockelmann (1. c. § 223 a) persischen Ur-
sprung annimmt, ebenfalls wenigstens teilweise auf dieses semitische -äj
zurück.
TÜBINGEN, 18. jan. 1909. FRIEDRICH VEIT.
ZI1 WALTHER VON DER VOGELWEIDE.
18, 1 L (70 b, 15 P). Den namen wicman in A ersetzt C
durch volcnant. Wilmanns erwägt, ob der sprach einmal gegen
einen mann dieses namens benutzt wurde oder ob lediglich
eine der auf mündliche Überlieferung deutenden entstellungen
der hs. C vorliege. Diesmal beruht das auseinandergehen wol
nur auf einem verlesen. Wenigstens hat auch die hs. D der
Klage gegenüber der gemeinen lesart wicnant einmal (v. 1555)
volchnant und der lesefehler ist graphisch leicht begreiflich.
Welcher hs. er bei Walther zur last fällt, lässt sich natürlich
nicht ermitteln, doch spricht zu Ungunsten von A ihre gräuliche
Überlieferung des Spruches: Her wicman iß ä" ere de. man die
meißer irten fol fo meinftlichen fpreche u.s.w. Es wäre aber
auch möglich, dass beide hss, den namen entstellten und —
wie in der Klage — ein Wicnant zu gründe lüge.
Die echtheit des Spruches wurde neuerdings — von Sarai),
I teitr. ^7, 199 ff. — angezweifelt Kr sieht darin «las liet (C18,15),
das der .Meissner dem dichter überbringt. I >er absender Ludewig
liättr damit ein Spottgedicht l) auf Walther zurückgewiesen oder
zurückweisen Lassen. Bedenken gegen Walthers autorschaft
Liegen aber nicht yor, denn lata iu in 18, i findet »du seiten-
sti'ick in länts iueh S6, 33, das 'her Walther1 will offenbar ein
spöttisches her Walther der Deckstrophe Volcnants aachäffen
und der derbe vergleich in 18, l" klingt ja im munde des
Fürsten nicht feiner als im munde des Bpielmanns (man Lese
übrigens die derbheiten i"-i Deutschen und Romanen nach, die
Nickel, Sirrentes und spruchdichtung s. 68 Bammeil Ä.uch ist
'i Laehmann . .'iij ici.it in ▼. 2 irren. Wahrscheinlicher i.-t mir I
'necken, reizen' (C tretten)'. <la>s ihr die m< meisterliche] spi
hänseln wollt.' Vgl. Snchenwirt 20, 18 so gtit gen mir h tratet unchunst
192 WALLNER
zu beachten, dass der 'ton' dieser Strophe — den zweiten
Philippston nannte ihn Simrock — nicht nur, wie zu erwarten,
in der dankstrophe widerkehrt, sondern noch in drei andern
Sprüchen. Schliesslich vermisst man in dieser dankstrophe jede
beziehung auf kern Volcnant. Eine Verteidigung seiner künstler-
ehre hätte der Sänger dem fürsten gewiss anders gedankt als
durch ein ' Weidmannsheil!'
Sarans athetese geht von seiner deutung der kerze in
84, 30 aus, die freilich durch die lesart lieht in 18, 15 hinfällig
würde. Uebrigens steht das citat aus Gregor von Tours über
die freilassung von knechten cum cercis et tabidis schon in
den Rechtsaltertümern (I 462) J. Grimms, der mit recht auf
dessen Verwertung verzichtete: 'das kerzensenden bei Walther
18,15. 84,33 gehört kaum hierher.' Weit brauchbarer scheint
mir der von Dieterich (Litbl. 1903, sp. 274) erwähnte schwä-
bische brauch der lichtmesskerze, mit welcher hausvater oder
hausmutter die hausgenossen beschenken, und das ebenda bei-
gebrachte citat Birlingers aus Lorichius, 1593, s. 59: Aber-
yläubig ist an der h. lichtmess einem jeden im haus mit der
geiveihtcn kerne das haar besenyen. welches haar dann nit ivöll
anbrennen, der mufs dasselb jähr sterben. Hat der kaiser
nach landesbrauch die lichtmesskerzen für das hofgesinde
(überliefert ist der plural) Walthern in die hände spielen
lassen: ir hänt iuwer herzen hündeclichen mir gesendet?
Oder hat er ihn durch einen scherz mit der vornähme des
lichtmessbrauchs betraut? Das versengen des Stirnhaars (an
den brän) und das dabei unvermeidliche blenden der äugen
fände durch diesen brauch die einfachste erklärung.
Das lieht im Spruche an den Meissner wäre dann gleich-
falls eine lichtmesskerze und sollte dem sänger verkünden,
dass der Spender ihn zu seinem ingesinde zähle. Walthers
dank aber gilt dem Überbringer und erwirker (18, 19) dieser
symbolischen einladung. Vor ihm verneigt er sich beim Vor-
trag der strophe, denn in die ferne kann das wan das ich tiefe
nige unmöglich gesprochen sein. Das müsste man aber bei
Sarans liet annehmen!1)
J) Bei Niederschrift dieser notiz wurden leider H. Fischers Waltheriana,
Zs. fda. 49, 154. mit E. Schröders hinweis auf Klage 778 (1555) übersehen
(corr.-note).
ZU WALTHBR VON DBB VOGELWEIDE. 1
19,15 (08,25). die Däringe und die Sahsen dienten also
da, daz ez den wisen muoste wöl gevallen. Der sprach über
das Magdeburger weihnachtsfesl hat eineu für Walther unerhört
matten abschluss. 'Die worte klingen wie das urteil eines
ceremonienmeisters', sagt Wilmanns. Und dabei wächst diese
trivialität heraus aus einer beinahe mystischen darstellung des
kirchenfestes, bei der dem verzückten Sänger einst und jetzt,
Bethlehem und Magdeburg, himmlisches und irdisches wunderbar
ineinander fliessen! Ich kann weder an diesen riss der Stim-
mung glauben, noch an eine taube schlusszeile überhaupt.
Walther concipiert seine Spruchstrophen durchwegs von der
schlusszeile aus. Sie ist die trägerin der pointe, ihr verleiht
die altüberkommene Vorliebe für enigmatischen ausdruck nach-
haltige resonanz. Daher bedarf sie auch so oft der glosse (vgl.
20, 1 f. 28, 30. 29, 14. 84, 20 f. 84, 28 f. 84, 30. 104, 30 f.). Auch
19, 15 f. gehört hierher.
Der name Magdeburgs erinnerte an die maget, die Weih-
nachtsfeier an die scene in Bethlehem. Wie dort der himmels-
lierr in mystischer dreieinigkeit gegenwärtig war, so ist es
hier der herr der erde — ir habt die erde, er hat daz himel-
riche! (12,8) — als könig, kaisersbruder und kaisersohn in
einer wat, swic doch die namen drige sint. Der himmelskönigin
aber gleicht die rose ohne dorn, die taube sonder galle, die
irdische königin der Christenheit Irene-Maria. Und die forsten
aus Thüringen und Sachsen neigen sich dienend und ver-
ehrend, wie einst die fürstlichen magier aus morgenland:
die Dflringe und die Sahsen dienten also da,
daz ez den wisen raüeste wo] gevallen.
Nicht erst Luther hat die magos (Matth. 2,7) mit 'weisen'
widergegeben, schon das Spec. eccl. I 17, 11 überträgt die Btelle
so: ei imo er ladöta thie uuisun man (dam voeavit magos) und
die altdeutsche predigt betont wenigstens: du hünige du waren
n-isf Sch("m bach III 20, 39 (I 187,2-1); man dar! also das wori
auch bei Walther bo verstehen. Freilich ist auch hier der
schillernde doppelsinn nicht ausser achl zu lassen: 'den i
ab Oriente hätl es gefallen und den wisen den kennen) (vgl.
dazu Etoethes Eteinmar s. 330) beim Magdeburger fest'. Die
leaarl mvfie wird vun der hs. C il't'ait Btr. 310, Bp. 185)
geboten.
Heilrägc *ur geschieht« i!er deutsche» spraJie. XXXV. |fl
194 WALLNER
20, 4 (68, 49). Auch dieser sprach wird erst klar durch
die richtige betonung der schlusszeile. Gross ist der gastliche
lärm auf der Wartburg, meint Walther, doch wird mit un-
gleichem mass gemessen. Ihm ist es bisher nicht gelungen,
hier fuss zu fassen: ich hän gedrungen unz ich niht nie dringen
mac. Andern gasten — den hof gerechten raufbolden — ist
der landgraf ein freigebiger wirt und darein setzt er seinen
stolz. 'Und kostete ein fuder wein auch tausend pfund, da
stiiende doch niemcr ritters becher IcereP Es ist ein scheinlob
mit herbem kern, ein seitenstück zu 84, 14. Der Sänger wills
mit dem wirt nicht verderben und sieht mit belustigter miene
dem bösen spiele zu; dann fliegt der pfeil. Der verdeckte
Vorwurf ist zugleich ein zeugnis mehr für Walthers stand. —
Die unverkennbaren anklänge der Parzivalstelle 297, 16 ff. an
diesen sprach. Hessen mich zweifeln, ob Wolframs citat auf ein
verlorenes gedieht Walthers ziele (Beitr. 33, 7). Es war mir
die vielsagende anspielung verborgen geblieben, die in dem
knappen worte steckt und die sich nur auf eine verschollene
Strophe beziehen kann. Diese hatte ein biblisches motiv als
spitze verwertet und gehörte in eine reihe mit 11, 18 (Luc.
20, 20 ff.), 23, 11 (Daniel 2), 23, 26 (Proverb. 13, 24). Die bunt-
gemischte gesellschaft in der landgrafenhalle (vgl. P. 297, 22)
gemahnt den spottlustigen Sänger, der im gedränge nicht zur
geltung kommt, an die hochzeit im evangelium, wo der könig
zu seinen knechten sagt: lte ergo ad exitus viarum, et quos-
cumque inveneritis, vocate ad nuptias. Et egressi servi ejus in
vias, congregaverunt omnes quos invenerunt, malos et bonos:
et impletae sunt nuptiae discumbentium Matth. 22, 9 ff. Die
pointe dieses Spruchs hat Wolfram citiert: 'guoten tac, bees
unde guot'; dabei mochte ihm aber auch die gleichgestimmte,
vielleicht mit ihm verbundene Strophe 20, 4 im obre klingen.
31, 29 (75, 77). 'sit hinaht hie, sit morgen dort', waz
gougelfuore ist daz. Die klangverwanten Wörter gougelvuore
und gogelvuore, die das Mhd. wb. noch nicht auseinander hält,
werden bei Lexer schon streng geschieden. Das erste bedeutet
'treiben von Zauberei oder blendwerk' (vgl. Gl. I 768 fascinauü
pegoukelote, bigougolota), das andere 'treiben von possen'. Im
nhd. ist nur eine nebenform des zweiten wortes lebendig ge-
blieben: guglfiüir Schmeller-Frommann 1 881; gugelfuahr Mörike,
zi WALTHEB V<».\ DEB FOGELWEIDE, l!».">
Stuttgarter hutzelmännchen; Jcugelfuhr .tust. Kerner, Dicht. 2, 826.
Sie komml schon beim Teichner vor. In der rede Von den hurten
rokchen (Pfeiffers übungsb. s. 162 ff.) lässt er die Dünne gegen
eine neue tracht eifern: Wie such man die narren gan EUeswan
ze vaschangJich, Also ist nu der myner ('minner') gankch In
dem lasterleichen gewant. Nu ist aber > in ander tant Vmb die
gugelfuer gehangen: Als ein dewp vor der schrangen Mit ver-
bunden äugen stat (hier ein man, der veintschaft hat, Verceeucht
auch die gugelfur (1. gugel fwr\ dieser beleg- bei Lexer ist daher
zu tilgen). Die erklärnng von gogelvuore aus gugel rar ist
bemerkenswert, denn aus solcher Volksetymologie ist die noch
lebende nebenform offenbar entsprungen.
Die beiden gruppen gougel, goukel und gogel, gugel und
ihre ableitungen werden im mhd. allerdings nicht selten ver-
wechselt: auch für gougelvuore in der bedeutung von gogelvuore
verzeichnet Lexer drei belege, darunter Walth. 31, 29. Dieser
beleg ist indes zu streichen, denn die wortform, die alle aus-
gaben bringen, ist nur die lesart von C {gogel jure), während
A und B das richtige gogel fuore bieten.
I las wort wird in der ^'altherstelle entweder als 'gaukler-
leben' (Pfeiffer, Bechstein) erklärt, oder als Lebensart, die ewig
wechseil wie die künste eines gauklers' (Paul, Wümanns, auch
Simrock). Brauchbarem sinn gewährt die erste erklärnng, der
allgemeinen bedeutung von gougelvuore wird nur die zweite
gerecht: auf die richtige lesart gogelvuore aber passt kein«-.
Herman der Damen klagt einmal (Jen. Ldhs. XXIX 23):
Mi/n mvnt der hat sie uu gelogen Myt lobe <in manigen stunden
... Ich ne habt sie vürdieheyne (Ldeheine) vrivnt Dievryvnt
rar mynen ougen syni Vnde mich myt schaden hynden vntevndet
]), ,■ gougelvüre (h gogelvuore) vntgelte ich vil Die sie sus myt
myr triben, Der fahrende Ist auf gnade und Ungnade fremder
gastlichkeil überliefert Auch Walther erhebt immer wider
kl, Ho- aber demutigungen, mit denen er sein bleiben erkaufen
ums-, her wehrlose Bänger ist dem herrn und dem gesinde
das zielblatt ungefüger ueckerei: nä bin ich ali und hast mit
mir din gampelspil, wirft er (67,14) der gesellschaft ?or.
Schurr gereizt, will er überhaupt die höfe und die gehoßen
meiden: ich WaUher bi den ungehoften i><tl<ir beWx dm
gumpelspil 1 160, B9>
196 WALLNER
Da ist die Sehnsucht nach eignem herd, die Walther —
wie der alte Kerling — widerholen tlich ausspricht, wol be-
greiflich. Glücklicher als dieser, darf er endlich dem könig
für eine heimstätte danken: der edel Jcünec, der mute künec
hat mich beraten, das ich den sumer luft und in dem winter
hitze hän (28, 34). Hat Walther ein haus zum geschenk er-
halten? Der gewundene ausdruck scheint bloss anzudeuten,
er sei durch des königs freigebigkeit in den stand gesetzt
worden, sich ein heim zu gründen. Diese hoffnung erwies
sich jedoch als trügerisch, wenn man auf dies Wien den Spruch
27, 7 (der Jcünec min herrc lech mir gelt ze drizec marken)
mit recht bezieht. Die pfründe, der gültbrief, der so ansehn-
liches verhiess (der nam ist gröz 27, 10), ist trotz der juristisch-
gelehrten anpreisung durch des kaisers kanzlei (? der pf äffen
disputieren) wertlos, da die einkünfte nicht einzutreiben sind.
Immerhin ist durch die Schenkung der sänger unter dem hof-
schwarm des kaisers zu flüchtigem ansehen gelangt: min näch-
gebüren dunJce ich verre baz getan: si sehent mich niht mer
an in butzen wis, also si täten (28,36). Butzen heissen die
zu jedem unfug und Schabernack bereiten fastnachtsnarren:
Ich weiss noch etlich fassnachtnarren,
die in der dorenkappen bkarren.
wan man heilig zit sol vohen an,
so hindern sie erst iederman:
ein teil, die dünt sich vast berutzen,
antlit und üb sie gantz ver blitzen
und loufen so in böukenwis;
ir anscblag stat uf hälem is. (Narrenscbiff 110 b).
Böukenwis = butzenwis 'verlarvt'; bögk 'personatus der ein
butzenantlit tregt' (Maaler 73 b), 'larva, terriculamentum'
(Stalder 1, 202) DWb. II 221. Walther meint mit den butzen
wider seine quäler *), die ihm so oft die Gumpoltes gigen (Helbl.
9, 142) anzuhängen suchten.
Die gogelvuore in 31, 29 ist der gampel- oder gumpelvuore,
dem treiben der butzen gleichzustellen. 'Schabernack und possen,
denen man ausgesetzt ist', dürfte den sinn des Wortes in der
Waltherstelle treffen: Waz gogelvuore ist dazl 'wie possenhaft
') In butzen wis auf Walther zu beziehen, wie durchwegs geschieht,
gebt sprachlich und sachlich nicht an.
Zu WALTHBB von DBB VOGELWEIDE. 197
wiid einem mitgespielt!' Es ist die kargheit der herren, die
mit ihm gogelvuore treibt, wenn sie ihn wie einen BpielbaU
nmlierschleudert in der weit, ihn heute hierhin, morgen dort-
hin wirft
35, 18 (75, 151). wünsche mir ze weide, und niht ee
walcU .- ich enkan niht nuten. Zu den gesammelten parallileii
(Beitr. 33, 26) ist noch eine von Simrock- Wackernage] Ml L68)
beigebrachte stelle aus dem Welschen gast (v.349 it.) nachzu-
tragen, in der 'nur hofleute nnd bauern nnterschiedeii werden':
Bwer niht merket daz er siht,
erne bezzert sieb dfi von niht:
im mülite siu also msere
daz er da ze holze wsere,
so da ze hove.
Mit recht sieht Wackernagel darin eine formel, die auch Kaiser-
chron. L2185 durchblicke: M soffest pültcher da :<■ holze vorn,
danne di mägede hie (in sinem ftove 12180) bewarn. Mit dem
weäldgenge (?), skoggangr (EA U334) hat aber Walthers Ver-
wünschung nichts zu schaffen. Auch liegt dem Spruche nicht
— wie die beiden herausgeber annahmen — eine harmlose.
einladnng Liupolds zu gründe, der sänger möge mit ihm nach
den holzfalleni im wähle sehen, während dieser lieber bei der
Hofgesellschaft auf dem nahen fehle bliebe. Daher gehl auch
die Bchlussfolgerung fehl; 'die alliterierende Zusammenstellung
vmi höh and hof musste Walther aufgeben, da - und
ze höre diesmal einerlei war.' Die forme] wird nicht auf-
gegeben, sondern umgeprägt in ee walde ee weide, als der
zurechtgewiesene Bpielmann mit erzwungenem Bcherz von der
bösen anspielung1) ablenkt und dem herzog erwidert: •wenn es
dir in der gesellschaft, die ich unterhalte, nicht benagt, so geh
du in den wähl jagen!'
5C», 14 (52). Tr snff sprechen wiUekomen. Die Bchluss-
Strophe des liedes in der ha C fehlt A and E. Lachmann
setzte Bie in folgender gestall in den text:
;(7. LS Dei ii ii vil gedienet bin
und iemer gerne dienen «ril,
i Vgl. n. .. h Beinrichfl Trist 1976 nnd Hngdietricha worte Bber den,
frit et wlhnt, nnehrlicfa o Wolfdietrich
bometn, ivn " rehi Wolfd \
108 WALLNER
diust von mir vil unerlän:
iedoch so tuot si leides mir so vil.
si kan mir verseren
20 herze und den muot.
nü vergebez ir got dazs an mir missetuot.
her nach mac si sichs bekeren.
Die humoristische schlusspointe ist waltherisch: 'was sie mir
zu leide tut, das möge gott ihr jetzt verzeihen; in Zukunft
aber soll sie sich bekehren!' Die Strophe trägt auch phraseo-
logisch Walthers gepräge: vgl. 98, 28 der ich diene und alles
her gedienet hän\ 119,3 wol mac si min herze seren1): ivaz
danne, ob si mir leide tuot? si mac ez wol verkeren. Es bleibt
also nur zu erwägen, ob diese Waltherstrophe — ihre echtheit
hat auch Lachmann nicht bezweifelt — an dem richtigen
platze überliefert oder bloss hierher verirrt ist, da sie in zwei
hss. fehlt. Auch dieser zweifei ist abzuweisen, denn die Strophe
ist an ihrer stelle unentbehrlich. Einem minnelied darf die
persönliche note nicht fehlen; ihm dient das lob der frauen
insgesamt — hier der deutschen — nur als folie: 'wenn ich
auch alle frauen preise, die eine der ich diene, diust von mir
vil unerlän!' So trägt Walther in 91, 17 einem jungen man
lehren vor über den wert der minne und der frauen, um in
der letzten Strophe auf seinen eigenen liebeskummer anzu-
spielen. So wendet er sich in dem liede 42, 15 (in Wacker-
nagels anordnung) und in 92, 17 vom lobe aller frauen zu
seiner dame. Die Strophe 53, 15 mit ihrer bitte um entschul-
digung', dass er in fremden landen edeln und schönen frauen
nachfrage, da doch nur die sprödigkeit der einen ihm nahe-
gehe, wäre auch kein übler abschluss für unser lied, an das
— in 117, 15 — wider die verquickung vaterländischer sorgen
mit dem liebeskummer gemahnt: tverdent Husche Hute ivider
guot, unde trapstet si mich diu mir leide tuot, so ivirde ich aber
wider frö.
Als abschluss des liedes 56, 14 lässt sich also gegen die
plusstrophe in C nichts einwenden. Anderseits ist leicht zu
begreifen, warum die Strophe in A und E fehlt. Das lied ist
viel gesungen worden. Walther selbst beruft sich einmal
darauf ( [wä nü] swer Huschen wiben ie gesprceche bazl
l) 57,19 ist überliefert: si kan seren mir herze und den muot.
ZU WALTHEB VON DBB VOGELWEIDE. 199
58,34) und weiss, dass die anspielung verstanden wird. Es
brauchte nicht erst das zeugnis im Franendienst, wo b.240
— die erste Strophe als geflügeltes wort, als gemeinplatz Ver-
wendung findet, um die weite Verbreitung des liedes zu er-
weisen. Wie nicht bald ein zweites, eignet sich dieses lied
wegen seiner allgemeinen haltung zum nachsingen and der
vaterländisch stolze ton musste allenthalben freudigen Wider-
hall wecken. Die letzte Strophe aber, die diese allgemeinheit
zerstört und den prachtvoll nationalen ton am ausklii
hindert, die hat sicher niemand nachgesungen: sie ist Privat-
sache des dichters, nur auf seinen eigenen Vortrag berechnet.
und darf da allerdings nicht fehlen.
Der Verlust einer Strophe ist nicht die einzige entstellung,
mit der das lied seine Popularität bezahlte. Es ergieng ihm
ähnlich wie dein berühmten Spruch vom welschen schrein,
dessen Überlieferung in A und C ganz auseinander geht und
der in der einen hs. obendrein eine derbe erweiterung um fünf
zeilen aufweist. Zersungen wie ein Volkslied tritt uns das
lied in der Würzburger hs. entgegen; aber auch die texte von
A und C spiegeln keineswegs dasselbe gesicht,
Wie das lied, vielleicht noch zu Walthers zeit, im v<dks-
mund umlief, das verrät wenigstens für eine Strophe, und
damit für die metrische gestalt des ganzen liedes. der Frauen-
dienst [Jnd darin kommen A und E mit ihm über ein, und
Lachmann hat nach dieser gruppe seinen text hergestellt
hie. authentische fassung ist das aber nicht, sondern die vul-
gata, wie die schlussstrophe inC beweist Wilmanns, der ihre
echtheil bezweifelt, macht ausser der isolierten Überlieferung
den voll den Übrige]] slrnphell abweichenden hall geltend:
auftakt in der zweiten und vierten zeile. Er hätte Doch
hinzufügen können: Verkürzung der fünften zeih-. Lachmann,
der diese /.eile reckte, vermochte die andern Ungleichheiten
nicht zu ebnen und deutele dies durch abrückung der Strophe
an. Hielt er aber die Strophe an diesem platze für echt —
und sie Nt es ohne zweifei - dann musste er Beinern texte
die hs. (' zu gründe legen, die das lied in einem andern
ton als A. !•'.. L bringt, eben in dem tone dieser Strophe:
200 WALLNER
Ir sult sprechen willekomen:
der msere bringet, daz bin ich.
allez daz ir habt vernomen,
dast gar ein wint: nü fraget mich.
5 ich wil miete:
wirt min Ion iht guot,
ich sage in vil lihte daz in sanfte tuot.
seht waz man mir eren biete.
Ich wil tiutschen frowen sagen
10 solh msere daz si deste baz
al der werlte snln behagen.
an groze miete tuon ich daz.
ze richeme löne
sint si mir ze her,
15 so bin ich gefüege und bite si nihtes mer
wan daz si mich grüezen schone.
Tintsche man sint wol gezogen,
Als engel sint diu wip getan,
swer si schildet, derst betrogen,
20 ich enkan sin anders niht verstau,
reine minne,
swer die suochen wil,
der sol komen in uuser laut, da ist wünne vil:
lange müeze ich leben dar inne.
25 Ich hau laude vil gesehen
und nam der besten gerne war:
übel müeze mir geschehen,
kuude ich min herze ie bringen dar
daz gevallen
1 sült alle E. 2 iu L, vch A, ü nüwe E. 3 habent C. 4 dest A,
daz ist E, allez für gar E, ir für nu L. 5 aber AEL. 6 vn ivirt 0,
ze ihte E. 7 iu vil] ü EL, vil A, fehlt C. 8 fehlt L, sehet C, mir
(lebe zuo mite E.
10 solichb A(E), solhu C. 12 ane ACE (vgl. 70, 2). 13 ivaz wolde
ich zelone A, ivirt mir E. 14 si sint mir zeher A, Sit si mir sint ze
her E. 15 unde enbite sie E.
17 — 20 Falsches volk ist gar betrogen sie enkünnen eren niht began
tusche man sint ivol gezogen reht als engel sint die wip getan E.
18 rehte A. 19 schüfet derst gar A. 21 tvgent vn reine minne AC,
fraude und E. 24 wonen E.
26 vn nam der beste A. 28 hvnde A, künde E, min hertze ie E,
bringe A. 29 daz ime ivolde wol gevallen AC, daz mir gevallen wolle
tobende säe E.
ZD WALTHEB VuN DER VOGELWEIDE. 201
30 wolde im frümder site.
nü waz hülfe mich, oh ich onrehte strite?
tiutschiu znht gat vor in allen.
Von der Elbe unz an den Rin
und wider nnz au Fngerlant
35 BÖ mögen wo] die besten sin
die ich in der werfte hau bekant.
kan ich schouwen
guot geläz und Up,
sein mir gut, BÖ Bwtiere ich wol daz da diu wlp
■40 bezzer sint danne ander frowen.
Der ich vil gedienet hau
und iemer gerne dienen wil.
diu ist von mir vil unerlän:
so tuot si Leides mir sO vil.
45 si kau seren
herze mir und den muot.
nfi vergebez ir got daz si an mir missetuot;
her nach — mac si sichs bekeren!
Der abweichende ton ist in der lis. C nicht durchaus fest-
gehalten worden, denn ihr lag- ja das lied auch in der fassung*
der A-quelle vor. wie die Strophe Ich hän lande vil gesehen
zeigt, die mit allen fehlem von daher übernommen wurde:
htmde ich ie min herze bringen dar (E Jcönde ich min hertze
ie b. rf.i da£ im woldewol gevallen \ frömder site (E da* mir
gev allen wölte tobende site). waz huJfe mich etc. (K nu was.
//. »>.). Von dieser verderbten stellt- abgesehen, ist die zwei-
hebig klingende fünfte zeile nur ein einziges mal geschwellt
(tugent und reine minne) und so darf man wol auch das für
eine 'aufbesserung' aus A.C halten.
Wir stehen nun vor der frage: welcher ton isl der ur-
sprüngliche? Da entscheidet dietatsache, dass die änderungen
;:i m K. fehlt Ä.C, vil rehte A tUei wtir vor m B
:;i her wider A. wider her E tu der mgerlanl \.
ngeüatü B. :>."» da v \. - rkm I A l".
.'(7 rehte sehowen \. kenU ich rehter frawoen B. 38 guete E,
/•// den C, top A. B9 lomer goi E, Fehlt a. hie AK. 40 sehoener B,
andei dort dit E
41 18 fehlt in AK. u iedoch C. l»i mir i/u> herze vH den
muul i
202 WALLNER
in C sich nirgends als nachträgliche kürzungen verraten. Es
handelt sich durchwegs um den ausfall von flickwörtern, wie
sie das streben nach trivialer deutlichkeit mit sich bringt:
der in — nüive setzt E noch hinzu — mcere bringet, daz bin
ich; vgl. Dietrichs flucht 2762 der mcere bringet das bin ich.
— ich ivil aber miete; den sinn 'ich verlange natürlich lohn'
kann mündlicher Vortrag auch ohne dies aber deutlich machen.
— waz wolde ich ze löne? si sint mir ze her; das ist. mit der
lesart von C verglichen, eine noch dazu schlecht bezeugte
vulgarisierung.1) — daz gefallen \ ivolde in frömeder site; die
ungewöhnliche Wortfolge konnte im volksmund natürlich nicht
erhalten bleiben. — Jean icli scliomven 'verstehe ich zu prüfen'
entbehrt das flickwort rehte ebenso leicht, wie die zeile als
engel sint diu wip getan. So verstärkt A in der nächsten
zeile auch das betrogen durch ein gar.
Durchwegs dienen also die pluswörter nur zur verflachung
und Verdeutlichung lakonischer oder ungewöhnlicher Wendungen
und zu volkstümlicher Unterstreichung des sinnes, und es ist
nicht nötig, anpassung des textes an eine andere, bekanntere
melodie zu vermuten. Wie die sichtlich aus mündlicher tra-
dition stammende fassung in E zeigt, muss die musikalische
ausgleichung dieser und ähnlicher metrischer Schwankungen
nicht unmöglich gewesen sein.
Ich kann diese erörterung nicht schliessen, ohne der jüngst
von Nickel (Sirvehtes u. Spruchdichtung s. 21) vorgebrachten
hypothese über die veranlassung des liedes zu gedenken.
Nickel sieht darin eine entgegnung auf Peire Vidals schmäh-
verse gegen die Deutschen (41,2. 4,8). Der verrückte troubadour
weilte 1196/97 in Ungarn, wo die eine seiner schmähstrophen
entstand, und Walthers verse, die ja an Ungarns grenze zuerst
gesungen wurden (56, 39), seien die antwort: tiusclie man sint
wol gezogen, relit als enget sint diu wip getan, swer si scJiildet,
J) Ein iudirectes zeugnis für die eebtbeit der lesart von C ze richeme
löne bietet die von Wilmanns angezogene reminiscenz an 56, 26 ff. bei Waltber
von Klingen (MSH. 1, 73b): nu gere ich anders niht von in ze dienest-
Hchem löne wan sivä ich bi guoten vrouwen bin, daz si mich grüezen
schöne. Vgl. aueb Waltb. 49, 12: Ich sanc hie vor den frowen umbe ir
blözen gruoz: den natu ich wider minem lobe ze löne. Swä ich des geltes
nü vergebene warten muoz, da lobe ein ander, den si grüezen schöne.
Zu WALTHEB VON DER VOGELWEIDE.
derst betrogen. Gegen diese bezielmng spricht so ziemlich alles.
Walther preist die deutschen frauen und das hebt er seihst
hervor, wo ersieh auf dies lied beruft (58,34. 19,12), und
gegen die heimischen Verächter des frauendiensts, gegen das
'scheiden wip' ist die zeile s/nr si schildet, derst betrogen ge-
richtet. Der Romane aber greift nur die männer an, die er
als tölpelhaft, schurkisch, schlecht und undankbar beschimpft.
Aul solche anwürfe hätte Walther nicht mit gelassenem lächeln
in einem minnelied erwidert, sondern durch einen scharfen
sprach. Die Strophen Vidals (lim — 1197 entstanden, vgl.
Schultz-Gora, Lithl. 1908,8.322) und Walthers antwort würden
auch weit auseinander liegen, denn das lied zeigt Walthers
reifste arl und man wird von dem terminus ad quem, den der
Frauendienst gewährt, nicht zu weit nach vorne gehen dürfen.
Mass das lied in Wien entstanden sei, ist eine recht luftige
Vermutung, denn die lesarl her wider würde — auch wenn sie
gesichert wäre - - nur verraten, das das lied nicht am Rhein
entstand. Nickels schwächste stütze ist aber die lesart in E
Falsches volk ist gar betrogen, wofür Haupt vorschlug, rValschee
voUc zu lesen. Wäre die conjeetur richtig, dann hätte diese
fassung gewiss nicht frömecL site in tobende site geändert und
vngerUmt in engellant
101,)J0 (84,8). ich hure din ungefüege in friundes s\
her metaphorische ausdruck wird erst verständlich, wenn man
an das alte symbol der adoption und Vormundschaft denkt, an
das schosssetzen und beschlagen mit dem mantel: RA I 6
und DWb. IV 2552 (gehrhab), 2548. Natürlich ist hier nicht
an wirkliche Vormundschaft zu denken: 'wie ein Vormund für
Beinen mündel, trat ich für deine zuchtlosigkeit ein.' Ein
grund, den ausdruck ichuole in v. 33 bloss bildlich zu nehmen
und Walther zum politischen ratgeber könig Heinrichs zu
machen, liegl nicht vor. I>ie Prophezeiung für den nachfolger
in der schuoli hat, da stii sin Jcunst
sunder obedach kann wol nur aui einen zuchtmeister gehen.
Walther tritt ans hier in dem Bpielmannsaml des erziehen eines
vornehmen knaben entgegen (Wackernagel, I inn 17
GB \X. I5.dec I \\T<>\ WALLNER
WALTHER 66,15.
Dass von der nur in C überlieferten Waltherstrophe 66, 13-20
Swie liep si mir von herzen si,
so mac ich doch vil wol erliden
15 daz ich ir si zem besten bl:
ich darf ir werben da niht niden
u.s.w. die zeile 15 verderbt ist, dürfte feststehen, ebenso aber
auch, dass eine völlig befriedigende heilung der stelle noch
nicht gefunden ist. Von älteren Vermutungen führt Wilmanns,
Walther2 (1883) s. 467 an: daz ich ir sihe ze manegen bi Lach-
mann, daz ich ir si zem lesten bi Wackernagel, daz ich ir si
zen besten bi Simrock. Von diesen hat keine in die neueren
ausgaben eingang gefunden, und mit recht, denn keine gibt
einen brauchbaren gedanken (die von Simrock dürfte übrigens
den meisten lesern wol ebenso unverständlich sein, wie mir;
vgl. s. 205, anm.). Sonst ist mir nur noch der zweifelnde Vor-
schlag von Scherer, Anz. fda. 10, 310: daz ich ir sihe geste bi
bekannt geworden, der Lachmanns sihe (das als indicativ hier
an sich schon etwas befremdlich ist) aufnimmt, mit geste aber
näher an dem besten der hs. bleibt. Deswegen mag wol Wil-
manns diese lesung in die zweite aufläge seiner kleinen text-
ausgabe (Halle 1905, no. 63, 19) aufgenommen haben. Paul
lehnt sie dagegen stilisch weigends mit ab (Walther3, Halle
1905, no. 32, 19) , und ich kann das nur billigen. Denn ich
sehe nicht, was die geste hier sollen. Zumal bei Walthers
ganz prägnanter gebrauchsweise des wortes gast (s. die stellen
bei Horning s. 102) könnte der satz ja nur heissen ' dass ihr
fremde ins haus gekommen sind', und das steht wenigstens
für mich nicht in einem greifbaren bezug zu den getrogenen
und dem rüemic man von 66, 19 f., zu denen doch irgend eine
brücke hinüberführen muss (weiteres dazu unten s. 205 f.). So
mag es denn gestattet sein, einem fünften emendationsversuch
WALTHER 66, 15. 205
räum zu geben, der mir vor jähren einmal eingefallen ist, und
für den änsserlich vielleicht mit spricht, dass er Bich (wie ich
erst jetzt beim niederschreiben dieser zeilen bemerke) der all-
gemeinen gedankenrichtung aach mit einer anffassnng berührt,
der Simrock in den späteren ausgaben seiner Übersetzung aus-
druck verliehen hat
Der grundgedanke der Btrophe ist ja klärlicli in 66, 17 f.
ausgesprochen: Walt her fürchtet keine concurrenz, die ihm
bei der geliebten schaden könnte, und brauchl sie nicht zu
fürchten, wie er uns selbstbewusst versichert. Lieg! es da
nicht nahe zu vermuten, in der verderbten zeile habe ursprüng-
lich etwas gestanden, was den begriff jener concurrenz näher
definierte, und zwar nach der steigernden seite hin: "keine
concurrenz, wenn sie auch noch so gefährlich aussieht', oder
'keine concurrenz, und wenn ich auch mit den besten wett-
eifern muss'? Etwas ähnliches hat. wie angedeutet, offenbar
schon Simrock herausgefühlt, wenn er (no. 137 der 6. ausgäbe)
übersetzt: 'So mag ich doch nun wol erleiden. Steht auch dem
besten zutritt frei.'1) Das wäre denn mhd. vermutlich
du ich ie si den besten bl,
d. h. 'ich bin ganz damit zufrieden, mich immer nur den besten
bewerben! zuzugesellen: auch von diesen wird ja keiner mir
eintrag tun können.1 Damit gewinnt auch das ir von z. IG
{ich darf ir werben da niht nideri) eine feste beziehung, and
der gedanke wie der vorgeschlagene ausdruck hat eine stütze
an ^0. _ Frouwe, enl&t Luch niht venlriezen
iniinT rede, ob ri gevnege si.
86, 1 mShte ii-ha wider iueh geniesen,
b6 \v;ir ich den besten gerne bt
heim auch da Bagl ja Walther, dass er nur mit den besten
wetteifern wolle, wenn die dame ihm das zum guten anzurechnen
bereit Bei | aber rerwante gedanken & Wilma im-, Leben Walthers
s. 188 nebst den zugehörigen anmerkungen). —
Hart bleibt freilich auch bei dieser auffassung der Über-
gang auf 66, 19 i.. denn man wird schwerlich annehmen dürfen,
dass die getrogenen und i iemigen den besten gleichzusetzen
') Etwas ähnliche! mag ftimroob wo] aneh mit - ;> w H
ut haben: aber die*' geben dai nicht her.
206 SIEVKRS
seien, von denen Walther eben gesprochen hat. Die rüemigen
speciell sind ja offenbar die eitlen prahler (vgl. namentlich
41, 16. 25), dann aber die getrogenen auch gewiss diejenigen,
die sich leerer hoffnung hingegeben haben, ohne die grundlage
inneren wertes, der sie zu einer hoffnung berechtigt (zum aus-
druck vgl. mich entriege ein wän 120,37, auch 116,7; auch an
Hartmanns kreuzlied MF. 218, 21 f. mag man mutatis mutandis
erinnern): beide aber hätte Walther, der so oft den gegensatz
zwischen dem edlen und unedlen werber betont, gewiss nicht
den besten zugerechnet, deren mitwerben er sich siegesgewiss
gefallen lassen will. Innerhalb unserer Strophe finden also
die beiden Schlusszeilen wol keine ausreichende erklärung.
Aber die ganze Strophe steht ja so wie so ohne äussern an-
schluss da (das hat Scherer a.a.O. ganz richtig betont, und
auch Wilmanns hat die Strophe danach in der textausgabe von
1905 wider von den beiden vorhergehenden abgetrennt), und
ihr inhalt ist wol auch nicht so geschlossen und abgerundet,
dass man sie sich gerne von vornherein so isoliert entstanden
dächte, wie sie in der Überlieferung dasteht. Ich möchte also
vermuten, dass ihr ursprünglich noch mindestens eine andere
Strophe vorausgegangen sei, auf deren inhalt Walther mit den
Schlusszeilen 66, 19 f. zurückgegriffen habe. Was im einzelnen
darin gestanden haben möge, lässt sich natürlich nicht sagen,
aber man möchte fast meinen, eine energische absage an alle
unedlen werber, aus dem munde der dame (eventuell durch
den mund Walthers) sei doch dabei gewesen. Waren dadurch
die unedlen von weiterem werben ausgeschlossen, so konnte
Walther recht wol fortfahren, dass er auch den mitbewerb
der besten nicht fürchte: denn niemand werde seine dame
wankend machen können: 'das < aber > freut mich, dass jene
betrogenen [die sich eitler hoffnung hingegeben haben] nun
erfahren, was sie getäuscht hat [nämlich ihr eigner unwert],
und [formell parataktisch anknüpfend, dem sinne nach aber
begründend, = 'denn'] schon lange hat mich's verdrossen
{mir st . . . alze lanc), dass prahler zu ihr zutritt fanden'. *) —
J) Die Übersetzung der letzten zeile ist natürlich ungenau, aber sie
muss es sein, weil sieb bei Walther offenbar zwei gedanken gekreuzt haben,
nämlich 'mich hat verdrossen, dass prahler zu ihr zutritt gefunden
haben' und 'mich verdriesst's, wenn ein prahler je (iemer, auf die zu-
WALT HUR 66, 15.
Wenn die üben empfohlene conjectur das richtige trifft,
so hat sie, um auch das nicht zu übergehen, zugleich noch den
vorteil, dass sie sich auch formell dem sprachmelodischen typus
des gedichts gut einfügt, was man weder von dem überlieferten
text, noch von den andern erwähnten vorschlagen sagen
kann. In den vierhebigen versen1) der drei dem tone nach
zusammengehörigen Strophen bilden nämlich die hebungen nach
niederdeutscher Intonation eine (übrigens bei Walther ausser-
ordentlich beliebte) gleichmässig aufsteigende, nach hoch-
deutscher gleichmässig absteigende tonreihe (also niederdeutsch
. ' * , hochdeutsch " • . , beidemal mit nur kleinen
tonschritten), und so auch bei der lesung acut ich ic si den
besten M. Bei den andern leseweisen aber wird, wie die probe
leicht zeigen kann, die sonst glatte reihe irgendwie gebrochen,
am auffälligsten bei der von Scherer vorgeschlagenen dag ich
ir sihe </cste Vi. Bei ihr springt das wort geste nach nieder-
deutscher intonation übermässig in die höhe, und bi fällt dann
wider nach unten ab, und umgekehrt bei hochdeutscher intona-
tion (also niederdeutsch . • . , hochdeutsch • , ;
ausserdem verschiebt sich bei ihr das niveau der ganzen zeile
gegen das der übrigen (nach oben bei niederdeutscher, nach
unten bei hochdeutscher intonation).
Man wird allerdings dieser auffassung der sprachmelo-
dischen form unserer Strophen und überhaupt der fordernis
melodischer constanz vielleicht die eingangszeilen 65, 33
In einem zwivellichen wän
was ich gesezzeu, uud gedähte
u.s.w. entgegenzuhalten geneigt sein, denn hier hat die erste
zeile ja unzweifelhaft auch einen brach (niederdeutsches Schema
• * #, hochdeutsches ' • . * ), nicht eine glatte ton-
kunft deutend; bei ilir zutritt findet' (sc. wie das nach den gesellschaft-
liehen Verhältnissen nicht zu umgehen ist). Wilmanns1 omschreibnng:
'ea freut mich, wenn die betrogenen liebhabet .-ir rechl kennen lernen, und
doch dauert es allzu lang, dass rie mit ihnen verkehrt' kann ich mit den
textworten nicht recht in einklang bringen Audi bei dieser auffassung
bleibt übrigens das ienter ein stein des anstosses, Heber die annähme einer
gedankenkreusung wird man also wol auf keinen fall hinwegkommen.
') Gleichviel oh mit stumpfem oder klingendem ausgaug: auf • 1 i <l-
Iftngeren verse brauchl hier oichl eingegangen zu werden.
208 SIEVERS, WALTHER 66, 15. — LITERATUR.
reihe. Dem gegenüber wird es aber wol genügen, auf Lach-
manns anmerkung zu verweisen: 'der dativus ivän ist unrichtig:
soll man lesen Uf einen zivivellichen wänV (vgl. auch Wilmanns
zur stelle und s. 29 f.). Der melodische anstoss trifft also auch
hier wider mit einem anstoss anderer art zusammen, und so
wird man nun nicht mehr zweifeln dürfen, dass der dativ hier
wirklich 'falsch' ist und durch einen acc. ersetzt werden muss
(einerlei wie man über die frage des eventuellen uf denkt).
Stellt man diesen acc. ein, so erscheint sofort auch die un-
gebrochene tonreihe wider, die ich als für unsere Strophen
charakteristisch und verbindlich ansehe.
Im vorbeigehen sei dann noch angemerkt, dass auch in
66, 14 so mac ich doch < vil > wol erliden die melodischen
Verhältnisse gebieterisch die von Lachmann vorgeschlagene
ergänzung (vil) fordern. Ohne sie fällt die zeile (um von son-
stigem abzusehen) wider aus dem niveau des übrigen heraus.
LEIPZIG, 19. november 1908. E. SIEVERS.
LITERATUR.
(Verzeichnis bei der redaction eingegangener Schriften).
Brandstetter, Joseph Leopold, Die Rigi und der Pilatus, zwei grenz-
steine zwischen Helvetien und Rhätien (Sep.-abdr. aus dem Geschichtsfreund
hd. LX1II). Staus [1909]. — 42 s.
Brockstedt, Gustav, Das altfranzösische Siegfriedslied. Eine recon-
struction. Mit einem schlusswort: zur geschichte der Siegfriedssage. Kiel,
R. Cordes, 1908. — XII, 178 s.
v. Grienberger, Theodor, Das Hildebrandslied (Sitzungsber. d. Wiener
Akad. phil.-hist. cl. 158. band, 6. abh.). Wien, Holder 1908. — 109 s.
Hugo von Trimberg, Der Renner, hg. von Gustav Ehrismann.
Band II (Bibliothek des Literar. Vereins in Stuttgart 248). Tübingen 1909.
- 315 s.
Kauflfmann, Friedrich, Zur textgeschichte des opus imperfectum in
Matthaeuin (Festschrift d. univ. Kiel). Kiel, Lipsius & Tischer, 1909. — 49 s.
Kluge, Friedrieh, Etymologisches Wörterbuch der deutschen spräche.
7. verbesserte und vermehrte aufläge. 1. lieferung A — Fohlen. Strasshurg,
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Meier, John, Werden und leben des volksepos. Rede, geh. d. 15. nov.
1907 am jahresfeste der univ. Basel. Halle, Max Niemeyer, 1909. — 54 s.
Paul, Hermann, Prinzipien der Sprachgeschichte. 4. aufläge. Halle,
Max Niemeyer, 1909. — XV, 428 s.
Vogt, Friedrich, Der bedeutungswandel des Wortes edel. Rede beim
antritt des rectorats gehalten am 18. october 1908. Marburg, Elwert, 1908.
— 36 s.
RELIGIONSGESCHICIITLICHE BEITRÄGE
ZUM GERMANISCHEN FRÜHCHRISTENTUM.
I. Der jenseitsgedanke in der angelsächsischen
dichtung.
Das frülichristentuin der Germanen ist beherscht von der
zweckidee. Ein naiver und massiver eudaimonismus, die aus-
siclit auf belohnung im himmelreich, bildet den kern des
religiösen bewusstseins. 'Man wird mitglied der kirclie, um
teil zu haben an ihren Segnungen, zunächst am ewigen Seelen-
heil' (Haase, Kirchengesch. 2,47). Augustinus, der apostel der
Angelsachsen, gewann für seine neue lehre dadurch zutritt zu
dem kentisehen könig Aethelbert, dass er ihm verkündigte: se
nuntium ferre Optimum, qui sibi obtemperantibus aeterna in
caelis gaudia et regnum sine fine cum deo vivo et vero futurum
sine ulla dubietate promitteret (Beda, Hist. Eccl. I 25). Die
bange ungewissheit über den zustand nach dem tode machte
die gemüter empfänglich für die aufnähme der christlichen
lehre. Als könig Edwin von Northumberland seine rate wegen
einführung des Christentums befragte, antwortete einer der vor-
nehmen, indem er das leben des menschen mit einem durch
den künigssaal fliegenden sperling verglich1):
talis mihi videtnr Tita, rex, bominnm praesens in terris ad compara-
tiouem ejus, ijuod nobü incertam est, temporis, quäle cum fce residente ad
eenam mm dncibna ac ministris tnia tempore brumali, accenso qnidem foco
in medio ei calido effecto cenacnlo, farentibua antem foria per omnia tur-
binibna biemalinm plnviarum vti oivinm, adveniensqne onus passernm
doinuin oitissime pervolaverit; qui cum pez annm osüam Ingrediens mox
i"i aliud exierit ipso qnidem tempore, quo intua est, biemia tempei
non tangitnr, aed tarnen paryissimo Bpatio serenitatia ad momentnm ex-
cursc», mos de bieme in biemem regredieni tnia oonlii elabitnr. Ita baec
») Beda II L8,
Beitrage zur geichichtc der deutschet! Ipamch«, XXXV. 14
210 EHRTSMANN
vita liominum ad modicum apparet; quid autem sequatur
quidve praecesserit, prorsus ignoramus. Unde si liaec nova
doctrina certius aliquid attulit, merito esse sequenda videtur.
Das heidentum gab darüber keine auskunft, der christ-
liche priester aber wusste antworte er wusste, wie es um die
zukunft der seele bestellt war und schilderte der heilsbegierigen
menge die wonnen der himmlischen herrlichkeit oder auch die
schrecken des gerichtes und der hölle. Das hatte erfolg. Quid
mora? Crediderunt nonnulli et baptizabantur, mirantes sim-
plicitatem innocentis vitae ac dulcedinem doctrinae eorum
caelestis (I 26).
Einer von denjenigen, welche dem angelsächsischen volke
die dinge vor und nach dem leben eröffnete, war auch Caedmon,
denn ihm war im träum die stimme geworden : Canta principium
creaturarum (Beda IV 24 [22]), und sein erstes lied galt dem
urheber des himmlischen reichs, dem schöpfer himmels und der
erde und des menschen. Und später, berichtet Beda weiter,
canebat autem de creatione muudi et origine humaui ge-
il er is et tota genesis historia, de egressu Israel ex Aegypto et ingressu
iu terram repromissionis, de aliis plurimis sacrae scripturae historiis, de
incarnatione dominica, passione, resurrectione et ascensione in caelum, de
spiritus sancti adventu et apostolorum doctrina. Item de terrore futuri
iudicii et horrore poenae gehennalis ac dulcedine regni cae-
lestis multa carmina faciebat.
Also die ganze heilsgeschichte, und damit den Ursprung
der menschheit und ihren ausgang, jene dunkeln gebiete, über
welche die heidnischen priester keine auskunft wussten, er-
klärte Caedmon.
Und so enthalten auch die ersten worte, die Jesus als
lehrer im Heliand spricht, die frohe botschaft vom himmel-
reich: nu is it al gefullot so, so Mr aide man er himanna
spräcim, gelietun eu te helpu JiedenriJd: nu is it giu ginähiä
thurh thes neriandan craft: thes motun gi neotan fönt, so huue
so gerno uuili gode theonogean, uuirkean aftar is uuilleon
1141 ff. Das ist gleich das thema des ganzen gedientes:
Christus ist der lehrer, der das himmlische heil verkündigt,
und erlangen werden es die zum lohn, welche an seine lehre
glauben (vgl. Engl. Studien 37, 281).
Auch in den glaubensanschauungen steht das altsächsische
gedieht näher zu den verwanten Angelsachsen als zu dem
ZUM CKUMAN'ISCIIKX IKM Hl I Kl - ITA' H M. 211
fremderen hochdeutschen Christentum. A.ber die grundstimmung
isl bei Otfrid dieselbe, dass das Christentum heilslehre ist
iini] der glaube das heil bringt, denn gleich am abschluss der
ersten Widmung, an könig Ludwig, stellt er als /weck seines
dichtens auf (v. 87 — 91): Themo dihton ih thie buah; oba > r
habet iro ruäh, odo < >■ thcu giweieit, ihn: er sa lescm heiait:
Kr hiar in thesen redion mag h>>mi evangelion, was krist in
flu u gibieie Frankono thiete. Regula therero buaehi uns zeigot
himilrichi (vgl. C. Pfeiffer, Otfrid, der dichter der evangelien-
harmonie im gewande seiner zeit s. 107),
Im angelsächsischen nun ist die Vorstellung- vom jenseits
in eine ganz bestimmte form gekleidet: das himmelreich isl
die wohnung, das erbgut, die heimat In den freieren, nichl
unmittelbar an einen biblischen text gebundenen dichtungen
ist dies ein beliebtes motiy. Es begegnet:
miil sin gescefta [ordfroman] ceosan us eard in wuldre, mid ealra
cyninga i>niii-i-. <<■ is Criat genemned Satan 204; paar is brade lond,
byhtlicra harn in heofonrice Criate gecwemra. Dton acerran j>i«ler, da?r he
Bylfa Bit, Bi^ora weidend, drillten hauend in dsam deoran ham 216; Nn u
jesem- pml wf geaynjodon appe on earde 230; pset vre woldon awa dryhten
adrifan of pam deoran ham 256; tsBced ns se torhta tromlicne ham 2'M:
Leeded to lihte, pasr hie lif a^on, upliene ham 361; wolde manne rim fela
Amanda ford gelmdan ap to edle 401; p»t wi( Msed ulitun. hakgne ham,
beofon to gewealde 114; l»nt. La, wies fsejer, J?aet se feda com Dp to
earde 457; forde to foldan porh fsemnan had ofan front edle 495; |v-
de ic of bjBftnm ham gelsdde up tu earde 505; paaa de In- ns of hseftnm
ham gelaxlde ap tu edle ",.",::: and eoröan tndor ... to piasnm eadijan
ham 659. Sancta Hierusalem, cynestola cyat, < ristt-s bnrjlond, enjla
epelatol I hriat 50; t" heofonhame in pam ecan ham 905; pumidfsBder
pinne gefyrn wsare efenwesende in pam BBpelan ham B49; wile ap h tan
eard geatisan mpelinja ord mid paa enjla gedryht, ealra foloa troma
epelatol 514; enjla eard ... pone maran ham 646; on ej>el faxen enjla
die im.-- 1343; aeorxnawongee wlite i Idee agiefan geomox mod,
edel 1406: pal pn motte gemli; minot epelrlcee eadi; aeotaa 1461;
• .im i.- vram im edle piuuiii w.u. dal ii m epel, pe oo jeendad weorped
1640; eat t im Lidfara to pam bälgen ham 1674 |
blteda beorhtoat, boldwela fsejroet, bama byhtlicoet balejam mibtom torhl
ontyned Andreai ; ■< tum pa -•• halga heim aslwihia engla
pend to pam apliean edelriee 118; openjla frnma i ' 226; on
apwi ; edl irenede to iraldn areored annuate to pam bälgen
ham beofonarkea L68B balijra mod, da pe hin to heofonnm hyge acap-
eliad, vriton paet m edel • • bided an menjn, pe geond middangeard
dryhtne peowiad and | ■•- deoran ham vrilniad U gewyrhtum < int hl
212 EHRISMANN
upp jemuiide hain in lieofonum 68; breostum inbryrded to pam betran
ham . . . pser is epellond freier and ^efealic in fseder wuMre 626 ; hames
in heahjm 768; wica neosan, eardes upwej 1339. — He us onlysde and
ns lif forjeaf heofonlicne ham Kreuz 147; wunedon on wuldre, f>a heora
wealdend cwom selmihti^ jod, ]?8er his edel wses 155. — and him heanne
bleed in pam uplican edle jestruna]? Phoenix 391; in f>am jladan ham 593;
in J?am blipan ham 599; ajan eardinja almae laetitiae 673.
Was die prosa betrifft, so sei nur auf Wulfstans predigt-
sammlung hingewiesen, die mit dem thema von der herkunft
des menschen aus dem paradies, seinem trostlosen erdenleben
und seinem hingang zum ewigen erbe eingeleitet wird.
Den gläubigen die zukunft nach dem leben, das himmel-
reich, und dieses als die heimat, zu verkündigen, ist der innere
zweck mehrerer dieser gediente. Es ist die grosse wonne, die
der himmelskönig den auserwählten bereit hält. In dem ge-
diente vom Satan sind die zwei reiche der zukunft einander
gegenübergestellt: fieostre ham, in cteossum wobeie, atolan edles,
hyhtlicra ham, in ämm deoran ham, to oTissum eadigan ham
(Satan 38. 108. 216. 219. 257. 327. 660). Und derselbe gegen-
satz bildet die grundlage der gedanken im Christ: Christus
befreit die Völker aus der hölle und verleiht den erkorenen
den erbsitz im himmel, das ist der gegenständ dieses gedientes.
Im Phoenix ist ein symbol gegeben für die rückkehr des
menschen zur seligen heimat; das einzige streben, das den
anachoreten beseelt, den frommen Guthlac, ist das nach oben,
zur heimat in den himmeln; und dasselbe ziel verfolgt die
lehre des apostels Andreas (Andr. 595 ff. 1684 ff.).
Das angelsächsische volksgemüt hat die christliche idee
vom himmelreich sich angeeignet unter dem altepischen bilde
des erbguts, des adlichen heimsitzes. Die beiden grossen
deutschen religiösen dichtungen dagegen haben die Vor-
stellung vom jenseits nicht nationalisiert. Dem dichter des
Heliand ist es eine lichtweit, die er sich im einzelnen nicht
auszumalen vermag, und Otfrid hat in einem langen capitel
(V 23) die Schönheit besungen, wie wonnesam es dort ist, aber
in bildern, die längst gemeingut der Christenheit waren. Nur
die Angelsachsen haben ein religiöses volksepos geschaffen,
eine christliche dichtung in angelsächsischem geiste.
ZUM GBBMANI8CHEN FKl" IICHIUSTENTUM. 213
II. Das gedieht vom Seefahrer.
Zu einem ergreifenden Stimmungsbild ausgeführt ist das
motiv des aus der well nach der himmlischen heimat streben-
den menschen in dem angelsächsischen gedichte 70m Seefahrer.
Das gedieht bestellt aus drei gedankenkr eisen, die nicht
in sich abgeschlossen sind, sondern, einer e*igeritümlichkeit des
angelsächsischen stils entsprechend, sich dürchschlingen.
A) Das leben der mtihsal auf dem nieere: Act die un-
erwünschte winterfahrt, v. 1— 12a 14— 21a. 22a. 23—26. 29b
— 43. 46. 56b — 64b; A/3 die ersehnte sommerfahrt, v. 47 — 55 a.
B) Das leben der freude: B« das leben der freude auf
dem edelsitz, v. 12b und 13. 21b. 22 b. 27— 29a. 44 und 45. 55 a
und 56a; Bj Vergänglichkeit des Ereudenlebens, v. 65b — 71.
80b— 102.
C) Paränetisch, die aus der Vergänglichkeit des freuden-
lebens zu ziehenden lehren mit deren ziel, das ist das unver-
gängliche leben, die ewige Seligkeit, unsere heimat: 64b und
65a. 72— 80a. 103 — schluss.
Diese grundgedanken sind so fest eingehalten, so scharf
einander gegenübergestellt als positive und negative werte im
sinne des Verfassers, der sich mit dem Seefahrer gleichstellt,
wie es nur bei einem von vornherein einheitlich coneipierten
plan denkbar ist. Es sind zwei entgegengesetzte lebens-
anschauungen, hier die materialistische, auf den genuss ge-
lichtete weit mit ihrer Vergänglichkeit, dort die durch mühsale
zu einem aberirdischen ideal sich durchringende spiritualistische
mit dem lohne der ewigen freude im himmel, hier der rein
materialistische, dort der transcendentale eudaimonismus. Ver-
körpert sind sie in den zwei typen: der mensch der weit. /w
86 mon ne wat, /<< htm on foldan fmgrosi Umped 12b, dessen
ziel ist io worulde hyht 15, dem gegenüber der gläubige, der
heilige, hu ic earmceari& iscealdm sa urinier icunade wrcBcean
lastum II mit dem ziele forjton me hatran sind dryhtnes
dreamas Ponne Pis >i<<nl> \%f 64. In den beiden letzten
versen, «'>i t'. ist der gegensatz concentriert, sie bilden den kern
der religiösen seite des them
Geschildert wird der weltmensch in seinen frenden als
stolz and weinüppig, wlonc <nt<i wingai 29, als einer der sein-
214 EHRISMANN
freude hat am männerscherzen und mettrinken 21b. 22 b, und
dessen sinn steht auf harfenspiel, ringspende, auf das weib,
auf die freude der weit, 44. Das ist klärlich das bild des
angelsächsischen edelings. Er also gilt als typus des welt-
menschen, er ist der Vertreter der negativen werte. Sein wandel
ist das tote leben, ])is deade lif, vita morientium. Die Schilde-
rung dieses negativen teiles wird dann fortgeführt ißj) und
erweitert zu dem Schicksal, das dem erdenreichtum, eoräwclan
67, dem Übermut des erdreiches, ealle onmedlan eorfian riees 81
bestimmt ist, das ist das vergehen.
Diesem Vertreter des vergänglichen weltlebens gegenüber
steht der Seefahrer als Vertreter der weltflucht. Sein leben
ist entsagung, und trotzdem er in den stürmen des meeres
nur leiden erduldet, so treibt es ihn doch auf diese fahrt,
hweteä on hivcelweg Jireper unwearnum ofer Jwlma gelagu 63,
denn sie wird ihn zum herrn führen 64 f. Das christliche mönchs-
ideal wird dem nationalen aristokratenideal entgegengehalten.
Den irdischen freuden sind die irdischen mühsale gegen-
übergestellt. Den zu gott strebenden, den gläubigen, heiligen
ist die weit das tal der tränen, vallis lacrymarum, sie freuen
sich mehr an den Widerwärtigkeiten der weit als an ihren
glücksgütern; wenn sie die wogen der weit durchmessen haben,
erlangen sie wohnung im himmlischen Vaterland (Smaragdus,
s. unten abschnitt III). Der die stürme suchende Seefahrer
spricht dieselben gedanken aus wie der die weit verachtende
mönch, und zwar kommen diese den christlichen Vorstellungen
noch deshalb besonders nahe, weil sich die mühsale dem angel-
sächsischen dichter unter derselben form darstellen wie dem
mönche das leben in der weit, nämlich unter dem bilde des
meeres. Wie dem Angelsachsen die gefahren des meeres der
inbegriff einer leidvollen Wanderschaft waren, so dachte sich
der Christ die verhasste weit als ein sturmbewegtes meer.
Mare bedeutet in der allegorischen spräche der kirche so viel
wie mundus: statt einzelner beispiele verweise ich auf Hra-
banus Maurus, Allegoriae in Sacram Scripturam 'Mare-mundus',
'Mare-saecularis occupatio', 'Mare-voluptas saecularium' (Migne
112, 995 CD. i)
x) Eine der angelsächsischen besonders nah verwante seelenstimnmiig
EUlfl «RUMÄNISCHEN FKÜHCHUISTEXTUM. 215
Das leben des Seefahrers ist geteilt in die winterfahrt und
die sommerfahrt. Das beruht auf epischer tradition. Gefürchtet
sind die wintersttirme, erst wenn die Hur bunt wird und der
kuckuck den frühling verkündigt, erwacht die Behnsncht zum
meer im lierzen des helden, vgl. Beow. 1130 — 33a gegen 1133b
—1138. 515 f. und 546 548; Botschaft 20-28.
Der paränetische teil schliesst sich folgerichtig an B,1 an.
an die Vergänglichkeit des irdischen. Da Siechtum oder das alter
oder das Schwert (vgl. Beow. 1762 ff.) dem leben ein ziel setzen, so
soll der edeling sich um nachruhm bemühen durch kühne taten.
Hier stehen nationalepische und christliche ethik nebeneinander.
Die sorge um den rühm ist ganz unchristlich, aber sie wird
hier in naiver weise dadurch der christlichen auffassung an-
gepasst, dass nicht nur die kinder der menschen den helden
künftig preisen, sondern dass auch bei den engein sein lob
ewig lebe in der himmelsfreude; und die krafttaten gegen den
feind werden gleich näher bestimmt als gegen den teu fei ge-
richtet. Ganz christlich sind dann die lehren am Bchluss
(\. LOS bis ende). Im mittelpunkt dieser geistlichen ermahnung
steht die deinut (v. 107). Sie ist dem Übermut gegenüber-
gestellt (v. 81): ausser vor diesem wird vor der habsucht ge-
warnt iv. 100— 102); somit werden die superbia und die avaritia.
die wurzeln der todsünden, als hauptlaster der weltleute ge-
geisselt Demut vor gott briugt dem menschen die gnade, die
ihn stark macht sein ziel zu erringen, das ist die heimat {hwoer
ir, harn agen 117). die ewige Seligkeit.
Betrachtet man das gedieht vom Seefahrer vom Standpunkt
dei- ethischen idee aus, dann findet man einen fortschreitenden
Zusammenhang und zielbewnssten aufbau. Eine bestimmte
eigenaii spricht sich darin ans und diese s.tzt auch eine be-
stimmte persönlichkeit als verfasse] voraus. Die form freilich.
die äussere sowol wie die innere, i-t. wie Kluge, Engl. Studien
i«. 122 ■".27 und 8,472 17''. nachgewiesen hat. nicht einheitlich,
es wechselt sehr Btark * 1 1 * - poetische Stimmung. Aber d
iwiespali ergibt Bich oaturgi is der art, wie der > t < • 1 1
sieh dem dichter darbot, also ans der coneeption im bewusstsein
trifft man in vielen elegien de« Gregor \ Kasians, m /. '> in no, XI. II.
XI. III. I.!. Higne, Patrol. Qn 7, L844 1846. I
216 EHRISMANN
dieses mannes. Er arbeitet, wie jeder germanische durch-
schnitts-scop, durchaus gebunden. Aus überlieferten anschau-
ungen und mit überlieferten formalen mittein setzt er sein
lied zusammen. In seinem Vortragsrepertoire besitzt er das
motiv von der gefahrvollen seefahrt als bild für die mensch-
lichen mühsale, das motiv von der ausfahrt im früh jähr mit
der seelenstimmung der Sehnsucht, er findet dort vorgebildet
das leben des edelings als höchsten ausdruck für die freude
am dasein, und findet ebenso die Vergänglichkeit des irdischen
wie den Übermut des reichen vor. Daraus setzt er die verse
1 — 102 seines gedientes zusammen und zwar in der ihm eben-
falls überlieferten, angelernten epischen spräche. Für den
schluss aber, für die geistlichen lehren, hat er keinen anhält
in der volksepik, hierfür nimmt er die ausdrücke, womöglich
noch sclavischer, aus der gnomik (Rieger, Zs. fdph. 1, 332) und
aus der predigt (Kluge a.a.O.).
Die einzelnen gedanken der ganzen zweiten hälfte von
v. 66 b bis zum schluss finden sich fast sämmtlich auch in der
mahnrede Hrodgars an Beowulf, Beow. 1722 — 1778, nur in
anderer anordnung und anderer bewertung und nicht so stark
geistlich gefärbt. Die summe der lebenserfahrung ist auch
hier das bewusstsein von der Vergänglichkeit alles irdischen,
nichtig ist der reichtum dieser weit 1728 ff. = Seef. 66 ff., das
ende ist doch immer krankheit, schwert oder alter (dazu noch
feuer und wasser) 1763 — 1768 = Seef. 70 f.; auch hier die
freude am rühm und dem gegenüber die warnung vor dem
Übermut 1740—1760 = Seef. 81 ff., vor der habsucht 1749 f.
= Seef. 100 — 102; der leichnam liegt da des lebens verlustig
1754 f. = Seef. 94—96; gott hat gewalt über alles 1727 ==
Seef. 116; greife zum ewigen heil 1759 f. = Seef. 117—120.
Nach den angeführten gesichtspunkten scheint mir das
gedieht also eine einheitliche, nicht interpolierte oder wenig-
stens nicht stark überarbeitete Schöpfung zu sein, und gegen-
über der gegenteiligen annähme von mehreren Verfassern, die
mit der theorie von der dialogischen form des gedientes ver-
bunden ist (Rieger, Kluge, Boer), schliesse ich mich den aus-
führungen von Lawrence, Journal of Germ. Philol. 4, 460 — 80
an. Aber auch wer nur an einen Verfasser glaubt, wird
nicht von einem einheitlichen gediente reden können. Der
ZUM GERMANISCHEN FRÜHCHRISTENTUM. 217
Verfasser des gedichtes, wie es im Cod. Ex. vorliegt, ist eben
kein frei schaffender geist, sondern ein compilator. "Weder
inhaltlich noch in der form ist der text wirklich sein eigentum.
Er hat nur gegebenes unter einen bestimmten gesiebt spunkt
gebracht. Wenn uns doch grosse Schönheiten an dem gedichte
fesseln, so ist das nicht das verdienst seines Verfassers, son-
dern es liegt in der Sprachgewalt und der starken phantasie
der hoch ausgebildeten epischen kunst, die ihm überliefert war.
Versuchen wir nun der entstehung des gedichtes in dem
gedankenleben des dichters nachzugehen. Er will das thema
darstellen, dass das erdenleben mühselig und vergänglich ist
und der blick auf das jenseits, die heimat im himmel, zu richten
sei. Die irdischen kämpfe verkörpern sich ihm in dem bilde
der winterleiden auf dem meere, die Vergänglichkeit schildert
er in einem ebenfalls überkommenen epischen stile, in der lehre
vom jenseits folgt er der geistlichen beredsamkeit. Nationale
und christliche Vorstellungen stehen nebeneinander, sie rühren
aber nicht von verschiedenen Verfassern her, sondern sie sind
die dem angelsächsischen frühchristentum eigene anschauungs-
weise, in welcher beide demente mit einander vermischt waren.
Hai das gedieht vom Seefahrer jene tiefere idee, dann ist
die darstellung mystisch. Und in der tat ist der inhalt der
gleiche wie in Otfrids zweitem Mystice zu der rückkehr der
magier (l 18): die mlihsale der weit, das suchen der himm-
lischen heimat. Auch der deutsche dichter malt jene aus in
bitteren klagen, die sich zu warmer empfindung steigern, wo
er in rieh das elend des heimatlosen, des aus der herrlichkeil
des paradieses verstossenen durchlebt. Der unterschied gegen-
über dem angelsächsischen dichter bestehl niehl im inhalt.
gegenständ und emptindung sind bei beiden gleich, sondern in
der form: er vermag die gedanken nichl in jene ergreifenden
bilder zu fassen (oder er will es nicht), sondern er bleibt bei
allgemeinen ausdrücken stehen. Auch in der geistlichen be-
lehrung, die hier wie im Seefahrer auf den elegischen teil
folgt, linden sich anklänge an das angelsächsische gedieht.
Aueh hier wird die demut empfohlen als die tagend, die zur
heiligung führt, ^. 37, und die beherschung des eigenen willens:
m Ui'Vi themo muate Otfr. 1" Stierem mod ttrongum
modi Seet L09; und vor allem die warum fne dein hen
218 EHRISMANN
nicht der weltlust', hinan thines herzen hist ni laz thir thesa
uuoroltlust Otfr. 41 = Ne bift him to hearpan hy&e ... ne to
worulde hyht Seef. 44— 46 a.
III. Das himmlische heimweh.
Aus dem paradies, seiner heimat, ist der mensch Verstössen
worden, das irdische leben ist nur ein Übergang, eine Wanderung
durch mühsale und leiden wider hin zur heimat, Paradies,
irdisches exil, himmlisches Vaterland, in diesen drei stufen
erfüllt sich die Menschheitsgeschichte. Dies ist der inhalt von
Otfrids Mystice.
Die drei acte des grossen dramas sind nicht von anfang
an im bewusstsein des Christen so fest bestimmt gewesen. Die
evangelien kennen sie nicht. Die lehre Christi ist nicht nur
aufs jenseits gerichtet, sondern schon hier auf erden kommt
das reich gottes, das heil ist schon den lebenden verkündet.
Wenn man verwante beziehungen in der frohen botschaft des
heilandes sehen will, so entsprechen dem anfang und dem ende
der reihe sünde und Vergebung, die sünde insofern sie den
Verlust des ursprünglichen paradieses bedeutet, die Vergebung
als gerechtmachung zum himmelreich. Im gleichnis vom ver-
lornen söhn ist ein menschenschicksal beschrieben, das ähnlich
verläuft wie das leben der sündigen menschheit, auch hier
verlassen der heimat, eine traurige Wanderschaft, ersehnte
rückkehr; aber die deutung geht nicht auf sündenfall und
himmelreich, sondern auf die Sündenvergebung durch gottes
barmherzigkeit und liebe.
Erst bei Paulus sind sünde und erlösung, Adam und
Christus, tod und leben in den scharfen gegensatz gebracht
und die festen pole geworden, zwischen denen sich das leben
der menschen bewegt. Mit Adam ist unmittelbar an den alt-
testamentlichen mythus vom paradies angeknüpft und andrer-
seits haben auch die Vorstellungen vom zukünftigen reiche
gottes bestimmtere umrisse gewonnen durch die stark auf-
getragene jüdische färbung. In den mittleren abschnitt der
reihe aber, den irdischen lebensgang, ist schon ein asketischer
zug gebracht worden. Die menschheit lebt im elend der sünde,
des fleisches, der knechtschaft, durch die worte des apostels
hindurch zieht ein klagen über die trübsale, die er in der weit
ZUM GERMANISCHEM PBÜHCHBISTENTUM. 219
erdulden muss, alter er hat freude an dem leiden (die göttliche
traurigkeit, 2. Kor. 7, 9 — 11, Kolosser 1, 24, vgl. u.a. Stenbing,
Der panlinische begriff des Christusleidens, Heidelbg. div^. L905;
aber auch 2. Petri t. 13—19). So ist schon in Paulus vor-
gebildet das lebensideal des mönchs: leben ist leiden, aber das
Leiden führt zur Seligkeit, darum freue dich des leidens; und
hier schon ist der Schwerpunkt auf das ende gelegt, auf die
befreiung vom dasein (2. Kor. 4, 17 1.
In der Widerspräche des apostels ist auch schon das erden-
leben als ein wandeln in der fremde, das jenseits als die heimat,
die ewige wohnung gegeben:
2. Kor. 5,1 — 9: l.Ötda/jiev yaQ, ort iav >) inlyetoq fjfuiöv olxla tov
oxtjvovq yi.i'/.rH^. olxoSo/jtijv h> Seov i'/outv, olxiav üxhqotcoItjxov,
alwviov iv totq ovQavolq. '_'. Kai yaQ iv rovzqt arevd^oftev, vb oIxttjqiov
tjfitov to £$ ovQavov insvövoao&ai inatod'oCvxeq ... 8. ßccQQOv/tev dl
xal evdoxovfiev fxSXXov ixötj/irjoai ix tov otö/iaxoq, xal irÖTj/irjcrai tiqoq
tbv Kvqiov. D. dio xal <i i/.oriiiin'-tif-ih:, it'n- ivöijfiovvzeq etxt ixdrj/ioi
evageazot avxip tlvat.
Die ganze stelle ist eingegeben von leidenschaftlicher
Sehnsucht nach dem himmelreich.
Den begriff einer pilgerschaft im fremden lande, aber in
hstäblichem und nicht religiösen sinne, hat schon das alte
testament. Ins spirituelle umgedeutet ist die Vorstellung im
ersten Petrnsbrief 1, 1 und 2, 11. vgl. B. Weiss, Lehrbuch d.
bibl. theo].9 s. 17 t. Weiter ausgeführt zu dem bilde der jetzigen
und künftigen weit, wie die gläubigen als gaste und fremd-
linge hier auf erden das Taterland suchen, ist sie in dem, schon
hellenistisch beeinflussten Hebräerbrief 11,18 — 16. 18f... <>n
_.'/•',/ /{) jraQsxlötjfiot iimr ijt) rfjg y,-- 14 Ol yaQ
roiavra Ztyovtsc, iftg>avl^ovotv ort ytazQlöa ovöi.
15 A ■- /r/(- tfivrjfiövEvor dq ' /,.- IgijZfrov, ■'/'"' ' ''
XatQOV * '■ 16 .^ri-'iA: y Q ; i r to r 0 - '.'■,'" V l '' '• tOVT-
icriv, IxovQttvlov; daselbst anch die bezeichnnng 'himm-
lisches Jerusalem' 13,22, 'stadt von gott gegründet1 11,10,
'bleibende Btadl derznknnft1 LS, 1 1. 'das bessere und bleibende
besitztnm im himmel1 10,84, vgl. I'.. Weiss a.a.O.
1-t die Vorstellung vom menschlichen leben als einer Wan-
derung in der fremde im neuen testament doch nur vereinzelt,
N gehört die vom gottesreich als dem den kindern g
rechtmässig gebührenden erb« zu den grundlagen der lehre
220 EHRISMANN
des Paulus, vgl. B. Weiss a.a.O. s. 392—396 und Die religion
des neuen testaments s. 248 — 252. Vorangegangen ist auch
hierin das alte testament, wo das land Canaan das verheissene
erbland, die terra promissionis des israelitischen Volkes ist.
Für die christliche lehre des neuen testaments haben nur
zwei abschnitte jener dreistufigen menschheitsgeschichte bedeu-
tung, nur das leben in der sündenbelasteten gegen wart und
das endziel, die selige ruhe der ewigkeit, dagegen die erste
stufe, das verlassen einer paradiesischen Urheimat, kommt nur
insofern in frage, als damit der Ursprung der sünde durch Adam
(die paulinische parallele Adam — Christus) verknüpft ist. Das
symbol selbst, die erzählung der Genesis vom paradies, sünden-
fall und ausstossung, tritt ganz zurück. Das thema ist geistig
aufgefasst: die begierde ist der urgrund des sündigens, die
ejvi&v [il a, concupiscentia, nach Jac. 1, 14, der geiz, qpiZaQyvQia
(in dervulgata durch cupiditas widergegeben) nach l.Tim.6, 10,
der hochmut nach 2. Thessal. 2, 4 (0 vjcEQaiQÖfievog Iju jidvra
teyöfisvov Oeov /j öeßaüfta), vgl. B. Weiss, Die religion des
N.T. s. 94— 96.
So wenig die lehre Jesu und des apostels Paulus ein ge-
schlossenes System bilden, ebensowenig sind die daseinsstufen
der sünde und der erlösung als einzelne acte zu einem drama
der menschheitsentwicklung vereinigt worden. Der dramatische
verlauf war erst damit gegeben, dass die sünde concret zum
sündenfall wurde. Als exposition war damit der erschütternde
tragische einsatz von der verstossung aus der heimat gegeben,
als zweiter teil folgte die bange Spannung im läuterungsgange
des exils, und die lösung bildete der jubelnde schluss mit der
befreiung und heimkehr: mit dieser auffassung der einzelnen
bestandteile und in solcher ins bildliche gezogenen umdichtung
ist erst das weltgeschichtliche drama von sündenfall und er-
lösung geschaffen. Diese Wendung ist durch den hellenismus
in die christliche Vorstellung gekommen. Es ist Pia tos auf
die orphischen mysterien gegründete Unsterblichkeitslehre von
der seele, die einst das reich des göttlichen geschaut hat, durch
den leib ans leben gebannt ist und durch tugend und einsieht
gereinigt wider zu gott und ihrer heimat sich erhebt. Im
orphischen mythus von der menschenseele liegt der Ursprung
der dramatischen ausbilduüg des erlösungsgedankens.
ZUM GERMANISCHEN FBÜHCHBlBTESTüM. 221
In der ältesten christliches religionsphilosophie, der
gnosis, isl 'die idee von der herabkunft der oberen weit in
die ontere and die rückkehr in die obere' (F. Ch. Banr, Kirchen-
gesch. der ersten drei Jahrhunderte l • L95) eine der Grundfragen
geworden. Abfall und rückkehr bilden hier die beiden end-
pnnkte wie bei Plato. Was im neuen testament fehlt. <u-v
fall, ist hier in einigen Bystemen ergänzt, teils nach Plato
(Karpokrates), teils oach der alttestamentlichen tradition, und
/war indem entweder an den stürz Lucifers | Basilides, ( Iphiten,
Karpokrates, 8atnrninus) oder an die Verführung der ersten
menschen durch die schlänge (Onhiten) angeknüpft wurde
Nicht ausser acht gelassen soll werden, dass sich auch im
Johanneischen evangelium eine dreifache entwicklung vollzieht.
hier aber nicht als weltprincip, sondern als heilsprincip in
Christus dem Logos: seine präexistenz, seine Sendung auf die
erde, seine rückkehr zum vater. Aber am wundersamsten
hat Plotinus die heisse Sehnsucht der seele, sich nach ihrem
fall aus diesem Scheindasein wider zu erheben, beschrieben, er
selbst ein gottes- und achönheitstrunkener seher.
Nur in der griechischen kirche ist der dreistufige ent-
wicklnng8gang der seele, also die idatonische erlösungslehre,
zum system geworden, und zwar in des Origenes vier büchern
.uni '■{>■/<',)■; hier herschl noch ganz hellenisches empfinden.
Das lateinische Christentum hat auch in diesem punkte viel
Btärker mit dem classischen altertum gebrochen. Wie sehr
Augustinus gerade in diesem teil der anthropologie von den
neuplatonikem, von Plotinus und besonders von Porphyrius,
beeinflussl war, die platonische lehre von der Urheimat der
Beele bei gott, also die erste jener drei Btufen, hat er nicht
aufgenommen, und er konnte rie auch nicht annehmen, da
jene, die präexistenz der se.de voraussetzte, während er aufs
eifrigst.- die Bchöpfungslehre der « tenesis verfocht (vgl. ( langauf,
Ifetaphya psychol. des heil. Augustinus a 229 ff.; Nourrisson,
La Philosophie de S. Augustin l 205), vgl. hierzu besonders De
i'ivitate l»ei XI -■'< (gegen inigeueM: Snl mmnas dieuni
quidem parte» /'■ ed facku ■• D a Condit
(liU'i
usgue ad terms diversa corpora guasi vincula meruisee Im bo
stärker aber ward.- er von dem ergriffen, was die platoniker
222 EHKISMANN
über die gegenwart und über die zukunft der seele, also über
die zweite und dritte stufe der menschheitsgeschichte, lehrten,
über die rückkehr der seele zum guten, zur anscliauung gottes.
Diese Vorstellung war ihm selbst seelenverwant. Hier fand er
für seine Weltanschauung, den irdischen pessimismus und jen-
seitigen Optimismus, den tiefsten ausdruck. Dem schmerz des
daseins zu entfliehen, zum Vaterland zu eilen, zum vater, das
ist nicht nur plotinisch, sondern ebenso augustinisch.
Diese strenge form der askese ist nicht urchristlich und
nicht paulmisch, sie ist erst durch Augustinus zu einem grund-
satz des katholizismus geworden. Und sie ist für den glauben
sowie für die sociale gestaltung der kirche von der grössten
bedeutung geworden, denn sie ist das ideal der irdischen Voll-
kommenheit für das mönchtum (vgl. bes. H. Reuter, August-
mische Studien s. 359 — 478). Gerade das bild, in welches diese
idee gekleidet ist, die pilgerschaft der seele auf dem pfade
des leidens zur heimat, ist zum symbolischen ausdruck für das
mönchsieben geworden und so auch in die volkssprachlichen
literaturen übergegangen.
Dass Augustinus in der tat unter dem einfluss des Plotinus
und des Porphyrius stand, als er das menschliche leben als
einen weg nach der heimat auffasste, das beweisen mehrere
stellen in denjenigen werken, in welchen er seine innern er-
lebnisse am rückhaltlosesten offenbart, in den Bekenntnissen
und im Gottesstaat. Sie sind unmittelbar in beziehung auf
jene neuplatoniker geschrieben:
Ubi est illud Plotini, ubi ait: 'Fugienduin est igitur ad cla-
rissiinam patriam et ibi pater et ibi omiiia? Quae igitur classis, inquit,
aut fuga? Similem Deo fieri' (zu Plotins Euneade I 6, 8) De Civ. Dei IX 17;
Si eniin de istis circumitibus et sine cessatione altemantibus itiouibus et
reditionibus animarum Porphyrius Platonicus suorum opinionem sequi
noluit ... et ... dicere nialuit, animam propter eoguoscenda mala traditam
mundo, ut ab eis liberata atque purgata cum ad Patrem redierit, nihil
ulterius tale patiatur ebda. XII 20, 3 ; Itaque videtis (i. e. Porphyrius und
seine anhänger) utcunqne, etsi de longinquo, etsi acie caligante, patriam,
in qua mauendum est, sed viam qua eundum est non tenetis, ebda.
X29; zuerst las er die bücher der platoniker, ehe er die heilige schrift
kennen lernte, ut . . . distinguerem interesset . . . inter videntes quo eundum
sit nee videntes qua et viam ducentem ad beatificam patriam non
tantum cernendam sed et habitandam, Confess. VII 20, dazu 21.
Immer wider dringen bei ihm solche sehnsuchtsvollen ge-
ZUM GERMANlBCtiEN FRÜHCfiSISTENTUlff. 223
danken durch und sehr häufig sind sie in dieses büd gekleidet.
Eine der breitesl ausgemalten stellen ftndel sich im einj
zu der ahhandlung l>e Cantico novo:
Vetera tranaiernnt, transiil regio retnstatis; nova acceasernnt, raccedit
Jerusalem ciyitaa coeleatia Dovitatis. A4 haue civitatem Qoyam
provenire capitis, qni nomina restra conscribenda dediatia Cap. I. Elia,
fratres mei, ardenter deaideremua propriam patriam, peregrina-
tionem iatam, qnae noa ah ea adhac detinet, toleremna, non amemus:
featinemua tarnen. Non est qtiare hicBtare; nee invenia in Baeculo, qnod
jaiii posaia amare (vgL Otfrid 1 18, 28 ni fand ih liebes auiht in dir), [pse
cniiii amor parentnm, eonjngam, filiornm, £acaltatam ant magnnm qni-
buadam incnsaeranl laborem ant magnum parinnt timorem: non est qnare
hie stari'. Melius enim est festinando appetimus aempiterna, qnam hie
remanendo saeculi nos apprehendat rnina . . . Celeuma nostrum dulce can-
tamna Alltluia, ut laeti ae seenri ingrediamnr Bempiternam ac felicis-
siiuaiu patriam. Non metnal anima mare hoc magnum, aaecnlnm
Bcilicet, cujtta flnctna ac tnrbines sentimna inimicaa saecnli potestati a .
ebda. Cap. X I tarnte velociter reetam viam: ipaa enim nos perdneil ad
patriam, ad illam patriam, cujus civea Angeli sunt, cujus templom
Deus ... Ferner: De doctrina Christ. I, Cap. 4. 9. 10. 11; Ennarratio in
Psalm. 119, 6 n. 7, in Ps. 19,4 (mit anklängen an Plotin), Pa.62,14, Ps.85,24,
.11 q.24, Ps.87,9; De Genesi ad Litt. IV30; Tract. in Joh. Kv.
XXVIII ."). XXXV 9. KLI9; De Sermone Dom. in monte I 12; Sermonea
75,2. 91,9. 104,5. 159, l. 169,5. 362,4.
Die einleitnng des menschheitsdramas, der Verlust der
Seligkeit, den Augustinus in diesen bildern nicht mit einbezog,
findet sich doch auch, allerdings viel seltener, in der christlich-
Lateinischen literatur. Dem platonischen himmlischen ideen-
reich, in dem die seele ursprünglich bei gott weilte, entspricht
jetzt das irdische paradies. So stellt Caesarius von Arles
lloniil. XIII das paradies als einen ort in der höhe dar (Su-
pernum ergo est paradisus), aus dem Adam, weil er die geböte
gottes verachtete, in die untere gebend, das ist die well lin-
lcriuiin est hie mnndus) Verstössen wurde, und fährt fort:
Adam patrem Doetrnm de altitndine, paradiri jnato jndido rao in in-
fernnm mnndi i-tiu> depoenit, pro ineffabili pietate ad inferiorem infernnra
II-- rnina i rvenire oolnit, nd . .. ut ri poenitentiam vellemufl i
al t i t ml i ii im prineipalia patriae mereremm aseendi
Boethius hat in seine trostschrifl die präexistenzlehre
ganz rein aufgenommen, Bogar mit derrückerinnerung der seele:
in proeal i patria non qnidem pnli i. At
ii te ankam exiatimari matia, te potiu Ipae pepnliati. Kam id qnidem
de te nnnquam cniqnani fai (niaael 8i enim onina orinndm aia pa-
224 EHRISMANN
triae reininiscare , non uti Atheniensiuni quondam multitudinis imperio
regitur. Sed ejus unus dominus est et unus rex, unus et princeps qui
regit eam1) De Consol. philos. I Prosa IV (in Notkers Übersetzung 125,
Piper s. 40 ff.); ferner IV Prosa I (Notker IV 2, Piper s.228f.) viam tibi
quae te domum revehat ostendam. Pennas etiam tuae menti quibus
se in altum tollere possit affigam, ut perturbatione depulsa sospes in pa-
triara meo ductu, mea seniita, meis etiam vehiculis revertaris; und in
dem darauffolgenden metrum, IV Metr. I (Notker I 3, Piper s. 231, Alfreds
Metra XXIV 44 — 54) huc te si reducens referat via quam nunc re-
quiris immemor; haec, dices, memini patria est mibi, hinc ortus,
liic sistam gradum; vgl. auch V Prosa I (Notker V2, Piper s. 304),
III Metr. II (Notker IU 25, Pipers. 139, Älfr. Metra XIII 68— 80), III
Metr. IX (Notker III 71, Piper s. 178, Älfr. Metra XX 238—240. 279—281).
Der völlige Untergang der alten weit liegt in der zeit
zwischen Boethius und Isidor. Dieser stellt den process vom
mensclienelend und seiner Überwindung folgendermassen dar:
Quaest. in Genesin Cap. V 11. 12 (Migne 83, 222 AB) Ratio nostra . . .
quae et super peccati concupiscentia seducta et a paradiso beatitudinis
remota habet maledictiones terrenae operationis, habet et dolores tempo-
ralium curarum, quasi spinas et tribulos. Sic tarnen dimittitur de pa-
radiso beatitudinis, ut operetur terram, id est, ut in corpore isto laboret
et collocet sibi meritum redeundi ad vitam beatam, quae paradisi
nomine significatur, possitque aliquando manum porrigere ad arborem vitae
et vivere in aeternum.
Das paradies ist also als land der glückseligkeit aufgefasst,
terra beatitudinis. Als solches erkennt es auch Augustinus an.
Er spricht mehrfach davon, dass das paradies neben seinem
buchstäblichen sinn auch einen geistigen habe:
spiritualis quasi regio, ubi anima bene est, merito paradisus dici potest
De Genesi ad Litt. XII G5; spiritualis deliciae, quas habet beata vita, figu-
rate explicatus De Gen. contra Manich. II 9 ; nam beatam vitam paradisi
nomine significatam existimo ebda. II 22; auch De Civ. Dei III 21.
Die feste form aber gab diesem thema der erste lehrer
des mittelalterlichen vulgären katholicismus, Gregor der
grosse, in seiner allegorischen deutung von der rückkehr der
magier in ihre heimat, Matth. 2, 12, Homil. in Evang. 1 10, Migne
76, 1113C (vgl. Schönbach, Zs. fda. 38, 352):
l) Richtig hat den Boethius verstanden Bruno v. Corvey, falsch aber
August Hildebrand, wenn er Brunos ansieht zurückweist (Boethius und
seine Stellung zum Christentum s. 115 ; vgl. auch Friedr. Nitzsch, Das System
des Boethius s. 70).
ZUM GERMANISCHEN FRÜHCHRISTENTUM. 225
Magnum vero nobü aliqnid Magi innnnt, qnod in regionem suam
per aliam viam revertnntnr. In eo namgne qnod admoniti facinnt, nobis
profecto insinnaut quid faciamos. Regio quippe uostra paradisus
est, ad quam, Jesu coguito, redire per viam qua veniinus probibemur.
A regioue etenim nostra superbiendo, inobiendo, visibilia se-
quendo, cibuni vestitum gustando, disceasiinus. sed ad eam
necesse est ut flendo, obediendo, visibilia contemnendu atque
appetitum caruis refrenando redeamus. Per aliam ergo viam
ad regionem nostram regredimnr, quoniam qui a paradisi
gandiis per delectamenta discessinius, ad haec per lamenta
revocamur. Unde necesse est, ut senipcr pavidi semperque suspecti po-
namus ante oculos cordis binc culpas operis, illinc Judicium extremae
districtionis.
Diese stelle ist dann aufgenommen worden von Beda,
Expos, in Matth. Ev. Cap. II (Migne 92, 13C), Alcuin, Com-
ment. in Joann. Cap. II vers 28 (Migne 100, 755C), Smaragdus,
Collectiones (In die Theophaniae, Migne 102, 74 D), Hrabanns,
Comment. in Matth. I 2 (Migne 107, 761 B), den wider Otfrid
für die allegorische erklärung von I 18 benutzt hat, Haimo
v. Halberstadt, Homil. de tempore XV (Migne 118, 115 A),
Walahfrid Strabo, Expos, in Matth. (Migne 114, 866 D),
Glossa ord. zu Matth. 2, 12 i Migne 114, 75 C), Paschasius
Radbertus, Expos, in Matth. II Cap. 2 (Migne 120, 137 D —
138 C). In dieser mystischen auslegung von dem rückweg der
magier Matth. 2, 12 ist der dreistufige verlauf der menschheits-
geschichte, anhebend mit dem Verlust des paradieses, in kurzen
zügen dargelegt. Mehrmals noch berührt Gregor gerade auch
den ersten act, die verstossung:
I >i.il. IV, Cap. l: Koralia VII Cap. 2 (Migne 75, 768 C) El gnisqnifl
gratiain Etedemptoru agnusi it. qnuqnifl reditnm ad patriam diligit, ernditua
■ab pondere peregrinationu gemit (die 'rflckkehr' setzt die Vertreibung
voraus); XII Cap. 7 (M HA) Patriam volens (bomo) perdidit, a
peregrinatione vero ma quam diligit invitos expellitnr; Snper Cent ein-
(Migne 79, 471 A) Postqnani a paradiii gandiii expnbram eel genus
liiuiiaiiuiii in utam peregrinationem vi:
Den grnndriss dieses dreiactigen dramas vom Call, der
leidenswanderung und erlosung hat im- das lateinische mittel-
alter Gregor »Irr gr« ihaffen. Es blieb verknüpft mit
der geschiente der drei weisen ans dem morgenlande und be-
hielt dämm nur beschränkte Verbreitung. Aber «las bildvom
himmlischen Vaterland und dem weg daliin ohne «1» mgs-
punkt, die verotossung ans dem paradies, ist Beit A.ngnstin zu
Beitrage zur geichichtc der deutschen spräche. XXXV. j ^
226 EHRISMANN
einem stehenden rhetorischen motiv in den anpreisungen der
weltflucht geworden. Vor ihm ist es noch nicht so sehr gemein-
gut gewesen. Ambrosius z. b. gebraucht es, ganz kurz, im Liber
de fuga saeculi Cap. IX (Migne 14, 622) Fugiamus ergo hinc
sicut fugit de patria sanctus Jacob. Sehr geliebt aber hat es
Gregor der grosse. In den Moralia sind peregrinatio, coelestis
patria, aeterna patria u. s. w. Schlagwörter, die sehr häufig
begegnen,
z. b. I 25. 26 (Migne 75, 543 AB. 543 D), IV 28 (Migne 75, 644 D), IV 33
(Migne 75, 673 D. 674 A), VIII 48 (Migne 75, 852 C), XII 1 (Migne 75, 985 C),
XV 56 (Migne 75, 1115 D), XVI 19 (Migne 75, 1132 D), XXIII 24 (Migne 76,
279 CD), XXVII 13. 14. 15 (Migne 76, 412—418), XXIX 2 (Migne 76, 479 D);
ferner Homil. in Evang. 1 11 (Migne 76, 1115A), Homil. in Ezech. I 8
(Migne 76, 855 B), II 1 (Migne 76, 938 C), II 10 (Migne 76, 1070 C), vgl. I 9
(Migne 76, 878 C), Expos, in primum Reg. I 37 (Migne 79, 40 A).
Hier schliessen sich an die Iren und Angelsachsen, vgl.
Columbanus, Instructio V (Migne 80, 240 A), VIII (ebda. 244
—246), Aldhelm, Epistolae I (Migne 89, 91 B). In nationalem
vorstellungskreise bewegt sich Beda, indem er an die erzäh-
lung von dem stürm auf dem see Genezaret (Matth. 14, 24;
Marcus 6, 48; Luc. 8, 23; Joh. 6, 16) anknüpfend, die weit als
ein wogendes meer schildert, aus dem sich die menschen an
den heimatlichen Strand, das himmlische Vaterland, retten:
Expos, in Marcum II eingang (Migne 92, 173 C), Expos, in Lu-
cam III 8 (Migne 92, 434 CD, danach Smaragdus, Collectiones,
Dominica IV post Theoph. (Migne 102, 98 BC), auch Expos, in
Matth. II 8 (Migne 92, 42 C. 43 C), Expos, in Joan. VI 16 (Migne
92, 710C), und Expos, in Cantica Cant. IV 20 (Migne 91, 1160 D).
Die etymologie von Galiläa — Galilaea namque transmigratio
facta dicitur — wird zu der allegorie von der Wanderung aus
dem tal der tränen in die bürg der himmlischen freude aus-
gesponnen Expos, in Joan. zu I 43 (Migne 92, 653 C), Homil. 17
(Migne 94, 90 B, danach Smaragdus, Collectiones, Dominica II
post Theoph., Migne 102, 85 AB).
Und nun Alcuin.1) Sein ganzes wesen ist durchdrungen
von der gewissheit, dass das erdenleben nur eine Verbannung,
nur eine pilgerschaft zum wahren leben, zur heimat im himm-
2) Zu Alcuin, Hrabanus, Smaragdus s. besonders die entsprechenden
abschnitte in Hancks Kirchengeschichte Deutschlands bd. 2.
ZUM GERMANISCHEN FRÜHCHRI8TKNTÜM.
227
tischen reiche ist. Aus diesem empfinden heraus entfaltet sich
seine lehre und hierin Liegi ihr ziel. Damil zieht durch viele
Seiten seiner werke eine weiche Stimmung, sehnsuchtsvoll und
hoffnungsreich zugleich. In seinen briefen gewährt er mit
diesem gedanken trosl oder mahnung: Epist.6 | Migne 100, 1 t6< ').
104(318C). L05 (320A). 107 (323CD). 111 (336BC). L15 (345B).
L88(377BC). L47 (393C). 154 (404C). 179 (449 CD) 182(4531 |.
Das streben nach dem höchsten gute ist ihm der /.weck der
theologie, dieses thema stellt er an die s[iitze seines dogmatischen
haupt Werkes he Fide S. Trinitatis. Auf erden ist jenes nicht
zu finden: darum ermahnt uns die heil, schritt, vom irdischen
uns zum ewigen aufzurichten, nos a terrenis ad coelestia erigi
(Migne 1<>1, 1M>C). Diu erklärung der busspsalmen und meh-
rerer capitel der stufenpsalmen beruht auf dem gegensatz
zwistdien dem irdischen und dem himmlischen (s. lies, die ein-
leitungen Migne 100, 573B — 574 A. 019 ßC), und eben damit
beginnt der commentar zum Ecclesiastes (Migne 100, 667. 668).
Das compendium in Cantica Cant gibt lehren des unvergäng-
lichen lebens, vitae preeepta perennis (Migne 100, 642 A), auf
dieses zielt der ganze sinn, ad consortium coelestis Jerusalem
festinemus ... in gaudia coelestis patriae (643BC), derschluss
lautet 'revertere in sinum l'atris' (664C). l>as eiste capitel
seines Johannes -commentars beginnt er damit, dass er dieses
sein lieblingsevangelium emporhebt über die drei andern mit
der Charakterisierung: caeteri evangelistae quasi in terra am-
bulant cum Domino ... Hie, autem quasi ad caelum volat cum
Domino (Migne 100, 744D). In dem Liber de E>salmorum nsu
ist der quintus usus der contemplation des himmlischen Vater-
landes gewidmet (Migne 101, 467 AB. 474C 175B).
lud in dieser Stimmung, die seiner hervorragenden geistes-
bildung ein besonders feines ooloril verleiht, beruht Beine eigen-
ari. die ihn von Beda unterscheidet und ihn weit hinaushebt
aber den ehrlichen aber nüchternen Erabanns Maurus. In
der gelehrsamkeit der weit ausgesponnenen werke Ar* lha-
banus tritt denn auch jenes motiv mit seiner starken empfin-
dungweiter zurück. Bezeichnend für Beine pedantisch gründ-
liche art ist die erklärung jener Btelle des Bebraerbriefs
119) in der Epist ad Bebr. XI (Migne L12, 794 D
798A>
iy
228 EHRISMANN
Die Stimmung der entsagung, die bei Alcuin als wehmütige
Sehnsucht zum ausdruck kommt, ist zu strenger askese gesteigert
bei Smaragdus. Der geist Benedicts von Aniane spricht aus
seinen mönchslehrbüchern, dem Diadem a Monachorum und dem
commentar zur Benedictinerregel. Nicht nur weltflucht, son-
dern welthass, abtötung alles menschlichen ist zweck und ziel
des irdischen daseins. Von der Verdammung des irdischen
hebt sich der preis der himmlischen Seligkeit um so stärker
ab, der contrast zwischen der terra morientium und der terra
viventium ist aufs schärfste ausgeprägt, die transmigratio nach
dem himmlischen Vaterland ist der alles beherschende gedanke
im leben des mönchs (Diadema, Migne 102, 593—690 bes. der
Prolog S. 593 CD, Cap. XIV S. 610 D — 61 IC, der schluss Cap.
XCVIII u. XCIX S. 687B — 689 A; Com. in Begulam S. Bened.,
Migne 102,689—932 bes. die gereimte vorrede1), auch 778 D
— 779 B). Und wie sehr diese Vorstellung sein inneres leben
beherscht, sehen wir darin, dass er mit ihm auch die Via Regia,
sein erbauungsbuch für Ludwig den frommen (Hauck, Kirchen-
gesch. Deutschlands II 642) einleitet (Migne 102,933B — 936 A).
Die beliebtheit des motivs zeigt auch der titel von Haimos
von Halberstadt blumeniese De Varietate librorum, die auch
De amore coelestis patriae genannt ist nach ihrem im Prolog
dargelegten zwecke: ex tibi flosculos perpetuos ad animae tuae
salutem proficuos tarn de amore coelestis patriae . . . quam etiam
de timore et qualitate supplicii perquirerem (Migne 118, 875 A).
Am ende des bisher besprochenen Zeitraums hat Scotus
Eriugena sein pantheistisches System von der einheit alles
seins mit dem egressus und dem regressus, dem ausgang der
dinge aus gott und der rückkehr derselben zu gott aufgestellt.
Er steht in seinen gedanken auf einsamer höhe. Und doch
wird er historisch begreiflicher, wenn man berücksichtigt, dass
die grundlage dieser metaphysischen entwicklung, die begriffe
vom egressus und regressus, in der theologie seiner zeit ent-
sprechung haben, eben in der oben dargelegten menschheits-
:) In dieser Praefatio finden wir auch dieselbe rührende stelle von der
das kind linde strafenden nmtterliebe, welche Otfrid in der Praefatio zum
dritten buche bringt: lindo, liobo druhtin min laz thia kestiga sin u.s.w.
Otfrid III 1, 31—38, Smaragdus, Praef. (Migne 102, 689 C) Haec bene materno
natos castigat amore u.s.w.
ZUM GERMANISCHEN FBÜHCHBI8TBNTUM. 229
geschickte mit ilirem egressus aus dem paradies und dem
regressus zur göttlichen heimat1)
Die grundlage in der geistlichen dichtung der Angel-
sachsen bildet, und mnsste der christlichen*lehre entsprechend
bilden, der zweck des menschlichen daseins. Noch heute
lautet die erste frage des katholischen katechismns: wozu Ednd
wir auf erden? mit der antwort: wir sind auf erden, um gott
zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in den
hinnnel zu kommen. Das gilt für alle gläubigen. Aber es
gibt eine höhere Ordnung, die die Verwirklichung des gottes-
staates schon auf erden erstrebt, das mönchtum. Das leben,
welches dieses hohe ziel sich steckt, ist die askese, im bilde
dargestellt als eine mühsalbeladene und durch freiwillige auf-
ladung von mühsalen noch beschwerte Wanderschaft durch
ein tränenreiches tal, oder durch ein land der Verbannung,
oder durch ein wildes meer. In diesem bilde zeichnet der
münch sein eigenes leben und die hier entwickelte anschauungs-
form ist insbesondere und vor allem ein ausdruck des mönch-
tums. Darum sind auch die tilgenden, die Otfrid in seinem
Mystice denjenigen vorschreibt, die den weg zur heimat gehen
wollen, eben solche, welche die Benedictinerregel fordert (im
( lapitel 1 ><■ moribus perfectionis): guati Otfr. 1 19, 37-42 = man-
Buetudo, dispensatio (vgl. sit mitissimus atque benignus in des
Smaragdus Commentar zur Benedict. -regel, Migne 102, 690D),
ottnuati Otfr. 37 humilitas, hxritati Otfr. 38 = Caritas (der
schlussstein in den forderungen der Benedict.-regel: tunc per-
fectus est homo, guando plenus est caritate), furümrti Otfr. 39
abstinentia, wis horsam Otfr. tO = oboedientia; die ab-
schliessenden yerse II t. von der weltfluchl sind dasthema des
klosterlebens überhaupt
Die angelsächsische geistliche literatur ist, wie ja eigent-
lich auch fast die gesammte lateinische geistliche literatur
der zeit, im sinne des mönchtums geschrieben. Damit tragl
1 1 in den späten n dogmencompendien, den theologischen rammen, bildet
die dreistufige menschheitsgeschichte den grundplan, /.. l>. im Essolied: der
mensch trard eilend* V l. et wandelt in der aebelfinstern Dacht VI •_■ n .
Christus rerleihl i li in widerfahrl in das erbland B52 (himelriche ist ■
heitnuot \ß stolische and das nieftnieche glanbensbekenntnis
haben nichts von dii -• m weltd
230 EHRISMANN
sie ein ganz bestimmtes gepräge, das in der weltentsagung
den mittelpunkt findet Im mönchsieben des asketen Gntlilac
hat diese richtung den reinsten ausdrnck gefunden (die eigen-
schaften des möncns bes. s. 769 — 790). Bei Otfrid tritt diese
seite viel weniger stark hervor (hierher gehören I 18. V 23,
vgl. C. Pfeiffer a.a.O. s. 59—64. 100—105), der Heliand ist fast
frei davon.
Wir können Otfrid mit der gleichzeitigen deutschen theo-
logie in beziehung setzen und haben sofort sein vorbild. Mit
seinem lehrer Hrabanus Maurus hat er mehr gemein, als was
er in der Wissenschaft von ihm gelernt hat: er hat auch
denselben braven fleiss und denselben mangel an belebender
Phantasie. Und in ebenfalls nahem Verhältnis steht die ags.
geistliche dichtung zu dem grossen angelsächsischen lehrer
ihrer zeit, zu Alcuin: überall treffen wir eine milde, ent-
sagungsvolle frömmigkeit, bewahrt in warmem, begeisterungs-
fähigen gemüte.
Es ist also begreiflich, weshalb der gedanke an die himm-
lische heimat so oft in der angelsächsischen dichtung wider-
kehrt. Es ist bei Alcuin ebenso, er ist mit der herschenden
Stimmung des volkes verbunden. Ausserdem aber, die Sehn-
sucht nach einer gewissheit über die zukunft lag schon, wie
oben erwähnt, im letzten angelsächsischen heidentum. Das
bild vom Sperling, in welches der angelsächsische edeling seine
frage nach dem menschendasein kleidete, zerfällt in dieselben
drei stufen wie die christliche Vorstellung: 'der mensch wandelt
einige wenige jähre auf erden; was aber seiner geburt vorher-
gieng oder was nach seinem tode folgen wird, können wir nicht
sagen' (Beda a.a.O.). Als heiden fragten die Angelsachsen:
woher kommen wir? und wohin gehen wir? Das Christentum
hat die antwort darauf gegeben: unser Ursprung liegt im
paradies, in die heimat werden wir zurückkehren.
IV. Die elegischen motive in der angelsächsischen
dichtung.
In dem sperlingsgleichnis des angelsächsischen optimaten
ist das menschenloos ebenfalls in drei stufen dargestellt.
Zwischen zwei unbekannten reichen liegt das kurze leben,
quid autem sequatur quidve praecesserit prorsus ignoramus.
ZUM GERMANISCHEN PBÜHCHBI8TENTUM. 231
Und so ist es auch im Beowulf. Das leben ist wie in jenem
bild — sed tarnen parvissimo spatio serenitatis ad momentum
excurso ... Ita haec vita hominuiu ad niodicum apparet —
flüchtig, fliehend wie der Sperling' im königssaal, und was
darauf folgt, ist von schweigen umhüllt: Men ne cunnon secgan
to socte selercedende, hceleä under heofenum, hwa pcem Klceste
onfeng Beow. 50— 52; ac gesccan sceal saidbercndra nide genydi d
nip&a bearna, grundbuendra gearwe stowe Peer his lichoma
legerbedde feest swefep cefter symle 1004 — 8; sceolde ofer willan
wie eardian dies liwergen, swa sceal ceghivylc mon, alcetan
lamdagas 2589— 91; in seinem gebet vor dem tode redet Beo-
wulf nicht von einer Zukunft, es heisst nur: Ne meng ic h r
leng wesan 2801, ealle wyrd forsiveop mine magas to metod-
sceafte, eorlas on eine: ic him cefter sceal 2814 — 16. Oder es
besteht nur eine vage Vorstellung von der Zukunft: es ist ein
hinuntersteigen ins nebelreich, under sceadu bregdan 707, oder
ein erkiesen des göttlichen lichts, godes leoht geceas 2469.
Christlich dagegen sind die stellen Him da Scyld gewat ...
feran on frean woere 2t> f.: od domes deeg 3069.
Resignation ist die lehre jenes gleichnisses und der ertrag
aller lebenserfahrung, und so also auch in der angelsächsischen
dichtung, wo das nationale empfinden hervortritt. Aber die
menschen gehen nicht auf in tatlosem verzichten. Sie wissen
doch das leben kräftig zu fassen und bei dem bewusstsein der
Vergänglichkeit verstehen sie den augenblick froh zu gemessen.
In solche Stimmung ist die angelsächsische poesie getaucht
und die Stimmung ist es, welche ihr den eigentümlichen in-
timen reiz verleiht Wie in einer von wölken überzogenen
abendlandschaft, durch die doch ein verlorener Sonnenstrahl
bricht, liegen hier die gegenstände. Dunkel und licht, leid
und Ereude, der gegensatz dieser seelenstimmung zieht sich
durch and ist schalt' ausgeprägt Er ist charakteristisch für
diese dichter, er ist ein wesenhafter bestandteil ihrer lebens-
auffassung, die immanente denkweise, in welcher sich alles
menschliche ihnen darbietet Aber länger verweilen sie doch
bei den Schmerzempfindungen, und damit überwiegt die pes-
simistische betrachtung des Lebens.
Hier bestehl nun ein tiefgehender unterschied zwischen
altepischer und geistlicher auffassung, der in letzter hinsieht
232 EHRISMANN
auf der Verschiedenheit der lebensanschauung beruht. Im
germanischen heldentum ist trotz des in der dichtung stark
vortretenden pessimismus eine fülle positiver lebensarbeit in-
begriffen, die das leben lebenswert macht, eine moralische
kraft, die nicht von Sentimentalität angekränkelt ist. Kurz
ausgesprochen ist diese practische lebensaufgabe des helden
Beow. 1384 — 89 Ne sorga, snotor guma! Selre biet eeghweem,
])cet he his freond wrece ])onne he fela murne; ure oeghwyle
sceal ende gebidan worolde lifes; wyree, se ])e mote, domes cer
deafie, Jjcet bid drihtguman unlifgendum cefter seiest. Aber
gerade diese worte zeigen doch wider, wie tief die Weichheit
der empflndung in das bewusstsein des heldentums hineinragte.
Es ist eine abwehr nötig gegen das zu stark andrängende
gefühl und hinter allem steht der gedanke an den tod. So
wechseln hier im ersten teile des Beowulfliedes jäh die gegen-
sätze zwischen freud und leid, zwischen tapfern taten und
klagerufen, zwischen der hallenfreude am tag und dem dämonen-
graus in der nacht. Ueber dem zweiten teil aber, dem drachen-
kampf des alten Beowulf, liegt von vornherein die bange ahnung
des unheilvollen endes: him wees geomor sefa, weefre ond wcel-
fus, wyrd ungemete neah, seo (tone gomelan gretan sceolde, secean
sawle hord, sundur gedcelan lif wiä lice 2419 — 23. Aber im
tode noch ist er sieger und durch den tod befreit er sein land:
so ist hier im abschluss des gedientes glück und leid in einen
gewaltigen moment vereinigt und die leichenklage schliesst
mit der höchsten glückpreisung, die einem germanischen
fürsten zu teil werden konnte, dass er der mildeste könig war
und der ruhmfreudigste. Das ergebnis der erfahrung über das
wesen des menschengeschicks ist aber doch ausgesprochen in
den versen 1060 — 62 Fela sceal gebidan leofes ond laftes,
se ])e longe her on dyssum ivindagiim worolde bruceä, mühsal
ist es und schwankend zwischen lieb und leid.
Die christliche lehre hingegen legt den ganzen Schwer-
punkt auf das jenseits. Ins christliche übertragen würde jener
satz von der aufgäbe eines heldenlebens (Beow. 1384 — 89)
fast in allem umgekehrt lauten: würdig ist es für den heiligen,
den feind zu lieben und keine räche zu üben; dieses leben ist
überhaupt nur ein schein, das eigentliche leben folgt erst nach
dessen ende, darum leiste ein jeder, so lange er kann, entsagung
ZUM GERMANISCHEN FRÜHCHKISTENTUM. 233
in denmt, dass ihm die himmlische glorie werde. Das dasein
steht bei beiden in nahezu umgekehrter Schätzung. Der Christ
klagt, dass er das leben überhaupt leben muss, der angel-
sächsische scop nur, dass er es s o leben muss, jener preist das
ende glücklich, dieser verwünscht das leben nur, weil es so
mühselig und so vergänglich ist.
Diese grundsätzliche Verschiedenheit der gesammtanschau-
ung kommt nun natürlich auch in den einzelnen bestandteilen
der darstellung zum ausdruck.
Die hier in betracht kommenden motive, die symbolischen
auffassungen von freud und leid, glück und unglück sind anders
gestaltet im altepischen stil als im geistlichen, doch sind jene
nicht selten auf das religiöse gebiet übertragen, zur widergabe
religiöser Stimmung verwendet.
Die volkstümlichen elegischen motive1) zerfallen in zwei
gruppen: A das leid des lebens äussert sich im allgemeinen
oder in bestimmten Schicksalen, B es besteht in der Vergäng-
lichkeit.
A. Das leben wird genannt on Öyssum wmdagum, tage der mühsale,
Beow. 1002, on gemnwondd, die weit der mühen, Guthl. 829, call is ear-
fodlic eorjxtn rice, all voll mühsal ist das erdeureieh, Wand. 106, on pas
Peostran weortdde, /»in- fyu polades sißpan mcegenearfepu micle stunde, sar
<t>ttl Bwar gewin (ual swcartne dead Christ 1410 ff. Die schwersten übel,
die den tod bringen, sind krankheit, aller und schwert des feindes, Beow.
1736. 1848. 1886, Seefahrer 70; ein ganzes register von lebensgefahren gibt
das gedieht von den Schicksalen des menschen, das eben auf jener gegen-
aberstellung von glück und unglück beruht, wobei zu beobachten ist, dasa
die leidensschicksale mit viel stärkerer dichterischer kraft herausgearbeitet
sind als die günstigen Lebensbedingungen. Das schlimmste geschick für
den yermanisrhen edeling ist die verbannnng, frenndlos, macht- und hilflos
iu der fremde, im elend, auf dem ineer zn wandern. Dal sind die tragischen
gestalten des (ränderen, des Beefahrers, des geliebten in der botschafl des
mannes und in der klage der ti-au, vgl. anch Cynewnlfa Christ 264 ■"■,;".
Schicksale des menschen 27. Au- dieser Seelenverfassung heraus gehen auch
die klagen des einsamen \\ ie im Wanderer 1. K), Beow. 2287. 2268. 2461.
2815, Gnomen 174.
|{. Die Vergänglichkeit des daseins: leendayu, die geliehenen, ver-
gänglichen ta<je, lieow. 2591 (2341), l" nun gesceafi L622, ende Utnan Vfu
2844. Die traner über die heimatlosigkeit (A) und die ttber die Dichtig-
keit des irdische» (B) sind die elegischen hanptmotive der ai rischen
l) Vgl. dazu L. L. Schücking, Dai oklagelied, Engl. Studien
13.
234 EHRISMANN
dichtung. Ergreifend sind die klagen über den Wechsel des geschicks,
über das entschwundene glück Beow. 1722—1778. 2236—2266. 2455—2459,
Wand. 6-110, Seefahrer 66—71. 81—105, Guthl. 1322 ff., in der Ruine, in
Deors klage.
In diesen elegischen betrachtungen offenbart sich das
poetische gemüt des angelsächsischen Volkes in seinem innersten
wesen. Dieses stille, wehmütige nachsinnen über die Vergangen-
heit spricht von einer Zartheit der empfindung, von einer wärme
des herzens, einer treue des gemüts, die nur in einem fein-
fühligen Seelenleben zur ausbildung gelangen konnten.
Dieselben elegischen züge enthält die christliche dichtung,
aber sie haben hier eine andere bedeutung. Auch hier ist
das leben voll von mühsalen und gefahren, aber es sind nicht
solche, die den tod des leibes bringen, sondern den der seele,
es sind die lockungen der weit; auch hier ist das leben ein
exil, eine Wanderschaft, aber nicht eine Verbannung vom königs-
hofe und von den freunden, sondern eine verstossung aus dem
paradies und eine Wanderung im sündenelend; auch hier wird
die Vergänglichkeit des irdischen gelehrt, aber nicht mit Weh-
mut, sondern mit Verachtung seiner nichtigkeit, und auch hier
liegt über allem die Sehnsucht, aber nicht die Sehnsucht nach
verlorenem glück, sondern nach den unvergänglichen freuden
des himmels. In der art des empfindens, wenn auch nicht in
den zielen desselben, stehen sich also angelsächsisches und
christliches Seelenleben sehr nahe, beiderseits geht ein weicher
zug der entsagung durch, das irdische leben ist hier wie dort
pessimistisch aufgefasst, und darum konnte auch die epische
dichtung mit den christlichen gedanken zu einer neuen einheit
verschmelzen, einer national - christlichen dichtungsweise mit
populär- christlichem anstrich, wie sie im Seefahrer und im
Wanderer vorliegt und wozu auch die christliche färbung des
Beowulf gehört.
Aber eine ausschlaggebende Wendung hat der christliche
glaube hinzugefügt, nämlich den hinblick auf das jenseits:
auf die mühen und entsagungen des menschenlebens, bei denen
das nationale denken stehen blieb, folgt hier in holdem Opti-
mismus der trost der himmelswonne, auf das heimatlose umher-
schweifen die sichere heimat bei gott. Der geistliche abschluss
im Seefahrer und im Wanderer ist das stärkste merkmal für
ZUM OEKMANISCIIKX PEÜHCHRIBTENTUM. 235
diese christliche epik und auch in der grossen stelle vom
Umschwung des glucks im Beowulf v. 1724—1781 bildet der
gedanke an das ewige heil (1750) den Eesten pnnkt im wandel
der geschicke. Ks ist die frohe botschafl vom himmelreich,
durch welche schon die ersten glaubensboten das heiz der
Angelsachsen rasch für ihre neue lehre gewannen. Ebenso
Bchliessen die epiloge Cynewulfs zur Biene und zur Juliane,
deren stil geistlich mit altepischem einschlag ist. Und von
hier ist dann die brücke geschlagen zu Alcuin. der in seiner
elegie von der Zerstörung- des klosters Lindisfarne (Migne L01,
805—810) die endlichkeit des irdischen glucks dem beharren
des jenseits mit verwantem empfinden entgegenstellt.
V. Der Ursprung der elegischen Stimmung bei den
Angelsachsen.
Von wehnmt durchzogen sind die gedanken. die die angel-
pächsischen dichter vom leben haben, mühselig ist es und ver-
gänglich und aber ihm waltet ein düsteres Schicksal In diese
national -christliche epik ragt noch viel heidentum herein
Neben dem christeugotl bestehl noch eine macht, eine heid-
nische, das Schicksal, die Wyrd. Mag auch, was die dichter
von ihr sagen, grossenteils auf rechnung der poetischen tradition
zu setzen sein und mag der angelsächsische edeling in seinem
doch meist nur äusserlich werktätigen glauben sich als Christ
und getreuen anhänger der kirche bekennen, bezeichnend ist
es dich für das zähe festhalten an den alten begriffen, für
die freiheit und selbständigkeil des angelsächsischen Bcop, dass
reste des heidnischen wesens in der dichtungso ungestört neben
der christlichen leine beibehalten werden konnten.
Die Wyrd ist das heidnische tat um. Eis isl das verderb-
liche, unheilvolle, feindliche geschick, das geheimnisvoll, on-
barmherzig und anerbittlich über dem menschen waltet. Im
Beowuli ist is speciel] das Verhängnis des todes, die todes-
gottheir (ebenso im lleiiaud inini das lodesverhängnis, vgi
auch im Hildebrandslied wSumrt), Beispiele aus Beowulf:
i wyrd, Bwa bio scel 156; bie wyrd fonweop on Grendles gryre
477; wyrd oft nered anfsejn rl. bonne bü eilen deab 'ü--. newasepeet
wyrd |'.i gen (•;• t be ma moste manne cynnei diogean ofer pa oihl 784;
Deine bim \wti,s god wyrd fontode ond <!.•■< mannesm nyne wyrd
236 EHRISMANN
fornam 1205; him waes jeomor sefa, waefre ond waelfus, wyrd on^emete
neah, seo done jomelan ^retan sceolde, secean sawle hord, sundur jedaelan
lif wid lice 2419; swa unc wyrd ^eteod 2526; Daer he py fyrste forraan
dolore wealdan ne moste, swa him wyrd ne jescraf, hred aet hilcle 2573;
ealle Avyrd forsweop 2814. Ferner wyrd bid f ul araed ! swa cwaed eardstapa
earfepa semyndij, wrapra waelsleahta, wineiTiseja hryre Wand. 5; Wyrd
ne mealite in fae;$um lenj feorj jehealdan, deore fraetwe, ponne him jedemed
wses (das amt der Wyrd als todesgöttin schimmert hier noch durch) Guth-
lac 1030; bip> his lif scaecen and feleleas feores orwena blac on heame
bided wyrde bewegen waelmiste Schicksale d. menschen 39. — Wyrd ist
die stifterin des Unheils: Eall is earfodlic eorpan rice, onwended wyrda
jesceaft weoruld under heofonum Wand. 106; ne daer aeni;$ becwom herbes
to harne, ac hie hindan beleac wyrd mid wse^e Exod. 455 ; hie seo wyrd
beswac, forleolc and forlserde: nu hie lungre sceolon werije mid werijum
wraece proAvian Andreas 613; Oirjan pa hreorcearij, sidfaet seofian, sar
cwanian, wyrd wanian Jul. 536; Feala ic on pam beor^e ^ebiden haebbe
wradra wyrda Kreuz 50; donne mon him sylf ne mae^ wyrd onwendan
Hymnen IV 116; paet ic jewse^an ne mae;$ wyrd under heofonum Das jüngste
gericht 115; daet eal fornam yp[a geblond] wrape wyrde in woruldrice
Pharao 8; beorht waeron burgraeced ... op paet paet onwende wyrd seo
swipe Kuine 22 — 25; wyrd byd swiclost Gnom. Cott. 5; earm bid, se pe
sceal äna lifjan, wineleas wuuian, hafad him wyrd jeteod Gnom. Exon.173;
besonders aber Sal. u. Sat. 426 — 439: hwaeder waere twegra butan tweon
streirgra, wyrd de Warnung, donne hie winnad oft mid hira dreamedlan,
hwaederne adreoted aer . . . Wyrd bid wended hearde, wealled wide geneahhe,
heo wop weced, heo wean hladed, heo gast scyd, heo gar byred, and hwaedre
him ma?g wissefa wyrda gehwylce gemetigian, jif he bid modes gleaw and
to his freondum wile fultum secan, deh hwaedre godcundes gaestes brucan.
Ac hwaet wited us wyrd seo swide, ealra fyrena fruma, faehdo modor, weana
wyrtwela, wopes heafod, frumscylda geh waes faeder and modor, deaöes dohtor?
. . . ned bid wyrda heardost ebda. 310. — Wyrd als das geheimnisvolle, ver-
borgene geschieh: paette hie saedon swefn cyninge, wyrda gerynu Daniel
148, vgl. 132. 653; and him witgode wyrda gepingu ebda. 546; He pe maeg
sod gecydan, onwrean wyrda geryno Elene 588; nu is leoht cymen, on-
wrigan wyrda bigang ebda. 1122; swa ic on bocum fand wyrda gangum
on gewritum cydan ebda. 1254.
In den religiösen gedienten wird wyrd auch einige male
mit gott in beziehung gebracht, und dann ist ausdrücklich die
macht gottes als die stärkere hervorgehoben: Genesis 2353
gott spricht zu Abraham: Sarah wird einen söhn bekommen,
pe sceal tvintrum frod on ivoruld bringan Sarra sunu, soft
forft gan wyrd cefter pissam ivordgemcarcum; Ne wile Sarran
sod gelyfan ivordum minum, sceal seo wyrd swa J)eah foret
steallian, siva iefie 03t frymfte gehet ebda. 2388; gott ist der herr
des geschicks, wyrda ivaldend, Exod. 432, Andr. 1058, Elene 80;
ZUM GERMANISCHEN FUi'lICHRISTENTUM. 237
Hymnen IV 43; das geschick verändert ihn nicht («Jens innnu-
tabilis), Goü us ece biS, ne wendaä hine wyrda Gnom. Exon.8.
Das Verhältnis gottes zu den menschen ist das entgegen-
gesetzte von drin der ll'///v/ gegen die menschen. Im Beowulf
ist er der Schöpfer 11U. 2520. 2741, der lebensspender 17, der
allgewaltige 314. 055, der ewige, weise, heilige walter der
menschen 1611. 2741. 2850, der ewige lenker des alls 928,
der könig und lichter 180, sein wille isl unbeugsam 2858, er
ist der Schätzer der menschen 26, im kämpfe 1057, auf der
reise 314, in der nacht 1057, der leiter der verlassenen 1057,
der trost 070, er sorgt für die menschen 706, gibt seinen segen
bei der geburt 944, er verleiht gaben 72, stärke 1710, rühm 80,
kampfglück und sieg 097. 1553. 2874. 3054, hilft zu gross-
taten 939, spendet Weisheit, adel, erbsitz und ehre 1724 ff.,
verleiht wolredenheit 1841, ist der feind des bösen 1083 (Gren-
dels), 1092 (der giganten), bricht bösen zauber 3054, zu ihm
betet man 227 u. <">., ruft ihn zu zeugen an 2650.
Gotl und Wyrd sind also ethische gegensätze, was von
übel den menschen betrifft, isl fügung der Wyrd, von gott
kommt alles gute und nur gutes. Zwei weitmächte bestimmen
in diesen dichtungen das leben. Ein blindes, ein unberechen-
bares und unerbittliches, dem menschen fremd und kalt
gegenüberstehendes fast wesenloses wesen und ein gerechter,
barmherziger, nur gutes bringender vater; dort heischt ein
heidnischer pessimistischer fatalismus, hier der idealistische
teleologische Optimismus des Christentums.
Der germanische schicksalsglaube (J. Grimm, 1). mythol.
810. 817 IT., nachtr. 257 ff. | hatte im angelsächsischen Volks-
glauben noch starke wurzeln. Er isl ebenso noch Lebendig
im früheren deutschen Christentum, s. bes. Ilauck II 395. 7;.'.'.
759. 777 i im obd. aberglauben, im Heliand; < lottschalks strenge
prädestinationslehre aus dem ihm innehaftenden fatalismus
hervorgegangen, der fatalistische gottesglaube im Ludwigslied)
und auch im Bpäteren mittelalter sind Bpuren noch in der
deutschen literatur zu treffen (J. Grimm a.a.O.; die wih
Etöhrscheidt, Studien zur kaiserchronik, Göttinger diss. 1907,
s. ii it.; im Nibelungenlied, Kettner, Die baterreich, Nibelungen-
dichtung s. 217 219, s. auch Beitr. 82,26
l>er Bchicksalsglaube isl ein charakteristisches merkmal
238 EHRISMANN
des germanischen frühchristentums und bildet eine notwendige
Übergangsstufe. Er war ein so wesentlicher bestandteil des
religiösen bewusstseins im heidentum, dass er nicht einfach
bei seite geschoben werden konnte. Der germanische regnator
omnium deus (Tacitus Germ. cap. 49), der beschützer in ge-
fahren, der Verleiher von macht, Weisheit und kriegsglück,
konnte ersetzt werden durch den christengott, die nebengötter
durch die erzengel und heiligen, aber die Wyrd, die ausser dem
bereich der götter, ja über diesen steht, fügte sich nicht in
das christliche dogma von der allmacht gottes. Es musste also
in diesem punkte eine Vermittlung zwischen heidentum und
Christentum stattfinden und sie geschah auf einfache weise
dadurch, dass die verderbliche Wyrd dem guten gotte unter-
geordnet und ihr die Wirkung dessen zugeschrieben wurde,
was man als ein übel empfand. In dieser beziehung musste
sie ihre macht mit dem teufel teilen.
Die Vermittlung zwischen fatalismus und theismus ist über-
haupt eine Übergangserscheinung vom heidentum zum Christen-
tum. Die stoische ävdyxr], Ei/iagfisvi] stand dem glauben an
die alimacht gottes ebenso hindernd gegenüber wie die ger-_
manische Wyrd und einer der versuche des Boethius in der
annäherung von heidentum und Christentum bestand darin, die
stoische notwendigkeit mit der herschaft des guten, d. i. gottes,
in einklang zu bringen. Er tat es in der weise der neuplato-
niker, indem er das fatum der Providentia oder prima divinitas
als niederere stufe beigesellt (vgl. Nitzsch, System des Boethius
s. 60 f. 64). Augustin dagegen setzt das stoische fatum und
den willen gottes als gleich an (De Civ. Dei V 8), bei Procop
von Caesarea stehen beide unvermittelt neben einander (Dann,
Prokopius von Cäsarea s. 217 — 247), Gottschalk endlich, der
sächsische mönch, konnte deshalb ein so fanatischer anhänger
der augustinischen prädestinationslehre werden, weil das be-
wusstsein völliger abhängigkeit von der vorausbestimmung
einer höheren macht ihm von dem sächsischen Volksglauben
aus angestammt war (Hauck II 628. 641. 649-654. 765).
Die elegische Stimmung der Angelsachsen ist eine erbschaft
des heidentums. Sie ist über das leben verbreitet in einem
weichen empfinden für die Schmerzgefühle, welche dieses bietet,
und in dem gedanken an die Vergänglichkeit und an den tod,
Zl'M CKKMANISCIIKN II; i" IK II KIS IT.\ KM. 239
die auch der freude überall drohen. Sie Lsl aasgesprochen in
der weltanschauuug, die 7on dem pessimistischen glauben an
ein starres tat um noch nicht ganz Losgekommen ist. Wenn
wir darum nach dem Ursprung dieser Stimmung fragen, so
werden wir ihn in den tiefen des innenlebens Belbsi zu suchen
haben und werden nicht weiter kommen als zu sagen, es ist
jene weiche und schwermütige gemütslage ein wesenhafter
bestandteil der Volksseele. Nur in einem feinen gefiihlslel.en
konnte jene weit- und lebensanschauung so zarte formen an-
nehmen. Und weshalb gerade das angelsächsische volk so
gestimmt war. wer wollte dies ganz erklären? Sie ist im
germanischen Charakter begründet, diese gemütsyeranlagung,
wir kennen sie selbst an uns bis auf den heutigen tag und
fühlen sie anklingen, wenn wir Theodor Storni lesen, aber
bei keinem germanischen vclke der frühzeit ist sie so aus-
gepi ägt wie bei den Angelsachsen. I >arum konnte das Christen-
tum mit seiner lehre von der weltentsagUDg und Beinem sehnen
nach den himmlischen Wohnungen so leicht bei ihnen eingang
linden (ten Brinb L. G. buch I abschn. i\) und es hat gewiss
dann seinerseits durch sinne sanftmütige Innerlichkeit auf die
ausbildung jener empfindsamkeit verstärkend mitgewirkt Denn
SO berichtet llcda 70n Caedinon llist. Eccl. Uli 24: ejus car-
minibus multorum Baepe animi ad eontemtum saeculi et appe-
titum sunt vitae caelestis accensi.
BEIDELBERÖ. G. EHRISMANN.
DIE HEIMAT DER ALTNORDISCHEN LIEDER
VON DEN WELSUNOEN UND DEN
NIBELUNGEN.
II i)
1. Berührungen zwischen den Eddaliedern und der
angelsächsischen dichiuug.2)
üuör. 119 Jutt skyli hjarta
hrafnar slita
'vi)? lond' yfir,
'eN ]?u vitir manna'.
Die ausgaben schreiben: viö Ipnd. Auch ein compositum
vidlgnd yfir ist möglich. Der ausdruck stimmt mit dem ags.
überein: ofer ividlond oder ofer wid lond oft in den gedienten,
ofer widlonda gehivylc Crist 1385.
Die letzte zeile ist wol aus ertjjv verftr manna, älter est
verstr manna, entstellt.
J) Vorbemerkung. Unter dem nacMass meines verstorbenen vaters
finden sich eine reihe von abkandlungen über die sage von den Weisungen
und Nibelungen, die sich nahe an seine abbandlung 'Die heimat der alt-
nordischen lieder von den Weisungen und Nibelungen' I (Beitr. 22, 115 — 135)
schliessen. Er hatte ein grösseres werk über diese frage geplant und hat
daran jahrelang, aber abgebrochen, gearbeitet. Die verschiedenen abschnitte
bilden daher, wie sie jetzt vorliegen, kein zusammenhängendes ganze.
Einige sind mehr, andere weniger ausgearbeitet. Die meisten abschnitte
liegen in deutscher spräche, andere dagegen nur in einem norwegischen
entwürfe vor. Die reihenfolge der verschiedenen abschnitte gehört nicht
meinem vater, sondern dem herausgeber. Herr professor Moltke Moe und
herr professor Magnus Olsen, der nachfolger meines vaters, haben mir dabei
freundlichst geholfen. — Kristiania, juni 1908. Alesander Bugge.
2) Vgl. S. Bugge, The Home of the Eddie Poems, London 1899, s. XXII f.
XXVI f.
HKIMAT DER AI/IN'. WELSt X< | ES- V. XI M.-I.IKDKR. L! I 1
ItuiV. II :::: sagt (irimhild zu ihrer tochter Gudrun:
LqikI gef ek enii p6r,
l\'i\i siiiiii,
'uinbiorg aalbiorg'.
.Man hat eine wahrscheinliche erklärnng der Ortsnamen
Vinbjorg oder Vinbjorg und FaUtjgrg bisher nicht gegeben.
Mit grnnd nennt jedoch Ettmüller dieselben 'dichterische Orts-
namen, und daher auf keiner Landkarte zu Buchen'.
In dem ags. gediente Widsiö 77 f. wird Cäsere, d. i. ('aesar.
der römische kaiser, als derjenige bezeichnet
se f>e wlnbaiga geweald ähte,
wiolena and wüna and Wala rices
'welcher über bürge, reichtümer, herrliche Sachen und das reich
der Walen gewalt hatte'.
Ich meine, dass diese stelle des Widsiö-gedichts das Vor-
bild des in Gtaör. II angewendeten ansdrnckes ist Au'>. tetn-
bunj ist rin in den gedienten oft vorkommender ausdruck, der
eigentlich "bürg, in welcher man wein trinkt' bezeichnet, der
aber ein poetischer ausdruck für 'bürg' überhaupt gewurden
i>t . Nach winburga hat der norwegische dichter den Orts-
namen Vinbjgrg gebildet Die ändernng ist natürlich, denn
(hin. Wüborg wechselt mit Wibicergh, Fäburgh mit Fabyergh;
der norwegische Verfasser von Belg. Hund. II J7 gibl «hin.
Leeburgh durch Hlibjgrg wider und norw. IngibJQrg entspricht
dem da 11. Tngiburg.1)
In Übereinstimmung mit \'ini>jn>-<j hat der norwegische
dichter den darnach folgenden Ortsnamen Valbjprg nach Wala
rices gebildet
Mi''- wird dadurch bestätigt, dass auch die Atlakviöa, wie
ich im folgenden nachweisen werde, mit Widsiö' bertthrnngen
zeigt —
Wenn der Verfasser der öußr. II Bomil Widsiö gekannl
hat. isl bei Langban I dar Guör. II 19,7 Longbtardum Wids.
1 zn vergleichen.
(iriuihild verheissl ihrer tochter Vaibjgrg also besiti in
Wälschland. Damil Btimml es aberein, dass Qrimhild ihr
') \ ! Imb im BUndinger I _'•_"' i" meine ichrifl i
197.
B«itr*ic ui k- »clucUtt Jer ticuUchcn spräche. XXXV.
242 BUGGE
Hlgdves sali (Guör. II 25) geben will, d.h. säle welche dem
fränkischen Ludwig gehört haben, und dass vifvalnesk (Guör.
II 35) der Gudrun zu Atli folgen.
Atlakv. 4, 5 serJci 'val \ ro])a'. Dies adjectiv hat man
meistens und, wie ich jetzt glaube, mit recht als valrauöa
verstanden. Die Schreibung val ropa erkläre ich als eine
dänische form, die aus dem dänischen vorbilde der Atlakvifta
beibehalten ist. valröör bedeutet 'blutrot'. Das wort ist eine
logische Verkürzung, statt *valbl6d-raudr, das nie gesagt wurde;
wie dän. kornblä s. v. a. ein nie angewendetes komblomstblä.
Akv. 9 rynendr ne rdöendr ist ein formelhafter ausdruck,
der mit ags. min rünwita and min rdtdbora Beowulf 1325 nahe
verwant ist.
Akv. 9 mjgörann 'methaus', 'metsaal'. Dies wort kommt im
nordischen sonst nicht vor. Damit identisch ist ags. medocem
Beow. 29. Dass hier entlehnung aus der ags. dichtersprache
anzuerkennen ist, wird dadurch wahrscheinlich, dass keine
andere mit mjgd- zusammengesetzte bezeichnung des hauses
oder der halle im altnorw. vorkommt, während das ags. zu-
gleich medoburg, medoheal, meduseld, medosetl hat. Die ags.
Wörter sind vielleicht wider dem ir. midchuairt nachgebildet,
wenn man dies als 'metsal' und nicht als 'niidcourt' ver-
standen hat.
Akv. 10 Ristu nü, Fjqrnir!
lattu ä flet vaöa
greppa gullskälir
meö gumna hQndum!
Es verdient beachtung, dass der dem anorw. d flet ent-
sprechende ags. ausdruck on flet Beow. 1647 vorkommt, wo
uns in der folgenden zeile J)c%r guman druncon begegnet, wie
in Akv. gumna, und wo davon die rede ist, dass die mannen
des königs in der halle trinken; vgl. Eätsel 562. 5712.
Der ausdruck med gumna hondum findet sich zugleich in
der von Sighvat 1031 verfassten erfidräpa Olafs v. 18 (Corp.
poet. bor. II 141).
Fjornir ist ein dienstmann Gunnars, der für die bewirtung
mit trank, wol auch mit speise, zu sorgen hat. Der name
wird eine poetische erfindung sein. Allein weder durch die
vergleichung des poetischen fjornir 'heim', noch durch die er-
HKIMAT DHU AI/IN. \\ i:i>l N < . I X- C. NlH.-MEDKK. 24S
klärung 'lebhaft1 von ßyr (Gering, Die Eddas. 258) gewinnen
wir für diesen aarnen einen passenden sinn. Das stammworl
scheint mir vielmehr ags. feorm 'gastmahl, bewirtnng'. I'avon
*FJQrmnir. mn gehl regelrecht in fn ober; also ' Fjgrfnir.
Bndlich wurde /* zwischen r und n ausgedrängl wie in parnast
= parfnast.
A kv. 1 1 -Vlfr nivn' rä<Vi
arli Nif longa
unlar granverjrir',
ef I hinnara missir;
bimir blakkfjallir
•liita prcf ta'iinom',
ganina gTeystöÖi,
ef Guunarr ne 'kqmrap'.
Diese strophe erweckt zweifei sowol in betreff des sinnes
als mit rücksicht auf die sprachlichen formen. Auch der
Bchreiber des cod. reg. war hier unsicher. Er Bchrieb zuerst
miffi, änderte aber das zweite i, wie es scheint, in ir. Ferner
schrieb er zuerst blacßallar, änderte aber das -ar in er. Der
Verfasser der Vuls. s. hat die strophe an derselben stelle ge-
lesen und hat darin die worte Gunnars gefunden. Anch er hat
Vlfr mvn und bita gelesen.
Vlfr mun verträgt sich nicht mit ganilar granverjrir. Der
sinn scheint Ülfar munu ... gamlir, grdnvaröir, wie Grnndtvig
gelesen hat. zu fordern. Vielleicht ist jedoch Vlfr mtm nicht
entstellt. Die verszeilen
t'li'r mun r&6a
arfi Niflunga
in fornyröislag kennten die orsprünglichsten und die übrigen
in malahattr verfassten Zeilen spätere zndichtung sein. Dann
müsste man annehmen, dass die ursprüngliche form der v. l — 2
in einer anderen behandlang der dichtang erhalten und daraus
später in A.tlakviöa, wo dieselbe nicht i>a»t. eingeführt wäre.
Matt granver]fir habe ich grdnvarÖW 'grau gekleidet' ver-
mutet (Aarbogei 1869, & 263). grdnver/Hr Iftsat sich nicht
durch agutn. '('•/'/■. aschwed werter von vwria verteidigen.
l-irwiss anch nicht durch die von WadMein. l'.eitr. 7.117l".
unmelten iaL-anorw. beiSpiele amgelanteter formen, zu
welchen man Kock, l'.eitr. 18, 132 ff. und F. JonSSOn, Arkiv
244 öugge
13, 262 vergleiche.1) Dagegen scheint es möglich, dass -verdir
aus dem ags. wered beibehalten worden ist.
'Wölfe' bezeichnen bildlich die hunnischen feinde der
Niflungar, besonders Atli. Welche menschen sind denn durch
bimir blaMfjallir bildlich bezeichnet? Um dies zu finden,
betrachte ich zuerst bimir blaMfjallir (sc. munu) . . . gamna
greystödi, ohne hier bita ]>reftgnnum zu berücksichtigen.
greystöÖ 'schar der hunde' bezeichnet offenbar verächtliche
feinde der Niflungar. greystöö wird im gegensatz zu bimir
'die baren' genannt. Daher müssen bimir blakJcfjallir die
Niflungar bezeichnen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die
brüder der Gudrun v. 38 berhardir 'bärenhart', 'bärenkühn'
heissen.
In blaMfjallir nehme ich blaMr nicht in der norwegischen
bedeutung 'bleichfarbig'. Da die Niflungar schwarzes haar
hatten, verstehe ich blahh- als 'schwarz-' und erkläre dies aus
dem einfluss des ags. blcec.
Vgl. Speculum regale, Christiania ausg. s. 43 Bjgrn er ])ar
oh d ])vi landi [d Grcenlandi], oh er hvitr, hann heftr alt
aöra ndtiüru en svartir bimir, er i shögum ganga.
bimir (munu) gamna greystödi 'die baren werden die schar
der hunde erfreuen', d.h. verächtliche feinde werden ihre freude
daran haben, die Niflungar zu verhöhnen und zu verspotten.
gaman ist ja oft s. v. a. spott.
Wenn bimir blahhfjallir (munu) gamna greystödi somit ein
(in einem gewissen falle eintretendes) leiden der Niflungar be-
zeichnet, muss das coordinierte bimir blaMfjallir (munu) bita
preftgnnum ebenfalls ein leiden der baren, der Niflungar ur-
sprünglich bezeichnet haben. Allein dies kann in den Wörtern,
wie dieselben in der handschrift geschrieben sind, nicht liegen.
Die Wörter sind also entstellt. Wenn wir beachten, dass hier
ein leiden ausgedrückt sein muss, und bedenken, dass eine Zu-
sammensetzung ]>reftgnnum sonderbar ist, werden wir das rich-
tige finden.
Ich meine jetzt, dass bita firef taonnom aus bita]) ref tarn-
nom entstellt ist und dass dies s. v. a. bitash ref-tgnnum ist:
x) Von Wadsteins beispielen sind noch andere zu streichen; so ist
kiseft von kcefa, nicht von kefja.
HEIMAT DER ALTN. WELSUNOEN- ü. NIB.-LIEDER. 245
:die schwarzzottigen baren werden von fuchszöhnen gebissen
werden'.
Für h/t<tji bitask vergleiche man, dass die handschrift
des Agrip7> für e anwendet, z. b. gerdp\ siehe die ausgäbe Dahle-
rups s. xxi f.
her dativ ist hier wie z. b. in hann virdisk mannwn vel
zu verstellen. Durch 'fuchse' werden hinterlistige feinde bild-
lich bezeichnet.
Diu strophe warnt Gunnar vor der fahrt und deutet das
unglück an, welches stattfinden wird, wenn Gunnar auf der
reise nach dem lande der Hunnen umkommt. Daher lese ich
Jcemskat statt kommt. Die Strophe wird wahrscheinlich von
Hogni ausgesprochen und ist unmittelbar nach 8 (ylfskr er
vegr okkarr at rida erendi) einzusetzen.
Akv. 14 veröii sätu titi
at varÖa peim Gunnari,
ef hans vitja kva^mi
meö geiri gjallanda
at vekja gramhildi.
ha/ns (l/f) habe ich in Aarböger 1860 für her (//) vermutet.
Mit den angeführten verszeilen vergleiche man Widsiö 12*
(hwinende fleäg) giellende gär on grome Jteode.
Das aus. (jirllende gar entspricht dem geiri gjallanda der
Akv. Der ausdruck <jro)»v im Widsiö zeigt, dass gram in Akv.
nicht dat. von gramr 'könig' ist. Wir müssen vielmehr gram-
hildi lesen, 70m adj. gramr 'erbittert, feindselig'; vgl. ags. gram'
word In dem aus. wie in dem norwegischen gediente ist davon
die rede, dass Goten gegen das volk des Attila Speere werfen.
Daher muss die Akv. hier von einem englischen gedichte
beeinflnssl sein: entweder vom Widsiögedichte oder von einem
verlorenen gedichte, das ausführlicher vom kriege der Goten
und der Hunnen gehandelt hat und von welchem \\ idsit! aus-
drücke entlehnt hat Für das letztere alternativ spricht der
umstand, dass die Akv. ja auch sonst die Goten als die feinde
der Sannen kennt.
Auch in Akv. 5 heisst es:
. . lrzk ykkr "k linimlu gefa
:: gjallanda.
246 BüGGE
Hier scheint die singularform sinnlos und das epitheton
gjallanda weniger passend, denn der speer klirrt (gellr), wenn
derselbe geworfen wird. Daher ist der ausdruck ursprünglich
bei der in Akv. 14 vorkommenden Situation angewendet und
davon zu Akv. 5 übertragen worden.
Auch in Egils s. v. 14 (der nach F. Jönsson 916 gedichtet
ist) findet sich gjallanda geiri (vom kämpfe).
Akv. 21 hjarta . . . ör brjösti slcorit 'balldripa': 'dem kühnen
reiter', d.h. Hogni. Dasselbe wort findet sich
Lok. 37 Freyr er beztr
allra 'ballripa'
äsa gQrÖum i.
Ich kann, trotz F. Jönsson, Lit. Hist. I 306, nicht einsehen,
warum dieser ausdruck ursprünglich nicht sowol von mensch-
lichen helden, als von göttern angewendet werden könnte.
ballridi ist die echte altnorwegische form. Das d der in Akv.
angewendeten form haldridi ist wol aus ags. einfluss zu er-
klären, denn ags. beald, bald ist = anorw. ballr. Jedoch kann
balldripa auch altdänische form sein.
Akv. 24 wird Hogni 'kvmbla fmip' (accus.) genannt.
F. Jönsson ändert dies in kumla meift 'den bäum der kriegs-
insignien' und bemerkt: ' Kumlasmipr kann durchaus nicht das
richtige sein, da eine solche Umschreibung ziemlich niedrig und
unwürdig wäre.' F. J. überträgt hier, wie sonst nicht selten,
mit unrecht einen künstlichen skaldischen ausdruck auf die
Eddadichtung. Der ausdruck Jcumbla smiÖ ist m. e. richtig
und aus einer fremden dichtung beibehalten. Denn in ags.
dichtung werden die krieger wigsmidas genannt, ein tapferer
kämpf er mhd. ein smit mit siverten Parzival 112, 28, kämpf es
smitV&vz. 210,4. Ich fasse mit Gering Jcumbla smidr als 'der
im kämpfe auf die helme hämmert'. Dabei ist zugleich zu
bemerken, dass der kämpf in dem gediente vom siege bei
Brunanburh (937), wo das wort wigsmidas vorkommt, cumbol-
gehnäst 'conflictus signorum' genannt wird. Vgl. ftonne cumbol
hneotan Andr. 4; on ivige, ponne cumbolgebrec weordan sculdun
Psalm C 11.
Anders über himblasmid Egilsson und Fritzner.
Akv. 29, 1—4 habe ich in meiner ausgäbe s. 432a unglück-
lich behandelt. Ich lese jetzt ohne änderung:
HEIMAT DER ALTN. WELSUNGEN- U. NIB.-LIEDER. 247
Atli inn riki
reiö glanmmQmxm
sle<rinn rö^pormun
äifjungr i'ciru.
Aus den zeilen Atli inn riki reiö 'gl&m maönom' (so die
handschrift) hat der Verfasser der Kaifsvisa, wie ich jetzl
glaube, Atli [reiö\ Glaumi geschöpft, indem er das für sich
geschriebene glaum fehlerhaft als einen namen verstand.
Während ein adjectiv *manr von mon sich nicht stützen lässt,
ist ein zusammengesetztes adjectiv *glaummanr dat. glaum-
monum wie laushdsr gebildet, glaummonum ist substantivisch
angewendet, = glaummgnum jö\ vgl. stjornbitluÖum Oddr. 2.
Allein in der Zusammensetzung glaummanr scheint altn. glaumr
'strepitus, lärm, Lärmender jubel' nur schlecht zu passen. Ich
möchte das wort nicht als 'das ross mit der rauschenden mahne'
deuten. Vielmehr vermute ich in glaum- eine umdeutung des
ags. tßii in 'glänz'. Vgl. Skinfaxi, Gullfaxi. Ein dänisches gläm-
bildete vielleicht das mittelglied zwischen gldm- und glaum-.
Gudrun kann nicht wo! v. 30 (Svd gängiger, Atli! cls.w.)
aussprechen, nachdem Atli weggeritten ist. Daher stelle ich
Jetzt Atli iun riki
reiö glaommQnnm
slegänn rögpornuin
sifjungr peira
nach str. 30 (Svd gangi per, Atli!). T>ie zweite Strophenhälfte.
welche nach sifjfungr Petra unmittelbar folgen soll, finde ich
jetzt in den vier zeilen. welche in der handschrift anmittelbar
nach str. 30 folgen: ■ . _,
° oi mau paSan
maronü bittüa
dölgrqgnj «In»
til 'd»p faokr'.
(durch beseichne ich den anfang < in-r neuen teile).
M.in liest gewöhnlich tu dauöi stökr und verbindet sköhr
buttern1 mit bituls. Allein ein Domen agentis skökr findet
sich Bonst nicht und hat in der altnordischen Wortbildung nicht
hinreichend.' Mutze.
Ich vermute hier ein dänisches vorbild und dass in okr
von fcohr altdan. ehr altschwed. eher, gntn. oykr, anorw.
• ijkr steckt. i>as wort bedeutet im altschwed und ginn, 'ge-
248 BUGGE
spann, zugvieh', s. meine bemerkungen in Nord, tidskr. f. filol.
n. r. III 274 f. bituls eJtr also 'das gespann der pferde'. In
alten handscliriften bezeichnet o oft denselben laut wie 0.
Vor okr steht in der handschrif t dwj) \ fc. Dies ist s. v. a.
dauds. Ebenso ist in der Pläcitüsdräpa bor]>fc = bords, lixfc
= linnz (linns) geschrieben; siehe Gislason, Um frumparta s. 85.
Aus dem vorhergehenden folgt ein wichtiges resultat:
diese verszeilen der Atlakviöa setzen dänische vers-
zeilen voraus, ja sie sind sogar nach dänischen vers-
zeilen geschrieben. Und der norwegische abschreibe!' hat
die dänische vorläge hier nicht verstanden.
Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass diese verszeilen
zuerst in Britannien von einem Norweger abgeschrieben worden
sind. Denn dort lebten die Norweger vielfach mit den Dänen
zusammen und dort lernte, wie aus andern tatsachen zu folgern
ist, der westnordische stamm die dichtung von den Weisungen
und den Nibelungen kennen. Ausserdem lässt der einfluss
angelsächsischer dichtung sich sonst in der Atlakviöa nach-
weisen.
Wenn die hier behandelten zeilen dänische vorläge haben,
hat das gedieht Atlakviöa gewiss ein dänisches vorbild gehabt.
Hiermit behaupte ich jedoch nicht, dass die Atlakviöa in der
uns vorliegenden gestalt ein dänisches gedieht sei. Denn in
keinem Eddagedicht liegen deutlicher mehrere verschiedene
schichten, ältere und jüngere, neben einander. In keinem ge-
diente tritt diese Verschiedenheit in dem poetischen ausdrucke
und in dem versmasse unzweideutiger hervor. Daher scheint
es mir unstatthaft, z. b str. 23 (Her hefilc hjarta) zu einer
mälahätt-strophe zu machen. In keinem Eddagedichte ist die
umdichtung mancher Strophen fühlbarer; z. b. 31, 1 — 8 aus
verszeilen, die etwa so lauteten:
Lifanda gram
lQgöu i ormgarö,
heiptmöör Gunnarr
hQrpu kniöi.
Aus dem vorhergehenden ist noch mehr zu folgern. Das
dänische vorbild hatte die form ehr, aus älterem eykr. Da-
durch wird die zeit, zu welcher der vers aus dem dänischen
ins norwegische übertragen wurde, annnähernd bestimmt.
HEIMAT DER AT/TN. WEISUNGEN- U. NIB.-LIEDER. 249
Mehrere mittelengl. Wörter, welche aus dem altnord. entlehnt
sind, zeigen ai für an. ey (ey) und bezeugen dadurch die von
Engländern gehörte diphthongische ausspräche in den nor-
dischen Stammwörtern (Kluge in Pauls Grundriss I 792). I>ie
monophthongische ausspräche des ey entstand w<>1 im dänischen
c 1000- L050. Früher ist also der vers der Atlakviöa nicht
ins norwegische übertragen worden.
Endlich finde ich in dsöjtfcohr Akv. 28, G eine kräftige
stiitze für die von mir (Helge-Digtene s. 341) ausgesprochene
meinung, dass die ältesten Eddalieder nichl zuerst auf Island,
sondern bereits in Britannien aufgezeichnet worden sind. Dabei
sehen wir, dass die in den ältesten isl. handschriften vorkom-
mende anwendung des c für einen Zischlaut sich bereits in der
altdän. schritt in England fand.
Akv. 34 pä er i hqll saman
Hünar t^löusk,
gumar granslöii
gengu inu hvatir
(Itr/ir/r die handschr.).
Diese Zeilen zeigen eine ähnlichkeit, die kaum zufällig
ist, mit Beow. 1640 ff.:
6Öf>8Bl semninga tö sele cömou
frome fyrdhwate feöwertyne
Geata gongan.
Hierdurch wird die änderung hvatir in Akv. gestützt (ags.
semninga und altn. saman sind dem sinne nach verschieden).
drttkku dröttmegir Akv. 2.1; vgl. druncne dryhtguman Beow.
1231. gullrodinn Akv. 1. ags. goldhroden; siehe zur Siguröar-
kviöa. seggr inn suÖrami Akv. '2. aueh Siir. 1: aus. stit),nu ><<■/.
Das gedieht Guörünar hvoj zeigl auch bei mehreren
ausdrücken, deren grammatische tonn entlehnung aus dem
englischen nicht beweist, eine beachtenswerte Übereinstimmung
mit dem poetischen stile der ags. dichtung.
8o vergleiche man tdrughlyra, das rieh nur Ghv. 9 findet,
mit ags. ieärighleör Genesis 2274. Das ags. wort wie das
anorweg. wird von einem weibe, das einsam und sorgvoll Bitzt,
angewendet 'Svara so die handschr.) Ghv. 11; vgl
sar (un( swdr I risl 112, siöar brynjur Ghv. 7 (allein auch tal
250 BUGGE
dr. 10, brynjur sidar Sigvat Magn. s. g. 9, 1 und zugleich pro-
saischer ausdruck), ags. side byrnan Judith 338, erfivgrdr Ghv.14;
siehe zu Sig. hit eh mir at runum Ghv. 12; siehe zu Sig. gidli
oh guöveßum Ghv. 16, ags. gold and godweb Exod. 587, Juit er
mir hardast liarma minna Ghv. 16, ags. fiä ])e heardra mcest
liearma gefremedon Andr. 447.
Diese Übereinstimmungen zeigen jedenfalls, wie leicht bei
vielen versen eine Übertragung aus angelsächsischer spräche
ins norwegische wäre.
Guör. hv. 17, 9 — 12 !) sagt Gudrun, als sie ihre sorgen
autzahlt: en g^ hvassastr,
er til hjarta 'flö'
konung oblauöan
kvikvan skäru.
In meiner ausgäbe habe ich nachgewiesen, dass flö hier
nicht 'flog' sein kann und dass die erklärung von flö = flögu
unstatthaft ist. Allein das richtige ist bisher weder von mir
selbst noch von anderen gefunden.2)
Ich glaube jetzt, dass flö richtig ist. Im angelsächs. be-
deutet flä f. (dat. flän) 'sagitta, telum, jaculum'. Dies ist nach
meiner meinung vom norwegischen dichter im dativ als flo
(mit M-umlaut) aufgenommen worden. Ags. flä hat die neben-
form flän, gen. flaues, dem das echt nordische fleinn entspricht.
Dies fleinn kann 'ein mit einem Widerhaken versehenes ge-
schoss' bezeichnen.
In dem gedichte Guör. hv. passt für flö die bedeutung
'wurfgeschoss', 'pfeil' des verbums sJcaru 'schnitten' wegen
nicht. Allein anorw. fleinn kann auch in einer andern weise
angewendet werden. In der Grettis s. 153 heisst es: greip
(jotimninn) flein einn oh hjö til fiess, er Jcominn var, pvi at
bmdi mdtti hoggva oh leggja med honum, trishapt var i, pat
[') Vgl. S.Bugge, The home of the Eddie poems s. XXII. Der heransg.]
2) Björn Olsen (Arkiv IX 234 f.) schlägt, nachdem er zuerst flön an-
gedeutet hat, föl 'toren' als subjeet vor. Ich kann fol nicht für das rich-
tige halten. Das wort ist aus dem franz. entlehnt (altfranz. fol) und kommt
weder in den Eddagedichten noch in den älteren skaldengedichten vor.
Ausserdem zeigt der entsprechende ausdruck Akv. 24 er til hjarta skäru
kvikvan, dass bei skärti ein Substantiv als subjeet nicht gestanden haben
kann. —
HEIMAT DER ALTN. WELSUNGEN- U. NIB.-LIEDKK. 251
Jcglludu l"i menn heptisax, er l><uni veg rar gert. Hier wird
also (und ebenso in Orms )>. Störölfsson Klat. I 530) fleinn von
riiicr waffe angewendet, mit welcher man stechen kann. Diese
waffe ist anch heptisax genannt worden. Nun wird die waffe,
mit welcher das herz aus dem leihe des llogni geschnitten wird,
in Atlakv. 21 als sax bezeichnet. So ist nach meiner Vermutung1
flö (dat.) Guör. hv. 17 = ags. flu (dat. flän) die bezeichnung
einer waffe, welche in Akv. 21 sax genannt ist.
In der bereits genannten erzählung von Orm Störölfsson
wird die waffe fleinn vom riesen Bmse, mit dem Orm kämpft,
getragen. Der unhold hat früher Asbjörn pruöi besiegt, seinen
bauch geöffnet und die enden der därme herausgezogen. Man
hat wahrscheinlich die Vorstellung gehabt, Bruse habe mit
seinem fleinn den bauch Asbjörns geöffnet. In Guör. hv. wird
die flö zu einer ähnlichen Verrichtung benutzt, nämlich dazu,
das her/ aus dem leibe Hognes zu schneiden.
Dies Substantiv flö, das im altnord. sonsl nie vorkommt,
seh» int den ausdruck flän (dat.) eines englischen gedichts
vorauszusetzen. Vigfusson hat nachgewiesen, dass die erzäh-
lung von dem kämpfe Grettirs mit dem unholde, in welcher
das woii fleinn als mit heptisax synonym angewendet wird,
mit der altenglischen dichtung von dem kämpfe Beowulfs mit
Grendel in Verbindung steht. Ich habe Heitr. 12, 360— 366
die auffassung begründet, dass sowol die genannte sage von
Gretter als die nahe verwante sage von Orm Störölfsson aus
einer nordenglischen sage stammt. Nun will ich freilich nicht
behaupten, dass bereits »'ine entsprechende in englischer spräche
abgefasste sagenform dem unholde die waffe flän gegeben
habe. Allein wir sehen jedenfalls, dass die mit //o in Guör.
hv. analoge anwendung von fleinn auf England hinweist
Ein instrumentaler dativ ohne präposition wird, nach einer
bemerkung Nygaards, auch da angewendet, wo die form
des dativs von der des nominativs und des aecusativs nicht
frieden Ist Wie hier flö skäru, so rilki vejja Ki.
/.;/«)/ iü y^<i Big. t.".. iHKtui ■ -•' \i!am. 17, u.s.w.
t; a6r. li v. 21 Jqriiun Qlhun
"l'.il' ti.itni,
- ii. -t n in ■'Umii
sorg tu uiüini.
252 BUGGE
at J>etta 'tregrof'
um talit vseri.
Der poetische Charakter dieser schlussstrophe mit ihren
guten wünschen weicht deutlich von dem gewöhnlichen Charakter
der norrönen heroischen gediente ab. Es ist daher leicht be-
greiflich, dass man die Strophe als 'unecht' bezeichnet hat.
Allein diese bezeichnung gibt keine positive erklärung und
erläutert nicht die Verhältnisse, unter welchen die Strophe
entstanden ist.
Für fietta tregrof ist tregrof Jmt nach Sievers das ursprüng-
liche, tregrof bedeutet nach meiner Vermutung 'reihe von leiden',
'auf Zählung von leiden'. Das letzte glied ist hier dasselbe
wie in stafrof n. 'aiphabet', das aus dem gleichbedeutenden
ags. steefräw (fem.) entlehnt ist.1) Norwegen und Island be-
kamen die lateinische schrift aus England; es war daher natür-
lich, dass auch der englische name des alphabets in die alte
norwegisch -isländische spräche aufgenommen wurde. Die Is-
länder schreiben stafrof mit kurzem o. Der vocal ist hier in
der zweiten silbe, welche den nebenton hatte, verkürzt; vgl.
z. b. Ölafr = Öldfr, Öluf aus *Öl$f.
Auch tregrof ist wahrscheinlich aus dem englischen ent-
lehnt, allein dies poetische wort kann nie im altnorw. allgemein
gebräuchlich gewesen sein. Das wort scheint vielmehr darauf
zu deuten, dass der Verfasser der Strophe vom angelsächsischen
in England beeinflusst wurde.
In Guör. hv. 21 wird jorlum in der bedeutung 'den män-
nern' augewendet und dem snötam 'den weibern' entgegen-
gesetzt ganz wie in ags. eorla and idesa Eätsel 47, 7.
jorlum ollum odal batni kann nichts anderes bedeuten als
'allen männern werde das erbgut besser'. Dies ist ja höchst
sonderbar. Daher habe ich früher eine änderung vorgeschlagen,
allein diese ist zu gewaltsam. Wisen (Emendationer och exe-
geser s. 122 — 124) meint, dass der ursprüngliche ausdruck (statt
ojial) öluÖ (= vdlud) sei, von vdlaö 'Jammer, elend'. Gering
nimmt oluö auf und versteht es als accus. Allein die bezeich-
nung des Übels muss bei batna im genetiv, nicht im nomin.
oder accus., ausgedrückt werden.
J) Eine ags. glosse Elimenium, sttefrof Wright - Wülcker 397,14 in
einer handschrift ans dem 11. jh. hat die norwegische form aufgenommen.
HEIMAT I>KIi ALTN. WELSÜttGEK- U. NIH.-UKDEU. 253
Nach meiner Vermutung i-t die schlussstrophe der Guör.
hvoj die nachbildung einer ags. Strophe. Diese hatte, vermute
ich, für offäl ags. ädl 'krankheit' (fem.). Ags. adl (ädeT) wurde
am öftesten mit silbenbildendem l ausgesprochen; siehe Sievers,
Beitr. L0,225, anm. and LO, 180 f.
Der norwegische dichter hielt, indem er ädl in 6öal änderte,
den ungefähren laut fest, änderte aber gänzlich den Binn des
Wortes. Dass er 6Öal als 'erbgut' gemeint hat, zeigt der no-
minativ neben batni; vgl. eign batnar. Allein dies 'erbgut'
ist ja hier unpassend, während der sinn 'es bessere sich mit
allen kranken männern' hier passt. Dass das ä des ags. äett
zu der zeit, als die Strophe der Guör. hvQl entstand, niclit weil
vom 6 des altn. ööal ablag, darf man aus trefrof, stafrof neben
ags. räw folgern.
A cimlich habe ich in lifir 'lebt' Sig. t>l entstellung aus ags.
Ufeö •glaubt' vermutet.1)
2. Gunnarr.2)
Die deutsche heldendichtung berichtet, dass die Burguuden
unter ihrem könige Günther im Eünenlande am hofe Etzels
vernichtet wurden. Ebenso erzählen die nordischen lieder,
dass Gunnar mit seinen mannen bei Atle, dem könige der
Hunar, getötet wurde. Es ist allgemein anerkannt, dass dies
die erinnerung an ein geschichtliches ereignis bewahrt. Im
jähre 437 wurden die Burgunden unter ihrem könige Gundi-
chari vollständig von den Hunnen überwunden.
Auch mehrere andere Personennamen dieser heldendichtung
sind Bis geschichtliche namen der burgundischen könige nach-
gewiesen, namentlich Oibich, altn. Gjüki, der vater Günthers
(Gunnars) und Gtselher, der bruder desselben.
Allein die dichtung zeigl viele abweichungen von der
geschichtlichen Wirklichkeit, welche in ihrer entstehung zum
grossen teil bisher nicht erklärt werden sind.
Sowol nach der deutschen wie nach der nordischen dich-
Li meine Vermutung sprichl vielleicht Quol 1084 Nu /»- >'<\i v'
r im »org, wo Qrein fxöt üdel fui renntet
[■) Dieser abschnitt i-t aus praktischen gründen den abschnitten 'Mundo
and Sigmund' and 'Wolfdietrieb Thecdorik' vorangestellt Derben
254 BUGGE
tung wurde Günther (Gunnar) gefangen genommen, während der
Burgundenkönig Gundichari, wie es scheint, im kämpfe fiel.
In dem grönländischen gediente Atlamäl wird erzählt,
dass Gunnar an einen galgen gehängt wurde, und dass die
schlangen, während er noch lebte, seinen körper verzehrten.1)
Wie ist diese sage, die durch das Schicksal des Burgunden-
königs Gundichari nicht erklärt wird, entstanden? Ich meine,
dass die dichtung hier verschiedene geschichtliche ereignisse
vereinigt hat. Prokop erzählt (Bell. Vand. I 3), dass er von
den Vandalen den bericht gehört hat, dass der Vandalenkönig
Guntharic in Spanien in einer Schlacht von 'Germanen' ge-
fangen genommen und dann gekreuzigt wurde.2) Dies geschah
427 oder im vorhergehenden oder im nachfolgenden jähre.3)
Die dichtung hat daher nach meiner ansieht den tod des
Burgundenkönigs Gunthachari im j. 437 mit dem tode des
Vandalenkönigs Guntharic im j. 427 zusammengeworfen. Die
in den Atlamäl erzählte sage, dass Gunnar an den galgen
gehängt wurde, geht auf das Schicksal des Vandalenkönigs
zurück. Dieser wird von Prokop ForOagig accus, rov&agiv
genannt. Denselben namen gibt er dem kaiserlichen befehls-
haber in Numidien (in der mitte des 6. jh.'s), welcher bei Co-
rippus Guntharith, bei Jordanes Guntharic heisst. Allein von
dem continuator Marcellini zum j. 547 wird dieser letztere
Guntharium (accus.), Gunthario (abl.) genannt. In der Historia
miscella ist der vandalische name Gontharius geschrieben.
Hierdurch wird es bewiesen, dass man die namen, welche
*) Die frau Gunnars erzählt v. 22 ihren träum:
GQrvan hugöak per galga,
gengir at hanga,
seti pik ormar,
yröak pik kvikvan.
V. 59 befiehlt Atle:
Gunnar grimmüögan
ä galga festiö,
belliö pvi bragöi,
bjööiö til ormum!
2) BavSiXoi 6h ... röv&UQlv cpaaiv iv 'ionavlco tiqoq r^Qf/avwv
§vX?.7j(pd-svra iv iid%% cn'aoxokomo&ijvai.
3) Wietersheim-Dahn, Völkerwanderung II 188.
II KIM AT DER ALTN. WEISUNGEN- Ü. NIH.-LIEDER. 255
Ulfila (hoijxtltarjis und Gunpareiks schreiben würde, leicht
verwechseln konnte; vgl. Wrede, Ueber die spräche der V\ ran-
dalen s. 55. Der Burgundenkönig konnte um so leichter mit
dem Vandalenkönige verwechselt werden, als Gunthachari in
Germania prima residierte, über welche gegend sich die Van-
dalen auf ihrem zuge westwärts nach Salvian ergossen Latten.1)
Und früher waren an der Donau die Burgunden in Verbindung
mit den Vandalen aufgetreten. Von dem tode Guntharics
sind mehrere sich gegenseitig widersprechende berichte er-
halten. Da Prokop den bericht, wonach er im kämpfe gefangen
und dann gekreuzigt wurde, von Vandalen gehört hat, war
dieser bericht volkstümlich, und es ist daher natürlich, dass
die sagenform der heldendichtung mit demselben in Verbin-
dung steht.
Auch andere züge in den nordischen gedienten werden
durch die genannte Verschmelzung erklärt.
Gunnar wird der könig der Goten genannt.2) Dies kann
sich auf den Vandalenkönig beziehen, denn Prokop (Bell. VancL
I 2) nennt die Vandalen unter den gotischen Völkern, und die
spräche beweist den nahen Zusammenhang der Vandalen mit
den Goten; vgl. Wrede, Ueber die spräche der Wandalen.
Johannes Antiochenus3) bezeichnet die Vandalen geradezu als
Goten. Als die Vandalen in Afrika landeten, waren Goten-
haufen ihnen beigemischt.
Statt der offenen feldschlacht auf burgundischem gebiet
finden wir sowol in der deutschen als in der nordischen Xibe-
lungendichtung die hinterlistige einladung an den hünischen hof.
In der Atlakvioa wird erzählt, dass Atle, der könig der
Hünen, einen dienstboten nach Gunnar sendet, um Ihn und
seinen bruder Eogne einzuladen. Er verheissl ihnen, wenn
sie kommen wollen, reiche gaben und grosse landstrecken.
Ihre Bchwester Gudrun, die brau Atles, -endet warnende zeichen
mit. Dennoch reiten Gunnar und Eogne über den wald der
') Zeuss, Die Deutschen s. 4">1.
- Qotna Pjööann Atlakv. 20; Ooina dröttinn Qrip.86. Kr b
üIi.t Qota mengt Brot. 9. Bein rosa beissl <• - ■ mutterwird gotnesk
kona genannl Qnftr. II 1 7.
») Bei C.Müller, Fragmente Histor. Gfraec, Paria 1861, H? p. 618:
i«. BovHpäxtoc) nji dißvtn iit/ii'.im Pvt&otc..
256 BUGGE
Hünen zu Atle und finden bei ihm ihren tod. In dem ge-
diente Atlamäl sendet Gudrun, um ihre brüder zu warnen,
einen mit runen geschriebenen brief, allein der böte Atles
entstellt denselben. Hier zieht der böte zu den brüdern über
den LimafJQrdr (in Jütland) und über diesen rudern gleichfalls
die brüder.
Nach dem Nibelungenliede ladet Etzel auf bitten seiner
gemahlin Kriemhild ihre brüder zu sich ein. Die drei könige
mit Hagen und einer menge bewaffneter ritter machen sich
auf den weg zu Etzel. Sie fahren über den Ehein und
ziehen ostwärts. Als sie in das land Etzels kommen, reitet
Dietrich von Bern ihnen entgegen und warnt sie vor
Kriemhild.
Nach der piöriks saga wird mit den boten Attilas ein
brief seiner frau gesendet, worin G-unnar und seine brüder
aufgefordert werden, zu Attila zu kommen, um an der re-
gierung, während sein söhn noch unmündig ist, teilzunehmen.
Auch in dieser hinterlistigen einladung der heldendichtung
finde ich züge aus der geschiente der Vandalen.
Nach der erzählung Prokops (Bell. Vand. I 3) verleumdete
Aetius den Bonifatius, der in Afrika befehlshaber war, bei der
kaiserin Placidia, die für ihren unmündigen söhn regierte, und
gab vor, Bonifatius wolle sich eine unabhängige herschaft in
Afrika gründen. Zur probe schlug er vor, den Bonifatius an
den hof zu berufen. Placidia schenkte dem Aetius glauben
und beschied den Bonifatius sofort zu sich. Zuvor aber hatte
Aetius diesen unter dem scheine der freundschaft durch einen
heimlichen brief davon benachrichtigt, dass die kaiserin mutter
ihm nachstelle und ihn aus dem wege räumen wolle; ein be-
weis der Wahrheit für diese nachricht solle ihm sein, dass er
in kurzem ohne erheblichen grund an den hof berufen werde.
Da letzteres nun wirklich bald geschah, so: zweifelte Bonifatius
njeht an der Wahrheit der ganzen aussage und rüstete sich
(427) zur Selbstverteidigung. So wurde er denn für einen feind
des reichs erklärt und ein heer gegen ihn nach Afrika ge-
schickt. Dann suchte Bonifatius bei den Vandalen hilfe.
Er sante einige seiner vertrautesten freunde nach Spanien
und lud den Vandalenkönig Guntharic und den unechten brüder
desselben Gaiseric nach Afrika ein.
II i i M AT DER AI.TN. WEL8UNGEN- ü. NIB.-LIEDEB, 257
Bald darauf wurde Guntharic im kämpfe gefangen ge-
nommen und dann gekreuzigt. Andere erzählten, dasa Gaiseric
seinen tod verursachl hätte. Gaiseric folgte nun der einladung
des Bonifatiua und zog nach Afrika.
Kaum waren die Vandaleo hier gelandet, als Bonifatius
sich wider mil Placidia versöhnte, wonach er Afrika gegen die
Vandalen verteidigte. Im jähre 1:32 kehrte er nach [tauen
zurück und wurde v<m Placidia zum magister militum ernannt.
Als solcher kämpfte er mit A.etius, der mit einem grossen
beere gegen ihn zog. In der blutigen schlacht siegte Bonifatius
erhielt aber eine so gefährliche wunde, dass er bald darauf
Starb. Aetius floh zu den Hunnen.
Zwischen der dichtung und der geschichtlichen erzählung
sind Übereinstimmungen vorhanden, die ich nicht für zufällig
halten kann, während der wahre geschichtliche Zusammenhang
andererseits in der dichtung gänzlich entstellt worden ist. in-
dem personen und ereignisse, die weit verschieden waren, zu-
sammengeworfen sind.
Sowol in der dichtung als in der geschiente ist von einer
hinterlistigen einladung die rede. In der deutschen sagenform
wird die einladung, wie in der geschichte, von einer fürst in
gesendet Placidia regiert für ihren unmündigen söhn. Nach
der Thidriks saga werden Gunnar und seine brüder aufgefor-
dere, an der regier ung, während der söhn Attilas unmündig
ist. teilzunehmen,
Sowol in der dichtung als in der geschichte wird vor der
einladung durch einen brief heimlich gewarnt.
In der geschichtlichen erzählung finden wir zwei ein-
Iadnngen. Züge aus beiden sind in der einen der dichtung
vereinigt
Die dichtung erwähnl wie die geschichte eine einladung,
welche an zwei brüder durch boten gebracht wird. Nach der
tüchtlichen erzählung isl derjenige brüder, der eigentlich
konig ist, Guntharic; in der dichtung Günther, Gunnar. Wir
haben bereits gesehen, dass der könig der dichtung Günther
zum teil dem geschichtlichen Vandalenkönige Guntharic ent-
spricht I des linden wir hier bestätigt Bei der einladung
entspricht also der Sagene, Hggni der dichtung zum teil dem
258 BUGGE
geschichtlichen Gaiseric.1) Die ganze reiche sage von Hagen
ist nicht aus erzählungen von Gaiseric entstanden. Nur ein-
zelne züge sind nach meiner Vermutung von Gaiseric auf Hagen
übergegangen. Gaiseric war der Stiefbruder Guntharics von
einer magd erzeugt. Hagen ist in deutschen dichtungen der
Stiefbruder Günthers, von der königin mit einem elfen erzeugt.
'Die finstere und wilde bösartigkeit des Charakters Hagens in
dem Nibelungenlied' erinnert an Gaiseric. Dieser war nach
Jordanes 'tiefen geistes, schweigsam, Verächter des woilebens,
von wilder zornwut, die Völker aufzuwiegeln von grösster Ver-
schlagenheit, den samen der Zwietracht auszustreuen und hass
zu erregen stets bereit'.
AVenn Attila nach der Thidriks saga mit Grimhild den
plan zur hinterlistigen einladung verabredet, ist er an die
stelle des Aetius getreten. Wenn sich somit der Attila der
dichtung mit dem Aetius der geschiente berührt, ist daran zu
erinnern, dass man denselben mann Badva und Badvila, Puigas
und liugila, Sarus nnd Sarulo nannte. Daher wirkt bei der
Übertragung von zügen, die dem Aetius gehört haben, auf
Attila die ähnlichkeit der namen gewiss mit. Hernach ver-
mute ich2), dass die heldensage ebenfalls die niederlage der
Burgunden durch Aetius mit der niederlage der Burgunden
durch die Hunnen, als deren anführer Attila bald genannt
wurde, zusammenwarf.3) Zur Verwechselung des Burgunden-
königs Gunthachari mit dem Vandalenkönige Guntharic wirkte
der umstand mit, dass Aetius auf das Schicksal beider könige
einfluss hatte.
Die hier von mir begründete combination wirft auf das Ver-
hältnis der deutschen sagenform zur nordischen neues licht.
Der hinterlistige plan geht in der geschichte von Aetius,
in der nordischen sagenform von Atle aus. Insoweit hat die
nordische sagenform das ursprünglichere erhalten. Atle ist
wie Aetius falsch. Aetius verbirgt seinen hass unter einem
1) Daher kann Hagen nach meiner ansieht nicht, wie Heinzel meint,
auf Aetius zurückweisen.
2) Auch dies spricht gegen die auffassung Heinzeis, wonach Hagen auf
Aetius zurückgeht.
3) Müllenboff bemerkt (Zs. fda. 10, 150): 'die sage fasst offenbar den
kämpf gegen Aetius und die Hunnen in eins zusammen.'
Heimat der altn. welsüngeet- u. ntb.-liedeb. 2r><>
freundliclicii äussern.1) Dies wird in dem auftreten der Send-
boten Alles in der nordischen dichtung reflectiert:
fagrt baOk ykkr komo,
iLitt v;is \<n ander
Ail;iin;'il 39: 'freundlich lud ich euch ein, doch falschheit steckte
dahinter', dyljendr Pggffo Atlakv. 2: sie schwiegen und hehlten
den trug.
Allein die Thidriks saga hat das ursprüngliche darin er-
halten, dass die einladung von Grimhild kommt. Dies müssen
wir daraus folgern, dass die einladung an Bonifatius von Pla-
cidia kommt. Und wie Placidia und Aetius mit einander die
hinterlistige einladung verabreden, so in der Thidriks saga
Grimhild und Atle.
Auch hat die deutscjhe sagenform einen ursprünglichen
ZUg darin erhalten, dass die eingeladenen vor den nachstel-
lungen Grimhilds, wie Bonfatius vor den der Placidia gewarnt
werden.
Wenn AileiKt/el). der die Nibelungen einladet, zum teil
dem Aetius entspricht, nach dessen anstii'tung Bonifatius von
Placidia eingeladen wird, haben wir das recht, diese com-
bination weiter zu verfolgen. Bonifatius kommt nach Italien
mit einem beer, wird von Placidia zum magister militum er-
nannt und. wie es scheint, von ihr gegen Aetius unterstützt.
Bonifatius und Aetius kämpfen in einer blutigen schlacht
gegen einander. I '.uiiit'at ins Biegt, wird a her so gefähl lieh ver-
wundet, dass er nach wenigen tagen stirbt.
Die sage von dem tode der Nibelungen hat von diesen
ereignissen züge in sich aufgenommen. Als die Niflungar zu
Atle gekommen sind, entspinnt sich ein kämpf und Gudrun
kämpft nach den Atlanta! mit ihnen gegen Atle. wie Placidia
den Bonifatius gegen Aetius unterstützt
Nach der ßiöriks Baga (cap. 393) lebt Hogne mir einige
tage nach dem kämpfe gegen die Sunen, wie Bonifatiui nur
einige tage nach dem kämpfe geg< d Aetius.
l>ie Verschmelzung VOH Attila und Aetius in den Atlila
■) Prokop i Bell. Vtati. l 8) eralblt, daai Letini leinen Unwillen darüber,
dan Placidia den Bonifatini nun befeblibaber der ganaen afrikanii
protina gemacht bat, verbirgt Die feindaehait der beiden minner war noeb
nicht anagebrochen : aXX' ünb r<~> i tvtto
IT*
260 BUGGE
der heldensage erkenne ich endlich bei der aus einer nieder-
deutschen quelle geschöpften erzählung in der I)iöriks saga
von dem tode Attilas.
Hogne erzeugt vor seinem tode einen söhn Aldrian. Dieser
wird bei Attila erzogen. Um seinen vater und seine schmach
an Attila zu rächen, lockte er, zwölf jähre alt, den goldgierigen
könig in den berg, wo der Mflunge schätz war, verschluss die
türen und Hess Attila dort verhungern.
Den namen Aldrian erkläre ich aus Valentianns, der mit
Valerianus verwechselt worden ist; vgl. waldriän, haldriän aus
Valeriana. In betreff des anlauts vgl. Andalusia vom namen
der Yandalen.
Als Aetius im jähre 454 zum kaiser kam, um reclmung
abzulegen und geld abzuliefern, sprang dieser schreiend auf
und überhäufte ihn mit vorwürfen. Aetius wurde mit dolchen
von Heraclius und vom kaiser Valentinian III. selbst getötet.
Bonifatius verheisst den vandalischen brüdern die abtretung
eines teiles seiner provinz: sie sollen alle drei das land zu
gleichen teilen, jeder selbständig in seinem gebiet, beherschen.
Damit ist zu vergleichen, dass Atle in der Atlakviöa den
brüdern landstrecken verheisst. Von diesen wird Gnitalwidr
zuerst genannt. Im vorhergehenden habe ich die Vermutung
ausgesprochen, dass Gnitaheidr in der ältesten sage in Afrika
gedacht wurde.
Die annähme, dass die der dichtung angehörige einladung
der Nibelungen mit der geschichtlichen einladung der Yandalen
in Verbindung steht, löst eine andere Schwierigkeit.
Nach den Atlamäl zieht der sendbote Atles nach Gunnar
über den Limafjgrör. Dies erkläre ich mir folgendermassen.
Eine angelsächsische heldensage Hess, wie ich vermute, die
einladung an Günther über die meerenge des Wendelsde (des
Mittelmeeres) gebracht werden, was auf die einladung des
Vandalenkönigs zurückgieng. Nordleute, vielleicht zunächst
dänische männer, welche diese angelsächsische heldensage
hörten, dachten bei Wendelsde an Vendill, den nördlichsten teil
Jütlands, und fassten daher Wendelsde als den Limf jord auf.
Nach dem gedichte Oddrünargrätr 30 hört Oddrun aus
HUsey, dass Gunnar die harfe schlägt. Dies setzt voraus,
dass Atle in Vendill wohnt.
HEIMAT DBB AMV. WELSUNGEN- ö, RTB.-LIBDEB. 261
Durch die annähme, dass die einladnng der Gibichungen
zu Etzel auf die einladnng der Vandalen nach Airika zurück-
geht, werden noch andere Bagenzüge in der nordischen dich-
tnng erklärt
Gunnar wird gebunden anter die schlangen in einen
'wurmgarten' (prmgardr) geworfen und Bchlägt dort die harte,
wie ea in mehreren berichten heisst, mit den zehen. In der
Snorra Edda wird gesagt, dass die harfe ihm heimlich
geben war.
Warum lässt nun die heldensage Günther (Gunnar) in
einem 'wurmgarten' sterben? Nach meiner vennntung isi
dies ein sagenzug, der ursprünglich an einen vandalischen
könig in der maurischen wüste, in Afrika geknüpft worden ist
Man hat sich noch in unserer zeit solche gräuel in Afrika
: i. Von dem tunesischen bey Mohammed-es-Saddok wurde
1881 das folgende berichtel •>: 'er war der erflnder einer beson-
ä ausgesuchten tortur, welche der schlangengraben
naiint wird. Schon der anblick di tbens, in dem allerlei
widerwärtiges Ungeziefer unten wimmelt", konnte ani den
tippen der widerspenstigen versprechen und geständnisse her-
vorrufen Wenn Bie nichts zu gestehen hatten, wurden sie
ganz • in den graben herabgeworfen, allein der anblick
ihrer leichname, welche mit schlangen, scorpionen, kröten
ii. dgl. bedeckt wurden, waren am so geeigneter, geständnisse
den nächsten hervorzurufen-'
Nach A.tlakvioa liegt der wurmgarten ausserhalb des be-
bauten tandea in der wilden einöde (heidi str.
Auch nach der Tbidrii i wurde dei
oe Gunnar in einen wurmgarten geworfen Die -
fügl aber hinzu: 'dieser türm Bteht mitten in Susat', und nach
der handschrift B war dieser türm mit giftwürmern angefüllt
Die vermntung, dass die m wurmgarten zuerst an
einen vandaliachen könig in Afrika geknüpft worden i>t. wird
durch die erzählung ProV I. v~and. II 7i von dem letzten
vandalischen Könige ' Gelimer befand sich im winter
;. von dem oströmischen beere umrin.irt. in jsten
') Aft( meiu.
Zeitu
262 BUGGE
not auf einem maurischen berge. Mehreren mit ihm ver-
wanten Jünglingen in seinem gefolge verfaulten des Schmutzes
wegen die körper, so dass sich würmer entwickelten.1) Dies
konnte in der sage leicht in die erzählung übergehen, dass
der könig sich in einem mit schlangen und würmern an-
gefüllten graben befand.
Der zug, dass dem gefangenen könige Gunnar, wo er in
der wildnis liegt, eine harfe gegeben wird und dass er sodann
diese schlägt, weist deutlich auf Gelimer.
Der römische heerführer schickte ihm in der not nach
seinem verlangen eine cither, zu welcher er ein lied sang, das
er auf sein unglückliches Schicksal dichtete (Prokop, Bell.
Vand. II 6).
Jacob Grimm hat bereits geäussert (Gesch. d.d. spr. s. 479):
'kaum darf man zweifeln, dass die Schicksale Gelimers auch im
lied gesungen wurden.' Dies finden wir jetzt bestätigt. Aus
dem lied von Gelimer sind züge auf die lieder von dem tode
der Nibelunge übergegangen.
Die Vermutung, dass sagenzüge, welche in der helden-
dichtung an Gunnar geknüpft sind, ursprünglich von Geilamir
erzählt wurden, wird dadurch gestützt, dass eine alte schritt,
welche der eigentlichen geschiente näher liegt, Gundar statt
Geilamir nennt.
Nach der Vita Vigilii bei Muratori Script. III, tom. I
p. 130 besiegt nämlich Belisar zuerst den Vitiges, geht dann
nach Afrika, nimmt den vandalischen könig Gundar
gefangen, geht dann nach Eom zurück und bringt von der
gemachten beute dem heiligen Petrus ein goldenes, hundert
pfund schweres kreuz mit den inschriften seiner taten dar.
Hier ist Geilamir mit dem Usurpator Guntharith {Tov&aQtq),
zu dem die übrigen Vandalen übergiengen und der im jähre
545 getötet wurde, verwechselt worden.
3. Mundo und Sigmund.
Die nordischen sagenhelden Sigmund)- und SinfjQÜi waren
bei den Angelsachsen als Sigemund und Fitela, bei den ober-
:) Z(5v oi §vyyevwv ncadliov zu nkelaxu aw/xara ax(uh]xac, ev
TCCVX1J Öl) T% XcO.UlTlUtQla Ijfplei.
HEIMAT DBB A.LTN. WBL8UKGEN- U. NIB.-UEDEU.
deutschen stammen als Sigemunt und Sintorviatilo bekannt
Die westfränkische sage \"<>n diesen beiden kam nach England,
wo die nordlente gewiss im 9. jh. dieselbe aus dein munde der
Angelsachsen hörten. Den Ursprung und die historischen
Voraussetzungen dieser sage hat man bisher nichl erkannt
Sigmund, Bein vater and grossyater waren könige von
Hünaland (Vo,ls. s. cap. 1,2, 11). Die sage von Sigmund gehl
nach meiner Vermutung /um teil auf den heim jähre 505 ge-
nannten Mundo zurück. Dieser stammte nach Jordanes von
Atlila. was durch seinen n.niieii bestätigl wird; allein Mar-
cellinus nennt ihn einen Goten Kr war der anführer eines
bunten räuberhaufens, der ihn als seinen könig anerkannte.
Kr beunruhigte in Pannonien die grenzen des oströmischen
reiche-.. Jordanes erzählt G-etica cap. 88 (ed. Mommsen p. I
vom ostgotischen Theoderik:
• l'it/.aiiiiun (var. Pitaam quoqne ranm comitem et intei jiriiio.s elee-
tiini ad obtinendam Sirmiensem dirigil civitatem. quam ille expnlft
eins Trasarico, filio Trapstilae, retenta eins matre obtinuit. vnde contra
Saviniannm Qlyricum marr. mil, qni tunc cnm Mnndone parareral conflietnm,
ad civitatem cognomine Mai-" plannm, quae inter Dannbinm Hargnmqne
flnminibns adiacebat, cnm dnobns milibns ergo peditnm, eqnitibns qnin-
gentis in Mnndonis solacia renieni Qlyriciannm exercitnm demolivit oam
hie Mundo de Attilanis qnondam origine descendens Qepidarnm gentem
fagiens ultra Dannbinm in incnltis locia Bine allis terrae cnltoribna dira-
gattu .-t plerisqne abactoribns Bcamarisqne et latronibns onde cnmqne col-
lectü turrini qnae Eerta «licitur Bnper Dannbii ripam podtam ocenpans
tbiqne agresti um praedaaqne innectena ricinis regem lern ribna
-v hnnc ergo pene deeperatnm ei iam de traditione sua deliberantem
i'.t/i {var l'n/ai rabyeniena •• manibns Saviniani eripnit, snoqne
'I'h lorico cnm gratiarnm actione f» - < - i t BnbiectnmJ
Diese er< finde ich in der nmdichtung der helden-
sage Voteunga saga cap. 5 ii. wider. Sigmund isl von -
dem könige von Gautland, gefangen genommen, kommt aber
durch die hüte Beiner Schwester der ehefran 5
lo>. Er hielt sich sodann einsam im walde auf und machte
sich hierauf 'ein er.ih.-Mi>". d.h. eine unterirdische wohnung,
im «raldi 5 ab ihm dort,
Schwester gebar ihm später den söhn Sinfjotle, damit di<
ihm bei der räche hilfe leistete. Als werwölfe Btreiften \
und soim lange durch die waldmarken, töteten viele manner
beute wegen und vollbrachten manche heidental in k
264 BUGGE
Siggeirs reich. Als es ihnen beschieden war, die wolfsbälge
wider abzulegen und als Sinfjotle erwachsen war, töteten sie
könig Siggeir mit allen seinen männern. Vater und söhn ver-
schafften sich heervolk und schiffe, und Sigmund wurde ein
mächtiger könig in seinem erblande Hunaland. Die sage,
dass Sigmund und Sinfjotle wolfsbälge anlegen, ist durch
mythische umdichtuug des wilden räuberlebens in der wald-
mark entstanden. Der zug, dass Sigmund sich in einem 'erd-
haus' (jardlius) verbarg, weist auf den bericht, dass Mundo
sich mit den seinigen in einen festen türm, Herta genannt,
verbarg. Herta ist in einer Zusammensetzung zu dem got.
er])a 'erde' ^erjmkelihi oder *er]?ahus) geworden.
Die vergleichung der bei Jordanes vorkommenden erzäh-
lung von dem hunnischen Mundo zeigt, dass der name Hüna-
land in der sage ursprünglich und in eigentlichem sinne zu
verstellen ist.1)
Aus der vergleichung mit Jordanes folgt weiter, dass die
sage nicht ursprünglich eine fränkische, sondern vielmehr eine
ostgotische war.
Die Gautar waren nicht die nachbarn der Hunnen. Daher
ist Gautland als name des reichs Siggeirs unursprünglich und
von den nordleuten statt eines südländischen namens eingeführt.
Müllenhoff (Zs. fda. 23, 121) sagt mit recht: 'versetzt die nor-
dische sage Siggeir als könig von Gautland nach dem süd-
lichen Schweden, so beweist sie damit abermals nur, dass ihr
der alte boden und der ursprüngliche sinn und Zusammenhang
der dichtung verloren gegangen war.' Allein die positiven
Vermutungen Müllenhoffs über das reich Siggeirs werden durch
Jordanes widerlegt.
Nachdem die handlung nach Gautland verlegt war, ent-
stand die Vorstellung, dass man aus Hunaland nach Gautland
schiffte. Die Gautar sind hier, wie aus der erzählung des
Jordanes erhellt, an die stelle der Gepiden getreten. Dieser
x) Dagegen sagt Symons (Beitr. 3, 293) : ' Das Hunaland der saga ist
gewiss correctur, da Sigurd in den liedern vielfach danach bezeichnet wird.'
Müllenhoff (Zs. fda. 23, 136) erklärt 'Hunaland. d. i. dem Sprachgebrauch meh-
rerer eddischer lieder zufolge ein grosses land im Süden' und meint, dass die
fränkische sage nicht Hunaland, sondern etwa Sigiland oder das reich der
Siggen genannt habe.
HEIMAT DEB A.LTN. WEL8UNGEN- ü. BTCB.-LIBDEB,
volksname, der im ags. im dat Gifdum, Gefdum lautet, isl im
norden nirgends bewahrt.
Sigmund flüchtet vor dem könige der Gautar in den \v;iM.
Dies gehl darauf zurück, dass Mundo vor dem volke der
piden in die einöde flüchtet
Der gehilfe Sigmunds Sinfiptli, ags. Fitela, gehl hier auf
den helfer des Mundo ViUa zurück. Es komml öfters vor,
dass ein germanischer mann bald mit einem namen, der das
deminutivsufnx -(t)la enthält, bald mit dem Stammworte di
deminutivs benannt wird. So ist Hugos, Roas, der vaterbruder
\ttila. von Eugila nicht verschieden. Vgl. Sortis und
Sgrli] Badva und Badvila] Bleda und Blcedeltn. üeber
das erste glied von SinfJQÜi, Sintarweeilo werde ich im fol-
genden handeln.')
Dadurch dass Sigmund als identisch mit Mundo, dem nach-
kommen Attilas. nachgewiesen worden ist. wird ein anderer
ozug in ein neues licht gestellt Nach Vols. s. cap.8 erhält
der junge Sigmund von Odin ein Bchweii als geschenk, und
dasselbe wird in ByndL 2 gesagt Dies geht nach meiner Ver-
mutung zum teil auf die von Priscus (Fragm. 8, p. 91 MuH.)
uul nach ihm von Jordanes (cap. 35, p. 105 Momms.) erzählte
zurück, dass das heilige schwerl mythischen kr
bs, als Anila könig geworden war. nach dein willen •_
entdeckt und dem Attila als geschenk gebracht wurde.
Allein die specielle ausführung in der Sigmund- sage isl
aus dem einfluss einer anderen sage zu erklären.
') Jordanea tagt ?on Theoderik: PiUam q
mter prim ■■■ ad obUnendam Sirmiensem dirigit Bei
I'ltil.i wir I | 1 ' M
•
kann mau daher im den ansdrock benutzt haben (Tgl.
gadiliggs bei Ulfila and wandal. .1 n aasdruck hat
ili.' fränkische h vielleicht uns dem halten nnd
hat deshalb d< cnannt, jedoch in di d der
fränkischen bi I • n w nrde.
den grande data werde ich im folgeuden
ni nur im .
daher stützt der name 'li'1 an»i< bl
ron den beiden, die diesen uaiuen l im teil a
quelle
') [VgL Arkii
266 BUGGE
Dass die sage von Sigmund ursprünglich eine ostgotische
sage war, finde ich durch die piöriks saga bestätigt.
Nach cap. 155 ist die Schwester Sigmunds mit könig Dra-
solf verheiratet. Wenn die handschrift A sie Signy nennt,
ist dieser name gewiss aus der nordischen, nicht aus einer
niederdeutschen sagenform eingesetzt.
In der Volsunga saga ist die Schwester Sigmunds mit
Siggeir, könig von Gautland verheiratet. Nun habe ich ge-
zeigt, dass der name der Gautar hier für den der Gepiden
eingesetzt worden ist und dass Sigmund hier sein historisches
Vorbild in dem bei Jordanes erwähnten Mundo hat. Daher
erkenne ich in Drasolf, dem Schwager des Sigmund, den mit
Mundo gleichzeitigen gepidischen könig Thrafstila.
Dies wird dadurch bestätigt, dass Thrafstila nach meiner
auseinandersetzung auch im mhd. Wolfdietrich auftritt, nämlich
als der alte Drasian.
Dieser Drasian ist also im gründe dieselbe sagenfigur wie
Siggeir, der könig von Gautland. Drasian hat Sigminne ge-
raubt. Siggeir ist mit Signy, die ihm unwillig folgt, ver-
heiratet. Auch hierin dürfen wir ein Verbindungsglied zwischen
Drasian und Siggeir vermuten. Dass Signy als die gemahlin
Siggeirs und Sigminne als die von Drasian geraubte frau ein
historisches vorbild gehabt haben, folgere ich aus Jordanes
p. 135 (Momms.): Püzamum quoque suum comitem et inter
primos electum ad obtinendam ßirmiensem dirigit civitatem.
quam ille expulso rege eins Trasarico, filio Trapstilae, retenta
eins matre obtinuit. Pitza, der helfer Mundos, ist das historische
vorbild Sinfjotles, des gehilf en Sigmunds. Wenn Thrafstila
dem Siggeir und dem Drasian oder Drasolf der heldensage
entspricht, finden wir die mutter des Thrafstila in der Signy
und der Sigminne der heldensage wider. Es liegt nahe, die
sagen mit dem bericht des Jordanis und des Paulus folgender-
massen zu verbinden: der könig der Gepiden Thrafstila hatte
eine Schwester Mundos, die, wie es scheint, auch ostgotische
ver wanten hatte, ohne die einwilligung ihres geschlechts und
wider ihren eigenen willen geheiratet und erzeugte mit ihr
saminenhang zwischen dieser sage und der Arthursage nachgewiesen worden
ist. Der herausg.]
HEIMAT DBB AI/IN. WBLSUNGEB- U. RTB.-LTBDBB, 2C7
den sonn Thrasaric. Thrafstila wurde im anfang des Jahres
189 von Theoderik getötet Als der ostgotische, mit Mundo
verbundene heerführer I'itza am 505 Thrasaric aus 8irmium
verjagte, blieb die mutter Thrasarics zurück and kam, wie wir
vermuten dürfen, wider zu ihren ostgotischen verwanten.
Nach der Thidriks saga ist Sigmund mitDrasolf auf einer
heerfahii östlich in Pulinalcmd, d.h. Polen. Auch dies ver-
trägl sich kaum mit einer ursprünglich fränkischen Sigmund-
. sondern Btimml besser zn der auffassung von Bigmund
und Drasolf als mit Mundo und Thrafetila identisch.
4. Wolfdietrich- Theoderik.
Daas Wolfdietrich Bein ursprüngliches historisches Vorbild
im ustpfotisflu'ii Tli lerik, der [talien Doch uicht erobert hatte,
wird durch die sage von dem kämpfe Wolfdietrichs mit Dra-
Bian bestätigt
In Wolfd. B 388—455 wird erzählt: als Wolfdietrich
einmal mit Beinen mannen auf der jagd war. rauht ein alter
ritter Draaian ihm Sigminne und behält sie in Beinern lande
ein halbes jähr. Wolfdietrich sucht Bie verkleidet als pilger.
Er 'gieng holz und beide', an trinken u>< l an tpise, ernährte
sich von den Kräutern, welche er im wählt? fand. Er legi
sich bei einer hohen steinwand müde zum Bchlaf. Sigminne
siehl ihn aus der bürg Drasians und bittet diesen, den pilger
einzulassen. In der borg sitzt er beim teuer; Draaian ciht
ihm wein und brot Bald erkennt er Sigminne, und als Dra-
aian mit ihr schlafen gehen will, zieht ff sein Bchwert, das
er bei sich verborgen hat. und tötet Draaian, Er verbrennt
die bürg mit diu zweigen, welche die gehilfen Drasians waren,
und nel einer trau \ lannen durch den wähl.
In dieser erzählung Snde ich «-in»' erinnerung daran,
der « ■ - 1 lt " t i - ■ ■ 1 1 . ■ Theoderik den gepidischen könig Thrafetila
überwindet und I
Paulus bist Rom. 15, 15 und eine handschrift des Jordanes
iM mma i>. 135) haben Tropstila. andere handschriften
Jordanes trafstila, trastila, ikrastiia
tischen reiches & t7". führt aus Jordanes und Hist
Cella Paulus p. 1""" 'n an».
I tfesen oamen Snde ich in d< lichte
268 BUGGE
wider. Andere handschriften haben dresian, tresyan, trisian,
trision, B einmal traisiän.
Das suffix -an wird in mhd. quellen oft den Personen-
namen der heldensage angefügt, z. b. Albrian neben Eiberich.
Paulus berichtet, dass Theoderik vor seinem einmarsch in
Italien den Thrafstila, der gegen ihn feindlich auftrat, besiegte
und tötete.1)
Dieser kämpf mit den Gepiden fand auf dem marsch Theo-
deriks nach Italien im winter 488 — 489 nordwestlich von Sir-
mium statt, wo die Gepiden in einer gedeckten Stellung standen,
um den durchzug der Goten zu verhindern.
Die Goten marschierten mit weibern und kindern in der
strengsten zeit des winters. An lebensmitteln trat mangel ein;
'die jagd gewährte für die masse der nach speise verlangenden
nur einen geringen ertrag.' Dunkle erinnerungen hiervon sind
in dem gedichte erhalten, wo Drasian die Sigminne raubt,
während Wolfdietrich im walde jagt. Er ernährt sich, als er
seine frau sucht, nur von kräutern. Dass er im kalten winter
zu der bürg Drasians kommt, wird durch die worte B 450
angedeutet: er saz zc einem fiure das vil schone bran.
In der bürg Drasians bekommt Wolfdietrich wein und brot,
wie die Ostgoten im gepidischen lager Vorräte vorfanden, so
dass übern1 uss statt des mangels eintrat. — Dass Drasian 'der
alte', 'ein alter ritter' genannt wird, hat darin seinen histori-
schen grund, dass der söhn Thrafstilas, Thrasaric, später als
könig der Gepiden dem Theoderik gegenüber auftritt.
Die hohe steinwand im walde, bei welcher Wolfdietrich
mit Drasian kämpft, vergleiche ich mit der Stellung der Ge-
piden, welche von Ennodius (Paneg. c, VII, 1) so geschildert
wird: Ulca fluvius est tutela Gepidarum, quae vice aggerum
munit audaces, et in jugorum morem latus provinciae quibusdam
muris amplectitur, nullo ariete frustrandis.
Auch im Drasolf der Thidriks saga erkenne ich den Thraf-
stila wider, wie ich dies bei der Sigmund- sage begründet
habe. Dort habe ich zugleich die frage besprochen, ob der
raub der Sigminne historische Voraussetzungen hat.
]) Paul. hist. Rom. 15, 15 : Tkeodericus . . . prius quam Italiam adven-
taret, Trapstilam Gepidarum regem insidias sibi molientem bello superaus
extinsit.
Hi.iMAT i>ki: ai:i\. WSLSUNQEN- r. KIB.-LIEDER. 26S
Nach Wolfd. A3 ist die gemahlin Buge Dietrichs Bote-
hunges swesU len Hiuneit] vgl A 193,230. Vom reiche
Hugo Dietrichs heissl es A 2:
Im dienten durch Kriechen der Bulgarle walt:
vnii hinnuchem gemerkt es Bin gewalt.
Dass die Verbindung zwischen Wolfdietrich und Botelung
der altfränkischen sage angehörte, habe ich (Helge-Digtene
8.81) daraus gefolgert, dass Belgi Eundingsbani, auf den
ozüge von Wolfdietrich übertragen wurden, als 1
bezeichnet wird.
Die genannten angaben vom reiche Enge Dietrichs und
vniii geschlecht seiner frau beweisen, dass Enge Dietrich und
Wolfdietrich ihrem Ursprung nach nichl merowingische könige
Bind, und sprechen vielmehr dafür, dass Wolfdietrich der ost-
gotische Theoderik ist
Der vater dieses Theoderiks und die oheime desselben
wann mit den Bunnen verbunden und von Attila abhäu
Na. -h dem tode desselben reissen sie sich los. Walamer schlägt
die söhne Attilas zurück und an dem tage, da die botschaft
dieses sieges zu Therdemer kommt, wird diesem der Bohn
Theoderic geboren. Auch Bpäter bekriegten die Ostgoten
reich die hunnischen nachbarstämme.1) Der junge Theoderic
kämpfte Biegreich gegen die Bulgaren; Biene hierüber Eeinzel,
Ueber die ostgotische heldensage b. 37 f. Im späteren mittel-
alter findet Bich Theoderic als hunnischer könig bezeichnet;
siehe Eeinzel s. 35.
In den mhd. Wolfdietrich-gedichten wird bowo! Buge Diet-
rich als Bein sonn Wolfdietrich als Ks cJte, von (den) wilden
bezeichnet Und in der isländischen inschrift wird
der dem Wolfdietrich entsprechende Bchlangentöter 'könig der
Griechen1 genannt Nach Wolfd. ist Konstantinopel die
Btadt Buge Dietrichs; dorthin kommt Wolfdietrich mit einem
zurück.
- die beimat Buge Dietrichs und Wolfdietrichs im
byzantinischen reich« Wolfdiet
. nicht als der fränkische Theoderik aufzufassen ist.
Unter Walamer und Beinen brüdera bekamen die Ost-
270 BUGGE
goten in Pannonien land. Sie überschwemmten bald die west-
lichen provinzen des byzantinischen reichs. Dabei haben sich,
wie es scheint, Hunnenscharen den Ostgoten angeschlossen.
Kaiser Leo bequemte sich zum frieden. Als geisel kam der
achtjährige Theoderik nach Konstantin opel, wo er zehn
jähre blieb.
Nach Wolfd. B ist die mutter Wolfdietrichs aus der Stadt
Bainecke. Auch nach A 532, DVIII 119 ist Wolfdietrich in
Salnecke geboren.
Thessalonika wird in der nächsten zeit vor Theoderik
öfter in Verbindung mit den Goten genannt, und 479 setzt
der söhn Theodemers Thessalonika durch das gerücht seines
anzuges in schrecken.
5. Hjordis und Älfr.
Die Volsunga saga erzählt: vor derjenigen Schlacht, in
welcher Sigmund und sein Schwiegervater könig Eylimi fiel,
wurde die frau Sigmunds, Hiordis, mit einer dienstmagd in
den wald gefahren und grosses gut mit ihnen; dort war sie
während des kämpf es. Hiordis sah nach der schlacht, dass
viele schiffe ans land gekommen waren, und sprach zu der
dienstmagd: 'wir wollen unsere kleider tauschen, und du sollst
dich mit meinem namen nennen und dich für eine königstochter
ausgeben.' Und so taten sie.
Ich kann in dieser erzählung nichts mythologisches finden.
Der name Alfr kann nicht beweisen, dass der Stiefvater Sigurds
ursprünglich als ein elbe gedacht wäre1), denn Alfr ist im
norden ein ganz gewöhnlicher menschlicher name.
In dem namen Alfr, der in alten handschriften auch olfr
geschrieben wird, sind, wie es scheint, mehrere verschiedene
namen zusammengeflossen.
Nach Noreen, Altisl. gramm.2 § 179 ist \Ölfr, Alfr (ags.
JEöwulf) Adolf. Wenn dies richtig ist, muss ein urgerm.
*Apawulfaz zu Alfr geworden sein.
Die erzählung von Älfr in der Volsunga saga hat mit
der geschiente Athaulfs Übereinstimmungen, die ich für nicht
zufällig halte.
J) Rieger (Germania III 184 f.) und Steiger (Die verschiedenen gestal-
tungen der Siegfriedsage s. 71) sprechen diese meinung aus.
Seihat des ai,t\. Welsunoe#- ü. btib.-liedeb. 271
Im jähre 409 kam Athaulf in [talien an, am sich mit
Alarik zu vereinigen. Der römische senal bestellte ihn in
demselben jähre, als Bonorius auf Alariks geheiss abgesetzi
und Attalus znm kaiser erwählt war, zum befehlshaber der
leibwache zu pferde.
Die Schwester des Honorius, Placidia, befand sich bei
Roms erster belagerung durch Alarik im jährt- 408 in dieser
stadt und ist gewiss schon bei deren einnähme durch capitula-
tion in die hände der Goten gefallen. Alarik hatte sie bei
sich als gefangene, gewissermassen als geisel, jedoch in Eurst-
Lichen ehren. Nach dem tode Alariks 410 wurde Athaulf,
welcher der bruder seiner Erau war, von den Westgoten zum
könig erwählt. 412 führte er sein beer aus Italien nach
Gallien. Er wollte Placidia nicht von sich lassen, und HO
wurde die Vermählung Athaulfs mit Placidia zu Narbonne
gefeiert.
Auch ein anderes geschichtliches ereignis hat wahrschein*
lieh die Bagenform beeinflusst.
Valentinian III. wurde märz 155 getötet Rfaximus, der
den mord angestiftet hatte, wurde auf den thron erhoben und
zwang Valentinian^ witwe, Eudoxia, sich ihm zu vermählen.
Im anfang juni landete der vandalische könig Gaiserich, viel-
leichl von Eudoxia aufgefordert, an der römischen küste und
zog gegen Koni. .Maximus. der entfliehen wollte, wurde vnin
pöbel getötet Die Vandalen rückten in die stadt ein und
plünderten dieselbe, ünermessliche schätze wurden nach
Afrika geschleppt Die kaiserin Eudoxia mit ihren töchtern
Eudokia und Placidia und viele andere gefangene wurden
auf den schiffen weggeführt Gaiserich vermählte Eudokia
später Beinern sühne Bunerich, während er Eudoxia und Pla-
cidia ureuvn ,in hohes lösegeld entliesa
her zug Belisars aaefa Afrika wurde vorgenommen, weil
Hildeiich. der sonn Elunerichs und der Eudokia, abgesetzi and
tötel WUI'de.
»PH1 - Bl GGE l i -.juli L907).
272
AS. GENESIS 22.
Seltsamerweise hat meine Übersetzung von scatt mit 'geld'
viel Widerspruch gefunden. Kugel will es als 'vieh' fassen, Siebs
(Zs. fdph. 28,139) allgemeiner als 'besitz, Vorrat' und Behaghel
(Hei. u. as. Gen. s. 16) sagt: 'wie man auch scat au dieser stelle
deuten mag, jedenfalls bedeutet es etwas, was gegessen werden
kann'. Trautmanns unmögliche umdeutung zu sceates (Bonner
beitr. 17, 139) und Holthausens ebenso unmögliche conjectur scaf-
tas (Anglia, Beibl. 13, 266) seien wenigstens erwähnt. All dem
ist erstens entgegenzuhalten, dass im got. wie in allen alten
germ. dialekten das wort nur 'geldstück, geld' bedeutet (für
das ags. vgl. Rieger, Zs. fdph. 3, 415): jedenfalls ist die vereinzelt
anzunehmende allgemeine bedeutung 'vermögen' überall noch
klar aus 'geld' abzuleiten, nirgends ist der schritt getan, das
geldvermögen in 'viehbesitz' oder gar 'einzelnes stück vieh'
umzudeuten; ebensowenig aber darf man mit Siebs für 'besitz'
den begriff 'besitz an essvorräten' unterschieben. Nur in dem
jungen afries. hat sket neben der germ. bedeutung 'geld' auch
die daraus abgeleitete 'vieh', ebenso wie das entlehnte slawische
wort in den neuslaw. sprachen 'vieh' bedeutet, während alt-
slaw. die Stammbedeutung 'geld' noch daneben steht (vgl. Feist,
Got. etym. wb. s. 235). Das etymologisch dunkle wort muss doch
altgerm. ursprünglich so etwas wie 'metallstück' bedeutet haben.
Jedenfalls kommen wir für das as. vollständig mit der allgemein-
germ. bedeutung 'geldstück' und der daraus abgeleiteten Jüngern
'geld' aus. Zweitens aber ist der anstoss, welchen die erklärer
an unserer stelle genommen haben, hinfällig. Der naive ana-
chronismus, mit dem Adam sagt, dass sie kein geld haben, um
sich speise gegen den hunger zu kaufen, ist doch ebenso vor-
handen, wenn er vorher gegen unwetter und hitze den mangel
von giwädi beklagt. Das alles ist über die quelle hinaus vom
dichter im sinne seiner zeit erfunden. Und dass dieser das
kaufen von speise für geld nicht fremd war, geht aus der Heliand-
stelle 2831 ff. hervor, wo bei der Speisung der fünftausend Phi-
lippus bereit ist, te meti für das volk sihiderscatto tue hund
samacl auszugeben. Anders ist natürlich unser unk nis hier
scattas uuiht te meti yimarcot auch nicht zu verstehen. Und
wenn der dichter Ags. Gen. B 503 den teufel dem Adam ver-
sprechen lässt, es würde ihm niemals an geld mangeln (]:>cet
pe ceniges sceattcs fiearf ne wurde), so haben wir die gleiche
anachronistische darstellung, die selbst nicht gemindert würde,
wenn sccatt hier 'viehbesitz' sein könnte.
W. BRAUNE.
GRAMMATISCHES.
L.WII.
Zu got. -e des xeu. pl.
Der Beitr. 17,570 IT. gemachte versuch, der got oeubildung
-- (oder-e"?) des gen.pL beizukommen, bedarf in einigen punkten
einer revision.
Die a.a.O. für die endnng des gen pl. masc. utr. der
-o-stämme vorgelscftfagene dentnng möchte ich auch jetzt noch
vertreten: qualitative Umbildung von -ö oder -ö des gen. pl.
durch anlas! von vorgot. -<■: oder dafür eingetretenem es des
gen. sg. masc. ntr. (aus -aw; wegen des : vgl. die pronominal-
formen pUfüh, !'>:,,, hrieüh etc.), dessen -c- als charakteristikon
dieser singularcasus empfunden wind.': dagegen erhaltung von
-<• oder -<< in der -ff^eclination, worin dem gen. pL kein gen.
mit -e- gegenüberstand.
Für die -< (oder -6?) der andern declinationsclassen wurde
Beitr. a.a.O. folgender entwicklungsgang möglieb erachtet:
-> (-'"» der masc fem consonantstamme durch anlass von altem
oder -es) des gen. sing, dieser oomina; bildung von -•
im gen. pl. der masc fem. -i- und -ti- stamme neben uom pL
auf oach dem mustervon-i (-£) der consonantst&mme;
entsienüng von - (-£) im gen. pl. der masc fem. -n-stamme
auf gleichem «rege oder Bchon (auch bei den ntr.) durch anlass
herstellung von -o i - 1 im gen. des
schwachen femininums durch anscnluss an das starke femini-
num: entwicklung von ansh (-0) etc. für a\ • etc.
durch antelinung an nahu {-€) etc der fem. consonantst&mme,
deren durch •%» oder -ü (ftti | des uom. (acc) pL
entstandener dat. pl. auf -im bereits mit - m di tnme
Busammengefallen war: zuletzt gasU (-£) etc für ga
etc. nach dem muster der fem. an etc
EMtrig« tUI |M I« IM i(>ra<:hf
274 VAN HELTEN
Dieser schon durch seine verwickeltheit sich eben nicht
empfehlende deutungsversuch scheitert, noch andere bedenken
ungerechnet, an dem umstand, dass beeinflussung der endung
des gen. pl. der masc. ntr. -o-stämme durch das suffix des gen.
sg. nur für die periode denkbar ist, in der dieser singular-
casus sich durch sein endungs-e von den andern casus des sg.
abhob. Solches aber war nicht der fall zur zeit, wo vorgot. -c
(d. h. -ea) des dat. (urspr. instrum.) in schwang war. Charak-
teristisch konnte -e- ,des gen. sg. erst dann werden, als -e des
dat. sich zu -a entwickelt hatte, d. h. nachdem nicht nur kür-
zung von absolut auslautender länge, sondern auch der kürzung
(s. IF. 14,68) vorangegangene vocalapokope stattgefunden hatte:
alte stainez, lileez (oder -es) neben stainz (oder stains), staina,
stain, lik, likaA) Demnach wird die annähme hinfällig von in
der consonantischen und der -w-declination durch -ez (oder -es)
des gen. sg., von in der -i-, -u- und -n-flexion durch -ez (-es)
des nom. pl. hervorgerufenem -e (oder -£), sowie folglich von
aus solcher entwicklung gezogenen consequenzen.
Zum glück bietet sich hier indessen eine einfache lösung
der frage. Durch das -e (oder -e) des gen. pl. der -o-substan-
tiva wurde -e (-6) charakteristisch für das masc. und ntr.; es
fand als endung aufnähme in den gen. pl. masc. ntr. der pro-
nominalen declination (got. pize, blinäaize oder -£ gegenüber
Jrizö, blindaizü oder -o), in den gen. pl. der schwachen substan-
tiva und adjectiva (got. -am oder -ane' gegenüber -önö oder
-Uno) und, wie folglich zu vermuten, in den gen. pl. m. der
-%-, -u- und consonantischen stamme. In den drei letztgenannten
flexionen aber standen sich von nun an zwei gründlich ver-
schiedene principien gegenüber: die auf oben beschriebenem
wege entstandene Scheidung zwischen -e (-8) als masc. und ntr.
und -ö (-ö) als fem. suffix und die im got. bekanntlich sehr
ausgeprägte ausgleichungstendenz , die in den nur im gen.
auseinandergehenden pluralia besagter masc. und fem. nomina
(frijünäam und baurgim stehen ja für alte formen mit -um)
ein geeignetes feld für die entfaltung ihrer tätigkeit fand; es
siegte in dem so entbrannten kämpf letzteres princip, so dass
J) Angesichts der hier hervorgehobenen Vorgänge ist erhaltung von
altem e (nichterhöhung desselben zu i) für die periode der vorgot. vocal-
apokope (und vocalkürzung) anzusetzen.
ED GOT. E DKs GEN. PL. ZUM GERM. STABKEH PBABT. 275
tili- alte mis/in (oder -ff), handqtö (-ff) bez. -tgff (-ff), &attr^ff(-ff)
als neubildungen otwta (-£) (woraus ansti bez. - | etc. eintraten.
Specielle beachtnng erfordern sodann - (-£) der -- and -'"'<■
(-tu??) der -u-flexion. In Letzterer endnng ist natürlich die folge
zu erblicken von anlehnnng an das Buffiz des nom. pl.: altes
-t itr Dach altem -<■"»■:. Dass dagegen bei den /-stammen ein
gleichartiger anschlnss nich.1 stattgefunden, rührt offenbar daher,
dass xiii- zeil der nenbildung von -e|M- des gen der nom. pl.
rter nomina kein zweisilbiges suffiz mehr hatte, sondern
aus -i>!:- (für -^(fter) contrahiertes -10 (* für e durch frühzeitige,
gemeingermanische einwirknng von anmittelbar folgendem bez.
vorangehendem /'). d.h. infolge einer der speciell vorgotischen
erhöhnng von e zu 1 vorangegangenen afficierung). Zn -" (-«£)
als vorstnfe von -£(-£) isl als parallele zn stellen vorgot -0|t**
(aus-fftte*), vorstnfe von überliefertem -ff» (oder -ff») der Ldnalis
praes. ind.: wie in -ffju- minderschwachtoi schlössen«
das folgende schwachtonige, qualitativ nahestehende u absor-
bierte, konnte vorangehendes, schwachtoniges i in minder-
schwachtoniges, geschlossenes < (oder 8) aufgehen.
Zusammenfall von •< (-£) des gen. femininer consonant-
stämme mit -<■ (-£) der fem. -i-stämme führte zu Übersiedlung
von -mm des dat pL dieser classe in die consonantische declina-
tinn. Nach <■€ (-6), -am der masc -o-stämme richteten Bich (mi1
ausnähme von menu]nm) die masc. consonantstamme, indem sie
für ihr regelrechtes -um die aberlieferte endung einsetzten .
I..WIII.
/um germ. starken praeteritum Ind. plur. (dual.)
und <»pt. nach i. ."). n 11 ii (;. classe.
Dem versuch, unter berufung auf aid. (meist ?ed.) jägära,
dädhära, väväna etc., das < bez. </ des plur. (dual) ind. und
des opt praet nach 1. und 5. Btarker classe auf alte < ' der
reduplicationssilbe zurückzuführen ist, andere bedenken noch
ungerechm t, zw» iei lei 1 atg< genzuhalten.
ESrstens weisen, wie schon Beitr. 34, 184, anm. im vorbei-
gehen bemerkl wurde, zu goi ai
'1 Vgl dl« i"
tarn Branei (inZi Ua :;7.rji .int _•
276 VAN HELTEN
und got. as. ahd. shal (Gen. auch sali 2. sg. ind., alid. säl Tat.
etc.), ags. sceal stehende got. gamunup, -muneis, skidum, as.
muni, skulun, -i, ahd. scidun, -i (sulut Tat. etc.), ags. munon,
myne, mune, sculon, segle, scule auf ursprünglich der 4. classe
zukommendes u der Wurzelsilbe hin [zunächst aus fiefiafisv, -ts
zu erschliessende memnm-, memnte, memunm-, memunte bez. -])e,
dann, durch einführung von -u- der endung für die 3. pl. me-
munum-, memunute bez. -])e (bei der annähme von alten suffixen
-dm-, -die, woraus -um-, -ute, wären memnum-, memnute anzu-
setzen, womit die überlieferten formen sich nicht vereinbaren
Hessen); in der 3. pl. ind. memnnt, memnunt bez. -un]), woraus
durch substituierung von -un- der 1. 2. pl. für -n- mcmununt
bez. -un])', im opt. memniem etc., memuniem etc. und memmm-
etc, woraus durch einwirkung der singularformen memunlm-
etc; ebenso shestym-, -te, slcesJculm-, -te bez. -pe, dann skeskulum-,
-te bez. -]>e\ sJees(k)lnt, -unt bez. -un]), woraus, über sheslunt bez.
-un]), skesulunt bez. -un])\ im opt. shesMiem etc., skeskulißm etc.
und skes(k)Um- etc., woraus skesullm- etc.1)].
Zweitens ist nicht zu übersehen, dass nach in der 1. 2.
3. classe und, wie zuvor betont wurde, auch in der 4. zu beob-
achtender völlig gleicher entwicklung des urspr. schwach be-
tonten wurzelsilbenlauts im praet. und im part. perf. auch
für die flexion der 5. classe die nämliche behandluug zu er-
warten, m. a. w. dass nach e des part. perf. als repräsentanten
der schwachtonigen stufe des vor muta stehendem alten e
auch ein praet. ind. pl. (dual.) und opt. mit e in der Wurzel-
silbe zu gewärtigen; also leles{u)m-, memed(u)m- etc.
Solche praeterita aber ermöglichen es, den überlieferten
(7-bildungen beizukommen: neben zu eäö 'ich esse', edomes (-ez)
'wir essen' etc. stehenden e\ed(u)m- etc. konnten durch con-
traction ed(u)m- etc. aufkommen, die zunächst entwicklung
veranlassten von neben sesed(u)m- etc., memed(u)m- etc., ghe-
ghed(ti)m- etc. (vgl. got. bigitan, an. geta, ahd. firgeszan etc.),
2)eped{u)m- etc. (vgl. got. fitan 'gebären') verwanten sed(u)m-
etc, med(u)m- etc.; nach diesen neubildungen kamen darauf
legh(u)m- etc., gnedh(u)m- etc. oder ley(u)m-, gnecl{u)m- etc. in
x) Wegen des überlieferte wgerin. sal, sulun etc. vorbereitenden aus-
falls von 1e in sld vgl. von Fierlinger in Kuhns Zs. 27, 190 ff. ; in der recon-
struction der vorgerm. formen weiche ich aber von der Fierliugerschen ab.
ZUM GERM. STABKEN PRAETEBITUM. 27*3
schwang neben lelegh(u)m- etc., gegnedh(u)m- etc. oder leleyiytyn-,
gegneä(u)m- etc. ') -)
Auf dem wege entstandene (e)oda etc., (le)loya etc. mit
gtf(w)m- etc., ?öy(tt)m- etc. gaben das mnster ab für die Ver-
wendung von zu singularia ind. (ste)stoU, (de)dora consnmpsi,
\<i )doma (vgl. ahd. seman, mm etc.) et<\ neugebildeten steZ(n)m-,
ii<,(n)tn-, (lcm(n))n- etc., die zuersl als doppelformen zu alten
isf,)stu!(u)m- etc. gangbar wurden, zuletzt (mit ausnähme der
praeterito-praesentia) zur alleinherschafl gelangten, i
Die vorgeschlagene fassung ebnet auch den wen- zur er-
hellung von grödun, h&bun, förun, drögun, fuorun, skuofun etc.,
in deren 3 schwerlich der mitunter vertretenen ansieht gemäss
entlehnung aus dem sing-, ind. zu erblicken (solche ausgleichung
stände in der yorgerm. periode ohne parallele da, 80 dass ihre
annähme für reine Willkür zu gelten hätte). Nach wurzel-
silbigem a im pari perf. der tj. classe ist für das praet. ind. pl.
(dual.) und opt. der nämliche yocal als repräsentant schwacher
stufe anzusetzen. .Mit rücksichl hierauf lässt sich die Propor-
tion aufstellen, h yomes (oder -ee) etc., stelomt s < -< n etc.: V y\
stel(u)m- etc. = malomes (oder -ei) etc.: mäl(u)m- etc. (für
\mal(u)m- etc.). Dass die genesis dieser mäl(u)m- etc. älteren
datums als die entstehung von stei(u)m- etc.. ist aus dem Beitr.
34, 134, anm. zu »mos«, gamösta bemerkten zu ersehen.
') Diese annähme ermöglicht auch eine einfache erklärnng der viel
nmstrittenen i bez. ä and y von -dedum etc., tötotn etc., ags. dyde, -ow, -»■
etc. infolge von durch ausgleichungstrieb veranlasstem Schwund der redu-
plication Btanden vor dem endgültigen sieg der i »- (a*-) bildnngen i< ,
etc. and /',(")/<'- etc. als doppelformen uebeneinander, was analogische ent-
stehung von ded(u)m- etc. neben alten ded(u)tn- etc. veranlasste. Dnrch
^entliehe beachtnng von neben >Mi»/iw- etc. verwanten rtn
iter anten im text) entstanden später in gleicherweise neber
I ntt ii)i>i- etc., deren m im opt in der t'"Lr'' zu y wurde, das von hier
tuch in den ind. eingeführt werden konnte.
I Das vereinzelt« tliche, os
entstandene neubildung tu fassen; man beachte «li>- ;
■ i ■
jhts des oben betonten dürfte den gleichungen sttum
/-•, lih finn ■ . n icht beiznl
Ausserdem Lsl ra beachten, <l.i>s die lat rallelen zu
<li n germ. bildnn h zu pra< •
mit <<: frlgimut
278 VAN IIELTEN
LXXIV.
Zu den sogen, verba pura.
1. Die bald ausnalimslos schwache praeteritalbildung der
sogen, verba pura im alid. (ausnähme bekanntlich nur ziplahan,
ziplän) nötigt zur annähme von im praes. mehrerer dieser Zeit-
wörter gangbaren vorhd. -i- oder -j-suf fixen, die Verdrängung
der alten starken praeterita und participia veranlassten. [Die
Vermutung, dass altes -«-loses -fo-partic. eintritt von -fo-praeter.
für die starke verbalform hervorgerufen hätte, dürfte sich nicht
empfehlen: erstens wäre es mit rücksicht auf die äusserst ge-
ringe zahl solcher urspr. hybridisch flectierten verba (got.
brigga, *brähts, urgerm. werMö, warhtö-, vgl. Beitr. 34, 133)
kaum denkbar, dass gerade bei den verba pura urspr. -to-
partic. neben starkem praeter, geherscht hätte; sodann auch
würde weder das vorwiegen von gisäit etc. (neben seltenen
gisat etc.), noch das gänzliche fehlen von schwachem part. im
ags. zu gunsten besagter hypothese sprechen]. Für die ent-
stehung aber gedachter -/-suffixe ist schwerlich ein zwischen
ä oder äe bez. ü und -is, -ut (-id) der 2. 3. sg. praes. ind. ent-
wickelter gleitlaut j1) verantwortlich zu machen, der von hier
aus in andere flexionsbildungen des praesens eingedrungen
wäre: sükis, -id (-id), dailis, -iä (-id) etc. neben sokju, dailju
etc. hätten nicht die muster abgeben können, wonach neben
näjis (näejis), -ict (-id) als neubildungen näju (näeju) etc. ent-
standen wären. Vielmehr haben wir hier den umstand ins
äuge zu fassen, dass nach aksl. vejeti 'weht', sejeti 'sät', lett.
deju 'sauge', aksl. majeti 'erkennt', aid. jnäyate noscitur, aksl.
grajeti 'krächzt', aksl. spejeü 'hat erfolg' die möglichkeit an-
zunehmen von agerm. -io-stämmen (-io- nach vocal, nicht -io-)
iväeio-, säeio-, däHo-, hnäHo-, kräHo- (die germ. formen beider
verba mit äe aus alten ea gegenüber aksl. auf üa hinweisen-
dem a), spöio- (mit öa gegenüber aksl. e = idg. ea): zu solchen
stammen stehende verbalformen konnten zu reinem stamm
stehende (vgl. zu ahd. bad, lat. fläre, ahd. drät, got. nepla,
J) D. h. der spirantische laut, der entsteht, indem beim einsetzen des
für i erforderlichen exspirationsdrucks die Stimmbänder sich einander nähern,
aber noch nicht gespannt sind.
ZU DEN BOGEN, VBBBA PUBA. 279
gr, äfitfroq 'ernte', ahd. bUtt, as. gräni, lat mi& •. gr. (ic5Xoq
'arbeit1 zu stellende ahd, toon, &taa« mit alten i ' im ablaul
zu lat. <i, dräan, näan, mäan, bluoan, gruoan, muoan) gelegent-
lich in ihre Kategorie hinüberziehen, während umgekehrt anch
zur 3'0-kategorie gehörende verba ohne -'- oder daraus bervor-
Qgenes (spirantisches) ■/■ gesprochen wurden: es berührten
sich ja beide Kategorien in der _'. and ">. sg. praes. ind., deren
snffize als schwachstnfige endungen bez. als ans esi,-edi ent-
standene -is, -tö (-id) lauteten. Solche Beimischung, und zwar
eine zu gunsten der formen mit ■$- bez. -j-losem Btamm
erfolgte, tritt uns in der tat vor äugen bei einer musterung
der in dankenkenswerter weise von Bremer (Beitr. LI, 61 tu
Busammengestellten, einschlägigen belege: aeben regelrechl
entwickelten bildungen, wie arplähant, arplähandi, plü
dräenti, -ir, näant, pluoentiu, gruanti, gröentem, uixo/,,-
hendo etc.. finden sich als norm durch analogie ihres -'- oder
-')- verlustig gewordene, wir wä(h)ente, firwü(h)e, -<i</, saun,
säentin, täant, irknähet, -ruf, pichnänt, erde, krähe, *)>ti<>i> etc.;
ausnahmsweise im alteren ahd. a>-, irpläen, cröent, /■'
(Beitr. 11,61) mit alten, auf -jan, -jnnt hinweisenden endungen,
8äiin int', (der beleg könnte aber auch aus einer jüngeren hs.
Btammen, vgl. Beitr. 11,66), plügentiu, pluogentiu (Beitr. 11,
64.66; man beachte indessen noch unten über diese belege zu
bemerkendes).
In den alten, noch nicht in den uintergrund ge-
drängten praesentia mit orspr. -/'- oder -/-stamm sind natür-
lich die factoren zu erblicken der ueubildung von schwachen
praeteri talformen: sä*\u bez. der 8ä*ju b< etc.,
'•-!. Bieraus zu-
nächst durch die Wirkung von Sievers' Bynkopegesetz
oder säju etc., säda etc, gisäiä, flect g oder
da etc.); dann, als die i li r ?-losen
praesentia sich vordrängten, säu (neben seltenem säju)
säda etc.. gisäid, gisäd-, die in der folge die Verwendung
anlassten von zu analogisch entwickelten näda etc.,
.Man beachte in Bren ichnis: inehnäta,
inenähm, bichnädi, biknäti, säta,
H etc. und dräta, muoto, -un als
gasäii mit giwäUu, Jcaph
280 VAN HELTEN
anapläit, cibläit, kidräit, gimäit, ginäit, gimuoit, Jcamuait mit
ki-, capäte, kidräte, girierten, -es, armüte, armoade etc. als parti-
cipia, woneben durch -it des part. beeinflusstes praeteritum
bicnäitun und partieipia ar-, irmöite, zipläitun sowie durch die
flectierten formen des partieips beeinflusste, unflectierte bil-
dungen biknät, gimät, kimöt, gimuot etc.
Die in den älteren ahd. denkmälern sehr seltenen -j- (-g-)
praesentia erscheinen in aus dem 11. jahrh. stammenden häufiger
(näio, neiu, drcio 1. sg., bluoient 3. pl., wäie, wäge opt. etc., s.
Beitr. 11,68 f.); im mhd. sind formen mit -j- (-g-) und ae (e),
üe gäng und gäbe, allenfalls mit noch daneben stehenden bil-
dungen ohne -j- (ivaejen, waegen, weien, ivegen, saejen, saegen,
segen, naejen, naegen, negen, müejen, milegen etc. und wän,
muon etc.). An ein vordringen von bildungen mit auf altes
-i- zurückgehenden -j- ist hier angesichts des ahd. beleg-
materials nicht zu denken; wol aber an einen durch die häufig
verwanten formen für die 2. 3. sg. praes. ind. (irknäist, wäit,
sähit, chräit, pläit, nähit, pluQi)it, gimüist, gröit, möid, muoit,
müit etc.) hervorgerufenen Vorgang: in diesen verbalformen
früh oder spät durch nicht gleichzeitige einsetzung des ex-
spirationsdrucks und der stimmbänderspannung (vgl. die anm.
auf s. 278) zwischen ä bez. o oder einer fortsetzung desselben
und i der endung als gleitlaut entstandene Spirans -j- wurde
auch in andere praesensbildungen eingeführt (vgl. auch Bremer
in Beitr. 11, 71); durch -j- entwickelten sich dann zurzeit der
umlautung von langem vocal und diphthong ae (c) und üe
(auch in den oben citierten salin, ,pluo-,pMgentm könnte solches
schon früh entstandenes -j-, nicht auf -i- zurückgehender cons.
vorliegen; entscheidend für bereits von Otfrid mit -j- ge-
sprochenen irknäist, *irknäit ist der neben irknähet 2. pl., ir-
knäent, firwähent, firwä(h)e etc. bei ihm begegnende imper.
sg. irknäi, dessen -i sich nur als Schreibung für durch an-
lehnung an -knäjist, -jit entstandenes -j begreift). Aus den
-j-formen entlehnter umlautsvoc. begegnet in mhd. waen, wen,
naen, nen etc. (wehen, saehen, sehen, seen, mühen, müen etc.
können formen mit oder ohne -j- repräsentieren), denen sich die
praeteritalbildungen waete, gewaet, saete, gesaet, grüete, gegrüet,
müete, gemüet etc. neben regelrecht entwickelten wate, geivät,
säte, gesät, gruote, gegnwt etc. vergleichen.
ZU DEN OGEN. VEBB4 PÜBA. J~ 1
In mehreren verben mit fl geht dieser laut zurück auf
alten langdiphthong 0t*; trotzdem erscheinen hier die Dämlichen
flexionsformen, die reine ö-verba gewähren: gluontero, cluontes,
gluant, {ar)gluoit, cluoientes, luon mngire, luonta, luantemu,
h/o//, löhit, thruoen pati, tröen, trüen, druoanti, ihrtte etc. (vgL
Dach Beitr. 30,245 ahd. glouwer, as. ,'//'"" etc., gr. xj
vöo/iat, ags. Öroman 'dulden'): die Lsg. uml pl. praes.
ind., mit vor u der endung durch absorption von u aus ff|w-
entstandenem -"- vermittelten den abertritl der Pu-stämme in
die kategorie der p-verba. ßesidua mit aus altem -"- ent-
standenem ■"■- (/. b. gluowant u.dgl.) Bowie hiernach enstandene
Deubüdungen mit -uow-, -äw- für -uo-, -<>- wären mit hin als
eventuell in onserer dberlieferung begegnende belege für mög-
lich zu halten. Mit einer auch anders zu deutenden ausnähme,
löwu l . sl: .. finden Bich indessen in den quellen keine gluowant
o.dgl.; uml hierdurch wird es an wahrscheinlich, dass wir es
in ahd. cräum l.sg., säwiu Lsg. (wo! Bchreibfehler für säwu),
sniiit, -toent, -wenti, -wenne, gesätoit, wewet, -we, bluoicent,
•wen, -''■'■ uml demnach ebenfalls in Iswu (belege Beitr. 11, 63 ff.),
mhd. en, //' nai u ■ '. blü\ w< n. blüwi >*.
müwen, grüewen etc. (die omlautsvocale durch analogie) mit
Deubüdungen zu tun haben, die midi alten. -w- aus -u- ent-
haltenden Formen entstanden wären. Eher empfähle es Bich
darum, für Mir aberlieferten -to-bildungen die von Bremer
(Beitr. 11,72) vorgeschlagene deutung gelten zu lassen, d.h.
in ■/'- die parallele zu erblicken von vor endungs-t- entstan-
denem -./-, also einen gleit laut, der vor endungs-u(-) der i
1 1. praes. ind. Bich (als Bpirans durch nicht gleichzeitige ein-
setzung irationsdrucks and der Btimmbänderspannung)
iltete uml von da aus tlich in andere pnu -
bildungen bez. BOgar In das part prt eingeführt wurde
/nun für altes hlou aus prototyp !</>••<
2, in den as. denkmälern sind die belege mit j-(-g-) vor-
hersehend: 9äiu Hei. 2
gll i \\ adst 50, 7 1 mn 'kennen lernen' B
- issb. gll (W. 1 1 1. >: I 140 and W tC.4
'säen1 M. 2389 kann Schreibung sein in tda&
compromissbildnng aus tähan and seian\ h 14),
thriuunlmn (W. 94 ■ Den in den W-i.l. l'rud.-^ll. uml sind
282 VAN HELTEN
vielleicht nicht sächs. Es wäre demnach die möglichkeit ins
äuge zu fassen, dass im vorsächs. der kategorie säip- zukom-
mendes -i- oder dafür eingetretenes -j- in die verba der andern
kategorien eingedrungen und daselbst zur vorherschaft gelangt
wäre (vermittelnde f actoren -is und -iä oder -id, die allen ein-
schlägigen verba gemein waren, auch denen mit altem öu, die
durch Vermittlung der auf lautgesetzlichem wege des u ver-
lustig gewordenen flexionsformen mit den reines ö enthaltenden
verba zusammengefallen waren). Doch ist andererseits auch
die möglichkeit denkbar, dass das vorsächs. den für das vor-
hd. und ahd. mhd. beobachteten entwicklungsgang durchmachte,
dass m. a. w. in der sächs. dialektgruppe, nach fast vollständigem
sieg der den -i- losen stammen zukommenden formen, durch
anlass von nach entfaltung eines gleitlautes entstandenen -jis,
-jiä (-jid) der 2. 3. sg. praes. ind. die andern praesensformen ein
-j- erhielten, diese -j- Verallgemeinerung mithin im sächs. nur
intensiver und früher stattfand als im ahd.
Mnd. begegnen fast nur -j- (-#-) aufweisende praesentia
und zwar, wie aus den Schreibungen creygen, meygen, tveigen,
bloygen, vloygende etc. zu erschliessen , mit ei, öi, d. h. ea bez.
ö + durch folgendes -j- hervorgerufenem parasitischen i (vgl.
die Beitr. 16, 306 ff. hervorgehobenen sächs. aus ä, ö etc. vor
w entstandenen äu, öu etc.): seien, segen, iveien. neien, negen,
meyen, dreien, dregen, Jcreien, Jcregen, blöyen, Mögen, gröien,
grögen 'wachsen', möien, mögen, glöien, glögen, löten, loeyen
mugire, vlöien, röien 'rudern' (die beiden letzteren verba als
alte öu- verba, s. unten 4) etc., woneben seltene blöen, gröen,
röen (mit ö oder an alogischem ö?). Daneben als 3. sg. zeget
'sät', weyet, gröyet, möyet (auch meit), vlöyet etc. und als
praeteritalbildungen geseyet, glieseget, weiden, gheneyet, neiden,
dreyede (part.), dreiden, Jcregeden, kreyede, bJöyede (auch bleide),
gröyede, möyede, möyden, gemöyet, ghemöghet, glöieden, glöide,
glöyden (part,), löyde, vlöyede, vlöide etc. (beachte auch seiget
'sät', iveiget, meyget, möyget 3. sg. und geseyget 'gesät',
neygede, weygede, dreiged 'gedreht', blöygede{n), möygede etc.)
mit durch analogiebildung entstandenen eai-j, eai und öi-j, öi;
selten als rest regelrechter entwicklung möde praet. (s. Sch.-
Lübb. 3, 111). As. belege sind: säiä (säit) 3. sg. H. 2586,
säidos, -da, -di H. 2550. 2541. 2555 (woneben noch nach starker
/(' DEN BOGEN. VBBBi l'lTRA.
dexion -seu, vgl. Beitr. 21,558 f. und IF. 2:5. L07), güUHt (gebjtid)
H. 1076 (mit u-i, ff-i oder a-ji, Jh§\ oder - •'-/, ö-i bez. <'-./', ö-^»?).
Belege von praesensformen mit w fehlen m. w, im as. und
miid. durchaus.
:{. Zweideutig, wie die as. bildungen, Bind mnl. saeyen,
waeyen, naeyen, maeyen, draeyen, craeien, bloeien, gro
moeien, gloeyen, loeyen, roeien, vloeyen, für die Dach onl. aus-
spräche langdiphthong mit vor -j- entfaltetem i anzusetzen
(vgl. in 2 hervorgehobene mnd. bH, öi\ mnl. aber, d.h. west-
nfrk., der nichtumlautung von langem voc. gemäss, "; and öi
bez. ">': in den östl. dialekten (s. z.b. Teuthonista) dagi
aus meien, crByen u.dgl. sich ergebender unilaut des ersten
.liphtliongeleinentes). Dazu als 2. 3. sg. praes. ind. und als
praeteritalbildungen in der regel saeis, waeit, maeyet, bloeit,
blocyct t't<\. sm'nlr, i/rsticlf, bloeyedß, hjnfidi', geblodt etc.. Wn-
neben äusserst selten und meist nur im reim hi roei 'rudert'
und bloede 'blühte', gebloet 'geblüht', vloede 'floss', groede
'wuchs' (wegen belege b. meine Mnl.gr. §200 mit opm.1) als
reflexe von alten röit (d.h. m-ii). blöda, giblöd, ftöda, grüda\
als indirecter resl der -j- losen formen ist aber der oeben
(durch den reim gesicherten) «/-laut gangbare, nach nnl. laa-
bung als ui gesprochene diphthong hervorzuheben (normale
Bchreibungen des einen sowie des anderen lautes oei, oey): aus
5< altem öa) war mnl. (durch oe oder o dargestelltes) ua ent-
standen, als element des iangdiphthongs Mich dagegen ö laut-
gesetzlich erhalten; '" für ui kann demnach nur auf anlehnung
beruhen an in -j-losen flexionsformen regelrechl entstandenes
'- i -. auch Tijdschr. van Nederl. taalkunde 14, 29 f.). Beachte
noch mnl. (sehr seltenes, nur im reim belegtes i 'rudern'
als reflei von altem rö-an.
Belege von praesensformen mil w fehlen auch mnl. W<
der reste alter Btarker Sexion, etc.. s, w. 23, 107.
4. Für die entstehung von alleinherschendem w in der
praesentialen und der praeteritalen flexion von wan,
mdwan, grötcan, ■ tc Bind viererlei factoren geltend in
machen:
. -ist. 'iis das " i woraus in d • den oben
in 1. & 281 erwähnten beachte noch die m ah 'ich
Bchwimme', aid planati 'er Bchwimmt', g
284 VAN HELTEN
etc. und gr. tQcoftj 'schwung' zu stellenden flöivan, rowan\
zunächst einführung von -u- der alten öw-verba in die ö-verba
durch vermittelung von sich mit rö-u(-) etc. der 1. sg. und pl.
praes. ind. aus röuu{-) etc. berührenden grö-u(-) etc.; dann
einführung von -u- in ä-verba mit -o-stamm durch vermittelung
einerseits von sich mit grö-u{-) etc. und rö-u(-) berührenden
mä-u{-) etc., andererseits der übrigen zu mä- etc. gebildeten
praesensformen, die sich mit alten (neben -w-haltigen neu-
bildungen gangbaren), zu grö- etc. gebildeten praesensformen
berührten; ebenso einführung von -u- in ä-verba mit -/-stamm
durch vermittelung von sich mit mä-is, -ip etc., grö-is, -ij> etc.
berührenden sä-is, -ip etc.] ;
zweitens ein vor -w(-) der 1. sg. und pl. praes. ind. ent-
falteter gleitlaut -iv-\
drittens der gleitlaut -tu- vor -u- der pluralendungen des
starken praeteritums, das infolge des durch die zunähme von
formen mit -u- erwirkten zurücktretens von alten -/-haltigen
praesensformen vor Verdrängung durch schwache praeterital-
bildungen geschützt wurde;
viertens der labial von zu alten öw-verba stehenden formen
des ind. sg. und opt. praet. mit eow{-) für eo-u bez. co-u- (reo-u,
reo-u- etc. aus reröua, -c, -7(-) etc.; dies zur ergänzung von IF.
23, 106 bemerktem^
5. Für das afries. ergibt sich aus dem spärlichen material
folgendes:
auf alten -/o-stamm lässt sich zurückführen aus aofries.
praet. weide (Gramm. § 274, anm. 3) zu erschliessendes iveia;
auf formen ohne -;'- weisen (nach Zur altostfries. lexic.
s. 154 f.) nofries. miähnen bez. miö 'mähen', ziähn 'säen', Jcriö
'krähen' hin (aus anzusetzenden aofries. miä(ri), sia(n), hiä(n)
für mean, sean, Jcrean) sowie aofries. meth 'er mäht' und ble
'blies' (IF. 23, 105);
die einstige existenz von -ep-formen, flöiva(n), gröwa(n),
blöwa(n), iväwa(n), geht nach Beitr. 19, 395 ff. und Zur aofries.
lexic. s. 155 hervor aus awfries. fliueswerp 'wurf in untiefes
wasser' (flhtes- aus flöivisa-), aofries. gröivinge, awfries. gröy(e)t,
blöy(e)t, gröye, wäy(e)t, wäyen, -ane, icäyde (wegen aofries. greth
crescit, awfries. gre crescat, aofries. awfries. gliände s. Beitr.
und Zur aofries. lexic. a. a. o.).
ZU DEN VEBBBN GAN, STÄN UND DON. 285
6. T >ie nur zum teil in den an. dialekten erhaltenen verba
gehen wn. nach Btarker bez. schwacher flexion, on. meist nach
schwacher (übertritt in die L oder die L. conjugation, indem
aus der mehrzahl der praesensformen stammendes ä bez. <•
Übersiedlung nach der 8. durch nmgelauteten tonsilbenvocal
ausgezeichneten classe verhinderte):
wn. sd (mit altem 3-losen stamm, wie got. aus süan her-
vorgegangenes saian), gröa, röa (ohne reflex von altem -h-,
zunächst durch schwund von -"- vor -u, -um der l. sg. und pL
iiul.. dann auch, wenn nicht etwa bereits analogischer au.- fall
von -><- in den anderen praesensbildungen erfolgt war, durch
lautgesetzliche Bynkope von für -"- eingetretenem -w- nach 0),
mit sera, grera (analogiebildung), rera, sdenn etc.;
wn, flöa nach l. schwacher classe, glöa (beide verba ohne
reflez von altem -//-, wie röa) nach 1. und 1. <•].. mit floaife
und flöäe, glöaäe und glöäe (Noreens AItnord.gr. I § 199, anm.);
uii. 8ä\ grö(a), ro\a) (vgl. Nor. Altnord.gr. II §544, anm. 5.
545.553) nach Lei., mit s&äe, große, rüde (nur im part neben
schwacher form auch säin, grüin).
IAW.
Zu den verheil gräft, stau und </ö;/.
1. Für die beurteilung der germ. zu xlxw1 U11,l 'al- •s'1'"''.
• r, v stehenden verha ist folgendes zu beachten.
Die zur wurzel stä gehörenden, ausnahmslos nicht
zu idg. '/ stimmenden wurzelvocal aufweisenden flexionsformen
sind keineswegs als ueubildungen zu fassen Dach den alten,
zu gh( ' Btehenden verbalbildungen: es wäre (dien nicht einzu-
sehen, weshalb das verb für 'stehen' consequent vondemverb
für 'gehen' beeinflusst sein Bollte und nie das umgekehrte
stattgefunden hätte, m. a. w. es fehlt der uachweis eines fac-
tors, der einen vollständigen Bieg des den s-< '-bildungen zu-
kommenden vocalismua herbeigefühii hatte.
,/. Auf grund der etc. von für 'tun' verwanten
formen ist consequenterweise zu vermuten, dass auch in den
eben genannten •mi-verben der eig. nur dem >Lr. praes, ind.
und imper.. etwa auch dem int. und dem pari praes. zu-
kommende vocal in das ganze paradigma eindrao
286 VAN HELTEN
y. Aus nach der schwachen -ai- bez. -e°-classe flectierten,
zu substantivischem -ä-stamm bez. mit -nä- gebildeten verben
ergibt sich urgermanische erhaltung von idg. in der endung
stehendem ä vor unmittelbar folgendem i und *: -ä\i- des Op-
tativs, woraus -at(-), das in den anderen modi analogisch ge-
bildete endungen mit -ai(-) hervorrief. Vgl. IF. 14, 85 ff., wo
auch aus -ö\i- entstandenes -t»(-) im opt. der schwachen verba
2. classe hervorgehoben wurde. Aus den Optativen ahd. tuo,
üwt, tuon, aonfrk. duos, duo, duon, aws. dö, dön, etc. geht
hervor, dass hochtoniges ü + ?(-) in gleicher weise behandelt
wurde wie endungsilbiges. Hiernach ist auch für hochtoniges
ä -f %{-) entwicklung zu ul{-) zu vermuten. Für die richtig-
keit aber dieser folgerung spricht die tatsache, dass der opt.
des stfä-verbs des öfteren in der Überlieferung einen laut bietet,
der auf älteres ai (d. h. a%) hinweist (ahd. sie etc., ags. std etc.).
6. Im opt. praes. der praet. - praesentia und des verbum
substantivum durch das modussuffix ■%- hervorgerufene formen,
die so in betreff des tonsilbenlauts sich formell von den flexions-
bildungen des ind. entfernt hatten, beeinflussten manchmal die
alten formen der anderen modi; durch anlass des in den andern
flexionsclassen dem opt. und ind. praes. zukommenden, gleichen
tonsilbenlauts fand ausgleichung statt, indem der tonsilbenlaut
des opt. in den ind. und von hier aus auch in die andern modi
eindrang. Man beachte die Beitr. 15, 212. 17, 559 aufgeführten
mhd. mügen, süln, günnen, Wirren etc. im ind., mnl. stillen,
gunnen, hunnen, dürren (u mit lautwert öü), mnegen, duegen (ue
zur darstellung von o) als inf., mhd. sin, sit im pl. ind. etc. und
füge zu den daselbst hervorgehobenen belegen noch afries. sJcü,
skel 1. 3. sg., sJcilun, skelen etc. pl. ind. (Aofries. gr. § 307 Ö).
Berücksichtigung von ß und y macht formellen zusammen-
fall des stö- und des <jea-verbs verständlich:
vorwestgerm. zunächst gäe\i(-) im opt. (auf die 1. sg. be-
schränktes gäe\iea- kann ausser betracht bleiben), säe{-) im ind.
imper. etc. (äe aus idg. ea), doch stä\l(-) im opt. und durch
einwirkung von in diesem modus regelrechtem ä, das ursprüng-
liches a der andern modi vor entwicklung zu oa schützen
konnte, stä(-) im ind. imper. etc.;
dann, als «c zu « geworden, zusammenfall des tonsilben-
vocals der beiden verba, wodurch entstehung von 6«|«(-),
ZU DEN 7ERBKN GÄN, STÄN ÜHD DON. ' I
sta /(-), die nach y die überlieferten Optative mit < ' bez. <<
ergaben.
•2. 1 »t-n prototypen mit a entsprechen im alem. durch-
stehende praesentia gän, gäs{t\ gätnes etc., stän, siäs(t) etc. Den
prototypen mit af die Erftnk.-ahd. and bair. optative g
etc., ■>/' etc. (die alem. quellen gewähren nach Braunes Gr.
§383, anm. 1 nur hange, steinte etc.); »loch ist hier zn beachten,
dass neben </r, ste der L. 3. sg. die formen y< s ■■/» der 2
gen, gent des pL regelwidrig contrahierten voc aufweisen,
dessen eintritt für ei sich aber leicht begreift als die folge
eines durch ge, sti veranlassten ausgleichs (dass auch die für
eine vorhistorische periode anzusetzenden optativendungen der
starken verba und der schwachen 1. und 3. classe, nämlich -e,
woraus überliefertes -e, und -es, -im, -et, -en, besagte aus-
gleicliung fördern konnten, wurde bereits Beitr. 17. '»\\ be-
merkt). I>ie bair. und fränk. quellen bieten neben noch
seltenen (in der Überlieferung meist durch gange, stanU
verdrängten) Optativen ge, st<- etc. im ind. imper. intger. und
pari praes. ^-formen, gen, sien, gest, <j<t, gerne*, <j>». genti,
stenti etc.. deren voc. auf entlelmung aus den offenbar ehemals
üblicheren, kurzen optativbildungen beruht; hierneben als reste
der alten 3- formen im bair. selten erhaltene gäm, haut, etat
(Braunes Gr. §383, anm. 2) und im fränk. gän, gänne, stau
für die Lsg. ind.. den inf. und das ger., seltner.- gäi, siät für
dir 3.sg. Bowie stänte und gämes adh.; sonst auch für die
2.3. sg. ind. (Br. L a. §, anm. 3) geist, {gtyteist, geit, (gtyteit
bei (i bez. Will. II mit zur zeit, in der im 1.1,1. noch regel-
rechtes, anteconsonantisches ei herschte, entlehntem diphthong,
der rieh in diesen personsformen behauptete infolge des an-
klingens des auslauts derselben au -/>•. -it der normalen con-
jugation.
:{. Die as. denkmäler haben -gän, Harn inf.. -gändi
städ, siäi :;. pL ind. imnd. gän, stän, ic gä, sta ■». gände
etc.); für dir 2.3.8g. ind. neben städ auch ■-'■
ge Beitr. 17,562 und Dieters Laut- und formen!, d. altgerm.
dial. : . gl. auch nmd. du gät, etat und -
ans (nicht überliefertem) opt. entlehntes < ' (ftr a») beschränkte
sich hier auf die 2 ind zwar durch anla» \<>n umlatr-
dieseo personsformen ii sata zum </ der an
288 VAN HELTEN
flexionsbilduugen zukam (vgl. letid neben lätid). Einmal (M.4349)
für sted erscheinendes steid kann selbstverständlich nur als
ste-id gefasst werden (vgl. äöit M. 5188, C. 4899 neben normalen
död, döt, duod, duot; der neubildung entsprechen mnd. nnd.
geht, geit, steist, steif). [Betreffs der von Brugmann in IF.
15, 127 für die deutung von e und ei der 2. 3. sg. in rede
stehender verba vorgeschlagenen berufung von äytig, äyei ist
zu erwägen, dass eine flexionsbildung, wie sie besagter forscher
für die griech. formen annehmen und auch für das germ. wahr-
scheinlich erachten möchte, sich auf letzterem Sprachgebiet
wol kaum ausschliesslich bei den -mi-verben geltend ge-
macht hätte].
4. In den aonfrk. quellen begegnen gän, -gänni, -stän,
-stä (imper.). Den mittelostnfrk. und mnl. denkmälern zufolge
(vgl. Beitr. 17, 562) waren ä-formen überall, auch im opt. und
der 2. 3. sg. ind. in schwang (im opt. natürlich durch ausgleich
für alte formen mit auf ai zurückgehendem laut); hierneben
aber in der 2. 3. sg., den as. und mnd. ea-bildungen entsprechend,
steest, steet, gees, geet bez. steit, gelt mit einigen ostnfrk. mund-
arten zukommendem diphthong (die mnl. ea- und ez'-formen als
dialektische, eig. nur den östlichen mundarten zukommende
bildungen, denn im westnfrk., wo jedes nicht vor j oder i der
folgesilbe stehendes ai coutraction erlitt und wo langer vocal
nicht, wie im ostnfrk., umgelautet wurde, fehlte der etwaige
entlehnung von ea des opt. in die 2. 3. sg. ind. begünstigende
factor, d. h. Verwendung von durch umlaut von ä entstandenen
letis, -it, slepis, -it etc.).
5. Im merc. und north, begegnet mit ausnähme des Ps.
ein wildes durcheinander. Nach Sievers (Gr. § 430, anm. 3. 5):
R1 ind. sg. 1. gd, 2. gms(t), 3. gdep, -et (ein gdet), pl. geep (zwei
gdp), opt. sg. gd, pl. seien (ein gdn), imp. sg. gd (ein gae, d. h.
gm), pl. gmp, -et, seltener gdp, -ä, inf. gd, gm — R2 ind. sg.
1. gm (ein gaa), 2. gmst, 3. gckcT, -s und gd(a)cT, -s, pl. gdet, -s,
opt. gaa, g&, imp. sg. gaa, pl. gd(a)ct, -s, inf. gda — L ind. sg.
1. gm, gae {gdi oder gde? vgl. Sievers i. a. paragr. anm. 1), gdee,
2. gast (gdd), gdoes, gaes, 3. gaact, gmd, gaect (geeä oder gdeä?),
-s, (gaied), pl. gaati, gdeä, gaeä, -s, opt. gee, gae, imp. sg. gd(a),
gdee, gae, pl. ga{a)ti, gaeä, -s, inf. gaa, gm, gae — Rit. ind. sg.
1. gm, 2. gmst, 3. gmd, pl. gd(a)ct, -s (ein gemet), opt. gm (gae),
7.V DKN VF.KKF.X GAN, STÄN FN'I) DON Ö89
iinp. pl. gd(a)d, inf. gaa. Die andern ags. mundarten und die
spräche des Ps. haben dagegen als rege! o-formen (im Ps. auch
das pari gdnde) mit ausnähme der 2. 3. sg. ind. mit con-
Btantem ce.
Der omstand, dass znr zeil der primären vocalapo- und
-synkope (vgl. Beitr. 28, 522 ff.) die drei- und mehrsilbigen
formen t\v> praesens ind. ihr -«und-c(-) der ultima einbüssten,
legi die Vermutung nahe, dass zu der zeit die geringe zahl der
athematischen (zweisilbigen) praesentia ind., deren kurzer end-
vocal, mit ausnahmt' der 2. j>L regelrechl hätte erhalten bleiben
müssen, ihr -i und -e- ebenfalls verklingen Hessen (die 1. sg.
mit -m für -mi nach dem muster von -s, -]> für -si, -/"• Bowie
durch anschluss an -öm schwacher 2. classe, vgl. unten s. 290,
aiim. 2). Durch aus. entwicklung von wgerm. a zu & und (vor
nasal) zu öa hätten demnach als indicativische, imperativische
und infinitivische bildungen entstehen müssen: ind. sg. 1. gce
(aus dm cii analogische apokope von ->» für fäm eingetretenem
c<m. 2. gßs, 3. ;<>/>. pl. 1. göm, 2. f&p, 3. rflfr imp. Bg. r«, pL
s'//', inf. jffi», part. s'inili (püer gßndi?). Indem sich nun
hierzu aus dem opt. eingedrungen»' formen mit a aus ai ge-
sellten, konnten die aberwiegenden a und </■ Verdrängung von
o und ä veranlassen Die hierdurch entstandene doppelformig-
keil (so z. b. im pL ind. gd'd und auf anlehnung beruhendes
gdd, im inf. s& und ä«' beides mit onurspr. laut) bieten die
north, und, mit ausnähme des i's.. die merc. quellen. Daneben
merc north, im opt ausser norm, ä auch gelegentlich aus dem
ind. entlehntes </■. In den andern dialekten und im merc P&
dagegen durch uormalisierende Verteilung c</ ■>/. gdsd der 2.3. sg.
ind.. den-n </• als nmlaiit empfunden wurde /n in der übrigen
üexion herschend gewordenem d (im Ps. erscheinender opt
isi demnach wo] als s<L zu fassen; beachte auch einmal im
Pa begegnendes fdn l. Bg. aus für regelrechtes rftii ein-
getretenem 5
0. Altes " musste in der mehriah] unserer verbalformen
afriea. regelrechl - ergeben; so begreifen sich j h,8tet(h),
tteei der 2 sg. ind. (belege für diese und für unten citierte
formen s. Altostfries. gr. § 811 und Beitr. 17,560); doch ist nicht
zu übersehen, dass Bich die bildungen auch mit durch einwirkung
des optativlautes entstandenen Vorstufen gifs, garth etc.
lleitrAgc iur grschichte der <ieuUchen iprach« N\\\
290 VAH HELTEN
einbaren Hessen (wegen e aus äe für ai s. IF. 19, 190 ff.). Der
voc. des part. gende ist ebenfalls zweideutig: er kann fort-
setzung sein von ä (wegen des vor nasalverbindung -f- %- oder
j-haltiger folgesilbe vor Übergang in ö geschützten ä, das in
der folge zu e umgelautet wurde, s. IF. 19, 200 f.) oder auf
durch entlehnung entstandenes äe zurückgehen. Auf eine dem
oben unter 5 hervorgehobenen ags. Vorgang zu vergleichende
Verdrängung von regelrechtem ö weist der inf. steen hin mit
e aus ä oder aus äe (für ai). In nach der analogiebildung
untfeen accipio anzusetzenden afries. ic gen, sten liegt aus der
2. 3. sg. entlehnter voc. vor (man beachte die nach § 267 ff.
der Altostfries, gr. im überlieferten sg. ind. der starken verba
entschieden hervortretenden folgen von ausgleichung des wurzel-
silbenlautes): alte $äm, statu bez. gäem, stäem hätten gön, stön
bez. gän, stän ergeben (äe aus ai vor tautosyll. m zu ä nach
IF. 19, 190).
Als auffällige bildungen begegnen den erwähnten gende,
steen gegenüber das part. gände, die inf. und ger. gän, gäne,
stän sowie die pluralia ind. gaet(Ji), gaed, staed (ae als Schrei-
bung für ä)1): sowol die auf einwirkung der alten 2. pl. gep
(aus gäp) beruhende als die ohne weiteres durch entlehnung
des optativvocals entstandene pluralform hätte als geth etc.
erscheinen müssen. Berufung von in der entwicklung des 'tun'-
verbs zu beobachtender formerweiterung durch anhängung von
in der normalen flexion verwanten endungen (dnän inf., duäth
pl. ind. etc. aus döan, döaj) etc., vgl. Aofries. gr. § 310 und für
das wfries. Eichth. i. v.) macht indessen die überlieferten formen
verständlich: aus für säen, gäendi, gäeJj eingetretenen gäean,
gäeandi, gäeap mussten (nach IF. 19, 190) gäan etc. hervor-
gehen, woraus in der folge gän etc.
7. Nach oben unter 5 über frühzeitigen Schwund von -i
und -e- im ind. praes. der -mi-verba bemerktem sind ags. dest,
däs(t) und de% ddeä neben dö{m) 2), döct, döacl der 1. sg. und des
1) Aofries. gr. § 311 als 3. sg. ind. aufgeführtes stät beruht auf irrtüm-
licher fassung von F 116; es ist daselbst nach Zur altostfries. lexic. s. 26
(i. v. be) scat zu lesen.
2) Beachtenswert ist die 1. sg. angl. dorn (woneben sehr seltenes dö)
gegenüber den auf analogischem Schwund von -m beruhenden formen, aws.
dö und in allen mundarten durchstehenden &Ü, gab, stä, stck (wegen der
Zl'M VKUIU'M BÜB81 \M IVIM. L".'l
pl iiid.. afries. dest, deth neben duath pL als Qeabüdnngen zu
fassen mit Dach dem muster des in der J. 3. sg. Lnd. des Marken
Zeitworts eingeführten fl bez. hieraus entstandenem ff.
Wegen ff, im des 'tun'-verbs s. oben l/J. ;-. Wegen ff, fl
und // in den praeteritalformen des Zeitworts vgl. oben & 277,
anm. 1.
s. Das particip ahd. gitän, as. gruftta (woneben umgebildete
gidön, >döen, -düan), aonfrk. gi-} gedBn weisl rieh als alte form
aus durch ihr zn alten ffa im ablaut stehendes < '. woraus "
North, nit'iv. dotn, awa (nicht in der prosa begegnendes) •»//«
und afries. (-)den gehen zurück auf neugebildete -dff|tn- mit
aus der normalen starken dexion entlehntem suffix (vgLBeitr.
34, 115, anm. 1); hierneben aws. kent -dön \ as, gidän oder
«prfffn oder gidöen).
Von den amlem -mt-verben begegnen nur die paiücipia
aws. fegän, afries. geen, stffn, steen mit vieldeutigem, jedenfalls
nicht auf ursprünglichem wurzelsübenlaul beruhenden vocaL
LX.WI.
Zum verbum substantlvum.
1. II w. ist bis jetzt die wichtige tatsache nicht hervor-
gehoben, da— bei oeubildung der l. 'J. sg. und pl. im praea iml.
des verb. subst die 3. nahezu ausnahmslos eine solche Umgestal-
tung Dicht erlitten hat. Man brachte: ahd.0tftJ neben \
birut (für die vorsachs. voraga. l. 2. pL Bind ähnlich.' formen
mit bez. ohne h vorauszusetzen, vgL outen 4 und <>; für das
aonfrk., wo die der i. und •_'. pl. von hau- aus zukommenden
flexionsbildungen Dicht durch die ;:. verdrangt wurden, l.
uns die quellen im stich, doch ist hier nach 4 ans bist eine
2. pl. birut für birud i -<h zu erschliessen und wegen birut
eine i. ]d. birun für wahrscheinlich zu halten; das mnl hat
für die i. 2. pl. aus dem opt eingedrun i, doch weisl
Bein bist ebenfalls auf awnfrk. birud (-<) "der -»</< und birum
bin); hierzu vgl. att. tlol, dor. lvx\ neben elpkp, der.
vi-n in/.. -lim .ui-h.ti.: I II ■• BMI Ar
die erhaltong diese* </"»i an beeinflonong <l»i r. h einsti
aeben rontufen i alnl
u*. in'iitrk ■<*><) IQ 'l-nk-n
292 VAN HELTEN
aus lö-), töte (nur ion. tadi aus eöavri), aksl. sq,ti neben jesmü,
jeste, lat. sunt neben estis (sum- in sumus durch anleimung an
sunt); nur das an. bietet zu erom, -od bez. cerum, -in für die
3. pl. ero (wn.), rem (aschw.; wegen agutn. iru s. unten 2);
got. sind neben syww, -wj> (wegen -ij- s. Beitr. 20,524);
ahd. ist neben bim, bis(t), as. is(t) neben bium (biun), bist
(bisthu C. 3062 is nicht als beleg für bis geltend zu machen),
aonfrk. ist neben bim (bin), bis(t), nml. is (es) neben bem (ben,
selten bim, bin), best (bist) und bes (bis), afries. is(t) neben bim
(bem, bin-, die 2. nicht belegt).
Vgl. auch ags. neben is der 3. sg. erscheinende, aus einem
praeterito - praesens stammende eom, eart (aws.), eam, eard
(merc), am, ard (north.) (weiteres hierüber und über arun etc.
unten 6).
Das eine und das andere weisen darauf hin, dass in den
Perioden, worin die unursprünglichen bildimgen in schwang
kamen, die 3. sg. und pl. nicht oder doch nur ausnahmsweise
als copula fungierten und diese nur oder bald nur für 'exi-
stiert, -ten', mithin verhältnismässig selten verwanten persons-
formen dermassen im hintergrund standen, dass sie von der
die 1. und 2. pers. beeinflussenden evolution unberührt blieben.
Es sind demnach an. ero, ceru schwerlich als fortsetzungen
zu fassen eines prototyps ezund oder izund, sondern als relativ
junge, durch anschluss an erom, -od, cerum, -in bez. deren
Vorstufen entstandene neubildungen geltend zu machen.
2. Für die entwicklung von ezumes, ezupe bez. (durch
analogische änderung des personalsuffixes entstandenen) ezumez,
ezucte, den Vorstufen von überlieferten erom, -oct etc., birum(es),
bind, vorags. (durch die formen eines praeterito-praesens, vgl.
unten 0, verdrängten) erum, -up oder irum, -up, und (nach den
singularformen mit b-) vorauszusetzenden vorsächs. vornfrk.
vorfries. bizum, -ud bez. -up (vgl. unten 3), war das ez- von
enklitischen ezmi, ezi massgebend. Also entstehung von ez-
der pluralbildungen noch vor der bekanntlich alten assimi-
lierung von z mit folgendem m. Wegen des durch analogie-
bildung entwickelten u von alten sumes (-ez), supe (-cte) vgl.
Beitr. 20, 523.
Im i von birum(es), birut ist demnach die folge zu erblicken
der einwirkung von u der folgesilbe auf altes tonsilbiges e.
ZUM VEIiltUM SUBSTANTIVUM.
Dagegen Bind e and a von \vn. erom, -öS, on. wrwn, -in zurück-
zuführen auf altes e, das von hier ans in den Bg. als Bubstitnl
für fegelrecht (durch j der folgesilbe) entstandenes i eindrang.
Dalier wn. em, es(t) (nnd er, vgl. unten anm. l zu 4), on. cern,
cest als 1. 2. sg. und wn. es als 3. sg.
1 >ie für die :'>. pl. geltenden, relativ jungen neubildungen
(vgl. oben 1) bieten neben e bez. ce auch i: wn. ero, aschw.
cbtu (wie die 1. 2. pl.), doch agntn. iru, rschw. iBtu (s. Noreens
Altschw. gr. § 562, anm. 2), dessen tonsilbenvocal, indem er nichl
lautgesetzlich entstanden sein kann, auf analogiebildung be-
ruhen inuss. Offenbar haben wir es hier zu tun mit einem
laut, der durch anschluss an altes is der 3. sg. (= urn. rschw.
is) für c eintrat. Durch einfluss yuii iru, iSu oder einer be-
reits i •Mithaltenden Vorstufe desselben entwickelte sich dann
die agntn. 3. sg. ir, rschw. is, eine parallele von durch ero bez.
imi oder ein«' Vorstufe desselben hervorgerufenen wn. er (für
älteres es), aschw. übt (ev. er) der 3. sg.
B. Die these, dass in bim, bis etc. die folgen vorlägen von
compromissbildung aus zu lat fio, air. biu stehenden (im aga
beo, bist, biä etc. erhaltenen) praesensformen und im, is etc.,
hat ihren haken. Biu bez. durch contraction und kürzung in
enklitischer Stellung entwickeltes hin und im, bmm bez. bium
und essum (er um) oder ieum (irum), bte&(-d) oder -sfr bez. bied
(-d) oder -e]> und eau&(-d), -c]> (eruä etc.) oder o/o/ etc. (trt«f
etc.) Btehen formell zu weit auseinander, dass hier Vermischung
für glaubhaft zu halten wäre. Dasselbe gilt für biis und is
(wegen des für regelrechtes -~ eingetretenen -s vgl. Beitr. 34,
111 it.: altes ia aus ,.-•/ wie him aus himi, vgl. 11"'.::.".. 180).
Nur bis, das durch contraction und kürzung entstand, be-
rührte sieh formell mit is, >>< dass beim sprechenden, insofern
die formen zur Umschreibung des praesens passivi verwarn
wurden, der gedanke aufkommen konnte an zwei gleichwertige
bildungen, die formell allein durch anlautendes b und das fehlen
desselben auseinander giengen. Von Bolchen bis und is nahm
die entwicklung der neubildungen ihren ausgang: es kam neben
copula is die b-form auch in dieser funetion in Bchwang und
e> entstanden als völlig gleichwertige formen neben im, irum
(oder erum\ irud{-d) bez. -»/' (oder erud etc.) analogisch gebil-
bes. -«/- ("der berud <
294 VAN HELTEN
Dass von den so entwickelten doppelformen die fr-losen in
der folge ihrem Untergang entgegengehen konnten, ist begreif-
lich: bim etc. verdrängten im etc., indem sie eine stütze fanden
an biu etc. Ebenso verständlich aber dürfte nachfolgender
Schwund von biu etc. erscheinen (die nur in .der as. Überliefe-
rung eine indirecte spur hinterliessen, näml. für bim eingetretenes
bium): mit biu etc. im praes. des ind. und der anderen modi
concurrierende werjm etc. machten die Verwendung von in
inchoativer function den bim etc. gegenüberstehenden biu etc.
überflüssig.
4. Für das -t von wn. est (statt des in den älteren lit.
quellen überlieferten -es1)), on. cest, as. bist, ahd. und aonfrk.
bist (neben bis), mnl. bist, best (neben bis, bes) der 2. sg.2) gilt
nahezu allgemein die annähme von entlehnung des Suffixes aus
der flexion der praeterito-praesentia. Also gemäss der proportion,
-ud bez. -up der 2. pl.: -t der 2. sg. der praeterito-praesentia
= -ud bez. -uj) der 2. pl.: -t der 2. sg. beim verb. substantivum,
neben erod (-uä), bind {-ud oder -up, vgl. oben 2) im sg. est,
bist. Hieraus ergibt sich, dass bei der einführung von -t nur
auf die endung rücksicht genommen wurde: nicht ert (erst in
der jüngeren spräche nach Noreens Aisl. gr. § 522, anm. 1 auf-
tretendes ert entstand, wie die jüngere, für es eingetretene 3. sg.
er, durch anlehnung an er- der pluralformen), birt (gegen even-
tuelle annähme von -zud bez. -zup: -st spricht wn. eroct neben
es). So aber verstehen sich, bei berücksichtigung von -um (-om)
der 1. pl.: endungsloser form der 1. sg. bei den praeterito-prae-
sentia, em etc., bim etc. neben erom etc., birum etc.
5. Die -Miosen formen der 3. sg., urn. rschw. is, wn. es,
as. afries. is, ags. is, mnl. is, es (woneben got. ahd. aonfrk. ist
= sötl, sowie as. ist, afries. ist) sind verschiedentlich gedeutet
worden. Nach Johannes Schmidt (Kuhns Zs. 25, 596) soll das
*) Dieses es und ebenfalls in den älteren quellen begegnendes er (No-
reens Aisl. gr. § 522, anm. 1) beides aus vorauszusetzendem izi: erhaltung
von auf z zurückgebendem s in der Verbindung ispu, entstebung von B,
woraus r, ausserbalb dieser Verbindung.
2) Nicbt belegtes, aber nach nfries. bist(e) zu vermutendes afries. bist
bleibt ausser betracbt, weil hier das -t ev. auf anschluss von altem (übrigens
ebenfalls nicht belegtem) bis an alleinherschendes -st der 2. sg. normaler
conjugatiou beruhen könnte.
ZUM VERBUM SUBSTANTIVUM. 205
mangelnde -t die einwirkung bekunden einer alten gemein-
germanischen perfectflexion; man beachte indessen das oben
sub 1 über die •">. sg. und pl. hervorgehobene; (as. ags. als
doppelform zu sind stehendes sindun, d. h. altes sind mit durch
anlass yon -um, -ad bez. -u/> der 1. 2. pl. suffigiertem -un, hätte
schwerlich substituiernng yon is für ist veranlassen können).
Von Fierlingers lantgesetz (Kuhns Zs. 27. i W, anm.2), rf wird
in tonloser silbe zu SS, soll noch erwiesen werden. Nureens
Vermutung (Grdr. fgph. la,638), dass, nachdem die 2. sg. -t an-
genommen hatte und diese -£-form so gewissermassen als eine
für die 2. sg. verwante. ursi>r. form der 3. sg. aufgefasst werden
konnte, die alte -Mose form der 2. die function der 3. über-
nahm, könnte nur für das nord. gelten (nicht für as. mnl. is
gegenüber bist, afries. is gegenüber bist oder bis, ags. is gegen-
über unt): sie scheitert aber auch für diese dialektgruppe an
dem umstand, dass wn. est der 2. jüngeren datnms ist als ur-
nordischem is entsprechendes wn. es der 3. Auch Brugmanns
fassung von is als Fortsetzung von injnnctiv ist (Grdr. 2,908)
dürfte nicht einleuchten, weil sich BOnstige Verwendung von
seeundärsufnx im vorgerm. praesens nicht nachweisen I
Ich möchte darauf hinweisen, dass -/ von auf tsti zurück-
gehendem ist (wegen des noch vor der Wirkung von seeundärer
apokope verklungenen -?' vgl. oben s. 289) im Satzgefüge vor
anlautenden ]>, s, t des folgeworte> der gefahr des verklingens
ausgesetzl war1» und hierdurch entstehung von is als doi»pel-
form von ist zur möglichkeit wurde.
(i. Nachdem bereits Jon. Schmidt (Kuhns Zs. 25, 595 f.)
für die deutung von on. ar, arun und north. arä\ o/mm etc.
ÖQpevoq berufen, hat Brugmann (IF. 1,81) engeren Zusammen-
hang betont zwischen den germ. bildnngen und oqcoqcl, das in
sp&terer zeit auch für 'ich bin1 verwant wurde. Bezüglich
der in Brugmanns Grdr. 2, 909 geäusserten meinung, dass aber
gtes ar- wahrscheinlich nicht perfectstamm war. statt
dessen vielmehr "/■ zu erwarten Bei, möchte ich folgendes be-
merken:
nach mW/.t. i<,r. sind für die i.2. pL *\^< vorgerm. praet
') Wegen sinei fthnlichen gedankena vgl. Holthatueos \-
.iiiin
296 VAN HELTEN
ind. alte bindevocallose suffixe vorauszusetzen (vgl. auch das
oben s. 276 über die entsteliung von muniim etc. erörterte);
aus zu öq-coqcc (vgl. ol-coXa, ox-coxa) zu haltenden vorgerm.
örtha 2. sg., örm-, -orte 1. 2. pl. mussten durch lautverschiebung,
vocalkürzung vor r -f- cons. und entwicklung von tonsilbigem
o zu a sowie durch einführung von -u- der 3. pl. in die 1. 2. pl.
die formen arpa, arum-, arupe entstehen;
nach dem muster der bildungen mit regelrecht gekürztem
voc. konnten sich die andern flexioiisformen richten (ör- über or-
zu ar-), so dass zunächst ara, arpa, are, arum-, aru]>e, arun(Jj),
dann nach Wirkung primärer vocalapokope ar, arp, ar, amm(z),
arup, arun in schwang kamen.
Als nun von diesem functionell mit im etc. concurrierenden
praeterito - praesens die 1. 2. sg. und pl. sich vordrängten und
allmählich vorhersehend wurden (wegen der isolierten Stellung
der 3. sg. und pl. vgl. oben oben 1), entwickelte sich im vorags.
eine basis, die intact erhaltene formen bez. eine analogiebildung
aufwies und worauf sich die angelsächs. belege als regelrechte
oder als durch analogiebildung entstandene formen zurück-
führen lassen: north, am, aret (nie earä und zwar durch ein-
wirkung des a von am, aron, -un) und arst (mit -st für -et
nach normaler flexion; seltenes is der 2. sg. ist nicht als resi-
duum aus altem praesens zu fassen, sondern nach Sievers'
Ags. gr. § 427, anm. 4 und § 356, anm. 2 als die gelegentlich aus
der 3. sg. eingeführte form zu fassen); merc. earä, earun und
eam (mit aus earä, earun entlehntem ea; vgl. jedoch nach
Sievers' Gr. § 427, anm. 4 je einmal in R1 nam, ncem), eart (mit
nach dem -t der praeterito -praesentia für -et eingeführter en-
dung); aws. eart, vereinzeltes eam (Sievers' Gr. § 427, anm. 1),
woneben normales, durch einwirkung von beo entstandenes
eom (kein pl. earun, sondern sind, sint und sindon, -un, die
auch north, merc. begegnen als doppelformen zu aron, -un
etc.); kent. eart, sint, sindon. Die aus am (eam, eom) hervor-
gehende berührung zwischen alten im und ar weist indirect
auf ehemalige existenz hin von mit wn. er (s. oben s. 294, anm. 1)
zu vergleichendem ir der 2. sg.; man beachte die proportion,
ir : ard = im : am.1) Aus dem nämlichen, vorausgesetzten ir
') Durch einfluss dieses am entstand der unursprüngliche auslaut von
ZUM VERBUM WOLLEN. 297
aber begreift sieh die tatsache, dass, im gegensatz zum vor-
sächs. vornfrk. und vorfries., im yorags. keine 6mm etc. ent-
standen: es fehlte hier eben der oben Bub 3 für solche nenbildang
hervorgehobene factor, d. li. neben bis stellendes is der 2. sg.
Dass auch die andern wgerm. dialekte das praeterito-
praesens gekannt haben, lässl sich nicht beweisen, ist jedoch
Cur sehr wahrscheinlich zu halten; die formen wären dann
etwa verdrängt durch dieselben factoren, die im vorsächs.
vornfrk. und vorfries. beseitigxmg von im etc. veranlasst hatten.
Als ii< »id. reste der or-formen finden sich noch aschw. ar,
aru der 3. sg. pl. (Noreens Aschw. gr. § 562, anm. 1): durch for-
melle ähnlichkeil blieben zunächst neben aschw. übt der 3. sg.
(bez. dessen vorstnt'e er), verum, -in, -u (bez. deren Vorstufen
erum, -in oder -m), -h oder -wn), alte ar, arum etc. haften (da-
gegen bereits erfolgter schwand von ar, an? der 1. -.^., denen
ii ,n, tisf oder deren Vorstufen em, es bez. est gegenüberstanden):
die •'-. Bg. ar and 3. pL aru(n) schützten sich gegenseitig vor
gänzlichem Untergang, als in der folge den or-bildongen der
dienst gekündigt wurde.
LXXV1I.
Zum verbuni trollen.
1. Brngmanns Zusammenstellung von aksL veljq 'ich will'
mit got. wiljan, -ands (IF. 1,81) ist trotz Solmsens und Streit-
bergs widersprach (Studien zur lat laatgesch b.7; DG. § 221 1,
en des für u Btehenden, auf e beruhenden j von ictljau,
wileis etc. schwerlich abzuweisen: wir haben es hier mit sup-
pletiv verwanten flexionsbildungen zu tun. »I. h. mit neben altem
athematischen praes. opt Btehenden, zu -/«-stamm gebildeten
int. und part praes., deren tonsilbenvocal regelrechtes u
praes. opt verdräng. Dass dies got nebeneinander einen ur-
germ. flexionsstand reflectiert, ergibl sich aus den wgerm.
und an. directen oder indirecten entsprechongen von n-rfjau,
■> und wiljan, -a\
ahd. (s. Braunes Gr. § 385, anm. I) wiüe, -a l. Bg. praes. ind.
regelrechl ans -ja i\\i <" aas -jpn, -a für -./" mil durch
taigl.biom, i'i>m (wegen des laorgenlechen ohenkten ron ->» dieeez t ig,
\J. oben :i
298 VAN HELTEN
anlehnung an altes -a des optativs der -o-stämme erhaltenem -a,
s. Beitr. 28, 548) bez. willu (mit aus dem praes. ind. der -io-stämme
entlehnter endung) und will, -e (aus für altes wilja oder einer
Vorstufe desselben nach dem muster des normalen -7-optativs
eingetretenem alten will); ivili 2. 3. sg. ind.;
as. (Schlüter in Laut- und formenlehre der altgerm. dialekte
§ 283, anm. 2) williii, -io, -eo 1. sg.1), will 2. 3. sg.;
mnl. (Francks Mnl. gr. § 170, meine Mnl. gr. § 233«) ic iville,
hi ivele (mit wnfrk. in offener, hochtoniger silbe, auch vor i
der folgesilbe, aus i entstandenem e);
aws. kent. (Sievers' Gramm. § 428 mit den anmerkungen)
iville 1. sg. (das -e kann auf altem -ja des opt. beruhen, indem
ags. -e dem ahd. as. aus -ö entstandenen -a entspricht; es könnte
aber auch neben willja eine den ahd. willu, as. williu entspre-
chende Vorstufe zu gründe liegen, weil eben im südengl. nach
Beitr. 28, 504, anm. 3 aus -iu hervorgegangenes -e für die 1. sg.
ind. erscheint; kent. auch willa mit -a als Schreibung für aus
-a entstandenes -ae?), merc iville (mit -e aus -a), north, wille
und willo (= as. williu); aws. kent. merc. wile 3. sg.;
afries. wilile) 1. sg., ivili 3. sg. (auch ivele, Aofries. gr. § 309,
mit e durch anschluss an wellath);
as. ivillian, -ien, -(e)andi, -(i)endi\ mnl. willen, -ende; ags.
ivillan, -ende (afries. belege für inf. und part. fehlen); an.
vilia, -lande.
2 a. Die indicativische Verwendung des alten optativs
musste allmählich den wünsch aufkommen lassen, für den opt.
über eine eigene form zu verfügen. Diesem bedürfnis aber
wurde wgerm. und nord. in zweierlei weise abgeholfen: es
wurde zum inf. und part. nach dem muster der -^o-flexion ein
neuer opt. geschaffen oder man bediente sich für den zweck
einer entlehnung, d. h. des optativs eines formell und seman-
tisch nahestehenden, akslavischen voljq, volisi 'ich will, du willst'
etc. entsprechenden (zur bezeichnung von 'eligere' noch in got.
zvaljan, ahd. wellen erhaltenen) verbs ivalliu, ivalis (bez. ivalizi)
etc.: aws. kent. merc. iville, -en (Sievers' Gr. § 428 mit anm. 3. 4);
an. vilia, viler, -e etc. — ahd. welle, -es(t) etc. (bekanntlich mit
*) Für tvilli ik, willik der Gen. ist synkope von ti bez. o zwischen j
und i anzunehmen ; iville Gen. 210 kann nur Schreibfehler sein für ivilleo
oder -eu.
ZUM VERBUM WOLLEN. 299
umlautsvoc); north, welle (auch in imperativischer Verwendung
nette, north, merc. netto]», ne wettaj), Sievers1 Gr. $ 428, anm. t)
— as. «•////'■. -us, -ean, -tan und weU(i)e, -ies etc. (Schlüter
§ 283 mit anm. 1. .6); mnl. wille, -es, -et, -en und seltnere welle
etc. (s. meine Gr. § 233 c); aofries. icillc und wette (Aofries. Gr.
§309), awfries. wille und welle (passim als 1.3. sg. in den
quellen, doch ist es manchmal fraglich, ob die formen als opt.
oder als ind. stehen).
Durch den opt wurde dann der plur. ind. beeinflusst, d. h.
die formelle gleichheit der Stammsilbe im praes. ind. pl. und
praes. opt. der 1. schwachen flexion (lange auslautende, durch
i hervorgerufene consonanz, im Gegensatz zur 2. 3. sg. ind. mit
kurzem conson.) veranlasste anschluss des ind. pl. an den opt.;
für die reflexe von got. wileima, -<i/>. -ihm traten ein: aws.
merc. willad (kent. belege fehlen); an. viliom, -tum, -e]> bez.
-in, -m - ahd. wellemSs, -tu -et, -< nl (north, jedoch keine formen
mit e, sondern mit a, worüber unten sub 3) — as. williad, -ead,
-int, -c<d und welliad, -ead, -int, -(<')"<> mnl. willen, -(e)t und
seltnes gi weit (s. meine .Mnl. Cr. § -J:!3c); aofries. wittat(h) und
irrüni(h) (Gramm. §309), awt'iies. uillat, -et(h) und wellat (Pauls
( i i'd r. 1-, 1332). Nach dem muster des opt. und des pl. ind.
aber entstanden im inf. und part. ahd. wetten, -enti (kein beleg
der alten türm mit /), as. weUian neben wiUian etc. (für das
part. begegnen nur formen mit i, s. oben). ')
k2 ,/. In der 2. 3. sg. ind. behauptete sich in der regel in-
folge ihres kurzen / die aus dem alten opt. stammende form,
und durch anlehnung hieran blieb auch in der für die 1. Bg.
verwanteii bildung trotz ihres II meist j erhalten (& oben 1 I.
Als neubildungen linden --ich indessen:
für die Lsg. neben williu etc. auch as. wett(t)u, -eo (Schlüter
§ •_!-■'-. anm. 1. 6) durch aualogiebildung nach den andern formen
mit j und t (wellia C. 3829 ist Bchreibfehler für welUu oder
mnl. neben normalem ic will mitunter erscheinendes ie wette
(meine lfnl.gr. § 233 c); afriea neben wil(le) auch wel{le) (für
viele belege wäre aber auch an einen opt zu denken); north.
(Sievers' Gr. § 128, anm ti neben ritte, -o auch in L) wodllebex.
•o (wegen des n s. unten I);
niiKil im merc l'- \e ( !'•• itr. 9, 565) hat
derson-t in dieser quelle begegntu«U-n t-fonnen «"1 fQr Schreibfehlern geltes.
300 VAN HELTEN
für die 2. 3. ahd. as. neben wili begegnende wilis, -it
(Braunes Gr. § 385, anm. 2; Schlüter § 283, anm. 3. 4) mit aus
der normalen flexion entlehnten -s, -t; desgleichen durch Um-
bildung der alten formen nach der normalen conjugation
awfries. ivilt 3. sg., mnl. du wil(le)s, hi ivil(le)t und (nach meiner
Mnl. gr. § 233 c mit e durch anlehnung) du weis, hi weit, wn.
vill (selten vil, vilr, s. Noreens Altisl. gr. § 522, 7), on. vilQ) als
2. 3. sg.;
für die 2. neben wili erscheinendes ahd. as. wilt (Braunes
Gr. § 385, anm. 2; Schlüter § 283, anm. 3), ags. wilt (nie die alte
form wile), awfries. wilt, aofries. weit (e für i durch anschluss
an die praesensbildungen mit eil; kein afries. beleg für wili
bez. -e oder ivele), mnl. wilt und (mit durch anlehnung hervor-
gerufenem e) weit (Mnl. gr. § 233 c), an. ivilt (neben oben be-
regten vill, vil, vilr); dass dies -t aus der flexion der praeterito-
praesentia stammt, ist längst erkannt, doch blieb bis jetzt der
factor der neubildung unauf gehellt: von formeller beeinflussung
kann hier natürlich nicht die rede sein, weil die andern persons-
formen des verbs nicht zu scal, sculum etc. stimmen; denkbar
ist nur (vgl. Holthausens Altsächs. gr. § 479,4) directer anschluss
an semantisch und durch seinen auslaut auch formell nahe-
stehendes scalt (vgl. auch in Francks und in meiner Mnl. gr.
§ 170 bez. 233 & hervorgehobenes mnl. nach du scout gebildetes
du wout);
nach dem muster von scalt, scal neben wilt der 2. für die
3. in schwang gekommene endungslose form, as. wil (Schlüter
§ 283, anm. 4), north, wil (Sievers' Gr. § 428, anm. 4), afries. wil
(Aofries. gr. § 309 und v. Richth. zu ivilla), mnl. wil (insofern
es nicht durch in der jüngeren spräche erfolgte apokope für
wille steht); ebenso aofries. wel nach weit; in an. vil könnte
ausser der aus vill gekürzten form auch durch vilt hervor-
gerufene stecken (ahd. junges wil Notk. ist aus wile, vgl. oben 1,
apokopiert).
3. Ausserdem sind noch als durch anlehnung entstandene
bildungen zu verzeichnen:
für die 3. sg. ind. verwante as. north, will (neben wil, s.
Schlüter § 283, anm. 4; Sievers § 428, anm. 4), ahd. ivilli (für
normales wili, Braunes Gr. § 385, anm. 2), mnl. wille (neben auf
Vorstufe wili hinweisendem ivele, vgl. oben 1), aws. kent. merc.
ZUM VERBUM WOLLEN. 301
wille (neben wile, Sievers § 428, anm. 1. 3. 4) mit // durch an-
lehnung an die flexionsformen mit regelrecht cm W; umgekehrt
aonfrk. zweimal belegtes wilunt (Gramm. § 126), aws. rnerc,
wile opt. (neben tville, Sievers § 428, anm. 1. 4);
north, walktft, -as, -on pl. ind. und iinper., deren a durch
anschluss an das praet. wähl- oder ivald- (woraus historisches
walde, s. nuten 4) für das c eintrat von nach dem opt. welle
(s. oben 2) anzusetzendem welhut (vgl. Sievers in Beitr. 9, 565),
also gewissermassen eine parallele bildet mit dem voc. von an
icolta, wolde oder deren Vorstufe angelehnten ahd. wollemes,
-rn, -et, -cnt, wolle, wollen, -cnti (Braune § 385, anm. 4), aofries.
ivol(le) opt. (Gramm. § 309), awfries. wol(le) opt. bez. ind. (was
die 1. 3. sg. betrifft) HO 32. 33. 40. 43. 50. 53. 87. 92. 102.
115. 130. 161. 192 etc., SchO 462. 706. 751, wollet, -ith ind.
pl. H 67, Seh 341. 343. 617. 653. 657. 659. 726. 736. 771. 772,
wollawy Seh 469, wolla laja Seh 724; nur ist für das north, zu
beachten, dass hier das a auf den ind. und imper. beschränkt
blieb infolge des umstandes, dass ehemals neben praet. ind.
walde oder -a ein praet. opt. mit ce stand (ein residuum dieses
umgelauteten modus wcelde wurde Beitr. 9, 566 hervorgehoben);
durch einwirkung von alten wcelde oder -i, -en oder -in ent-
standen im opt, (und imper.) von Sievers in seiner Gr. § 428,
anm. 4 neben welle, nelle, -a]>, -ad verzeichnete north, wcelle,
nasUe, -ad, -as opt. und imper. (hiernach in L wcelle, -o als 1. sg.
ind., vgl. oben 20);
aws. neben ic nylle, da nylt, he nyle, nylle, pl. nyllaS, opt.
nylle, nyle (aus n(e)wiUe etc.) begegnende nelle, neU, nele,
villmi, nele, die mehrerer gründe wegen nicht nach Beitr. 9, 565
auf iKicnij-, n6wbl\ etc. zurückzuführen sind, Bich aber einfach
begreifen als durch die negation ne beeinflnsste bildungen
(neben aus n{e)witan, n(e)wi8ia etc. hervorgegangenen nytan,
nyste etc. kein netan, neste etc. durch launenhaftes spiel der
anlehnung); eine gleichartige bildung repräsentiert aofries.
(rfistr.) aeben wili 8. Bg. ind. Btehendes neli (Vorstufe nyli
aus n(e)wili, Beitr. ,'J2. r>;ü), dosen e durch n< vor der in
Beitr. ;;-j, 524 erörterten la ut gesetzlichen entwicklung zu
schützt wurde (aus neli entstand daneben auch in B belej
'i Wegen dieser siglen B. Beitr. L9, 845, fOMO.
302 VAN HELTEN
nelc durch den in Beitr. 32, 522 sub y hervorgehobenen laut-
process).
4. Wegen der ältesten der überlieferten praeteritalformen,
ahd. ivolta, as. aonfrk. woläa, aws. kent. merc. afries. ivoläe,
nolde s. Beitr. 34, 133. Daneben:
as. walda C. 301. 714, north, merc. walde durch entlehnung
eines zu alten ualliu etc. stehenden, mit salda, talda etc. (s.
Beitr. a.a.O.) in eine Knie zu stellenden praeteritums;
mit aus dem praes. entlehntem i oder e got. wilda, mnl.
wilde (neben woude aus altem tvolda), awfries. (neben normalem
wolde überliefertes) wilde W 425, 4. 431, 19, H 75. 106. 157.
169. 170. 177, an. wilda, -e, as. ivelda, ahd. welta, aofries. weide
(neben ivolde, s. Gramm. § 309), awfries. weide H 157 (im druck
falsches wolde) und 180.
LXXVIII.
Zu -st{-) und -ft von got. -brunsts, ahd. brunst etc.,
ahd. cumft etc. und verwantes.
Die existenz von altem german. formans -sti- ist nicht zu
leugnen mit rücksicht auf ahd. quist l Verderbnis' zu lit. gendü,
gesti intr. 'verderben', got.haifst 'streit', ags. hcest 'heftigkeit'
neben aisl. heipt 'hass', ahd. giswulst zu swellan (vgl. Brug-
manns Grdr. 22, 437; daselbst auf h zurückgeführtes 11 von
swellan däucht mich aber unwahrscheinlich: ahd. swilo, swil
1 schwiele' weisen auf eine wurzel mit l hin und die an-
setzung einer wurzel sivelz entbehrt ohnehin einer stütze). x) Ob
aber das -st{-) und -ft von got. -brunsts, ahd. brunst, as. ahd.
Jcunst, afries. kenst, mhd. munst 'freude', ahd. runst 'wasser-
sturz', got. ansts, aisl. ost, ags. est, as. ahd. anst, abunst etc.2),
1) Von Br. a.a.O. erwähnte aisl. Must (as. lüust 'gehör, ohr', ags. Jilyst,
awfries. hlest 'gehör' etc.) und mhd. bhwst 'Wüte' lasse ich hier beiseite:
ersteres, dem aid. Srustiß 'Willfährigkeit' entsprechendes nomen kann auf
eine wurzel Mus zurückgehen, für bluost wäre denominative bildung aus
bhlös = lat. flos denkbar. Nicht hierher gehört auch a. a. o. als ahd. auf-
geführtes und aus *truht = aisl. droit 'schar, gefolge' abgeleitetes trust:
das wort = 'schütz' bez. 'schützende gef olgschaft ' etc. ist salfr. und gehört
als -ti-stamm zu aisl. traustr 'sicher, fest', ahd. tröst 'schütz, Zuversicht',
aisl. traust 'Zuversicht'.
2) Ahd. (ca)spanst 'Verlockung' ist wegen afries. sponst als ursprüngl.
-stfw-stamm zu fassen.
-ST(-) UND -FT VON GOT. -BRÜNSTS ETC. 303
und ahd. vHHtfl. numft assumtio, vernumß, mmfi •Geschicklich-
keit', brumfl 'brunfl ', giswumft 'das schwimmen' nach Zs.fda.
40, 333 ff. ebenfalls ohne weiteres als die repräsentantefl bez.
fortsetznngen von altem sti- zu galten liaben, dürfte zweifel-
haft sein: es musste bei der Bonstigen Seltenheit von -s&-formans
zu sonderbar erscheinen, dass diese endung grade bei der bil-
dnng von derivaten aus auf nasal auslautenden wurzeln so
auffallend bevorzugt wäre. Brugmanns annähme, n]> zu nsfr,
woraus nst, und mfr zu mffr, woraus mft, ist nicht plausibel
wegen anfror, finfran, nanfrjan, tunfrus etc. und hiermit corre-
spondierender wgerm. und an. bildungen sowie wegen rand aus
romt' (vgl. Michels in IF. 14,227; Franck in Zs. f da. 46, 334).
.Michels denkt für die entstehung von -nst- an zwei factoren
(IF. 14,228): entwicklung (bei raschem sprechen) einer »gelegen-
heitsform brunsfrie mit parasitischem s und durchführung solcher
-s-formen durch anlass von dursjrie, lispiz, vielleicht auch von
runsfria, on*friß\ aber solche gelegenheitsformen stimmen gar
wenig zu den intact gebliebenen anfror, finfran etc. und bevor-
zngung von brunsfriz etc. durch anlass von lisfria etc. isl auch
eben nicht evident. M. e. liegt die Sache ganz einfach bei
der annähme, dass in einer oder etwa zwei der aberlieferten
-ftfff-bildungen altes sti- vorliegt; so vorhandenes -itsti- konnte
das mnster abgeben für die anderen derivata mit -ndi- bez.
-nfri-, von denen sich noch einige sporadische reste finden in
got. gahunds xt tOfiovij ('Überzeugung') und gakunfrs "das bekannt
werden (ufgakunfrai •beim ersten auftreten Jesu' dQx6(isvoc,
Luk.3, 23), gamunds 'Gedächtnis', ev. auch aisl. gfund (wenn
hier -ft-stamm vorliegt ). |
Nach dem mnster gedachter, ehemals vor dem vordringen
von -nst- mit -//</- he/. -)iji- limi -nst- gesprochener bildungen
konnten rieh oeben derivata mit -nnti- bez. -mfri- oeubildungen
mit -msti- entwickeln; daher neben %ot.*gagum} nmlung',
aisl. 8amkund •Zusammenkunft ' (wenn hier nämlich -/'/-stamm
vorliegt), ahd. gummt conventio, ungunmt dissenuo (Graff
•"», 666 f. ). ahd. pinum8t distractio, vernunut, wir-, /ir-, vernunst
(Graff _. 1076), aonfrk. vamunst, mncL vomumst, monfrk. mnl.
'i Kur nM. b§gtm$t 'ani ptmtt 'ggtpimitt1 Istwol entttehug
Mob dem mnitei von nmst, bnmst zu nimm, brmntn Minnehmn.
304 VAN HELTEN
getunst, getonst pactum (Berner gloss., Teuth., Mnl. wb.), mncl.
kumpst, Jcomst, mnl. monfrk. comst. Solche -mst- formen aber
liegen offenbar den belegen mit -mft- bez. -nft- zu gründe,
näml. ahd. binumft, vernumft (beachte auch die mischform ver-
numfst), mnd. vomunft, monfrk. Vernunft (Teuth.), ahd. zumft,
as. mistumft 'Zwietracht', aonfrk. gehtnft pactum (wenn dieser
einzige beleg nicht Schreibfehler repräsentiert für getunst, vgl.
monfrk. getonst, getunst), ahd. brumft 'brunft', giswumft 'das
schwimmen': entstehung von mft über mfst aus mst (vgl. Franck
in Zs. fda. 46, 334 f.; nur ist zu beachten, dass ft aus fst in
mnl. herft 'herbst', proeft 'probst' nicht in eine linie zu stellen
ist mit der entstehung von mft aus mfst, wo das m dem f zum
sieg über s verhalf1)).
Neben oben beregtem *gaqumps (flect. -pim) begegnet got.
andanumts 'annähme' (flect. andanumtais); die vielgedeutete
form erklärt sich ohne mühe bei berücksichtigung der aus -ts
der 2. dualis (= aid. -tlias) hervorgehenden vorgot. entwicklung
von -ts über -J)s aus -p -f vocal -f- s oder z\ andanumts mit aus
dem nom. sg. stammendem -ts (für -piz) gegenüber bajöps, dulps,
Jcunps, munps, bleips etc., die durch ein Wirkung der flectierten
formen ihr -ps behaupteten.
Dass für -st der 2. sg. ahd. haust, as. banst, farmanst und
für -sta der praeterita, ahd. (bei 0) Jwnsta, gionsta, as. Jconsta,
-onsta, formonsta, die annähme von analogiebildung auf der
hand liegt, wurde bereits von Kluge, Collitz und Franck be-
tont (Zs.fda. 46,332 f.; vgl. auch Beitr. 28,234 und 34, 1352)).
Franck hebt (Zs. fda. a, a. o.) neben leonsta etc. auch zu biginnan
ibiienna) stehendes praet. mit -st- hervor, ahd. bigunsta Is.,
aonfrk. begunsta, as. bigonsta Beichte und Greg, gll., aofries.
bigonste R1, woneben ahd. pigunda, bigonda (selten neugebil-
detes pigunta, begonta), aofries. bigunde; er beanstandet mit
x) Franck erblickt (Zs. fda. 46, 33G) unter berufung- von mnl. heilster,
dorste (prt. zu clorven), bedorste ' bedürf nis ' neben Jialfter, dorfte, bedorfte,
in mnl. comst etc. neubildungen mit st aus ft.
2) Zu daselbst über Tcunpa bemerktem sei nachgetragen, dass mit rück-
siebt auf das Beitr. 34, 137 hinsichtlich der accentuierung des periphrastischen
praeteritums erörterten die berechtigung der ansetzung von durch wechselnde
betonung der Wurzelsilbe hervorgerufenen doppelformen mit p und d frag-
lich ist.
-57- DND -FT VON GOT. -SRUNSTS ETC.
recht die deutung der formen als analogiebildungen aacb onsta
(unsta), onda etc., fasst aber die möglichkeil ins ange, dass
bigonda etc. als aus altem -fo-part. stammendes praet wie
worhta, brühta zu beurteilen sei. Doch ist hier die tatsache
nicht zu übersehen, dass neben bigtmsta etc aus den alten
Bprachperioden kein schwaches pari belegt ist (aofries. m(fy
gunst incisus, A.ofries.gr. §270, anm.2, entstamml einem jungen
denknial. kann demnach für analogiebildung gelten). Ich möchte
endes vermuten: zu biginnan stehendes starkes praet. bigan
'ich halte angefangen' eignete sieh zu Verwendung in der be-
deutung 'ich bin beschäftigt'; zu solchem praeterito- praesens
ki mute schwaches praet. nach art von hwnpa bez. -sta etc.
gebildet werden; in der bedeutung 'ich war beschäftigt1 fiel
dies praet semantisch zusammen mit als plusquamperf. ver-
wantem bigan 'ich haue angefangen'; so aber lag die mög-
lichkeil vor, das schwache praet auch sonst für bigan (als
imperf. oder perf.) zu verwenden; als in der folge das prae-
terito-praes. ausser gebrauch kam. blieb das schwache praet
als doppelform neben bigan erhalten.
.Ms anhang ein paar werte über got saisösi Die an-
nähme von analogiebildung ist hier ausgeschlossen: quap, bigat
etc.: quast, bigast etc. = saisö \ saisösi repräsentiert keine
als giltig anzuerkennende proportion. Der gedanke, dass bei
der Verallgemeinerung von -t als personalendung in saisöp die
regelrecht entwickelte endung erhalten wäre, woraus später
durch anhängung von / saisöst, dürfte ebenfalls nicht ein-
leuchtend erscheinen, leb möchte den umstand hervorheben,
dass saisösi, dem kein anderer beleg für die 2. Bg. praet gleich-
artiger verba zur seite steht, nur einmal (Luk. 19,21) über-
liefert ist Es erhebt Bich demnach die frage, ob die Über-
lieferung wo! unverdächtig ist und das s In st nicht etwa
eine durch voran.. - .-■ veranlasste dittographie reprfl
tiert (wegen Bolcher copistenfehler v-1. Beitr. 25,233d).]
Mtrig* zur geschieht« Jcr JeuUchen
306 VAN HELTEN
ZUR ETYMOLOGIE VON BRAUT.
Von Braune in diesen Beitr. 32, 30 ff. semantisch beleuch-
tetes gerui. brü])s, brüd etc.1) ist zweifelsohne zum ital. bei-
namen der Venus, Frütis oder Frutis, zu stellen (s. Beitr. 32,
58 f. und 34,562; wegen nicht zu fixierender quantität des u
vgl. von Kluge an letzter stelle bemerktes). Dagegen ist in
Corssens Aussprache 22, 206 mit Frutis verknüpftes lat, frutex
fernzuhalten, folglich dieses wort auch nicht zu bmps etc.
zu stellen: ' Strauch, staude' lässt sich schwerlich weder mit
der von Braune dem germ. subst. zuerkannten grundbedeutung
'beischläferin' noch mit der von Kluge (Beitr. 34, 565) für
das nomen als denkbar erachteten semantischen basis 'brot-
kneterin' noch auch mit einer grundbedeutung 'die sich ver-
mählende' (s. unten) vereinbaren. Ich möchte aksl. bra-ki
'nuptiae' beiziehen, dessen auf o zurückzuführendes a auf altem
langdiphthong öu beruhen kann, zu dem der stamm vocal von
Frütis und brups etc. im ablau t stand. So hätten das ital.
und das germ. wort zu gelten als -fr'-derivatuin mit ursprüng-
licher bedeutung 'ehe'; daher Frutis als bezeichnung für
'göttin der ehe' (vgl. Venus 'göttin der wonne' = aid. vanas
'wonne') und vorgerm. bhrütis = 'diejenige, an der die ver-
J) Den gedachten erörterungen gemäss sind auch für in den afries.
quellen begegnendes breid die bedeutungen 'braut am hochzeitstage' und
'neuvermählte' geltend zu machen:
als hy syn(e) breid hallet bez. holet, und htvSrso een man syn breyd
haleth (belege in v. R.'s Wb.) — sä fulgat thio breyde tha lyke (des im
brautzuge erschlagenen bräutigams) (bei. Zur alt o st Mos. lexic. 27);
thiu breid ... biräivat ... Iure stiürcgonges (des kirebganges), und
hwsrsa ma ene breid biräivat ande hire kereJcgonge (belege in v. R.'s Wb.),
sowie Thiu breid ... biräivat hire fiuurgonges iefta stiürcgonges v. R. E1
232, 1 ff.; vgl. hiermit Zur altostfries. lexic. 38 aus F citiertes: and hio
breydelike (als neuvermählte) sinne (des ehemannes) bethselma (bettstelle)
urstöp (beschritt) and on tha bedde hire llives nette (genoss) mitha-monne
and a morna (am morgen darauf) uystöd, to tzürTca geng etc.; in bezug
auf hire fiuurgonges gilt breid für 'braut am hochzeitstage' (vgl. obigem
citat aus F vorangehendes Thet thio frie Fresinne hörne on thes freia Fresa
were (besitz) müh bekana brande, d.h. 'beim leuchten der hochzeits-
feuer').
ZUB ETYMOLOGIE von BRAl 307
ehelichung zutage tritt', d.h. 'die sich vermählende, die braut
am hochzeitstage'. Aus solcher hedeutung aber Lassen Bich
alle die von Br. für brups etc. hervorgehobenen anstandslos
herleiten:
einerseits durch Übertragung' von antecedens auf das
Beqnena 'neuvermählte'1), woraus durch beziehung der jungen
ehefran auf die eltein des sohnes 'Schwiegertochter' bez. durch
begriffserweiterung 'gattin' (aus 'gattin' auch gelegentlich
durch begriffserweiterung 'weib', 7gl. Hein-. 32, 52);
andererseits durch begriffserweiterung "die sich über kurz
oder lang- vermählende', also 'verlobte', woraus ebenfalls durch
erweiterung 'heiratsfähige Jungfrau'; [man beachte in Beitr.
32, 49 angeführtes mengl. brud, bruid etc. "junges weib,
mädchen1 sowie in Zs. f . d. wortf . L,246 nach Delbrück hervor-
gehobenes neuslav. nevjesto -verlobte' und 'erwachs
mädchen' und vgl. auch ndl. vrijster ■■ = 'verlobtes mädchen'
und 'heiratsfähiges mädchen' (in beiden bedeutungen nur ver-
wanl für mädchen onteren Standes) und •unverheiratete- frauen-
zimmer' (in dem ausdruck oude vrijster 'alte Jungfer1
Wegen entstehung einer gelegentlichen mnl. mhd. bedeu-
tung 'illegitime beischläferin' und wegen Verwendung von
mhd. briuten, mnd. mnl. bruden in als Schreibung für u) 'be-
Bchlafen' vgL Beitr. 34, 562 l Eine parallele zur oben erörterten
begrifflichen entwicklung bieten zu krimgot. mareus 'nnptiae
zu stellendes lit. martt •braut am hochzeitstage', 'junge ehe-
trau'. 'Schwiegertochter', kret fid^rtq 'Jungfrau' ( 'die heirats-
fähige').
Eine wesentliche stütze erhält die vorgeschlagene deutung
durch in Beitr. 32, LI, Eussn. aus den Ahd. glL citierte, zu nurus,
bruta stehende proatun, ->>>i EU und K'. bröl Clm. LS002, wofür
Braune, offenbar als ootbehelf, die Vermutung aufstellt, dasa
hier eigentlich prui als Übersetzung von nurus, bruia gemeint
war bez. brbt als Bchreibfehler für brui zu gelten hatte. Kluge
erhebt Beitr. 34,565 Lii h ige, ob in proatun, -on nicht od als
'» Als genaue entaprechangen begegnen >i'"-i .. 'braut,
brantigam am bochaeitstage' and 'jnngi ehemann'.
Eine ähnlich« i t Dachtet man in ahd. gemakeio, -</. mhd.
iirinuhth. i 'verlobte^)' und 'verheirateteOr)', mint, tponsus, -« '▼erlol
and 'nenrennlhlte(r)'.
308 VAN HELTEN
Schreibung für aus altem au contraliiertes ö~a vorliegen dürfte
und das wort demnach auf bröt zu beziehen wäre, so dass die
parallele desselben mit ags. Mäßige in ihr recht träte und
ein bei fassung von proatun, -on als obliquem casus anzusetzen-
des schwaches femininum brota sowie damit zu verbindendes
brät als koseformen zu einem volltypus wie hlcefdige zu ver-
stehen wären. Nun könnte man allerdings das oa der Ra-
und der K-glosse als die nach Kögel (Zum Ker. glossar 23. 24)
neben normalem o-zeichen mitunter für öa verwante Schreibung
gelten lassen. Was aber dann mit bröt in Clm. 13002 anzu-
fangen, das nur bruot repräsentieren kann, indem broat (die
bröt überliefernde hs. hat bekanntlich o zur darstellung sowol
von ou als von uö) aus lautgesetzlichem grund auszuschliessen?
Ausserdem aber ist nicht zu übersehen: erstens dass gemäss
Kögels bemerkung (Zum Ker. gloss. 151 f.) Übersetzung eines
nom. nurus, bruta durch acc. proaton, -un nicht glaubhaft er-
scheinen kann; zweitens dass wir es der Überlieferung zufolge
in proaton, -un und bröt mit ausdrücken zu tun haben für
'Schwiegertochter' (nicht für 'neuvermählte' oder 'ehefrau').
Alle Schwierigkeiten schwinden indessen, wenn man in oa der
normalen Verwendung dieses Zeichens gemäss eine Schreibung
erblickt für aus altem o entstandenen diphthong und, dem von
Kluge (Beitr. 34, 565) gegebenen fingerzeig folgend, -un, -on
(vgl. Kögel s. 151) auf alte femin. endung -uni (aus -um) zurück-
führt, dem diphthong der beiden nominalbildungen zu gründe
liegendes u aber mit dem a von aksl. bra-M in eine linie stellt,
d. h. ebenfalls auf altes öu zurückführt. So erhalten wir ein
mit -ti- gebildetes, altes verbalabstractum bhrö(u)ti-, das durch
Übertragung der alten bedeutung 'ehe' zur bezeichnung 'einer
durch die ehe (des sohnes) erworbenen tochter' verwant werden
konnte; hieraus vorhd. bröd, das direct bröt ergab1)? indirect
dem proatun, -on zu gründe liegt, das durch erweiterung nach
art von zu brüt gebildetem nihd. brütinne entstand.
Als nebensächliches betreffend seien ferner an Braunes
dankenswerte Untersuchung noch folgende bemerkungen an-
geknüpft.
*) Ahd. gll. 4, 89, 21 bald nach brbt begegnendes brbtigoum braucht
kein Schreibfehler zu sein: es kann eine gelegentlich durch einwirkung von
brbt für brütigoum eingetretene neubildung repräsentieren.
ZUU ETYMOLOGIE VON BRAUT, 309
Statt an ehti (d.h. «fl ehti) 'in ehelichem besitz' in Hei.
507.2707 (slthor sin mannes warth, erlas an ehti — (hin err
sines bruother was idis an ehti) bietet M ant(h)ehtit offenbar,
wie Br. (Beitr. 32,32, Eussn. 1) bemerkt, als die folge des um-
standes, dass dem Schreiber von M besagte wendung unbekannt
war.1) Dass indessen dieser copisl in der nichl verstandenen
wendung beide male gerade an zu ant- verderbt hätte, müsste
auffallen. Vielmehr berechtigt ant- zur Vermutung, dass wir
es hier mit einer dem Schreiber d^s M geläutigen und von ihm
für an ehti seiner vorläge eingesetzten form ant(h)ehii (d. h.
antehtt) zu tun haben, d.h. mit einer neubildung, die, nachdem
die alle, nicht mehr als präpositioneile Verbindung empfundene
Windung dem in den unflectierten casus auf -i ausgehenden
adjeetivischen -io-stämmen gleichgestellt war, sich durch ent-
lehnung des ant- von antheti •verlobt' entwickelt hatte.
Die tatsache, dass aus westgerm. dialekten herrührende
franz. bru(t) und rhätoroman. brit, breit als benennungen für
'Schwiegertochter' gelten, während in den westgerm. quellen
kein bind, brät etc. = 'nurus' begegnet, möchte Br. (Beitr.
32, 1 1 ) so erklären, dass das wort in seiner eigentlichen be-
deutung "neuvermählte' entlehnt sei, die entlehnungen aber,
nachdem sie auch für •Schwiegertochter' in schwang gekommen
waren, die eigentliche bedeutung gänzlich oder etwa, mit nur
vereinzelter erhaltung derselben, aufgegeben hätten (in ge-
wissen nordfranz. mundarten gilt lau nach Tappolet, Die roman.
verwantschaftsnamen b. l "'1 auch für 'nouvelle mariee'; doch
ist hieraus, im hinblick ant nun/s \<rhwiegertuchter' und "junge
ehefrau', nicht notwendig auf franz. erhaltung der alten be-
deutung zu Bchliessen). In gleicher weise wäre nach Br. aus
dem ostgerm. i utlehntes bt utis für 'Schwiegertochter1 in schwang
gekommen {ßoovttg, ,:»<■■ iheinen als benennungen für
'junge trau*, vgl. Zs.f.d.wortf.l,240ff.); got in Matth. 10,35
belegtes brüjts sei nur gelegentlich für 'nurus' verwanl (Beitr.
->. denn ans brüpfajts gehe die eigentliche bedeutung <\<'<
femin. personennamens hei vor. Doch ist nicht einzusehen,
') Wegen einen der u. wendung entsprechenden salfrk. an Ehti = 'in
(dnreb rerlobnng erwirktem) L Beitr. 25, 829 f. —
ii des ndl. auf <ht -ehr' ('ehelicher besitz1) / u iden eehi s.
Tijdschr. voor nederl. taalkttndi -
310 VAN HEIZTEN
warum die geltung von got. brüps für 'nurus' nur eine occa-
sionelle sein sollte und bmtis 'Schwiegertochter' der aus dem
Unterdonauland herrührenden inschriften nicht auf directer
entlehnung aus brüpis 'nurus' beruhen könnte. Was aber die
franz. und rhätoroman. lehnwörter betrifft, so möchte man
fragen, ob sich nicht eher die annähme empfähle, dass in den
gebenden (nfrk. und alem.) dialekten, wie im got., neben 'neu-
vermählte' auch die hieraus abgeleitete bedeutung galt und
die entlehnenden Franco-Gallier bez. KMtoromanen, dem be-
dürfnis nach einem ausdruck für 'des sohnes frau' genügend,
ein in dem sinne verwantes fränk. bez. alem. wort aufgenommen
hätten; begreiflicher wäre eben solcher Vorgang als der oben
erwähnte, d. h. nicht zielbewusste entlehnung von brtid, brüt
'neuvermählte', die erst indirect zu Verfügung über den er-
wünschten terminus führen konnte.
Wegen bruta der glossen vgl. Braune s. 42.
GAB ES EINEN
GOT. NOMIN ATIVUS ABSOLUTUS?
Die heikle frage, ob bez. inwiefern der got. sog. absolute
clativ auf einen vom finalen verbum des satzes abhängenden
dativ und ein diesen casus begleitendes partic. zurückgeht
(vgl. Streitbergs Got. gr. § 260 und die daselbst angeführte
literatur) oder als alte, mit aid. absol. locativ, gr. absol. genetiv,
lat. absol. ablativ in eine linie zu stellende, eigentl. temporale
construction zu gelten hat, lasse ich unerörtert. Mich auf
feststehendes beschränkend, erinnere ich an die bekannte tat-
sache, dass der gr. gen. absol. von Wulfila nicht selten durch
einen mit mippanei, bipe eingeleiteten hypotaktischen satz,
einmal auch, in Matth. 27, 57, durch einen satz mit Jxm über-
setzt wird (IJ) J)an seipu icarp = 'Otyiag öl ysvo(i£V7jg). Durch
beiziehung letztgenannter Version wäre m. e. dem in Mark.
6, 21 überlieferten jäh ivaurpans Hags gatils = xal ysvofiawrjQ
?)fitQag svxalgov beizukommen. Die these eines nomin. absol.
GOT. NOMINA TIVl'S AB80LUTUS. 311
liesse sich weder mit dem syntaktischen Charakter des nomina-
tivs vereinbaren noch als die folge historischer, durch analogie
beeinflusster entwicklung plausibel machen; und an waurjtans
dags gatils als analogiebildung nach der von Dietrich in Skei-
reins IAIII t'i'.. von Jellinek in An/, fda. 29, 2*~>, von Streit-
berg in seiner Got. gr. § 326 hervorgehobenen, in i!. Cor. und
den Skeir. begegnenden, auf einer neutestanient liehen eigen-
tümlichen Verwendung des partic. praes. pro verbo finito ist
hier ebenso wenig zu denken. Begreiflich wäre dagegen ans
der feder des got. Übersetzers geflossenes jäh fian warjt dags
gatils, das ein copist, der neben der got. vorläge auch einen
gr. oder lat. text vor äugen hatte, durch anlass von yevofiivrjq
i'i!tt''j('- evxalQOv bez. facto die opportune» in waurjfrans dags
gatils quasi corrigierte.
Für die andere als beleg für einen got. nomin. absol. an-
geführte stelle, urrann sa daupa gabundans ... jah wlits is
auralja bibundans (Joh. 11>44) xal / oipig avrov ni,r<\
xsQuöiöero, liegt der gedanke an ausgefallene- was auf der
band: auch demjenigen, der an die Möglichkeit von got. nomin.
absol. glauben möchte, müsste die annähme, dass Wulfila, der
Bonsl bekanntlich der absoluten construetion nicht hold war,
hier für ein verbum tinituni des gr. textes ein absolutes partic.
eingesetzt hätte, unstatthaft erscheinen.
GRONINGEN. W. VAN SELTEN.
ZUR ERKLÄRUNG DES ERSTEN MERSEBURGER
ZAUBERSPRUCHES.
lieber den gedankengang des ersten Merseburger Zauber-
spruches schien, ungeachtet einiger sich an verschiedene worte
noch anknüpfender fragen, im ganzen eine einheitliche auf-
fassung zu herschen. Namentlich wurde als sicher allgemein
angenommen, dass die dritte zeile von einem versuche spricht,
fesseln eines gefangenen zu lösen. Dieser auffassung wider-
spricht neuerdings A. Wallner (Zs. fda. 50, 214 ff.) und führt,
teilweise mit E. Wilken (Germania 21, 218 ff.) sich berührend,
aus, die handlung von vers 3 setze die von v. 2 fort, es sei
hier nun erst recht von wirklicher fesselung die rede, und
zeile 4 enthalte den dagegen wirksamen gegenzauber.
Den anlass zu dieser abweichenden erklärung gaben ihm
bedenken gegen die richtigkeit der Übersetzung des verbums
clübön, das er wegen seiner Verbindung mit cuonio widi im
gegensatz zu der bisherigen auffassung mit ' fesseln, binden'
übersetzen will. Für diese bedeutung scheinen mir jedoch die
nötigen anhaltspunkte zu fehlen. Die entfernte verwantschaft
des wortes mit 'klaue' kann zugestanden werden, auch dass
in der Wortsippe der bedeutungswandel 'klaue > fessel' bez.
beim verbum: 'mit klauen anfassen > fesseln' denkbar ist.
Die belege für einen solchen Übergang aber sind spärlich und,
wie es scheint, jung. Für mhd. Jdouber stf. lässt sich an den
in den Wörterbüchern verzeichneten stellen fast ausnahmslos
mit der bedeutung 'klaue, krallen, fest zugreifende hände' aus-
kommen, und wo übertragene bedeutung anzunehmen ist, wie
Part. 684, 9 und Wolfdietrich 533, 2 (ed. Holtzmann), steht diese
der ursprünglichen noch recht nahe. Zu beachten ist übrigens
bei den mhd. belegen, dass das wort stets im reim steht und
zwar bei Rosenplüt (Keller, Fastnachtsspiele 1146) im reim auf
BUB BBKLÄRUNG D. EB8TEM MEB8EBÜRGEB ZAUBERSPRUCHES. 31 I
säubern (swv.), sonst im reim auf zouber; es verdankt also
seine Verwendung deutlichst nur der reimnot
Für das verbum clübön ist ein abergang zur bedeutung
'fesseln' weder in älterer noch neuerer zeil tatsächlich belegt.
Im mini, und nlul. uerschl durchaus der begriff 'einzeln auf-
lesen, auslesen, mit den fingern loslösen1 oft mit dem uebensinn
dvs mühsamen, wie es im Grimmschen Wörterbuch V L029 ii.
im einzelnen dargelegt ist.1) Ä.uch die mundarten haben das
wort in derselben bedeutung. Jn Hessen (Crecelius, Oberhess.
Wörterbuch >.~>" 1 1 Bagl mau geradezu gerne auseinander Hauken.
In Thüringen | Bertel, Thüringischer Sprachschatz s. 136) wird
leluwe im sinne 'mühsam losspalten' gebraucht Im Schwä-
bischen heissl es 'auslesen'; vgl. bei Birlinger, Schwäbisch-
^.ugsburgisches Wörterbuch s. 280 den vers der Taubenkobler:
Tanba 'rousz '.
die besta chlaub i 'rousz,
die koinza lasz i liegen.
Zu dem kind, das mit den fingern etwas aus der nase bohrt,
sagt man in Colmar: Mups" vetjr <>i tr nhs? (vgl. Henry, Le
dialecte alamau de Colmar s. L73). In der Schweiz herschl
dieselbe bedeutung (Schweiz, idioticon III 621): man vgl. beson-
ders 'Ii'1 Wendung: an etwas ummen chlübe 'von einem ding
etwas abzuklauben suchen', eigentlich: an etwas mii den fingern
herumarbeiten, um zu versuchen, etwas davon loszulösen. Nicht
anders steht es im bayrischen Sprachgebiet; man vgl. Schöpf-
Bofer, Tirolisches idioticon b. 321; A.. Zaupser, Versuch eines
bairischen and oberpfälzischen Idiotikons b. 12; Unger-Khull,
Steirischer Wortschatz b. 391; Lexer, Kärntisches Wörterbuch
b. 159; Schmeller-Frommann, Bayrisches Wörterbuch1 I 1320 ff.
her abereinstimmende gebrauch in älteren und jüngeren
quellen and den lebenden mundarten dürfte für ein alles
'fesseln' kaum räum übrig lassen. Die eigentliche bedeutung
des Wortes -"II aber nach Wallner nicht zu cuonio uridt passen,
da dies aach dem Zeugnis der glossen (Ahd.gL I 204,32
'kette1 bedeute. Ich glaube, der glossierung wird hier doch
i Die bedent inj pflücken', darin hal \\ . recht, i>.»»m allerdings nicht
in den Banbenprach; sie ist aber anch nicht ursprünglich and lütt<- im
Grimmschen WOrterbach Dicht an erste stall« eti Uen.
314 HELM
zu viel gewicht beigelegt, zum mindesten hat sich Wallner zu
sehr an die bedeutung des glossierten lateinischen Wortes ge-
klammert, die für die ursprüngliche bedeutung des deutschen
Wortes nicht allein ausschlaggebend sein kann. Um die glosse
richtig zu würdigen, müssen wir fragen, welche deutschen
worte denn dem glossator überhaupt zu Übersetzung von lat.
catena zur Verfügung standen. Ein genau den begriff 'eiserne
kette' widergebendes germanisches wort gab es nicht. Für
das gotische zeigt dies das schwanken bei Wulflla, der griech.
aXvöiq auf verschiedene weise widergibt: Luc, 8, 29 durch
eisamabandi; 2. Tim. 1, 16 durch naudibandi; Marc, 5, 3. 4 durch
naudibandi eisameina, Ephes. 6, 20 durch das unserem ahd.
wort entsprechende *) Icunaivida. Hätte letzteres dem griech.
genau entsprochen, so wären die anderen versuche, das wort
zu verdeutschen, nicht nötig gewesen. Das deutsche (hd., ncL,
ndl.) lässt die lücke in seinem ursprünglichen Wortschatz schon
daran erkennen, dass es das lateinische wort entlehnt hat, die
nordischen sprachen daran, dass sie dieses lehnwort wider aus
dem mittelniederdeutschen übernahmen.-) Die ererbten ger-
manischen worte hatten eben die specielle bedeutung '(eiserne)
kette' nicht. Hätten die glossator en der Rhabanisch-Keronischen
sippe nun das lateinische catena genau sinngetreu verdolmetschen
wollen, so hätten sie das lehnwort verwenden müssen. Wenn
sie das nicht getan haben, so können wir vermuten, dass sie3)
es noch als fremd empfanden.4)
1) An der Zusammengehörigkeit unseres Wortes mit dem Jchunaivithi
der glossen, dem got. und ags. wort halte ich trotz Grienberger, Zs. fdph.
27, 444 ff. fest. Man kann aus der schreibuug eines absterbenden Wortes,
wie es c. für den Schreiber des Merseburger Spruches ist, kaum einen
solchen schluss ziehen, wie es Gr. tut.
2) S. Falk-Torp, Etymologisk Ordbog s. 368.
3) Verfasser bez. Schreiber der schon dem 12. jb. angehörenden glossen
Cod. Vind. 804 und Würzburg M. th. 4°. 60 haben natürlich kein bedenken
mehr gehabt. Sie glossieren ruhig catena : chetinne (Wien), bez. ketena
(Würzburg); vgl. Ahd. gl. IV 213, 36.
4) Ob die entlehnung wirklich bereits vor der hd. lautverschiebung
erfolgte, scheint mir deshalb doch noch zweifelhaft. Lautliche gründe
zwingen nicht zu dieser annähme. Der Übergang des e zu i und die
accentzurückziehung finden sich in den ebenfalls erst in ahd.zeit entlehnten
worten _pm bez. abbat.
ZUR ERKLÄRUNG D. ERSTEN MERBEBÜRGEB ZAUBERSPRUCHES, 315
Bei der suche nach einem wort, das zur Verdeutschung
von catena brauchbar war, bot sich cuoniowidi vielleicht des-
halb dar, weil es der Lebendigen spräche damals gewiss schon
entfremdet war und seine ursprüngliche bedeutung nicht mehr
klar empfunden wurde, so dass die incongruenz zwischen dem
deutschen und lateinischen worl nicht zum bewusstsein Kam
— vielleicht aber auch, weil es möglicherweise eine besonders
starke fessel bedeutete.1) Jedenfalls darf aber aus seiner Ver-
wendung in der glosse nicht geschlossen werden, dass es ur-
sprünglich eine eiserne oder überhaupt metallene kette be-
deutete; dagegen spricht ausser der tatsache, dass Wulfila eine
Umschreibung mit eisamein u. ä. für nötig hielt, deutlich der
zweite bestandteil des Wortes, dessen etymologie zeigt, dass
damit von hause aus eine aus zweigen geflochtene fessel ge-
meint ist. Die stelle im Zauberspruch ist nun sicher ein gutes
stück älter als die glossen, wir müssen damit rechnen, dass
der ursprüngliche bedeutungsinhalt bei entstehung des Spruches
noch klar empfunden wurde. Dann können wir aber keinen
anstoss an der ausdrucksweise clübödun umbi cuonio widi
nehmen; denn das lösen solcher fesseln musste technisch eben
darin bestehen, dass man die verflochtenen zweige einzeln und
eventuell stückweis loszulösen und auseinanderzunehmen
versuchte.2) In den Worten von vers 3 liegt also meines er-
achtens kein grund, von der herschenden erklärung abzugehen,
und zu demselben resultat kommen wir auch auf anderen
wegen.
Angenommen, Idübön hiesse, wie W. verlangt, 'fesseln';
dann müsste umbi ein eng zum verbum gehörendes adverbium
Bein, Dicht präposition: 'einige banden fesseln herum (nämlich
um die feinde)'. Es läge also, bei der jetzt üblichen vers-
I Im - etymologisch so erweisen, ist bis jetzt freilich nicht geglückt.
Toblera versuch (Germania 30, 63 fl | halte ich für verfehlt, er hat auch, so
v i « ■ 1 ich sehe, nirgends beifall gefunden, aber auch die erklftrnng Grien-
rs 'fesseln aus rindsleder' (a.a.0 b. W6) befi cht
-i Wenn < Irienberg« - transitives
verbum ein aecusativobjeet, so kann ich ihm nicht anstimmen; kl. kann
sehr «rol absolut ohne objeel stehen and das objeet, hwebt, ist
nicht die fessel ädern ihre einseinen teile. Ich halte also die
von Grien .mein' audere abtrennnng der worte und die daran
geknüpfte erklftrnng für unnötig.
316 HELM
teilung, in 3/9 ein enjambement vor. In der westgermanischen
allitterierenden dichtung ist nun zwar das enjambement zwi-
schen den langzeilen gang und gäbe und so herschend, dass
die stärksten Sinnesabschnitte meist gerade nach der ersten
halbzeile, nicht am Schlüsse der langzeile liegen.1) Sievers
hat dafür den ausdruck 'principielles enjambement' geprägt
(Altgerm. metr. § 165) und gleichzeitig darauf hingewiesen,
dass dieses nur möglich und erträglich ist, weil die einzelnen
halbverse sprachliche einheiten sind. Enjambement inner-
halb der halbzeile ist deshalb unstatthaft. Tatsächlich ent-
halten auch die ahd. allitterierenden dichtungen keinen der-
artigen fall'2) und Wilken hat deshalb Germ. 21, 223, wie es
auch bei Wallners Interpretation nötig wäre, umbi zur ersten
halbzeile gezogen. Dadurch wird aber die zweite halbzeile
metrisch zu kurz. So wie der vers jetzt abgeteilt ist, haben
wir in 3/9 den typus B: x x L | x C x mit auflösung der zweiten
liebung. Ohne umbi wäre v. 3/9 als Ix^x anzusetzen, was
metrisch völlig unzulässig ist. So ergibt sich, dass Wallners
Interpretation auch an den metrischen Verhältnissen scheitert.
Werfen wir endlich noch einen blick auf das sachliche.
Wilken und Wallner wollen beide ihre erklärungen damit
stützen, dass sie ausführen, vers 3 bringe die fortsetzung und
Steigerung der in v. 2 enthaltenen handlung. Nachdem die
zauberbande geflochten und das feindliche heer durch schrecken
gelähmt ist, soll nun (Wallner s. 217) 'den festgehaltenen auch
schild- und schwertarm gelähmt werden, so dass sie sich ohne
gegenwehr töten lassen'. Wilken erwartet in v. 3 den 'ab-
schluss der (s3Tmbolischen) fesselung', denn ein f ortschritt in
der handlung sei bei der Verteilung der geschäfte unter die
drei häufen doch wol anzunehmen. Das wäre, sofern die wort-
erklärung es zuliesse, ein Zusammenhang, der logisch denkbar3)
J) Vgl. Sievers, Altgerm, metrik § 30, 2 und 165; Grundriss2 II 2, s. 15;
Küntzel, Künstlerische demente in der dicktersprache des Heliand s. 14 ff.
2) Auch die von Grienherger (Wiener Sitzungsberichte 158) im Hilde-
brandslied v. 19 und 63 hergestellten fälle von enjambement kann ich nicht
als richtig anerkennen.
3) Grienberger (a. a. o. s. 413) vermutet einen anderen Zusammenhang
zwischen vers 2 und 3; er denkt an das hemmen des feindlichen heeres,
damit dies die befreiung des gefangenen nicht stören könne. Auch das
ist nicht wahrscheinlich.
ZUR EBKLIbüNG I». ERSTEM KER8EBURGBB ZAUBERSPRUCHES. 317
wäre; er wird aber keineswegs durch die Verhältnisse gefordert.
Vor allen dingen ist es eine nicht genügend begründete an-
nähme Wallners, dass die tätigkeit der idisi unseres Bprnches
sich ganz mit der der 'heerfesseln' decke und deshalb nur
feindselig sein könne; das setzl ja bereits die richtigkeil von
W.'s Interpretation von v. 3 voraus. Die — übrigens meist
bekannten — belege für den glauben an die heerfesseln, die
W. zusammenstellt, sind ja für die erklärung von v. 2 wichtig,
es folgt aus ihnen aber nicht, dass nicht neben den feindseligen
trauen von v. '1 nun in v. 3 hilfreiche idisi gestellt werden.
Dass dies aber der fall ist. wird durch ein anderes sachliches
moment gefordert: durch den ganzen bau der germanischen
Zauberspruche.
Es isl bekannt, dass die ältesten Zaubersprüche durchaus
sympathetisch sind. Die in der epischen einleitung berichtete
handlung muss einen verlauf und einen erfolg haben, der durch
dm segen ebenfalls erzielt werden soll. Ebermann1), Blut- und
wundsegen 8. 140, betont ganz mit recht, dass gerade auf dem
parallelismus zwischen der epischen einleitung und der Zauber-
formel die Wirkung (\i-> zaubers beruht. Störungen dieses
parallelismusses können natürlich begegnen, sie weisen dann
auf jüngere entstellungen des Spruches hin. Eine solche Störung
Wäre es auch, wenn mit einer epischen einleitung eine forme!
mit einem gegenzauber verbunden erschiene. Es mag solche
mischformen wol geben; in alter zeit sind sie aber nicht
möglich. Für den ersten Merseburger Zauberspruch mit seinem
alten gepräge müsste deshalb, wenn Wallners deutung von
v. 3 richtig wäre, als SChlussformel ein satz mit dem sinne:
•ich binde dich', 'sei gefesselt1 oder ähnlich dastehen. Da die
zeilr I aber einmal feststeht, SO ergibt Sich auch hieraus als
unbedingt nötig, dass die vorhergehende zeile die dazu passende
epische parallele enthält.
Deber die handlung, die mit dem Bpruche selbstverständ-
lich verbunden war. lässt sich natürlich nichts sicheres aus-
n. aber einige Vermutungen seien doch kurz verzeichnet
Ich glaube, die handlung wird nicht in der blossen anwendung
') Vgl auch Schröder, Zs.fda.37, 251; M. Kflller, [Jeher <\\<- itilfonn
der altdeutschen lauhersprüche (1901), a. 80; A. S. SehOnhach, Xt.'u_
Bertholds von Begenshurg sur Tolkskunde (^ i :M7.
318 HELM
eines magischen Zeichens bestanden haben, sondern darin, dass
die worte des ganzen segens durch entsprechende manipulationen
begleitet wurden. Wir können uns denken, dass beim sprechen
von 2 a vielleicht ein knoten geknüpft, vor v. 3 möglicherweise
geheimnisvolle zeichen über ihn gemacht wurden, wie jene
Utterae solutoriae, dlysenälican rüne, von denen Beda IV 22
spricht.1) Mit grösserer gewissheit ist dann zu vermuten,
dass beim sprechen von v. 3 der knoten mit den fingern ge-
löst und im augenblick der vollendeten lösung die formel
ausgerufen wurde. Ob dabei ein bild verwendet wurde, das
erst umschlungen und dann losgebunden wurde, lässt sich
nicht sagen; unmöglich wäre es nicht, da der bildzauber bei
uns später in ziemlichem umfang getrieben wurde.
Wilken a.a.O. s. 224 meint, ein solcher sprach zur ge-
fangenenbefreiung habe nicht 'von freunden nach geschehenem
schaden über den gefangenen gesprochen werden können';
denn wenn freunde zugegen gewesen wären, hätte es eines
zaubers zur lösung nicht mehr bedurft. Deshalb sei ein
solcher leysigaldr ein ' präser vativschutz, der bereits dem zum
kriege erst ausziehenden mitgegeben werden musste'. Das
ist ein irrtum. Wir wissen, dass der zauber, mag er nun auf
stillschweigend ausgeführten handlungen oder auf handlung
und Zauberformel beruhen, in die ferne wirken soll. Wie
das durchbohren eines Wachsbildes den durch dieses bild dar-
gestellten menschen schädigen, wie das sogenannte nestel-
knüpfen in die ferne wirkend eines mannes zeugungsfähigkeit
unterbinden soll, so sollte auch dieser sprach, begleitet von
der zauberhandlung, gewiss in die ferne wirken; ich fasse ihn
deshalb als einen segen auf, durch den man einen in feindes-
land gefallenen, dem auf natürlichen wege nicht zu helfen war,
aus der ferne zu befreien hoffte.
x) Die stelle ist in Grimms Myth. II 1029 und auch bei Wallner s. 218
abgedruckt.
GIESSEN, den 25. april 1909.
/I M MI PILL! 319
ZUM Ml'SPlLLI.
In Grans Untersuchungen über die quellen und verwant-
Bchaften der älteren germanischen darstellungen des jünj
gerichts1) wird b. 245 gezeigt, dass die auf Muspilli 71 fol-
genden, bei Braune (And. lesebuch) als 74a abgedruckten uud
im allgemeinen als unecht geltenden2) werte in der quelle
ihre sachliche und wörtliche entsprechung haben. Dadurch
wird ihre echtheit /war nun noch nicht absolut bewiesen, denn
die liier verwendete formel ist aus dem glaubensbekenntnis
bekannt und konnte sich leicht bei jeder gelegenheit von
selbst einstellen, aber die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die
Worte echt sind, wird grösser, und jedenfalls lohnt es sich, ZU
sehen, ob nicht doch mit ihnen auszukommen ist.
Da v. 71a (ich citiere so nach Braunes Ahd. lesebuch)
keine allitteration hat. so wie er in der hs. steht also nicht
als selbständiger vers echt sein kann, hat Grau ihn mit
71 zu einem yers zusammengezogen, und da es anwahrschein-
lich ist, dass in diesem die beiden worte suandri und suannan
nebeneinander standen, ändert er suandri in hhunic Er ver-
weist als stütze für diese conjeetur auf die quellenstelle,
wo ßich die Worte ecet i<r apparet linden. Es wäre darnach
also anzunehmen, dass das äuge des Bchreibers, als er v. 71
schrieb, Bchon vorauseilte auf suannan in v. 74a und dass da-
durch die falsche lesarl entstanden sei Dies ist ein durchaus
möglicher Vorgang, der allerdings — entgegen der ansieht
Graus8) und anderer4) zur Voraussetzung hat. dass dai
dicht eine abschrift i>t. [ch halte dies für Bicher, trotzdem
befriedigt mich Graus emendation nicht. Schon der verweis
auf <lie quelle ist wenig stichhaltig; denn dort stehen nicht
mir die vorhin citierten worte, Bondern esheisst: / ponsus
rr)i,t, <<it juden adesi, eca rea "j>)'<i>>t, eca supremus fudienm
') Studien rar englischen philologie, ao. 81, Balle i I
*) Vgl. USD II
i-\ doch irol der ratdruck raf i ntehen, dam d
dicht 'ein original
4) Kelle, I.«.. I l * LG. [818; Braune, Letebuch« ■.!£
320 HELM
judex revelatur, ecce universorum cleus advenit ut judicet vivos
et mortuos. Da die worte universorum deus adv. nicht selbst
übersetzt sind, soll von den verschiedenen ausdrücken des
lateinischen nur der eine satz ecce rex apparet für die Über-
setzung' in betracht kommen können; — warum nicht ebenso
gut ecce judex adest oder ecce supremus judicum judex (== sua-
näril) revelatur? Auch kann ich nicht finden, dass die verse
75 — 77 den begriff 'könig' fordern. Die lösung des rätseis
könnte in ganz anderer richtung liegen, und mehrere möglich-
keiten sind ins äuge zu fassen.
Will man einmal mit Gr. suanäri als unecht betrachten,
so kann man leicht annehmen, dass ursprünglich gar kein
substantivum hier gestanden habe, und dementsprechend lesen :
enti sih der ana den sind arlievit \ der dar . . . Schon Bartsch,
Germ. 3, 7 hat die erste halbzeile so angesetzt. Die construc-
tion würde genau zu der von v. 85 f. stimmen. Aber anderer-
seits erweckt gerade der vergleich mit v. 85 f., wozu man noch
v. 2/9 stelle, gegen diese wie gegen Graus und Schmellers
lesung metrische bedenken. Gr. rechtfertigt die hier und nach
seiner lesung auch in anderen versen1) entstehenden vers-
ungeheuer durch die bemerkung, die gesammte metrik des
Muspilli spreche allen gesetzen höhn. Dass der dichter
schwellverse grossen umfangs gebaut hat, ist zuzugeben; aber
bei vers 74 -f 74a liegen besondere Verhältnisse vor. Die
Wendungen dieser verse kommen bekanntlich im gedieht noch
an anderen stellen vor; man vergleiche zu 74/9 vers 2/9, zu
74 a« vers 85/9, zu 74a/9 vers 86/9. Wenn wir Grau folgen,
müssten wir also annehmen, dass der dichter drei Satzteile,
die er sonst als durchaus normal gebaute, selbständige halb-
zeilen verwendet, hier mit einem vierten satzteil in eine lang-
zeile zusammengedrängt habe. Eine solche annähme scheint mir
unerlaubt, so lange noch eine andere erklärungsmöglichkeit
vorliegt. Einer solchen möchte ich im folgenden das wort
reden. Ich greife dabei nicht zu dem verfahren Wackernagels
(Altd. lesebuch5 s. 258) und Bartschs (a.a.O.), die einfach die
worte töten enti lebenten strichen; denn mir scheint es am
*) Er fasst, uni die strenge durekführnng der allitteration für das
Muspilli zu retten, die verse 12 uud 13, 18 uud 19, 48 und 49, 97 und 98,
99 und 99 a jeweils zu einer langzeile zusammen (s. 253).
ZUM HÜSPILLL
wenigsten erlaubt zu Bein, die hälft e von 74a beizubehalten
und die hälfte zu tilgen; wir müssen schon den vers als ganzes
in kaui' nehmen oder verwerfen Behalten wir die worte bei
and wollen wir den angeführten metrischen bedenken ent-
gehen, so müssen wir vers 7t and 74a natürlich wider als
zwei verse behandeln. Dann bleibt in vers 71 suanäri der
allitteration wegen stehen, ans demselben grund ist dann aber
in vers 71a suannan zu tilgen. Hier musa ein anderes worl
gestanden haben: dass ein solclies durch suannan ersetzt
wurde, ist ans einem abirren des auges auf suanäri (v. 74)
ebenso leicht zu erklären, wie hei Graus lesung der ersatz
von Jchunic durch suanari in der hs. durch abirren des auges
auf 74a. Eine technische Schwierigkeit liegt also nicht vor.
Schon friihci- hat Miillenhoi'i' (Zs. fda. 11, 388) vorgeschlagen,
suannan in tuoman zu ändern, er hat diesen Vorschlag aber
wider aufgegeben; vgl. MSD.II335. Da durch <ir;uis Zusammen-
stellungen (s. 'jr>7) nun aber abhängigkeit des Muspillidichters
vom Eeliand wahrscheinlich gemacht wird, wäre es immerhin
möglich, dass diese Wendung hier in anlehnung an Eeliand
4291 M gebraucht werden wäre. Näher liegt aber doch die
\. 36 verwendete, auch früher schon von Feussner1) für unseren
vers vorgeschlagene gut ahd. formel arieillan [toUn enti leben-
ihn . tili- die ich mich entscheide. Man wird, wie man es gegen
die in der lis. überlieferte fassung getan hat. nun auch gegen
nieinen Vorschlag das nahe zusammentreffen mit v. 86 ein-
wenden: aber kaum mit grund. Denn auch wenn wir von
7ia absehen, bleiben folgende auch Bchon von Riüllenhoff,
Zs. fda 11,388 zusammengestellte parallelen übrig: v.2ß— 71.'.
li»,; 260. 65/9 71..: von 17.; 270, die Blüllenhoff noch
hinzufügt, Behe ich ab. Binem dichter, der in einem so wenig
amfangreichen gedieht mehrmals und zum teil in kurzen
abständen halbzeilen fast wortgetrea widerholt, nm^ man
auch widerholung eines ganzen verses zutrauen Wer das
nicht will, müSSte aber auch noch überlegen, ob nun nicht
besser ven 36 zn streichen wäre, der in der vorläge1) keine
') Die ältesten allil
ll.iii.ui i-
u nur (vgl lo Judicium iUud, i
nullu na perionarum tu
Ueitragc xur geschieht« der deutschen spräche. XXXV. Jö
322 HELM
directe entsprechung hat. Doch lege ich darauf kein besonderes
gewicht.
Wenn wir suannan durch arteillan ersetzen, so gewinnen
wir nicht nur eine brauchbare allitteration , es wird dadurch
auch eine sprachliche Schwierigkeit beseitigt, auf die man bisher
nicht geachtet hat: die construction von suonen 'richten' mit
dem dativ der person. Dieser gebrauch ist sonst nämlich
nicht zu belegen. In der einzigen mir bekannten mhd. stelle,
in welcher süenen mit dem dat. der person verbunden wird
(Bari. 125, 6), liegt eine ganz andere bedeutung vor: die Wen-
dung einem ein dinc süenen wird dort gebraucht wie sonst
mhd. einein eines dinges Miezen (buoz tuon).
Im ahd. ist suonen überhaupt selten, besonders in der
bedeutung 'richten'. In den grossen denkmälern kommt es so
überhaupt nicht vor, unter den kleineren sind es die ver-
schiedenen 'Glauben', wo wir es in der formel des richtens
über tote und lebende zu finden erwarten können. Sehen wir,
wie die lat. formel hier widergegeben wird (ich gebe die stellen
nach den denkmälern):
Weissenburger Catechismus (MSD. 56) im Glauben (s. 205): quemendl
ci aräeüenne quecchem endi doodem; später, s. 208, in der erläuterung:
cumftiger ci suananne lebente endi töte.
St. Galler Paternoster und Credo (MSD. 57): chuumftic ist sönen qhuekhe
enti töte.
St. Galler Glaube und Beicbte II (MSD. 89): chunftig . . . ze irteilinne
lebenün unt tötin.
Wessobrunner Glaube und Beicbte (MSD 90) : chumftic . . . certeilenne
lebende unde töde, ubele unde gttote.
Barnberger Glaube und Beicbte (MSD. 91) : chumftig . . . cirteilenne
lebente unde töta.
St. Galler Glaube und Beicbte III (MSD. 92): chunftich zirteilin ubir
leibinde unde ubir tötin.
Alemannischer Glaube und Beicbte (MSD. 93): kkmftig . . . ze ertailen
uiber lebend unt uiber tot.
Wessobrunner Glaube und Beicbte II (MSD. 95) : Jcumftich . . ze tailn
al manchunde.
Benedictbeurer Glaube und Beicbte III (MSD. 96): Icunftich zerteilm
die lebentigin unde die tötin.
Müncbener Glaube und Beichte (MSD. 97): chumftigen ... zerteilen
ubir lebentige und ubir töten.
Notkers Catechismus (MSD. 79); A (s. 251): chumftiger ze irteillenne
die er danne findet lebente aide töte — und ebenda (s. 256): chumftiger ze
irteillene lebende unde töte.
WOLFRAMS GRAB UND DIB HEIMATFBAGE. 828
An niederdeutschem material isl dazu zu Btellen:
Eeliand 4291 (ha I i: man&unnt6 '*■ adilienne, 'Intimi endi quil
Niederdeutsche! Glaube (HSD.98): »dcumrttcÄ ... te iiim,* ,>>,r en U
dilenm d livenden.
Ks Bind dentlich vier typen zu unterscheiden. Die jüngeren
denkmäler1) schreiben erteilen ubir; Bie gehören dem L2.jh. an.
Aelter, aber auch schon eine jüngere stufe repräsentierend, isl
der gebrauch yon erteilen mit dem acc, den anter anderen auch
Notker hat In den ältesten denkmälern finden wir irteilen
inii dem il.it.. bo auch im as., und sin, tun mit dem acc. Nir-
gends aber steht ein suonen mit dem dat., der einzige beleg
dafür war-- eben dervers Muspilli 71a. wo Bchon die allittera-
tinii bedenken gegen »las yerbum erweckt; v. 85/9 f. darf nicht
als ein /.weiter beleg gerechnel werden, denn es ist klar, dass
dort 8uonnan absolul gebraucht sein and der dativ allein von
arteiüan abhängen kann. Ich glaube, dass eine textäuderung,
die den anstössigen beleg in v.Tia beseitigt, Bchon aus diesem
rein sprachlichen grund der vorzag vor solchen lesungen ver-
dient, die suannan hier beizubehalten nötigen.
') Spätere mhd. glanbensbekenntnisse, wie sie a.b. bei Massmann, A i>-
Bchwbrungsformeln do. 15. in. LS abgedruckt Bind, schreiben rih
ÖIE8SEN, den 21. april 1909.
\\(»L1 i; \M> GRAB UND DIE HEIMATFRAGE.
Die tatsachen über Wolframs grab Bind bekannt genn
ihnen ist nichts zuzufügen, nur schärfer prüfen müssen wir,
wir ans der uns erhaltenen Überlieferung Bchliessen dürfen.
Die doppelte bezeugung einet grabes mit Inschrift und
wappen durch Püterich und Kren Btütxt Bich gegenseitig in
,:i die Literatur bei Panier, Bibliographie in Wolfram tob Bochen-
bach I l and anhang dai ehrenbrief des Jakob
rieh ron EU lOf. and i
mentai in Wolfram,
324 HELM
wichtigen punkten: die Übereinstimmung von Püterichs angäbe
über das fehlen des datums und seiner Wappenbeschreibung
mit der abschrift und der Zeichnung bei Kress zeigt uns, dass
das von Kress gesehene grabmal identisch war mit dem von
Püterich aufgesuchten, mithin bereits vor 1462 existierte. Wie
weit dürfen wir aber wol zurückgehen? Es ist anzunehmen,
dass Püterich nicht gerade bis in sein hohes alter — er war
1400 geboren — gewartet hat, um seinen ritt zu unternehmen ;
dieser mag der abfassung des ehrenbriefes immerhin eine er-
kleckliche zahl von jähren vorangegangen sein. Schon damals
aber war der grabstein nicht mehr gut erhalten. Zwar die
worte über das fehlen des datums dürfen nicht dahin ver-
standen werden, dass die inschrift defect gewesen wäre1), sie
sollen nichts weiter sagen, als was wörtlich in ihnen steht.
Ebenso sicher ist es aber, dass P. mit dem, was er über die
färben des wappens sagt, nicht behaupten will, dieses sei schon
ursprünglich farblos gewesen, er will im gegenteil feststellen,
dass es farbig war2), dass aber die färben nicht mehr er-
kennbar s) waren; wer die färben noch hätte feststellen wollen,
hätte früher reiten müssen.4) Da nun der grabstein erhaben
war, also an der wand stand5), nicht auf dem fussboden lag,
wo die bemalung leicht hätte abgetreten werden können, so
muss das fehlen der färben auf ein nicht zu gering bemessenes
alter des Steines hindeuten. Er kann also nicht etwa nach
dem um 1429 begonnenen6) umbau der Eschenbacher kirche
:) Wie Schmeller, Abb. d. bayr. akad. II 200 annimmt.
-) Ueber farbige grabsteine vgl. Scbulz, Höfiscbes leben II 475 ff.
3) Conrad v. Gruenenberg bat die färben, die er dem wappen Wolf-
frams gibt, nicbt dem grabstein entnommen; denn bätte er sie da nocb
gesehen, so bätte aucb P., der etwas früher schrieb, sie noch sehen müssen.
Gr. hat also — was wichtig ist — für seine wappenzeichnuug eine andere
quelle gehabt.
*) So verstehe ich Strophe 129, 3. 4 : ja müest er schnelle drafen, der
tms erfüer derselben khleinot färb.
5) Anch wer 'erhaben' nicht mit 'aufgerichtet' übersetzen will, son-
dern als 'mit erhabener arbeit verziert' fasst, muss schliessen, dass der
stein nicht auf dem boden lag; denn die in den fussboden eingefügten
grabplatten mussten aus naheliegenden gründen möglichst flach gearbeitet
werden.
6) Vgl. Regesta sive rerum Boicarum authographa XIII 139 , Urkunde
vom 26. märz 1429: 'Symoii von Leonrod, Comenthur zu Nuremberg und
W0LFBAMS GRAB UND D1K HEIMATFBAGB. 325
ersl anfgestelll wurden sein, sondern stand gewiss schon ge-
raume zeit in der alten kirche, ja wir werden seine entstehnng
ins ins 11. jh. zurückverlegen müssen, wenn wir nichl an-
nehmen wollen, dasa er wenigstens in der allen kirche starker
abnutzung ausgesetzt auf dem boden gelegen hatte. AJber diese
annähme scheint mir anzulässig: man legte doch nur solche
grabsteine auf den boden, die ein tatsächlich darunter befind-
liches grab bedeckten; welchen /werk hätte dies geluiin bei
einem stein, der für einen längst verstorbenen gestiftel wurde
und trotz der Worte hie ligt kaum an der stelle des wirklichen
grabes stand? Denn dass der grabstein nicht aus der zeit von
Wolframs tod selbst stammt, ist ja klar; es verlohnt sich nicht,
heute noch worte darüber zu verlieren.1) Schon die bezeich-
nung Wolframs als eines meistersingers — um von anderem
zu schweigen — ist beweisend für die späte entstehnng der
inschrift; wir müssen sie lu-rabrücken in eine zeit, in welcher
einerseits die eiinnerung an den epiker Wolfram schon sehr
geschwunden war und andererseits sich schon eine meister-
singertradition gebildet hatte, die "Wolfram unter die grot
Vorbilder ihrer schule rechnete. Wir kommen damit mindestens
in die mitte des 1 I. Jahrhunderts. Zwischen 1350 und 1400
ist also meines erachtens die entstehung des grabsteins an-
zusetzen.
I >a nun Püterichs angaben über "Wolframs grab in den
Untersuchungen über die heimat des dichters eine rolle zu
spielen pflegen, so ist die frage aufzuwerfen, welchen um-
stünden und wem denn der von ihm gesehene grabstein sein
dasein verdankt. Mehrere möglichkeiten kommen in betracht,
li Der grabstein könnte an die stelle eines älteren Steines
iten sein. Mann müsstenwir aber annehmen, dass dieser
M» vollkommen unleserlich geworden war, da-- es nicht mehr
Kapfenburg, D rd ns, bekennt, dass Johann M ihm
and Beinern haus zu Nürnberg aus gnade und nur widerruflieb erlaubt
aus '!• inbrüchen um • itat1 und .im Lindeiberg steine
zum ban der kirche and der b( idt Eschenbacb . 3chi
abweichende Beitang kbe über den umban der kirche i >t zu
streichen.
'» Auch v. Siegenfeld, Daa landeswappen der Steiermark
aaigl onnOtigeD eifer, die echtheil der inschrift zu bestreiten; denn Bf
hanptete sie auch damals schon niemand mehr.
326 HELM
möglich war, seine inschrift in ihrem ursprünglichen Wortlaut
mit der angäbe des Sterbedatums zu reproducieren. Authentisch
könnte immerhin das wappen sein; beweisen lässt sich das
aber nicht.
2) Die zweite in betracht zu ziehende möglichkeit ist die,
dass grabstein und inschrift ihre existenz nur einer tradition
verdanken, welche behauptete, Wolfram sei in dieser kirche
begraben. Es würde sich in diesem fall natürlich darum han-
deln, worauf die tradition beruhte; und auch hier ist wider
zweierlei möglich. Sie kann zurückgehen auf ein wirklich
einstmals vorhandenes grab, dessen stein aber längst verloren
war, ebenso wie Walthers grabstein schon um 1300 nicht mehr
vorhanden war. Oder diese tradition war wirklich nur leere
tradition, die sich ohne sonstige tatsächliche grundlage einfach
an den namen des ortes allein angeknüpft hat, wie sich viel-
fach sagen an örtlichkeiten anschliessen, — oder vielleicht
noch an einen einst vorhandenen grabstein eines ritters von
Eschenbach, der aber gar nicht unser dichter war.1)
a) Ein modernes parallelbeispiel dafür ist ans Nürnberg anzuführen.
Man kann in büchern über Nürnberg z. b. in Griebens Führer s. 87 und bei
P. J. Kee, Nürnberg (berühmte kunststätten V) s. 173 lesen, dass dort auf
dem Johannisfriedhof das grab des Hans Sachs erhalten sei, womit natür-
lich der meistersinger gemeint ist. In Wirklichkeit weiss kein mensch, wo
Hans Sachs begraben ist, und in dem von den führern genannten grab (es
trägt die nummer 503) ruht ein ganz anderer Hans Sachs, der ebenfalls im
16. jh. lebte, mit seiner familie. Wie bei den meisten gräbern jener zeit liegt
auf dem stein eine schmuckvolle bronzeplatte; diese trägt die folgende in-
Des Ersamen Hannsz Sachsen Zi\ckkes„
machers vnd Anna seiner Ehewirtin und Irer
beider seeligen Erben Begrebtnus Anno Domi
1589
Hie lig Ich in der erden ruhe vnd Schlaff
Bisz Ich durch Christum widerum erwach
Der dann mein Grab wirdt Enndeckhenn
vnd mich zu eim Herrlicher leben Erweckhen.
Dodenleib vnd Seel wird wider vereinigt werde
darin Ich werde sehen Gott meinen Herren
die Heilige Tryfältigkeit mit grossen Ehm.
Ein mehr als oberflächlicher leser, der von der inschrift nichts weiter be-
achtet hat als den namen, hat die falsche notiz in den genannten büchern
auf dem gewissen. Wahrscheinlich ist sie auch noch in anderen anzutreffen.
WOLFRAMS GRAB UND DIE BEIMATFBAGE. •"•'_.
Audi zwischen diesen beiden möglichkeiten für die her-
kiiut't der tradition können wir eine sichere entscheidnng nichl
treffen; wollen wir aber vorsichtig Bein, so dürfen wir nichl
weiter schliessen als das eine: in der zweiten hälftedes li.jh.'s
bestand die — richtige oder falsche tradition, dass Wolfram
in der Frauenkirche zu Eschenbach bei Ansbach begraben Bei,
und es wurde deshalb «Ion für ihn «'in neuer grabstein auf-
gestellt. Angi sichte dieser unsicherheil dürfte es geraten sein,
der Püterichstelle in den erörterungen über Wolframs heimat
kein gewicht beizulegen, als es meisl geschieht. Sie
beweist an sich gar nichts. Der entscheidende beweis, dass
dieses Eischenbach wirklich Wolframs heimal ist, lässt sich
nur mit hilfe <1it bei ihm begegnenden Ortsangaben führen:
und erst aus diesem beweis folgl mit einiger Wahrscheinlichkeit,
aber keineswegs mit Sicherheit, dass die tradition über sein
grab i ichtig war.
IN bleibt nun noch die frage zu beantworten, wer wol
den grabstein, den Püterich gesehen hat, gesetzt haben mag.
Vollständig ausscheiden muss dabei die annähme, dass etwa
jüngere geschlechtsgenossen Wolframs es getan hätten. Denn
die t'amilie der Eschenbacher erlosch doch aller Wahrscheinlich-
keit nach bereits im ersten dritte] des 11. jh."> mit Heinrich
und Friedrich von Eischenbach, wol zwei brüdern, deren er-
ledigte lehen Graf Rudolf von Wertheim am 5. jan. L328 dem
deutschen orden schenkte.1) So früh kann der grabstein nicht
datiert werden. Auch hatten geschlechtsgenossen Wolframs
Bicher eine richtig! re Vorstellung von Beiner dichterischen tätig-
keil bewahrt und ihn zum mindesten nicht als meisterainger
bezeichnet. Es muss also irgend ein anderer 'verehrer' Wolf-
rams, wie auch Goette a.a.O. s.110 Bagt, der Btifter gewi
.sein, vielleicht auch mehrere, Wenn wir nach solchen suchen,
werden wir in erster linie au den deutschen orden denken, der
in Eischenbach reich begüteii war und ; der
Bchenkung vom jähre 1328 gewi en tue verpfliehl
nun der gprabttt« in eini
■ rolle fehlt«
; , ii ml dase -
'.in dum naturlii i
328 HELM
fühlen konnte, Wolframs andenken zu pflegen. Trotzdem halte
ich es nicht für wahrscheinlich, dass der Stifter des Steines ihm
angehörte. Der deutsche orden zeigte allerdings, wie bekannt,
im 14. jh. lebhafte literarische interessen, aber doch vorwiegend
in dessen ersten Jahrzehnten. Er wante auch sein interesse
nicht wahllos allen erzeugnissen der deutschen literatur zu,
sondern speciell der geistlichen dichtimg, von der weltlichen
dichtung aber jenen werken, welche ritterlichen kämpf gegen
die heiden verherrlichten.1) Anteilnahme an weltlicher lyrik
ist bei ihm nicht nachzuweisen und auch nicht zu erwarten.
Von Wolframs werken lag also der Willehalm durchaus im
interessenkreis des deutschen ordens, der Parzival schon
weniger, die zum teil sehr weltlichen lieder ganz und gar
nicht. Unter diesen umständen wäre es absurd, zu glauben,
Deutschordensritter hätten Wolfram als einem 'meistersinger',
wie ihn doch die inschrift nennt, ein denkmal gestiftet. Diese
bezeichnung weist vielmehr bestimmt darauf hin, dass der Stifter
da zu suchen ist, wo man den meistergesang zu schätzen wusste:
im bürgertum. In betracht können hier natürlich bürger von
Eschenbach selbst kommen, aber eher doch noch bürger des
benachbarten Nürnberg. Beziehungen zwischen Nürnberger
familien und Eschenbach sind im 14. jh. mehrfach nachweisbar,
die Nürnberger ordenscomthure warben offenbar eifrig und
mit erfolg um Zuwendungen für ihren Eschenbacher besitz.2)
Im jähre 1335 schon vermachte eine Nürnberger dame, Jung-
frau Milte, dem orden einen liof und drei hof statten, die sie
in Eschenbach besass.3) Besonderes interesse erweckt es dann,
dass das alte Nürnberger geschlecht der Holzschuher gegen ende
des Jahrhunderts beziehungen zu Eschenbach hatte. Friedrich
Holzschuher, spitalmeister zu Nürnberg, söhn Bertholds Holz-
schuher des älteren und bruder Bertholds des jüngeren, stiftete
zu ehren unserer lieben frauen eine frühmesse zu Eschenbach
und kaufte zu deren ausstattung in den jähren 1380 — 1384
mehrere guter.4) Es wäre nicht übel, wenn wir in einem
') Vgl. Buch der Maccabäer, einleitung s. lxxviii f. und Steffenhagen,
Zs. fda. 13, 569 ff.
2) Vgl. Dumm, Geschichte der Stadt Eschenbach s. 11 ff.
'■') Dumm a. a. o. s. 13.
4) Vgl. die Urkunden vom 22. febr. 1380, 21. dec. 1384 und i. april 1386
NEUES ZUH HUERLIEFEBUNG l>KS BVANGELIUM8 NTCODBMI. 329
gliede dieses geschlechtes auch den Btifter unseres Grabsteines
sehen, vielleicht sogar dessen Btiftung mit der Btiftnng der
messe zeitlich in Verbindung bringen durften: aber wir haben
keinen anlass, solches v.w schliessen. Die Flolzschuher dürfen
ans nur ein beispiel für viele sein; ebensogul wie Bie können
auch andere Nürnberger Familien in beziehungen zu Eschenbach
gestanden haben, ist »loch auch Doch eine zweite frühmesse da-
selbsl wenig später, im jähre 1410, durch die Ntirnbei
bürger Eckhardl Neydung nud seinen söhn gestiftel worden
(vgl. Dumm s. 15). In dieser bürgerschafl Nürnbergs hal aber
■ ewiss auch im 1 1. jh. schon der meistergesang freunde und
pfleger gefunden, wenn auch die blute der dortigen singschule
er>t ins L5. und 16. jh. fällt. Wir werden deshalb kaum fehl
gehen, wenn wir annehmen, dass aus diesen kreisen der oder
die 'verehrer' Wolframs stammten, die — ohne viel von ihm zu
wissen Bein andenken als das eines 'meistersingers' durch
Stiftung eines grabsteins ehren wollten.
(RegeataX50. 145. L50), Bowie eine aus dem jähre L381 (Jahreaherichl des
bist Vereins für Iffittelfranken XX LO). Bestätigung der Btiftnng durch bischof
Friedrich IV von Eichstätl erfolgte im jähre L390; tiehe auch Dumm
.t. ;i. 0. B. 1 l.
(ÜKSSKN, den ls. dec. L908.
NEUES ZUB ÜBERLIEFERUNG
DES EVANGELIUMS NICODEM1 VON HEINRICH
VON 3ESLER
Das im besitz von F. Menclk in Wien befindliche, von
hrdder, Zs. f da. 50, 386 ff . publicierte Fragment des Evan-
geliums Nicodemi kann, wie schon Schröder a.a.O. feststellt,
zur textkritik nichts beitragen. Trotzdem ist es in mehrfacher
binsichl nicht uninteressant Das Fragment, nennen wu
da es wo] überhaupt nur die Veronikalegende enthielt, w
') Die beseii bnnng r hof«
bibliothek in ansprach genommen.
330 HELM
kann in seinem Verhältnis zu den anderen hss. genauer be-
stimmt werden, und zwingt uns, die Stellung von G innerhalb
des handschriftenschemas, wie ich es in der einleitung zu
meiner ausgäbe des Ev. Nie. s. xix aufgestellt habe, etwas zu
modificieren.
Dass Wv der von mir mit z1 bezeichneten handschriften-
gruppe zugehört, ergibt sich mit zwingender notwendigkeit
aus den versen 4649 f., in denen es den fehler dieser gruppe
hiez . . . schrien gegen lies in Syrien teilt. Aber auch innerhalb
dieser gruppe ist sein platz bestimmter anzugeben. Ueberliefert
ist die in Wv enthaltene partie 4530 — 4658 in G und s, zum
teil auch in m; die anderen hss. der gruppe reichen nicht so
weit.2) Zu keiner der genannten hss. stimmt Wv genau —
das ist schon durch die nachlässige textbehandlung aus-
geschlossen — , aber einige lesarten stehen doch jenen von G
sehr nahe.
Am wichtigsten sind die verse 4543 ff. Sie lauten im
Original: wen ^je gjut D]in^ haltz und toub
und sint niht wan der sele roub;
4545 wer hier an sie geloubet
der wirt dort beroubet
des ewigen heiles.
Die hs. s hat v. 4544 ausgelassen, die übrigen verse aber
ziemlich ungeändert beibehalten; dadurch und durch G 4544
wird die ganze stelle für z1 gesichert, G hat nun aber in
der weise geändert, dass es 4543 in zwei verse auseinander
reisst und dafür 4545 f. unter gleichzeitiger änderung des
Wortlautes in einen zusammenzieht. Die stelle lautet dann:
wan si sint Mint,
holtz, top, vnde sint
niht wan der sele röp.
der an si gelobet, der ist top
des ewigen heiles.
Die für Wv nach ergänzung der lücken anzusetzende fassung:
J) Bibliothek des Lit. Vereins no. 224 (1902).
2) Auch keine hs. der weiteren gruppe z ! Ich bemerke das ausdrück-
lich, weil in meiner ausgäbe s. xviii infolge eines druckfehlers irrtümlich
die verse 4519—4546 unter dem bestand von M erscheinen; gemeint sind
die verse 4419—4446.
NEUES ZUB ÜBERLIEFERUNG DES EVANGELIUMS NICODEMI. 331
wan ri rint der Bele raup,
</. r im n gelanbt der ial taup
ii, $ ewigen hailez
setzt direcl die Version von G in der vorläge voraus.
Ebenso passen zu <>' sehr gut die folgenden einzelnen
verse, die ich jeweils mit den entsprechenden der hs. <; und
des Originals (t >> zusammenstelle.
v. -i.'iTo <laz auch Bi dea lauben warn Wv
ilaz Bi ee i wti.ii ( i
<kiz bi gelonbic waren < > and b!
7.4652 mit tyto seine- Bvn reit? Wv
mit -iii'-ni buh rlten < I
mit Binem Bone Titen 0 and b!
v. 4654 nutz -i die inneren aessen Wv
nutz sich «Ii inren aezzen < ■"
liiz sie Bich selben ezen 0 and
Audi v. 1600 es nah im <l>> chunich wart stimmt zu Gr; denn
das anvollständige anfangswoii des verses ist sicher ent-
sprechend der lesart von G (gahes) zu gahes zu ergänzen.
Das 0 kann keine schwierigkeil machen, denn e für s ist in
Wv überhaupt häufig-.
Die aufgezählten Übereinstimmungen zwischen Wv und G
könnten ihre erklärung darin linden, dass der compilator von
Wv die hs. G direcl benutzt hat Dagegen scheint aber
anderes zu sprechen. In einigen versen hat Wv nämlich die
von G ai ene lesarl des Originals beibehalten oder steht
diesem wenigstens Daher, [ch nenne zuerst v. 1636 vR dir
trevlich diensthafi Wv, und dir dienesihaft wes ■■< (| gegen
ru dir dienendi >> Diese stelle ist allerdings nicht
beweisend; denn es wäre immerhin möglich, dass ein Schreiber
ein in seiner vorläge stehende* selbständig in dienest-
haß geändert hätte. Dann wäre die Übereinstimmung mit dem
nndär und zufällig.
Wichtig ist dagegen \ . 162 lüii
mi .. i ./- tagi t i m also !
In v. 1619 Bteht NN \ zwischen dem original und <;: man
l eiche: <ln bist <>> l \ pisi an di
Hai erehforen Wv und du bisi an
hreibt Btatt dessen du bist tu /.<
332 HELM
Dies scheinbare schwanken zwischen G und dem original
kann zweierlei Ursachen haben. Hat der compilator G direct
benutzt, so muss ihm daneben eine zweite dem original näher
stehende hs. vorgelegen haben, der er die von G abweichenden
stellen entnahm. Das ist aber bei einem manne, dem es gar
nicht auf die qualität seines textes ankam, recht unwahrschein-
lich; nur wenn er das bestreben gehabt hätte, einen guten
text zu bieten, wäre es erklärlich, dass er sich bei einer
zweiten hs. rat geholt hätte. Wir müssen uns also nach einer
anderen erklärungsmöglichkeit umsehen: es kann nur die sein,
dass der Schreiber von Wv nicht nach G selbst gearbeitet
hat, sondern nach einer hs., auf die auch G zurückgeht. Diese
vorläge kann aber nicht die hs. z1 gewesen sein, weil z1, wie
wir gesehen haben, die stelle 4543 ff. noch in der richtigen
fassung hatte. Wir müssen also zwischen z1 und G noch eine
weitere hs. einschieben, der G und Wv mit verschiedener
treue folgten. Ich nenne sie z4; das Schema der hss.-gruppe z1
stellt sich darnach folgendermassen dar:
Wv G
w,r
Diese hs. z4 muss in den versen 4543 ff. 4570. 4652 und
4654 bereits den uns aus G bekannten fehler gehabt haben,
sie hatte dagegen in v. 4624, vielleicht auch v. 4636, noch die
lesart des Originals. In v. 4619 liegen die dinge anders. Hier
hat auch der Schreiber von s geändert und zu dieser änderung
hätte er keine veranlsssung gehabt, wenn in seiner vorläge
noch die klare lesart des Originals an sine stat gestanden
hätte. Umgekehrt wäre die lesart von G und Wv unverständ-
lich, wenn schon in z1 wie in s zc heiser erclwrn1) gestanden
J) Auch m schreibt: zeinem heiser erweit. Es ist daraus uicht ohne
weiteres auf nähere Zugehörigkeit zu s zu schliessen, da es ja sehr nahe
lag, an stelle einer unverständlichen lesart diese wendung einzusetzen.
NEUBB SSÜB DBBBLIBFEBUNG DBS EVANGELIUMS NTCODEMI.
hätte. Wir müssen also annehmen, dass bereits der Schreiber
von z1 Btatt an sine stat versehentlich an des riches etat
schrieb. Diese Lesart ist dann in z* übergegangen, von wo
sie unser compilator übernahm, während der Schreiber von Q
einen bessernngsversnch machte.
Dass wir auf diese weise zn den früher erschlossenen
Bechs verlorenen hss. des Evangeliums Nicodemi (x, y, z, z1, z*, z I
nun noch eine siebente erhalten, darf uns nicht Btören; denn
die zahl der verlorenen hss. hat damit Doch nicht die der er-
haltenen hss. erreicht, und ich glaube, wir müssen bei allen
dichtungen des mittelalters mit einem sehr viel ungünstigeren
Verhältnis zwischen verlorenen und erhaltenen hs>. rechnen
und ganz besonders bei einem werk wie dem onsern. Wer
kann uns sagen, wie viele hss. im ordensland in den stürmen
des II. und 1">. jh.'s vernichtel worden sind! Auch die be-
liebtheil des im Ev. Nie dargestellten Stoffes spricht für eine
reiche handschriftlirhe Verbreitung; und für diese beliebtheit
isi auch diese neugefundene hs. ein beredter zeuge.
Es ist bisher Bchon als sicher angenommen worden, dass
MeiK-iks handschrift nichl etwa die beiden gedichte: Christi hört
von Gundacher von Judenburg und Heslers Ev. Nie. getrennt
enthielt, sondern eine contaminationsarbeit, woran ja auch
Schröder nicht zweifelt. Die nahe berührung im inhall legi
das schon Behr nahe: es lässl sich aber auch direel beweisen.
Schon Schröder bemerkt, dass der text des ersten blattes von
dem Bonsl bekannten texl Gundachers stark abweicht, und
besonders stark wird die düferenz am Schlüsse. Dies erklärt
sich sehr einfach daraus, dass eben auch hier zum teil schon
verse ans «lern Ev. Nie vorliegen. Ich Btelle die letzten
verse von Matt iv den entsprechenden vereen Eeslers in
paralleldrucs über nnd hebe da- gemeinsame durch
Bperrung hervor:
Wv i|S KvN.
: i in w le i- wtt ergangen m d i me u
ir geecbibl vut/ en ende 'li<' rede irem im ende.
iwe nen min wende 0 »räch der missewende!»
■p* ob ■. li der k
L470
n v mfll ich iiiuir ijuuclcn -us im in uz ich immi B MI
mit nftteo 'li< leb ;..;,;.:; man. mit diseu uutun die leb fa
334 HELM, NEUES ZUR ÜBERLIEFERUNG DES EVANG. NICODEMI.
Wv(lv) Ev.N.
Seit mir ds iesus niht macht puz
ach wie sol iz mir ergan.
(Gunclacher v. 4976)
Haht aws ir pylate iht getan Hat ir Pilate iht getan?»
Hier können wir deutlich sehen, wie beide gediente in-
einander gearbeitet worden sind. Zwischen dem letzten auf
blatt 1 und dem ersten auf blatt 2 stehenden vers aus dem
Ev. Nie. liegen 60 verse; so viel konnte die abgeschnittene
spalte ld nicht enthalten; der Inhalt muss also wesentlich
gekürzt worden sein. Bestätigt wird aber auch dadurch wider
Schröders annähme, dass beide blätter reste desselben doppel-
blattes, des innersten einer läge, sind.
Nur mit einem wort sei noch darauf hingewiesen, dass
wir in diesem fragment nun bereits den dritten fall einer
compilation des Evang. Nie. mit einer anderen dichtung be-
sitzen. Die beiden anderen compilationen liegen vor in m
(Heinrichs von München fortsetzung der Weltchronik Eudolfs
von Ems), wo die verse des Ev. Nie. mit solchen aus dem
Passional vermengt sind, und in der hs. W, in welcher das
Ev. Nie. mit Bruder Philipps Marienleben zusammengearbeitet
ist (vgl. meine einleitung s. xn und xix).
GIESSEN, den 27. Januar 1909. KAEL HELM.
MEISTER ALEXANDERS
PARABEL VOM GUTEN BIRTEN.
Die romantische Situation der rückerinnerung an die
fruhHngst&ge der kindheit (J1 str.30 32), im herbste der land-
schafl and des lebens (J 30,7. 31,7), auf die sich Alexanders
gedieht -i str. 30 36 aufbaut, li.n es bei dessen erklärern von
jeher in scharfen gegensatz zu seinen übrigen gedichten ge-
bracht [hren extremsten ausdruck fand diese sentimentalische
betrachtungsweise wo! in Roethes Charakteristik des po£ms
(Die gedichte Eteinmars v. Zweter s. 354) von seiner dem musi-
kalischen Schematismus der sangweisen in J widerstreitenden
melodie aus; er nennt es da 'das liebliche Volkslied von den
erdbeersuchenden kindern, das unter Alexanders namen steht*.
Bei solcher auffassung der drei mittelstrophen (kinder bei der
beerenlese in Bchlangengefahr) als thema des somil strenge
concentrisch (2 : 3 : 2 str.) aufgebauten gedichtes musste man
annehmen, dass die Strophen 32. 33. •"•! parallele Variationen
einer eventuell von Vergil Ecl, LH 92 abhängigen (vgL Ed.
Schröder in Zs. fda, 12. ".71 f.) ßituation seien (& A. Wallner in
Beitr.34, L84). I >ann zerlegte aber die Zeitangabe 33, 2 ^Qtstem
do wir ertberen lasen*) inmitten des hauptteiles ihn in zwei
ungleich Btücke, ohne dass ein sachlich« asatz
elben die trennung rechtfertigte. Diese Unklarheit sachte
nun A. Wallner i Beitr. 34, 184 L)\ ermöge einer blossen Bt rophen-
irersetzui im mittelstücke des
htes zu beheben, indem er durch str. 33 mit der zeit-
los den hauptteil eröffnen und durch 32 beschliessen I
da er in der ahnlichkeil der worte des waldhuters 32,7 'wol
') Zu grnnde gelegt LrackronJ: Di
336 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
dan kinder vnde get heyn' ~ 35, 1 'Vvol dan get hyn vz dem
walde' eine in der hsl. stroplienfolge zerrissene verklammerung
von 32 und 35 sieht; auch die einleitung (str. 31) glaubt
Wallner mit dem hauptteile (str. 33) durch das — wegen des
zeitlichen Zwischenraumes {gestern) noch deutlichere — gegen-
stück des reinen zum erdbeerbefleckten kindergesichte *) besser
verbunden (s. a.a.O. s. 186). Dem zusammenhange des haupt-
teiles, der ja nur aus parallelen bildern bestand, konnte eine
solche Umstellung überdies nicht schaden.
Die Zusammengehörigkeit der str. 35 und 36 lässt sich
durch die recapitulation des resultates von 35 in 36 mit den-
selben stichworten im selben causal Verhältnis, aber in ver-
schiedener einkleidung stützen: 35,6 'Ir vürs innen. Vch' >
35,7 'wirt uwer vreuden klage' = 36,2 'vivnf ivncvrouwen.
Sich vürsvmten' > 36, 4 'Ir klage vnde ir schade was groz'.
Str. 35 ist das begriffspaar säumigkeit > ungemach die an-
gedrohte folge der sorglosen freude der kinder an der in 33
geschilderten Situation des erdbeerenlesens im buschwerk und
passt sich so als resume aus den Warnungen vor schlangen
und einbrechender dunkelheit in die 30—32 geschilderte sce-
nerie ein. Um seiner Warnung mehr nachdruck zu verleihen,
widerholt sie der hirte in einem an die evangelische parabel
von den fünf törichten Jungfrauen (F. Pf äff, Minnesang I 221,
v. 55; Beitr. 34, 186 f.)2) angelehnten Uspel den kindern und
infolge deren eingangs festgelegter identität mit dem publicum
(1, 1 'Hie bevorn do wir kynder waren') der dichter seinen
x) 31,4/7 'Da scheyn vnser kintlicli schyn Mit dem nuwen krantze.
Tzv dem tantze.' : 33, 1 f. '"Wir vntfiengen alle maseu. Gestern do wir ert-
bereii lasen.'
2) Büttel (= die stocwarten) , die königliche befehle ausführen, be-
gegnen auch im gleichnis von der königlichen hochzeit Matth. 22, 13; da
befiehlt ihnen der könig, den nicht mit hochzeitlichem gewande bekleideten
festgast hinauszuwerfen in die äussere finstemis. Für ein hereinspielen
dieser stelle in die str. J 3G spräche die neueinführung der stocwarten =
ministri daselbst und ihre abhängigkeit nicht von einem sponsus (Matth.
25, 1), sondern von einem Jcvninc = rex. Doch mag auch eine reminiscenz
an Luc. 12, 36 ff. vorliegen. Zu gunsten des Wallner'schen hinweises auf
das hohe lied darf vielleicht an die Verbindung der Jungfrauenparabel mit
der hochzeit des hohen liedes in Zieglers Parabola Christi de decem vir-
ginibus (s. ühls Teutonia IV 33) erinnert werden.
MEI8TER ALEXANDERS PARABEL
Zuhörern. Die widerholung <\i'> begriffspaares und Beine for-
muliernng als resultat aus den vorhergehenden scenen lässl
in ilnu den grundgedanken des ganzen gedientes erkennen,
während die einkleidung dieser idee in das evangelische
gleichnis ihre identität mit Matth. 24, 42 ergibt; 'vigilate
ergo, quia nescitis qua hora Dominus vester venturua Bit',
Bagl Alexander in negativer Formulierung mit Beiner warnung
vor Saumseligkeit Dazu stimmt, dass die stelle Matth. 24, 42
am Schlüsse der parabel von den zehn Jungfrauen auch im
Matth. -evangelium (25, 13) widerkehrt and dass der mhd.
dichter auch den geistlichen Bpruch .1 str. 28 mit den weiten:
'wachen! wol. Da man wachen sol'1) beendet. Vers85,l 'Vvol
dan get hyn vz dem walde'2) ist zufolge der einleitenden
forme] (vvol <!<:>/ nun denn) das resnltal früherer aus-
führungen, die nach 85,3 in einem den kindern von ihrem
hirten erzählten btspel bestanden haben müssen. Es wird
nochmals zur begründung von 35,2 'Vnde enylel ir nicht
balde' zugleich mit der - durch die gefahr dc> verirrens
benen — notwendigkeit, der aufforderung 35, l bei tage
uachzukommen, herangezogen. Str. 32 bietet nun keine den
beerensuchenden kindern von ihrem huter erzählte geschiente,
aus der sich Beine mahnung 35, l mit ihrer näheren bestim-
niunLr 35,2 ableiten liesse, wo] aber die 34. str., die sich schon
durch ihren unpersönlichen einsatz (34, l 'Ez gienc ein kvnt'i
als einlage präsentiert Das Kind der 34. str. ist demnach
keines von den behüteten kindern, Bondern befindet Bich nur
in ähnlicher3) läge. Seine erfahrung vermittelt es daher nicht
den kindern von Btr. 85, wie die bisherigen ausleget und bgg.
des gedientes glaubten, Bondern Beinen Spielgefährten, mit denen
1 Vgl. ntrgite oigüemus in der lateinischen grundlage dee spiel«
den lehn Jungfrauen (Übte Teutonis l\' 11; in. abhandL 24
-i Der durchaus keil bwachte widerholung der mahnung heim-
ragehen (82,7) darstellt, wie Wallner meint, sondern von Dir essentiell
hieden ist, wie daraus erhellt, dass beide grün inen Inhalt
sieh oiohl auf das heimatliche wohnhaus der kindi d sul des
:,r||.
nirgends gesagt, dass dii ron ihm angerufene kinder-
such erdlx eren liest l •• tm ertaub r k
auf 'li'- (Übereinstimmung der beiden entscheidenden d kiuder
im bnscb w. i waldeehlaf
Hl tri hichtr ilei deutschet» », . •■ \ I •
338 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
es im walde lief. Der hirte erzählt eben seinen Schützlingen
eine kindergeschichte, wie sie ihnen durchs märchen vertraut
sein niusste, um seiner daraus gefolgerten lehre (35, 1) den
anschein einer auf den gegebenen fall besonders passenden
erfahrungstatsache und damit grössere Wirksamkeit zu ver-
schaffen. Deshalb lässt er sie auch nicht vom kinde seines
Mspels dessen kameraden geben, sondern zieht sie selbst daraus
und richtet sie an seine Schützlinge. Damit ist die strophen-
folge 34. 35. 36 gesichert. 32 und 33 liegt im wesentlichen
dieselbe Situation zu gründe: beide male füllt die erste strophen-
hälfte die Schilderung kindlichen Spieles aus, das im zweiten
strophenteile ein hirte stört. Die details weisen jedoch, dass
es sich in 33 um die specielle ausdeutung der allgemeinen
darstellung von 32 handelt. In 32 ist das 'ertberen suchen'
nur ein moment1) zur Charakterisierung der an keinen be-
stimmten Zeitpunkt, sondern nur an eine allgemeine zeitlage
gebundenen kindlichen beschäftigung und daher folgenlos, in
33 ist es die ausschliessliche tätigkeit zu einer bestimmten
zeit (gestern) mit bestimmten folgen. In str. 32 mahnt die
herumtollende Jugend ein waltiviser, der zufällig durch den
tann schritt ('rief ... Durch die riser'), zur heimkehr, ohne
seine auff orderung direct begründen zu müssen; denn er wird
— nach dem allgemeinen Charakter der strophe zu schliessen
— meist des abends die tagsüber (32, 4) währenden spiele
durch seinen wolmeinenden zuruf beendet haben. Str. 33, 5
warnt vnser hirte, also die aufsichtsperson der kinder, sie
vor schlangengefahr. Dadurch ist das local der scene be-
stimmt (vgl. 'in dem krute' 34,1), während es nach 32, dem
jeweiligen spiele angemessen, verschieden sein konnte: eben-
sogut der erdbeerschlag, wie der hochwald. Dieser innere
gegensatz der beiden gleichgebauten str. zwingt, 34 von 33
abhängig zu machen. Denn nur aus einer speciellen Situation
kann eine erzählung hervorwachsen, die zur beachtung einer
scharf umrissen en läge auffordert, und nicht einem beliebigen
unbeteiligten darf man diese tendenziöse geschiente zumuten,
x) Wenn man richtig an den verschluss eines jeden der drei ersten
verse der str. 32 ein komma setzt und so v. 2 und 3 direct von liefe wir,
anstatt von suchen abhängig macht, wie bisher. Leider bedachte niemand,
dass im schatten des hochwaldes keine erdbeeren gedeihen.
ÜBISTSB ALEXANDERS PARABEL.
Bondern nur einem um das Schicksal der in jener läge befind-
lichen personen besorgten. Das kann nun von niemand mehr,
als von dem ihnen bestellten hüter vorausgesetzt werden
Entscheidend isl ferner die Warnung des letzten Verses vo]
vor schlangen in directer rede des birten, welche die einlage
34 unmittelbar veranlasst, da es gilt, den achtlosen kindern
den ganzen umfang der constatierten, nur kurz angekündigten
gefahr vor äugen zu stellen. V. 32, 7 steht endlich in auf-
fälligem zusammenhange mit den entsprechenden Zeilen von
80 und 31. Alle drei eingangsstrophen entwerfen in ihren
ersten 6 versen bilder aus der kinderzeil (spiel auf den wiesen,
veilchensuche, Schönheitswettbewerb, tanz, erdbeereniese, spiel
im walde), deren barmonie die Schlusszeilen durch einfuhrung
einer contrastierenden betrachtung absichtlich stören: 30, 7
knüpft die elegische reflexion aber den Wechsel der Zeiten an
das in der Strophe gegebene local (reimwoii wesenfy, fingier!
also, wie Walther ed. Lachmann 124,10, rückkehr in » 1 i *j
heimatlichen Auren; 31, 7 gibl eine allgemeine bemerkung
über die vergänglichkeil irdischer Ereuden in der bedeutung
Walthers L24, 15 f.; v. 32, 7 bleibt im bilde, indem er das kind-
liche spiel durch die worte eines erwachsenen jäh beenden
lässt Der Grundgedanke dieses gedichtteiles, die Vergänglich-
keit irdischer Ereuden, ist jedoch in allen drei Btrophenschlussen
derselbe, erfährt nirgends eine Steigerung, allegorische amdeu-
tung oder lehrhafte wendung. Dadurch repräsentiert sich der
Btrophencomplei 30 32 als einleitung des poems, in utdclmr
für ma.-liche anschauung typische fälle weltlicher Ereuden auf
ihre Vergänglichkeit geprüft werden. Für ein biographisches
erlebnis darf man sie wegen der oben am beispiele der 32. str.
gten allgemeinheit ihrer darstellung nicht halten (vgl.
Beitr. 34, 18£ . Dass der dichter sich selbst in die kinderschar
einbezieht, ist paradigmatische Verwendung des ich (&J str. 19),
wie sie Etoethe Et \. '/.. >. 197 für die Bprnchdichtung constatiert,
die ihre Lehren and Gleichnisse durch fingierte selbsterlebnisse
der antoren eindringlicher zu machen suchte. Jene ineinsetzung
mit dem publicum {wir) ist aber auch »'in durch die einheil
der christlichen interessen begründetes technisches merkmal
tlicher spruchpoesie i"-i Reinmar v. Zweter i-. Etoethe ;■
b.2621.) und. wie die beispiele lehren (J e \y lote vns
340 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
von dirre not' 9,1 'Sit wir nv hören die wynde toben etc.'
9,7 'vmme vnser heil'. 9, 10 ff. — 12,6 'Siben totliche svnde
. . . Die wir nennen sülen by namen.'1)), beim wilden Alexander.
An Spruchpoesie, nicht an Stimmungslyrik erinnern endlich die
formein set 32, 1 (vgl. Alex. J 20, 1 set; 17, 10 und 22, 11 nv
set; Roethe, R. v. Z. s. 263) und vvizzent ir 36, 1 (vgl. Roethe,
Reinmar s. 263; bruder Wernher ed. Schönbach 13,6 nü wizzet
doch] 59,12 so wizzet; 62,11 vür war so sult ir wizzen daz2)),
mit denen Alexander in unserem gediente den contact mit dem
publikum aufrecht erhält. Nach dieser Interpretation kann in
str. 30 — 32 nur der erste teil eines bispels in Roethes sinne
(s. Reinmar s. 241) gesehen werden. Dafür sprechen die obigen
beobachtungen an str. 33, welche eine der in 32 angedeuteten
möglichkeiten kindlich-weltlicher beschäf tigung tendenziös aus-
führt. Die Wallner in 33, 2 unverständliche Zeitangabe gestern
scheidet also bild und deutung, hat demnach die wichtige tech-
nische funetion, einen einschnitt im baue des gedientes zu mar-
kieren. Nach Alexanders von spruchpoesie3) und predigt be-
einflusster technik musste sich die allegorische auslegung der
kindheitsscenen ebenfalls in drei Strophen erledigen; so deutet
er die parabel von den beiden königstöchtern J str. 20 und 21
punkt für punkt ebenfalls in zwei str. (22. 23) aus, nachdem er
bispel und erklärung sinnfällig von einander geschieden hatte
a) Vgl. z. e. bruder Wernher ed. Schönbach 15,11 'in ist geschehen,
als u n s geschiht ' [geistlich!]. 2,9 'got die marter urnb uns leit.' 1,11 'sul
wir engelten des, und daz Adam und Eve den apfel az.' 3,9. 9,12, 4,1.
19,11 'wir leien.' 24,6. 28,10 'daz wir den Sünden vor dem töde en-
pfliehen und entrinnen.' 41, 1 f. 42, 1 ff. 44, 12. 52, 2. 58, 11 'der uns den
hiinel hat erkorn.' Friedr. von Sonnenburg ed. Zingerle I 1, 15 u.s.f.
2) Vgl. noch (nv) merket Alex. 6, 1. 6, 9. 9, 6; Wernher 9, 1. 10, 5. 16, 1.
19,1 (nü m.). 34,5. 72,1; Roethe s. 263. — des nement wäre Alex 6, 11.
(des nemet . . . war) Wernher 43, 4. — dar gedenket an Wernh. 59, 5; Roethe
s. 263. — daz sult ir vür ein bispel ouch enjohän Wernher 63, 10. — nü
saget Wernher 56,9. nü ratet, wise vriunt ebda. 49,9. nü ratet, lieben
vriunde ebda. 73, 4. Damit soll nicht gesagt sein, dass nicht auch die per-
sönlichste minnepoesie die anrede an die zuhörer kennt (s. Arnold Schiller,
Der minnesang als gesellschaftspoesie. Bonner diss. 1907, s. 17 f.); war doch
auch sie nur gesellschaftsspiel mit völlig irrealem inhalte!
3) Man denke an ihre Vorliebe für zweistrophige gedichte, in denen
sich bispel und deutung schön auseinander halten Hessen; s. Roethe, Rein-
mar s. 120.
miiistku Ai-r.\ wnr.us pararkl. 341
(s.22,1 'Der wilden rede nerae ich den kern'). Das ergebnis
Beiner exegese unterstreicht er dann in einer fünften (24.) Btr.
voll allgemeiner meditation. Ebenso hebt der dichter hier die
36. str. nicht durch die verschiedenheil ihres gedanklichen in-
halts, sondern durch dessen neue allegorische einkleidung von
der gleichgerichteten 35. ab. Diese schliesst sich um so enger
an die zwei vorhergehenden Btrophen an, als sie die durch die
einlage str. 34 unterbrochene scenenschilderung von 33 be-
Bchliesst. 34 bezieht sich ja. wie schon angemerkt, nicht auf
die personen des rahmens 33 und 35, in den sie Bich als er-
zählung im munde einer der rahmenfiguren einfügt. Sachlich
dient 34 zur darstellung desumfanges und derbedeutung der
in 33 angekündigten gefahr, während 35 ein vorbeugungsmittel
gegen Bie angibt and ihre consequenzen für den fall ihres ein-
treffens zieht. Der erste teil von 33 führt die in der folgenden
kleinen scene beschäftigten personen dramatisch nacheinander
ein. ein kunstmittel, das ebenso wie die schlussmoral .">•". 1 n.
an das spiel von den zehn Jungfrauen erinnert, das seine per-
BOnen nacheinander auftreten lässt und in dem von den ersten
vier törichten Jungfrauen gesungenen, chorischen endverse
(= ed. 0. Beckers. German. abhandl. -I. 96 it.) 553 'des si wi
ewielichen vorlorn' eine — schon nach der Vortragsart — ;ill-
gemeingültige lehre aus den begehenheiten des spiele^ zieht.
ohne sie durch den proclamator, in diesem falle einen engel,
viim Btücke loszulösen. Auch Bonsl stehen sich heide dichtungen
generell nahe; so erinnern die leichtfertigen worte der ersten
törichten Jungfrau:
l; 1 75 godea barmhertzekeil i-' also vil.
dai i'li mich fcrawen dar \n' Laiben wil.
wir wallen vns unsere jungen lybet fden.
zu der vrirtschaffl kommen wir nach harte wrol.
laßt .- /ml) ,t
■
und die sie ergänzenden ausführungen ihrer zweiten genossin
(-. Teutonia I V 18):
i; |h:! wir wuüen
ui it phaffen vnde nii /•
') B Germania in. :;n it.
342 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
wir frauwen vns nach wol ein zwentzig jare;
die Avyle werdent vns wol grae die hare,
daz vnser dan achtet nymant me:
sehet, so wullen wir dan ein ander leben an ge.
an die äusserungen der lebenslust bei Alexander, z. b. 31, 1 ff.
— Bei solcher Verwendung dramatischer eingangs- und schluss-
formen kann die technische Selbständigkeit der zweiten strophen-
trias des nach dem schema 3:3:1 str. gebauten s. g. kind-
heitsliedes nicht mehr zweifelhaft sein. Mit dieser dreiteilung
folgt meister Alexander der (bei gleichnissen besonders leicht
erfüllbaren) neignng der sprnchpoesie, inhaltliche mit strophi-
scher gliedernng möglichst in einklang zu bringen (Roethe,
R. v. Z. s. 339. 338), z. b. 1. Stollen : bild, 2. Stollen : deutung,
3. Stollen : moral. Die damit festgelegte dissonanz zwischen
liedform und spruchartiger gliederung des spruchmässigen
themas löst sich durch den hinweis auf die fünfstrophigen,
akrostichischen gediente (s. Roethe a.a.O. s. 121), in denen jede
strophe der deutung eines buchstabens des namens Maria ge-
widmet ist. Unserem gediente scheint zahlensymbolik um so
weniger fremd, als der mystischen 7 -zahl der Strophen die
7-zahl der verse einer strophe entspricht, was beachtung ver-
dient, weil der strophenbau zum gedichtbau wenigstens in der
Sonderstellung des letzten verses der str. 30 — 32 eine weitere
analogie aufweist.
Die allegorie im zweiten abschnitte des poems (J 33 — 35)
ist die evangelische parabel vom guten hirten Joh. 10, 11: 'ego
sum pastor bonus'. Daher des hüters besorgtheit und unermüd-
liches1) bestreben, seine Schutzbefohlenen durch 'rufen. Vnde
wüfen' und erzählung eines lehrhaften exempels vor schlangen
zu warnen2); erkennen sie doch an seiner stimme ihren wol-
meinenden hirten (33, 5 Vnsen hirten): 'et oves illum sequuntur,
x) Wegen seiner ausdauer vergleicht Hildebert. Cenoman. episcop. Senn. 89
(Migne PL 171, 759 P) den hirten der glänbigen mit dem diamanten (adamas)
bez. kiesel (silex), denn 'utriusque lapidis . . . duritia magna est'. Zu dem
bilde s. Oswald Zingerle zu Friedr. von Sonnenburg III 6; Uhls Teutonia
IX 66. XI 84.
2) Cf. Innocent. III. pap. Sermon, de tempore 21 (PL 217, 410 B): 'bonns
itaque pastor debet pungere lentas [oves], sustentare morbidas et colligere
vagas \
MKl.viT.K ALEXANDERS PARABEL,
quia sciunt yocem »'ins' (Joh. 10, t). Die beerensuchenden
kinder Bind die schwachen gläubigen, welche den lockungen der
weh zu wenig widerstehen können, als daas sie nichl durch
den genuss ihrer Ereuden ihre Beele befleckten (83, l 'Vvir vnt-
flengen alle masen. Gestern do wir ertberen lasen*).1) i
die well mit ihren Lockungen schon von jeher anter der sommer-
lichen Landschaft mit ihren für die ma. -liehe gesellschafl be-
deutsamen freuden \ erstanden wurde, zeigt die oben abgedruckte
Btelle des spiels von den zehn Jungfrauen B 103 oder sprach 9
Wernhera (ed. A. E. Schönbach, WSB 148, \ II ::<» r.». Bei Wernher
wird, wie schon Bein feinsinniger Interpret a.a.O. b.32 Bieht,
mundus (9, 12 's6 leit diu Erde an dich ir Btric') mit diabolus
in eins gesetzt; beim wilden Alexander stehen beide be<rririe
zum wenigsten in engem zusammenhange: anter blumen und
fruchten, d.h. unter den verführerischen reizen der weit, lauert
die schlänge, d.i. der alttestamentliche teufel. Aehnlich er-
klärt die predigt, auf die schon Schönbach zur angezogenen
Wernherstelle im allgemeinen verweist, das biblische Bymbol:
•dar umiiie heizzel der propheta den tuvel ein slange, wanne
er den mensi dien läget heimiliche und zu ime Blinget mit der
rerratnusse' (Schönbach, Altd. predigt III 17. 27 1. Auch Konrad
von Kegenberg, dessen anschauungen Äiexandern bei der be-
liebtheit gewisser zoologischer bilder in der späteren didaktik
(& Etoethe, EL v. '/.. b. 282 t) durchaus geläufig gewesen sein
weiden, deutet des hl. A mbi i isius aussprach, dass der Bpeichel
eines aüchternen menschen Bchlangen töte, in analoger w<
zu gunsten der enthaltsamkeil von irdischen genussen um (ed.
Pfeiffer s. 261, 7): 'trenn, BÖ ist das pilleich, daz diu vast ouch
wider die gaistleichen Blangen heb', daz ist wider di<
Eine der Symbolik des altdeutschen predigen und
Victore im Gregor. IV 7 (PI
1 1 . 1 • > die der ittnde nichl standhaltenden gläubigen unter dem bild<
dd li I Job 1 l l •'• fon d( ii - tbaern
ferinnt, .,ui.i • ■- u stat • • it> r tuIi dam
iuvt'iiilis conitantia inidem bona ineipiunt, sed in
lliii« inchoati teneritndine, captiritantibni jq«fq?ndii -i*i r i-
tibtu rabtteronntnr.' Jeder binweU
bindet feb - bindet in der und. dichtnng
(Zürich 188 > and bei I .1 Ind. <l. Li! <l 11.-16
•val.i.-r 111.
344 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
unseres dichters verwante deutung der biblischen schlänge
gibt endlich Garnerus de S. Victore Gregor. III 28 (PL. 193,
126 B): 'serpens autem non solum est tortuosus, sed etiam lub-
ricus. quia autem in veritatis rectitudine non stetit, tortuosum
animal intravit; quia vero suggestioni eius si primo non resi-
stitur, repente totus ad interna cordis, dum non sentitur illabitur,
verba ad hominem per animal lubricum fecit. cavernae autem
huius colubri corda fuerunt iniquorum. quae quia ad pravi-
tatem propriam traxit, quasi in eorum habitatione requievit.'
Ausgehend von derartigen erwägungen muss Alexander die
durch die geschichte vom ersten sündenfalle im paradiese
(s. bruder Wernher 1, WSB 148, VII 2), oder das bild des
Ecclesiastes 10, 11 'si mordeat serpens in silentio etc.' (s. die
obige predigtstelle) bekannte alttestamentliche schlänge, anstatt
nach der evangelischen parabel den wolf, den schwachen, sorg-
losen kindern als feind gegenübergestellt haben. Er schadete
dadurch der Verständlichkeit seines UspeJs, da das ma. die
Schlange als symbol des diäßoZog nur aus dem AT. kennen
konnte (vgl. G. Roskoff, Gesch. des teufeis 1 193 f. und M. Dreyer,
Der teufel i. d. deutschen dichtung des ma., Rostocker diss. 1884,
s. 18); im NT. ist vom aussehen des teufeis ja nie die rede
(Roskoff I 200). Aus der meinung der kirchenlehrer der ersten
drei christlichen Jahrhunderte, die dämonen seien mit leibern
ausgestattet (Roskoff I 233), die durch Augustin dahin ergänzt
wurde, dass die dämonenleiber sich nach dem abfalle der bösen
geister noch verdichtet hätten (Roskoif I 261), und aus der
manichäischen personification der materie, d. i. des bösen prin-
cipes, als riesenhaften menschen (Roskoff I 261) entwickelte
sich im 4. — 6. jh. die Vorstellung von der menschengestalt des
teufeis (Roskoff I 283), die auch zur zeit der höchsten teufels-
furcht im ma., im 13. jh., nur mehr in details verändert,
individualisiert wurde (Roskoff I 344, vgl. I 301 und Dreyer
s. 23 ff. 26. 43). Diese Veränderungen bedingte der glaube
an die verwandlungsfähigkeit des satans, der im berühmten
Canon episcopi des 4. jh.'s (Roskoff I 271) ebenso entschieden
zum ausdruck kommt, wie in den folgenden jh. '), speciell aber
*) Fürs i. — 6. jh. vgl. die Versuchungen des hl. Victorinus (Roskoff
I 277), dein der teufel als schönes mädchen, des hl. Antonius (ebda. I 278),
dem er ebenso oder in tiergestalten erschien, und des hl. Martinus (ebda.
MEISTER ALEXANDERS PARAHEr,. 345
bei Cäsarius 7011 Beisterbach im 13. (Roskoff I 319. 321. 323,
vgl. 346). Als verwandlungsstadium des teufeis wurde auch
das biblische schlangensymbol im ma aufgefasst, wenn man
es. wie die anderen tiergestalten, die er anzunehmen vermochte
(s. um. jimn. l). auf eine bestimmte eigenschafl desselben ltezog;
so verfuhr z.b. der altdeutsche prediger {läge), soGarnerusde
S. Victore (lubricitas)1), so auch meister Alexander, der auf
die consequente durchffihrung des evangelischen gleichni
(hirte — wolf) verzichtete, um anter dem bilde der schlänge
die Verborgenheit all der den menschen umlagernden teufel-
kategorien (33,7 'hie gel slangen vil')2) betonen v.u können,
um derentwillen beim genusse der trügerischen weltfreuden
unbemerkt bleibt, dass eben dieser genuss das verderben der
seele involviere, somit die begriffe well und sünde = teufe!
Bich decken. — Bereits das memento mori der 7. verse der
drei eingangsstrophen und die Versetzung derdaselbsl geschil-
derten Bcenen samml ihrer ausdeutung in die kinderzeil mahnen
zu allegorischer auffassung der Zeitbestimmungen in .1 30
Danach ist der tag 35, I das zeitliche leben und das umstrittene
gestern 33,2 die zeit der Jugend and des weltgenusses im sinne
des psalmisten 89, I 'quoniam mille anni ante ocolos tuos, tan-
quam dies hesterna quae praeteriit' "der LMaccab. 9, 44
'surgamus, ei pugnemus contra inimicos aostros. oon es1
enim hodie Bicul heri, et nullius tertiua ecce enim
bellum ex adverso, aqua vero Jordanis hinc ei inde, ei ripae,
ei paludes, e1 Baltus: et nun est locus divertendi.' Die scharfe
Scheidung zweier Lebensalter durch einen so genan bestimmten
zeitbegriff wie gestern is1 eine eigenheil ma.-licher lebens-
1 279), an den der i";"- in mythologischen gestalten heranti 7.jh.
!>>•/■ •■.. eine erschein itans ing< ischweins,
eleu tenfel als Biegenden 'li
den Fnldaer annalen (Urs 11. jh. als riesen od< 1
rgl. 1 B08), 11 - t Pur die ad, dichtnng - Dre;
M Aehnliche Mischannnj d noch bildliche darstellnngen des
tenfeli rar rei Lliteratnr
• 1 1 Germanica III 8) 1 1 1
ongen, >\\o abl EUchalmns na 1270 erlebte
uinl in seinem .'
346 SCHISSEL V. FLESCHENBERG
anschauung, nacli der die Jugend ausschliesslich dem lebens-
genusse, das alter dagegen der busse gewidmet war; sie be-
gegnete schon im spiele von den zehn Jungfrauen (B 103 ff.)
und findet sich auch im 16., speciell aber im 9. spr. Wernhers,
dessen pointe in einem vergleiche des unerwartet raschen wan-
deis vom sommer zum winter1) mit dem ebenso plötzlichen
Übergänge von der Jugend zum alter besteht.2)
Nach dem vorausgehenden wird der von Wallner (Beitr.
34, 187) gegen Alexander erhobene Vorwurf geringer bibel-
festigkeit und gelehrsamkeit wol kaum mehr gegen die alle-
gorische auslegung der str. J 30— 36 geltend gemacht werden.
Doch möge seine völlige grundlosigkeit noch ein beispiel
dartun. Str. 28, 1—16:
Syon trure.
Din bürchnivre.
hat von schüre.
Vnd von winde manigen stoz.
5 Darnach weyne.
Dem ortsteyne.
Der alleyne.
Dyne wende tzv samne sloz
Den wint man abe mit tzangen.
10 Synen kloben.
Nv la toben.
Daz volc la die wachter slafen.
Der kvniDC ist of gegangen.
Vnde syn her.
15 An die wer.
Owe wafen ymmer wafen. etc.
folgt Isaias 28, 16 f.: 'Idcirco haec dicit Dominus Dens: ecce
ego mittam in fundamentis Sion lapidem, lapidem probatum,
angularem, pretiosum in fundamento fundatum; qui crediderit,
non festinet. Et ponam in pondere iudicium, et iustitiam in
mensura: et subvertet grando spem mendacii: et protectionem
aquae inundabunt.' Was sich der deutsche dichter unter
grando des propheten (= v. 3 schüre) gedacht haben wird, lässt
Garnerus de S. Victore, Gregor. 1 19 (PL. 193, 66 C) erkennen:
') 'Swie lange ir in der wirde Bit, vil schiere knmt ein rife mit getwauge.'
2) 'Wibes schoene und manues kraft sint in der wirde drizec jär,
so leit diu Erde an dich ir stric; des nim in diner müede (= erbärmlich-
keit) war!'
HEI8TEB ALEXANDERS PAKABEL. 347
'grandinis quoque nomine, dura ei Erigida corda pravornm de-
signantur.' Auch hier also eine allegorische behandlung eines
biblischen themas, die wie im gediente str. 30 36 zum
vigilate des Matthäusevangeliums führt: 'wachen! wol etc.'
Damil ist der allegorische Charakter des poems J 30 — 36
nnd die richtigkeil der hsL Btrophenabfolge erwiesen, hoffent-
lich auch eine richtige Interpretation der parabel angebahnt,
die nicht mit der tränenfeuchten melancholie etwa eines Joh.
Gandenz von Salis-Seewis (s. Gedichte ' L800, >. 7 ff.) entschwun-
dene kinderjahre betrauert, sondern das ernste thema
predigers poetisiert: '[Christus] trug uns ouch des daz pilde
unde die lere allez seihe yor, wie wir dise werlt unde die
zerganclichen ere unde Eronde dirre werlt versmahen solten
durch die ewigen Eroude und«- ere' (Schönbach, Altd. predigt
I 2:.:;. 2 lt.).
oe biblische forme] (cf. Ps, B9, I 'quoniam mille anni ante ocules
tnos, tanqnam dies hesterna qnae praeteriit') liefert dem minneliede sir.:;7
—4t <lie puinte, wenn mau nicht lieber die litotes bez. hyperbel 41.1 ('Uns
U'ii- eyn Lar also eyn tar'i ond 41,8 ('Des ist vna ein tac eyn Lar') ans
der tradition des minnesanges ableitet, dem diese biblische ansdj
in seinen anfangen (s. Teutonia XI 84) geläufig war.
[NNSBRÜCK, zur fasnacht L909.
OTMAB 8CHISSEL V. FLESCHENBEBG.
ZUM CONJ. PRAET. IM SCHWABISCHEN.
Beitr. 34, 447 ff. hat Jacki alles, was die vorhandene gram-
matische dialektliteratur in beziehung auf den conj. praet. im
schwäbischen bietet, mit grosser Sorgfalt zusammengestellt und
umsichtig verwertet. Auch für den speciellen kenner schwä-
bischer mundarten ist daher — ganz abgesehen von dem grösseren
Zusammenhang, in den das material hier gestellt erscheint —
dieser teil seiner arbeit höchst nützlich und wertvoll. Indes
kann, wer das gesammte hd. Sprachgebiet umspannt, natur-
gemäss nicht mit allem detail, allen localen lautgesetzen u. s.w.
so vertraut sein, als es im interesse einer richtigen beurteilung
mancher einzelheiten gelegentlich wünschenswert wäre. Daher
möchte ich mir erlauben, hier vom Standpunkt des Schwaben
aus einige nachtrage und sonstige ausführungen zu Jackis dar-
stellung zu veröffentlichen.
Zunächst ein paar bemerkungen mehr äusserlicher art.
Erstens: obgleich das gerade aus seinem quellenverzeichnis
s. 447 f. mit ziemlicher deutlichkeit erhellt, scheint sich Jacki
nicht recht bewusst geworden zu sein, dass von dem gesammten
schwäbischen Sprachgebiet bisher eigentlich nur gewisse grenz-
gegenden von der dialektforschung einigermassen genügend
bearbeitet sind: der schwäbische Südwesten von der linie
Nellingsheim - Wurmlingen - Reutlingen-Münsingen an südwärts,
und dann wider im äussersten osten das Eies. ') Für alles übrige,
somit gerade für das schwäbische hauptgebiet zwischen Stutt-
gart und Augsburg, sind wir bisher ausschliesslich auf Fischers
J) Vielleicht wäre noch Aloys Laus Vocalismus des AVestallgäuer
dialektes fürs südost-schwäbische heranzuziehen. Jedenfalls scheint es mir
ein misgriff, diesen mit den maa. des südlichen Oberschwabens die engste
venvantschaft zeigenden dialekt zum hochalemannischen zu stellen.
( (»NM. PHABT. im SCHWÄBISCHEN. 349
Geographie angewiesen, die Bich im wesentlichen auf die laut-
lehre beschränkt, und auch da bei feineren Untersuchungen
aotwendig versagen muss. Unter diesen umständen scheinl
mir Jacki mit ausdrücken, wie 'im hauptgebiet', 'über das
ganze gebiel verbreitet' u.dgl. etwas unvorsichtig umzugehen.
Zweitens scheinl Jacki die bemerkung in der vorrede zum
Schw. wb. (1 w) übersehen zu haben, wonach die in capitälchen
gedruckten abkürzungen für die württembergischen (und hohen-
zollerischen) oberämter1) das ganze gebiel des betreffenden
oberamts bezeichnen, nichl etwa specieU die oberamts -Stadt,
wo gerade die wichtigsten eigentümlichkeiten so oft durch die
Verkehrssprache bereits verdrängl sind. Daher ist es z.b.
anrichtig, zu sagen (s. 151), die form blüh finde sich -in ...
Rottweil, Balingen, Sulz, Freudenstadt': gerade in diesen
Städten, namentlich in den drei Letztgenannten, wird blüh
kaum mehr zu finden sein. Richtiger wäre gewesen: 'in den
O.AÄ. Rottweil u.s.f.-: dann wäre Schwenningen und Ostdorf
auch gleich mit einbegriffen.
Drittens bringl Jacki den durchweg von laien verfa
abschnitten über die mundarl in den älteren oheramtsbeschrei-
bungen allzuviel vertrauen entgegen. Dieselben sind manchmal
Behr unzuverlässig, und besonders in der Schreibung der mund-
artlichen formen äussersl unbeholfen und inconsequent. Ee
war also z. 1). gänzlich unangebrachl (s. 451), einer schrift-
sprachlichen reminiscenz der O.AJB. Tuttlingen wegen die an-
gäbe y\*-> zuverlässigen Haag über die allgemeine entrundung
' anzuzweifeln.
Viertens: nach b.427 will Jacki die Btimmlosen mediae
der oberdeutschen maa. durch b, d, g widergeben. Warum
fuhrt er dann aber in praxi dafür die für uns Süddeutsche
ganz unleidlich anzusehenden />. t, Jt ein und Bchreibl z. l».
(s. 448 f.) prftt, prt\ ■ ■' anstatt wenigstens brftt, brigt,
wie es in den fortis und lenis genau scheidenden Baarmund-
arten heisst?1) Wahrend er im ersten, das hochalemannische
'» Oberamt, oichl (wfc Jacki 1.448 mit anrichtij
schreibt) Oberamubesirk, LbI !"i am 'li>' offlciellc beMichnung
tangseinheiten.
') Im: schwäbischen hauptgebiel h<
0 I i K.iuiiin.iiin i •
350 VEIT
behandelnden abschnitt fortis und lenis noch ganz richtig aus-
einander hält (vgl. z. b. s. 431 siog), lässt er sich im zweiten
abschnitt, offenbar durch die arbeiten der Strassburger ger-
manistenschule, die Umschreibung der stimmlosen lenes durch
}), t, h aufdrängen und behält diese dann auch in den folgenden
abschnitten bei, wodurch er sich überhaupt der möglichkeit
beraubt, in oberdeutschen maa. fortis und lenis auseinander
zu halten. Bei den niederelsässischen und niederschwäbischen
dialekten, welche unaspirierte fortis überhaupt nicht zu kennen
scheinen, mag das hingehen; aber bei den mundarten des süd-
lichen Schwarzwalds, der Baar, und den schwäbischen mund-
arten südlich der Donau, die sämmtlich hauchlose fortis neben
stimmloser lenis haben, ist diese transcription ausserordentlich
unpraktisch und irreführend.
Ich habe über diese dinge so ausführlich gehandelt, weil
ich denke, dass vielleicht solche, die künftig, in der art von
Ritzert und Jacki, ein capitel der mundartlichen grammatik
über das ganze hd. Sprachgebiet verfolgen wollen, daraus nutzen
ziehen können. Nun gehe ich zu meinem eigentlichen thema über.
In erster linie kann ich Jacki bestätigen, dass gerade die
südwestlichen übergangsmaa. des schwäbischen den conj. praet.
relativ besonders gut bewahrt haben: schon in Ostdorf finden
sich noch wesentlich mehr derartige formen, als etwa in der
Tübinger gegend. Jedoch scheint Jacki mich mis verstanden
zu haben, wenn er aus meiner äusserung Ostd. stud. 1, 4 heraus-
liest, dass in Ostdorf noch neubildung solcher conditionale mög-
lich sei: das ist durchaus nicht der fall. Ich wollte a. a. o. nur
sagen, dass man bei fortgesetztem verkehr mit den bauern
immer von neuem wider auf alte, schon beinah verschollene,
formen des conj. praet. stosse, welche die leute bei irgend
einer gelegenheit aus dem schätz ihrer mundartlichen 'Spar-
pfennige' hervorholen.1)
von vorgefassten theorien irreführen. Das Schw. wb. aber nimmt leider
wiclernm zu viel rücksiebt auf etymologische gesiebtspunkte.
*) Leider kommen solche gelegenbeiten ziemlich selten; bei sehr vielen
der von mir in Ostdorf gesammelten couditionalformen könnte ich noch genau
den Zusammenhang angeben, in dem sie mir erstmals begegnet sind. Dass
gerade hier directes fragen am allerwenigsten zum ziele führt, habe ich
(Md. Studien 3, 8 hervorgehoben.
CONJ. PRABT. IM SCHWÄBISCHEN. 351
Vielmehr ist von Ostdorf bis Tuttlingen das fortwährende
zurückweichen jener alten formen des conj. praet vor dem
ausdruck des conditionalia durch Umschreibungen ganz unver-
kennbar, l'inl zwar ist die Umschreibung durch täte allent-
halben üblich, auch im Übergangsgebiet bis Tuttlingen und
darüber hinaus. Richtig ist nur, dass schon von Ostdorf
an südwärts ueben die Umschreibung durch täU eine solche
durch würde tritt, die aber, ganz wie in Niederösterreich
(a Jacki s. 458), .mt' den nachsät z der hypothetischen periode l)
beschrankt ist und auch da mehr zum ausdruck des modus
potentialis dient.2)
Zwitterformen sind vorwiegend dem oiederschwäbischen
eigen. In Ostdorf und südlich davon sind Bie sehr selten,
haben Btets starke formen ueben sich, und Bind zweifellos als
eindringlinge aus der Verkehrssprache zu bezeichnen. Dahin
sind die angaben in den O.AJ3B. Balingen und Tuttlingen,
sowie bei Haag zu berichtigen, welch1 letzterer übrigens 1. c.
keine einzige solche zwitterform anführt i
Was die ablautenden conditionale zu schw. vb. betrifft,
so sind die formen mit ou — zu denen auch das merkwürdige
8out(e) 'dicerem' in Schwenningen (Haag & 22. 18) gehört
sicherlich von verben der ablautsreihe - ausgegangen, wo
einsl der vncal des Bing. ind. praet gelegentlich auch in den
conj. praet gedrungen Bein muss.
I de formen mit e? | genauer j ») aber sind auf die nasalierten
vi», der 7. ablautsreihe zurückzuführen. Das alte ie dieser
vi», musste Dämlich vor nasal im schwäbischen hauptgebiel
lautgesetzlich zu :'>. in den übergangsmaa. des Südens dag«
zu '. " werden: Bo auch, wie au- 11. anzweideutig herv< r-
geht, in Schwenningen; wenn dort jetzt uruj \\.>.i. vorkommt,
si. i-t dies ein.' Bp Ltere analogiebildung nach den vb. ohne uasa] •>.
'i Natürlich erscheint sie auch in ellipsen, «" der bedingungattti über-
banpt fehlt
• i um beisph itehl i»'i B
Voll Ulltili.
.v Ire •l>-iiii. dam in. in dort I litionaüi zu /
bitte Bi konnte abei Mich n /•'/. (Uden) gel
') M .in konnte anch darin denken, 'li-» tolche I gentlich die
r. iL \r \,,n uiLi • irlren nnd nnprfinglicl
d dann daa . BpftU i 'Im. li et) mol
352 veit
die möglich wurde, als (vgl. Haag s. 65) jenes ältere lautgesetz
ausser geltung kam. Da nun aber auch gedehntes mhd. e vor
nasal im hauptgebiet zu i? (vgl. z. b. Bopp s. 31 hrehn), in den
übergangsmaa. zu p wird (vgl. Haag s. 24), so konnte dem
mda. sprachbewusstsein die erinnerung an die herkunft eines
solchen p bez. p verloren gehen, oder, mit anderen worten,
es bildeten sich 'falsche proportioneil' wie etwa nemid : fpgd
= ge7w : jpg, oder, wider anders ausgedrückt, man empfand
das c~d irrtümlich als nasalierungsproduct aus p und empfand
demgemäss p als für den conditional unnasalierter vb. cha-
rakteristischen vocal. So entstanden die zahlreichen analogisch
gebildeten conditionale mit p, deren erklärung Jacki nicht
gelingen wollte.1)
'Fortsetzungen von mhd. unumgelautetem u oder uo\ sagt
Jacki (s. 450), 'trifft man fast nur in der Baar und in Schwaben-
Neuburg.' Es findet sich aber, wie Jacki auf der darauf fol-
genden seite selbst angibt, z. b. hlub sogar noch im O.A.
Freudenstadt, also viel weiter nördlich als die Baar; immerhin
dürfte wenigstens zutreffen, dass solche formen auf die südliche
hälfte des schwäbischen gebiets beschränkt sind.
Auf eine erklärung, warum der umlaut des u und uo
[wozu noch — vgl. froug, soid(e) — mhd. ou zu fügen ist] in
jenen gegenden unterblieben ist, lässt sich Jacki nicht ein.
Auch ich habe mich früher (vgl. Ostd. stud. 3, s. 8, anm. 2) mit
einem hinweis auf die auch sonst zu beobachtende sprödigkeit
der u -laute gegen den umlaut bescheiden zu sollen geglaubt.
Inzwischen hat sich mir jedoch ein weg zu einer vielleicht
befriedigenderen erklärung gezeigt. Jacki wirft s. 450 die
frage auf, ob nicht 'vielleicht der conj. praes. bei einigen
verben von einfluss gewesen' sei? Das scheint mir nun zwar
in der weise, wie es sich Jacki denkt (dass nämlich die con-
ditionale mit p auf den einfluss des stamm vocals des conj.
Ganz ebenso verhält es sich ja z. h. mit dem -b in dem in Ostdorf und
anderwärts üblichen conj. praes. hfb < *häie (vgl. Braune, Ahd. gr.2 § 117;
310, anm. 4) zu haben.
J) Einige ziemlich analoge fälle berichtet Bopp s. 42 aus Münsingen :
dort ist z. b. zu mhd. schiec zunächst, unter spontaner nasalierung, ein
verbum Mdlcd gebildet worden ; dann aber hat man die nasalierung gelegent-
lich wider fallen lassen, wodurch eine nebenform Spka entstanden ist.
CONJ. PBAET. IM SCHWÄBISCHEN. 353
praes. zurückzuführen seien), nacli dem weiter oben gesagten
nicht nötig anzunehmen. Eine andere frage ist aber, ob nicht
vielleicht die endungen des conj. praes. in Südschwaben beim
starken verbum, oder wenigstens bei gewissen classen desselben,
in den conj. praet. gedrungen sein könnten? Dass in der
1. plur. die endung des conj. praes. auf einein ziemlich aus-
gedehnten gebiete Schwabens in den ind. praes. gedrungen ist,
werde ich weiter unten (s. 358) näher auszuführen haben. Dem-
nach könnte diese expansive tendenz der endungen des cunj.
praes. leicht auch gegenüber dem conj. praet. zur geltung ge-
kommen sein. Dann aber, da die endungen des conj. praes.
keinen unilaut bewirken können, wäre das fehlen desselben
vollkommen erklärt. Die beschränkung dieser Suffixübertragung
auf das starke verbum könnte man eventuell darauf zurück-
führen, dass hier das consonantengerippe des Wortes im praes.
und praet. im allgemeinen dasselbe ist, während beim schwachen
vi), im praet. ein formans zwischen stamm und endung tritt.
Die weitere Schwierigkeit, dass neben den ununigelauteten
conditionalen mit u, uo, ou solche der 4. und 5. ablautsreihe
mit r, also doch wo] mit unilaut stehen, könnte man entweder
durch die annähme einer weitgehenden analogiebildung mich
tri 'täte'1), oder aber dadurch beseitigen, dass man jene suftix-
übertragung in die zeit zwischen dem unilaut von ahd. ä und
and. u, uo, ou verlegt2) In dieser unter allen umständen not-
wendigen hinaufschiebung in eine so frühe zeit, nämlich etwa
in die erste hälfte der ahd. periode, dürfte freilich das haupt-
argument gegen meine oypothese einer suffixübertragung zu
suchen sein.
S. 151 (§44) muss es heissen Stamm heim statt Stammhaus.
Sehr anfechtbar ist manches in § i:>. Ostdorflsch N
§wöm halte ich jetzt für streng lautgesetzlich aus ahd. sprungi,
') Bedenkt man. dass ■ . l». in Ostdorf die formen der -. .'!. plur. Ind.
praes. hodnd (haben), govnd (gehen), Mo9nd (stehen), \o9nd (lassen), woau
an andern orten noch movnd (mfissen) kommt, sftmmtlich nnr als analogie-
bildung Dach do$nd ■ tuoni /.u erklären sind, so iit das gar sieht so un-
wahrscheinlich,
•i Für eine chronologische auseinanderhaltung dieser beiden umlaute
bietel sich freilich sonst kein anhaltspunkt; doch spricht, soweit ich sehe,
auch nichts dagegen.
Beitrage »ur geschieht« der dcuUclien iiirj».lic. XXW 2J
354 veit
sivummi (bez., mit Suffixübertragung, *$primge, *swumme) ent-
wickelt; ich weiss nicht, wie Jacki zu der ansieht gekommen
ist, dass 'vor ng ... gemeinschwäb. überhaupt keine dehnung'
eintreten könne: vgl. z. b. Schw. wb. II 941 unter 'fang', III 42
unter 'gang'. Schon Ostd.stud. 3,75 habe ich übrigens die frage,
ob die vocaldelmung in sbrön, swöm laut-gesetzlich sei, nur offen
gelassen, keineswegs verneint. — Woher weiss Jacki, dass die
formen pent, fent [schreibe, nach Jackis eigenen prineipien,
bend, fend], sew, sivem gemeinschwäbisch sind? Ich kann im
augenblick nicht nachsehen, was Eapp darüber sagt; aber ich
weiss aus eigener beobachtung, dass sie heutzutage höchstens
noch vereinzelt auftreten, und in der regel durch periphra-
stische bildungen ersetzt werden. Recht hat Jacki allerdings
wol, wenn er bei jenen formen beeinflussung durch nähme und
Jcäme annimmt1); aber was er über die lautgesetzlich zu postu-
lierende entwicklung von mhd. bünde ausführt, ist wider ganz
schief. Diese form könnte 'gemeinschwäbisch' unmöglich *pet
[schreibe bed] ergeben, sondern müsste unter allen umständen
zu *b?nd werden: Fischer s. 19 steht ausdrücklich, dass die
ostschwäbische vocaldelmung vor mehrfacher consonanz im
allgemeinen nur in alt -einsilbigen formen eintrete; und zu
den verlängernd wirkenden bez. die Verlängerung auch in
mehrsilbigen formen zulassenden2) consonantengruppen gehört
gerade nd nicht. 3) Das von Jacki herangezogene Met [schreibe
khed] hat sich eben nicht aus mhd. künde entwickelt, sondern
ist — sofern es nicht, wie ich Ostd. stud. 3, 61, anm. 6 vermutet,
unter dem einfluss von Jchä steht — zurückzuführen auf Mnte,
J) Es ist nicht ohne interesse, dass der durchschnitts-Schwabe auch
beim hochdeutschsprechen die praeterita der betreffenden vb. mit langem
vocal spricht: also band, landen; säv, sävm; hväm, hvämai u. s. f. ; ebenso
natürlich im conjunetiv praet. bende, benden u. s. w.
2) Diese Unterscheidung von dehnung bewirkenden und dehnuug
zulassenden consonantengruppen (erstere im wesentlichen nasal + spirans
oder fortis, letztere h oder r + dental) ist sehr wichtig; vgl. Ostd. stud.
3, 89. 99. 102 f.
3) Von den gruppen mb, ng ist, wie ich Ostd. stud. 3, 50 gezeigt habe,
auch in neu- einsilbigen formen dehnung möglich, weil jene schon relativ
früh durch progressive assimilation zu mm, vv geworden waren; dagegeii
ist bei nd eine solche assimilation bekanntlich im allgemeinen nicht ein-
getreten.
CONJ. I'K'AKT. IM BCHWABI8CHEK. 355
mii /, weil erst durch secundäre vocalsynkopierung aus *kün-
nete entstanden: vgl. dazu Ostd. stud. 1,16. 3,41. — Audi in
Schwenningen kann mhd. -und- nur -ind- oder -%nt} niemals
// ergeben.
Die formen p$dnt [schreibe />r~>ii<l\ §jp$9n, üiofam in Tutt-
lingen sind, gleichwie die ebendaselbst auftretenden peak
[schreibe bpg], Seas, Jcr&g [schreibe gr&x]f analogiebildungen
nach vb. der ablr. 7 auf nasal: s. oben s. 351 f.
Zu den vb. auf / -f cons. sei aus Ostdorf angeführt bhitold.
— Die Tuttlinger form 'meaW, d.h. m&lk, widerum nach
;l< >n. (< ~n> etc.
Dagegen, dass der abfall des dentals in ostd. wür (wie
überhaupt in Schwab. we~Jr9 < werdan), wie Jacki annimmt.
eine folge der satzunbetontheit sein soll, spricht doch m. e.
die dehnung des vocals.1) Ich vermute vielmehr, dass hei der
erklarung von der 3. sing. ind. praes. wuri ■ : wurdet, wol auch
von der 2. :'». plur. ind. praes. wernt ' werdenP) auszugehen
ist: da in diesen häufigen formen das d des Stammes lautgesetz-
lich geschwunden war, so gewöhnte man sich, als stammauslaut
einfaches r anzusehen.3)
Die form nötn in Ostdorf ist wol lautgesetzlicli entwickelt,
keine analogiebildung.4) Die im O.A. Tuttlingen vorkommenden
>/'.'»/ und Llnnti sind, ebenso wie ostdorfisch khfSm, analogie-
bildungen aach vb. der 7. ablr. auf nasal: s. oben s. 351 f. ) Das-
selbe gilt für die in der O.A.B. Tuttlingen erwähnten formen
'trr'af, 'breäch', '<j<-<ii>\ 'to&ab', 'freasa', fsäe(d)' [d.h. I >■<>//',
c, [!■>'•. w&b, fr&ss, m.'I/l. sowie für lesh, trtpJCf SlepJc
[schreibe l&g, drtog, 8l&g] im <>..\. ECÜwangen.
Dass aus i\i-v Schreibung ü oder "' der O.A.B. Tuttlingen
keine erhalt ung der rumlung in jener gegend I werden
•> Vgl dagegen / b /<.■•' < hät\ In <l<'ii oberämtern Horb, Rotten-
bürg and weiter nördlich findet sieb <li'' dehnung auch in der 3. sing. ind.
praes. wQrd.
Vgl Michels, Mbd. i lernt atarb. g 156.
s) Aebnlicb bilden /.. h im O.A. Nagold n der 8. sing,
ind. praes. bid < Ht < Hgü einen Infinitiv i<i> 'liegen'.
4) [ob habe letateres Ostd. etnd. 8, 8, anm.2 aneb um- all mOgliob,
nicht als ncher bezeichnet
• iwol käme ab ind js ?b. der bewegnng: eine g
je beeinflnssnng i- 1 ttnng tragen wahrscheinlich.
356 Veit
darf, habe ich schon oben s. 349 erwähnt: also trug, nicht
trüdlil — Ostdorf, wo ebenfalls slüog vorkommt, gehört nicht
zu den Baarmaa.!
Auch üe wird, ebenso wie ie [s. oben s. 351], in Schwen-
lautgesetzlich vor nasal nicht zu id, sondern zu (ß : s. Haag
s. 28; id kann dort nur analogiebildung sein! — In Eeutlingen
darf stet [schreibe sded] schon darum nicht mit Wagner auf
mhd. *stünde zurückgeführt werden, weil letztere form (siehe
Michels, Mhd. gramm. s. 104) lediglich mitteldeutsch ist: vgl. im
übrigen das oben s. 354 zu angeblichem Med < künde be-
merkte. Vielmehr ist auch hier analogiebildung (nach Med?)
anzunehmen.
Was die conditionale mit % in Münsingen anbelangt, so
sind auch dies wol analogiebildungen nach vb. der 1. ablr., wo-
neben übrigens auch wider (vgl. oben s.351, anm.4) mhd. formen
wie gie, vie, hie, lie im spiel sein könnten. Nach einem schwä-
bischen lautgesetz nämlich, das ich bisher allerdings nur bei
Wagner (s. 37) angedeutet finde, dessen existenz indes nicht
zu bezweifeln ist1), werden unechte (fallende) diphthonge im
hiatus monophthongiert. Es könnten nun zu den eben ge-
nannten — in der mhd. literatursprache freilich, so viel ich
weiss, nur in den endungslosen formen vorkommenden — prae-
teritis in der Volkssprache immerhin conjunctivformen wie
glesd, gle u. s.f. gebildet worden sein2), die zur ausbreitung
gerade des conditionaltypus mit l jedenfalls mächtig bei-
getragen hätten.
Nun noch zu dem schwierigen und verwickelten capitel
der flexionsendungen.
Eine bewahr ung der endung der 1. 3. sg. im O.A. Tutt-
lingen in der form srw ist ausgeschlossen, weil dort ahd. -i
auf alle fälle schwinden, ahd. 4 aber als -e erscheinen, man
also *srie, nicht srw erwarten müsste.
Was die 2. sg. betrifft, so regelt sich deren form im schwä-
') Ein sicherer fall ist z. b. in Ostdorf brle [nicht brla !] , das nur auf
ahd. *bruoi zurückgehen kann. Aber auch im sandln wird z. b. ivie ein
regelmässig' zu ioI 9, nicht iow d oder wxz-n-d oder dgl.
2) Wenn es jetzt iu Münsingen ge>j(t), l~is(d) heisst, so könnte der
schlussconsonant auch hier durch etymologische ausgleichuug nachträglich
wider eingefügt worden sein; vgl. oben s.351, anm.4.
CONJ. PRAET. IM s< iiw \iiFscilKN. 357
bischen Südwesten, d.h. von den oberämtern ETorb-Rottenburg-
Bentlingen an südwärts, nach folgendem lautgesetz: in nicht
hochtoniger silbe wird vor Spiranten und clnsilen and. kürze
durchweg synkopiert; ahd. länge dagegen bleibl ebenso regel-
mässig erhalten, and zwar fallen vor s säm'mtliche längen
in c zusammen1), das gegen Buden zu (also in der Baar) all-
mählich in i übergeht Qaraus ergibt sich ohne weiteres,
dass in dem ganzen genannten gebiel die eudungen der 2. sing.
im ind. praes. und den beiden conjunctiven in -eät bez. -iSi
zusammenfallen bei den schwachen vb. JI und 111. dass da-
gegen bei den starken vb. und den schwachen vi». L dem
bez. -ist der beiden conjunctive im ind. praes. ein synkopii
-st gegenübersteht Eis lautet demnach z. b. von maz(x)3
'machen' dir -2. Bing. ind. und conj. praes., max(x)eSt, die
2. sing. conj. praet mtdx{x)e$t\ dagegen etwa von trtf?)f(f)3
'treffen' die 2. sing. ind. praes. trifij )<!, dir 2. Bing. conj. praes.
die -J. Bing. conj. praet trtfföeit.1) — Anders
dagegen weiter nordwärts, im schwäbischen Unterland.3) Dorl
i-t anbetonte ahd. länge in gewissen fallen (wie es scheint:
in geschlossener Bilbe) mit ahd. kürze zusammengefallen und
wie diese geschwunden; die folge war einerseits eine weit-
gehende contamination der verschiedenen verbalclassen4), und
in Verbindung damit eine Vermischung der endungen des
indicativs und conjunctivs. Man wird also mindestens für
einen grösseren teil dessen, was Jacki unter dem schwäbischen
i Der qualitative Eusammenfal] tritt nur ?or s ein; in allen übrigen
fallen hält diu ma. r.s auch in anbetonte! Bilbe wenigstem noch
<li<- gutturalen and palatalen langen dea ahd. auseinander, indem rie nur
ahd. »'. i. HD zu (alnl -'. gen zu - entwickelt li.it:
daher s.b. mcund^machöt, max9 <^ machön, aber //■>»• ßahsin.
'i Bei di ' igner b. irten Rentlingt d \*i<:
/ u b w. i»t die erhaltui oicht d<
benden consonantengruppe iniuscl ädern es h da
hwaehe ?b. il oder ll I ' kehnli« I der IM.
schwachen i betrachten, wenn in Ostdorj
der i . ring ind
•) Wie • d im ' Ist«
mir leider nicht bekannt.
hon in den 0 5 v Herrenberg ond Nagold bildet /..'■■
die _ 8 ring. ind. i
d : der i'i ■
358 veit
'hauptgebiet' zu verstehen scheint, einen zusammenfall der
endungen der 2. sing, des indicativs und conjunctivs in syn-
kopiertem -sei annehmen dürfen. Darnach sind also Jackis
angaben zu modificieren.
Schliesslich der plural. Hier sei vor allem festgestellt,
dass der ausgleich der endungen aller drei personell im ind.
praes. zu gunsten von -dt keineswegs als charakteristicum
des schwäbischen gelten darf. Vielmehr ist — worauf ich
schon Ostd. stud. 1, 32, anm. 2 hingewiesen habe — in einem
grossen teil des schwäbischen gebiets in der 1. plur.1) die
endung des conjunctivs, -e, auch in den indicativ eingedrungen
und hat sich bis heute dort gehalten. Im westen kann ich
diese erscheinung genau abgrenzen; ihre äussersten Vorposten
bilden (in der Tübinger gegend beginnend) die orte: Hagel-
loch — Altingen — Bondorf — Mötzingen — Gündringen —
Salzstetten — Diessen — Glatt — Fischingen — Empfingen
— Heiligenzimmern — Binsdorf — Erlaheim — Ostdorf —
Heselwangen — Thanheim — Burladingen — Mägerkingen
— Bernloch — Oedenwaldstetten. Wie weit sich diese ver-
hältnismässig schmale, aber langgestreckte zone gegen osten
erstreckt, kann ich leider vorerst nicht sagen; doch habe ich
bereits festgestellt, dass sie mindestens bis über Blaubenren
hinaus reicht. Innerhalb derselben liegt jedenfalls auch das
gebiet, wo, wie in Ostdorf, im plural der conjunetive aus-
gleichung zu gunsten des -e der 1. und 3. person eingetreten
ist; doch ist mir dessen ausdehnung leider nicht bekannt.
Ausserhalb des rayons, wo -e in die 1. plur. ind. gedrungen
ist, dürfte allerdings allenthalben in Schwaben im ind. praes.
das -dt < -ent bez. -önt der 3. plur, das schon in ahd. zeit (vgl.
Braune, Ahd. gr.2 § 308, anm. 3) in die 2. plur. eingedrungen
ist, nunmehr für alle drei personen des plurals gebraucht
werden.
Anders im conjunetiv. Hier ist nicht nur, wie schon Jacki
seinen quellen entnommen hat, in gewissen districten, die teils
innerhalb der zone der 1. plur. ind. auf -e liegen2), teils sich
*) Dass auch die 3. plur. iud. praes. auf -e endigte, habe ich meiner-
seits bisher nie beobachtet; ich möchte aber die angäbe des sonst zuverläs-
sigen Wagner (s. 49) darum noch nicht anzweifeln.
2) So in Reutlingen (Wagner s. 49), Wurmlingen. Nellingsheim.
CONJ. I'KAKT. im SCHWÄBISCHEN. 359
anmittelbar an dieselbe anschliessen1), also vielleicht dasgebiel
des im ganzen plural des conjunctivs durchgeführten -e con-
centrisch umgeben, jede aosgleichnng unterblieben, Bondern
auch im schwäbischen Unterland, im ' hauptgebiet ', ist, wie mich
gelegentliche beobachtung gelehrt hat, das -sd des indicatiys
im plural noch nicht allgemein durchgedrungen: man trifft dort
auch ->, -9Ü,-9 < mhd. -en, -ent, -en.a) Endlich im Südwesten,
jenseits der zone, die »las -nt auch in der •_'. plur. conj. Eern-
gehalten hat, unterscheidet sich im plural coifjunctivisches -et
bez. 4t ■itt,-iuf viin indicativischem -9t -ent, -önl
Ich schliesse meine ausführungen mit dem ausdruck meines
dankes gegen Jacki, der durch seine übersichtliche Zusammen-
stellung mir anregung und möglichkeil gegeben hat, auf dem
v«»n ihm gelegten gründe weiterzubauen, und mit dem wünsche,
• s möchte auch für andere der von Jacki in den kreis seiner
Untersuchung gezogenen gebiete die localforschung seine resul-
tate einer nachprüfung unterziehen, damit das wichtige thema
vom neuhochdeutschen praeteritnm eine möglichsl gründliche
und allseitige beleuchtim- erfahre.
') So in Erzingen: 0. LB. Balingen b. lll f. (der verfasset des ab-
schnitts aber * 1 1 « - mnndarl in dem citierten bnche lebte eine reihe von jähren
als pfarrer in ESrsingen; seine angaben baben daher sunachsl nur für die
um. dii ses ortes giltigkeil I.
I Die ahd. qnantit&ts- nnd qnalit&ts-nnterschiede der endailben-i
treten, wie schon oben bemerkt, in den niedersebwabiseben maa nicht mehr
hervor; daher werden dorl ahd. -in, ■■<<, -on anterechiedslos n ->. Vgl.
■ n oben b. 367, anm, 1.
3) Freilich sollten Itgs. dieschwachenvb.nl auch im hol. »eibes.*d
I haben; es scheint aber, dass die ma biet die formen der III. schwachen
conjngation durch diejenigen der II ersetai hat, wol am den unterschied
von indicativ and conjnnctiv anch bei den nrsprfinglichen schwachen vb. III
/.um anfdrnck zu bringen.
TÜBINGEN, 23. man 1909. FRIEDRICH \ 'KIT.
REINBOT VON DÜRNE.1)
Die ausgäbe des hl. Georg von Reinbot von Durne, mit
der Carl von Kraus die von ihm und Zwierzina begründete
Sammlung kritischer ausgaben altdeutscher texte eröffnet hat,
gibt trotz des grossen fleisses und der grossen mühe, die der
herausgeber auf die herstellung des textes verwant hat, zu
mehr als einem bedenken anlass. Weil diese bedenken prin-
cipieller natur sind, ist es nötig, sie möglichst bald den fach-
genossen begründend vorzulegen, damit die fehler, die bei der
herstellung dieses textes gemacht wurden, bei späteren Ver-
öffentlichungen nicht wider begangen werden.
Kraus hat im vertrauen auf die Sicherheit des reimkrite-
riums eine prüfung der historischen angaben des gedichtes
x) Die hier vorgelegte Untersuchung über die herkunft Reinbots von
Dürne ist schon vor einem jähr geschrieben, von mir aber aus rücksicht
auf meine Studien über den oberdeutschen Servatius zurückgehalten worden.
Ich dachte diese Studien mit der Reinbotuntersuchung vereinigen zu können.
Sie haben aber ein selbständiges buch ergeben, das bei C. H. Beck in München
demnächst erscheint. Unterdessen ist die recension Karl Helms über die
Reinbotausgabe von C. v. Kraus in dem Anz. fda. 32, 277 f. erschienen, die
s. 279 auch auf Reinbots heimat zu sprechen kommt und sich für Donau-
wörth entscheidet. Helm war das für Wörth a. d. Donau mir zugängliche
material unbekannt und ebenso, was unten über die Dürner gesagt ist (doch
s. HMS. 4, 647); er würde sich sonst wol auch für Wörth a. d. Donau ent-
schieden haben. — Von abkürzungen erwähne ich: GHB = W.Götz, Geogr.-
hist. handbuch von Bayern, München 1895 f. ; KDR = Karte des Deutschen
reiches von C.Vogel, Jus. Perthes, Gotha 1893; MB = Monumenta Boica;
Oesterley = Hist.-geogr. wb. des deutschen mittelalters von H. Oesterley,
Gotha 1883; OV = Ortschaftenverzeichnis des königreichs Bayern, hsg. vom
kgl. bayr. statistischen bureau, München 1901; TA = Topographischer atlas
von Bayern, hsg. vom kgl. bayr. generalstab; VGO = Verhandlungen des
bist. Vereins für die Oberpfalz und Regensburg, Regensburg 1832 f. Sonst
vgl. Beitr. 34, 143, anm. 1.
BEINBOT von' iii'KNi:. HCl
vollkommen unterlassen und das hat dazu geführt, dass Bein
texl eine lautliche gestall erhalten hat, die in vielen punkten
nicht richtig ist Diese vertrauensseligkeil auf das reimkrite-
riiini hat aber nicht bloss zu Bolchen anterlassung8Sünden ge-
führt, Bondern sogar dazu, dass man sich aber die historischen
angaben eines Schriftstellers mir nichts dir nichts hinwegsetzen
zu können glaubt Denn war es für die Verehrer des reimkrite-
riums nicht gerade vorteilhaft, wenn ihr hauptvertreter Zwier-
zina. nachdem er Eteinbots werk erst in die Oberpfalz gesetzt
hatte, es Bpäter auf schwäbischen Sprachgebiet entstanden sein
liess, so wurde der philologischen Willkür die kröne aufgesetzt,
als Augsburg als entstehungsort des hl. Georg proclamierl
wurde, obwol sein Verfasser an zwei stellen Beines Werkes
ausdrücklich den ort nennt, an dem er schreibt. Von diesem
htspunkt an- beanspruchen die folgenden ausführungen
principielle Bedeutung, sie werden zeigen, dass für die
localisierung eines mini. Sprachdenkmals jedes historische,
nrkundliche zeugnis ungleich höheren wert hat als ein sprach-
geschichtliches, nnd dass dieses eben nur ein notdürftiges
ersatzmitte] ist, wenn nrkundliche belege fehlen.
Jeder, der die heimat Eteinbots von Durne feststellen will,
mu-s v«»n den versen 1—70. 1550-;.'.». 171'.' -26 und 5829
seine- hl. Georg ausgehen. Die wich' eile ist die erste.
sie ist Bchon einmal trefflich von E. Steinmeyer in derZs
11. 1 1.", f. behandelt worden, und dann kurz wider in der AlDB.
da- beste, was überhaupt ins jetzl über Eteinbots leben
geschrieben wurden ist. Eteinbol erzählt in diesen einleitenden
n. da-- er von <i>'u\ herzog < > : t . » von Bayern, pfalzgrafen
bei Ethein, und seiner gemahlin beauftragl worden sei. ein
buch aber den hL Georg zu dichten. Dieser herzog Otto kann
nur Otto M. von Witteisbach sein, da erst unter Beiner regio-
rang die würden eine- pfalzgrafen bei Rhein und eines hei
von Bayern in einer person vereinigt waren, die späteren
bayrischen herzöge dieses namei r <i^ pfalz-
grafenamt nicht ausübten, oder in einer für Eteinbots dichtung
nicht mehr in betracht kommenden /«it lebten. Damit haben
wir einen bestimmten Zeitraum gewonnen, während d<
Eteinbol geschrieben haben musa Es Bind die Jahre 1281
Bin compliment, weiches Eteinbol Beinen beiden gönnen macht.
3C>2 WILHELM
lässt, wie schon Steinmeyer nachdrücklichst hervorgehoben
hat, diese zeit noch etwas näher eingrenzen. Reinbot sagt,
dass das herzogenpaar in so hohem anseilen stünde, dass selbst
die höchsten auf der erde nach ihrem rate handeln und sogar
ihre kinder ihren kindern geben. Das ist natürlich etwas
stark aufgetragen, aber kaum kann sich die stelle auf etwas
anderes beziehen, als auf die am 1. sept. 1246 erfolgte Ver-
mählung der prinzessin Elisabeth von Witteisbach mit könig
Konrad IV. Da der dichter ausdrücklich hervorhebt, dass das
herzogenpaar nach dem ewigen lone der himelischen kröne
strebe, so wird man schliessen müssen, dass die einleitung
geschrieben wurde, als jene Vermählung in aussieht genommen,
aber noch nicht vollzogen und herzog Otto noch kein bekannter
feind der politik von Innozens IV. war. Schwerlich würde
Reinbot nach dem 1. sept. 1246, der dem herzogenpaar die
exeommunicationssentenz brachte, so geschrieben haben (siehe
Beitr. 34, 157). Damit ist das jähr 1246 als krystallisations-
punkt gewonnen. Es ist wol anzunehmen, dass der dichter
vor 1246 den auftrag erhielt, ein werk über den hl. Georg
abzufassen und dass die einleitung das letzte war, was er
schrieb. Feststellen lässt sich das nicht mehr. Es ist auch
nebensächlich.
Aus v. 1558 erfahren wir, dass Reinbot in einem mit
marktgerechtigkeit begabten orte namens Werde schrieb. Die
erwähnung des Chiemsees v. 1722 und ebenso des nonnen-
klosters Geiselvelt v. 5329 zeigt Reinbot mit bayrischen locali-
täten bekannt. Die hauptaufgabe muss demnach sein, den ort
Wrerde unter den vielen orten dieses namens herauszufinden
und wenn möglich in dessen nähe ein geschlecht von Durne
nachzuweisen. Das geht sehr wol.
Eine allgemeine bemerkung muss zunächst platz finden.
Das natürlichste ist doch, dass man annimmt, das bayrische
herzogenpaar habe einem Untertanen den auftrag zur dichtung
gegeben, d. h. einem mann, dessen heimat dem damaligen
politischen gebiet des herzogtums Bayern oder der Pfalzgraf-
schaft angehörte. Die angaben Reinbots v. 55 f. von Beiem
diu herzogin, der ich underhoeric bin und v. 6129 f. des herzogn
und der herzogin, der beider tihier ich hie bin, passen sehr wol
zu dieser annähme. Da zeigt aber ein blick auf die karte,
i.i «BOT VON DÜBNE.
dass nur äusserst wenig schwäbisches sprachgebiel zum da-
maligen politischen Bayern gehörte, Dämlich die besitznngen
der Witteisbacher bei Neuburg an der Donau (doch ohne
Donauwörth, das erst 1607 an Bayern kann and zwei territorial-
zungen, die aber den oberen lauf des Lechs Dach westen ragen,
bei Landsberg und Schongan. Dort aber liegl and lag kein
Werde. Für einen Pfälzer wird man Reinbot auch schwer
halten können. Seine spräche, laute and Wortschatz, weisen
in keiner weise nach südfränkischem oder rheinfränkischem
Sprachgebiet Deshalb ist auch von vornherein die Vermutung
von E.Schröder, Anz.fda.24,317f. abzuweisen, Dach der Reinbot
aus dem dynastengeschlechl von Durne stammen solle, dei
burgsitz am ostrande des Odenwaldes gelegen habe. Ein dynast
würde übrigens schwerlich den ausdruck underhceric gebraucht
haben. Er würde vielmehr betont haben, dass er von »lern
herzogenpaar gebeten wurden sei und ihm ee liebe dichte.
Wir werden ans also zunächst wol auf die bayrischen orte
des namens Wörth — Werde beschränken dürfen
A) Einfielen nnd Weiler.
li Wörth, TA iL* v_>. Weilheim (osl 1894) 2.reihe, tfeld. KDR27,
OV 277. Scbloss auf der roseninsel im Starnbei
2) Wörth, I S. eempten(o. j.)3- reihe, ö.feli OV 1432. Einöde
zur landgemeinde Weissensee, bes. Füssen gehörig.
:;, Wörth, TA qo.81. Kauf benern (o. j.) 4. reihe, 2.feld. OV \\:,\.
Einöde zur landgemeinde Ealdenwang, bes. Kempten gehörig.
li Wörth, TA no.90. Kurnan (o.j.) L reihe, 4. feld, aber TA no.90
Muni. tu (ost 1903 l. reihe, 4 feld als Schendeichwörth beseichnet <'<
Einöde zur landgemeinde I ;< >i»imr. bes. Schongan gehörig.
5) Wörth, 0\ _ 5, zur landgemeinde Hohenpeissenberg, bes. Schongan
gehörige einöde, auf den karten des TA namentlich nicht rerseichn
TA i M md TA im. 82. Weilheim
(wetl 1896) l reihe, ::. and •». feld.
6) Wörth, 'i'A no.79. Burghausen (wesl 1891) l. reihe, 2. feld. <>v 196.
Weiler zur landgemeinde Porten, bes. Httldorf gehörig.
7) Wörth i" i Au .\. [na, T \ no. 7- Was« rb .:.• ost IS
/ur landgemeinde Au. )
8) Wörth, TA no.l
th no.21 am nördlichen ofer der Donau. 07 ■■">•_' zur landgemeinde
Backelberg gehöriger weiler, \<>-/. Passan.
9) Wörth l:
L. feld 0\ 234. Einöde -'.ur landgemeinde Zell,
ludsudöstlich von Oeisenreld gelegen.
364 WILHELM
10) Wörth, weiler zur gemeinde Neusatz (Bühl) gehörig, s. Alhert
Krieger, Topogr. wb. des grossherzogtums Baden II 1515.
11) Wörth, TA no. 76. Landsberg (ost 1880) 3. reihe, 2. feld, im OV
nicht aufzufinden. Insel und einöde (?) im Wörthsee.
B) Niederlassungen um klöster.
12) Wörth, TA no. 90. Murnau (ost 1902) 2. reihe, 2. feld. KDR 26,
Q 13. OV 359. Einöde mit kircke auf der insel im Staffelsee. GHB I 454.
Um 740 als frauenkloster nachweisbar.
13) Wörth, jetzt Frauenchiemsee genannt, TA no.85. Trauenstein (west
1893) 3. reihe, 1. feld. KDR 27, Q 16. OV 251. Kirchdorf mit kloster. GHB
I 430. Das kloster 766 von Tassilo II. gegründet. Oesterley, artikel 4.
14) W7örth, jetzt Herrenchiemsee genannt, TA no. 84. Rosenheim (ost
1884) 3. reihe, 4. feld. KDR 27, Q 16. OV 251. Kirche und kgl. schloss. GHB
I 430. Das kloster wurde zu gleicher zeit wie no. 13 gegründet. Seit 1215
war dieses Wörth suffraganbistum von Salzburg.
C) Dörfer, kirchdörfer und pfarrdörfer.
15) Wörth a. d. Roth (Württemberg), KDR 23, N 11. Dorf.
16) Wörth a. Rhein, TA no. 112. Langenkandel (1850) 2. reihe, 3. und
4. feld. KDR 22, N 7. OV 714. Pfarrdorf im bez. Germersheim. GHB II 813.
17) Werth, flecken (?) zwischen den Aussen 111 und Ischer (Unterelsass),
nach W. Jäger, Geogr.-hist.-stat. zeitungslexicon, Nürnberg 1782, II 918.
18) WTörth, TA no. 71. Erding (ost 1883) 3. reihe, 3. feld. KDR 27, P 15.
OV 213. Kirchdorf, zur landgemeinde Walkersaich gehörig, bez. Müldorf.
GHB I 336.
19) Wörth, jetzt Ober- und Niederwörth, TA no. 71. Erding (west 1881),
3. und 4. reihe, 1. feld. KDR 27, P 15. OV 95. Dörfer im bez. Erding. GHB
1259; Oesterley. artikel 1.
20) W^örth a. d. Isar, TA no. 63. Landshut (ost 1881) 2. reihe. 3. feld.
KDR 24, 0 16. Die beste karte ist nur hs.-lich vorhanden in der Münchener
Universitätsbibliothek Cod. Fol. Ms. 501 (Holzinger beschreibung der pfarrei
Wörth) als Mappa CJiorograpMa Parochiae Woerthensis et vicinüatis.
OV 528. Kirchdorf mit schloss im bez. Landshut. GHB I 580; s. auch Michael
Wenning, Historico-topographica Descriptio (München 1723) III 61.™
21) Wörth, TA no. 65. Passau (ost 1890) 2. reihe, 3. feld, am südlichen
ufer der Donau. KDR 24, 0 18. OV 554. Dorf zur laudgemeindo Heining,
bez. Passau gehörig. Oesterley, artikel 3 ; s. oben unter no. 8.
D) Märkte und städte.
22) Wörth a. Main, TA no. 17. Aschaffenburg (1859) 4. reihe, 2. feld.
KDR 23, M 9. OV 1318. Stadt, bez. Obernburg. Jäger II 951. GHB II 702.
Schon im 13. Jahrhundert mit stadtrechten begabt.
23) Wörth a. d. Sauer (Unterelsass), KDR 22, 0 6 Stadt.
24) Wörth, vorstadt von Nürnberg, TA no. 34. Nürnberg (ost 1872)
3. reihe, 1. und 2. feld. Jäger II 951. Oesterley 752, artikel 2. War noch 1339
dorf (Mon. Zoll. VIII no. 211 nach freundlicher mitteilung E. Mummenhoffs).
ki IHUOT VOM DORNE.
bwäbisch Wert, später Donauwörth, TA no 62 Nord-
lingen(o8tl882)3. reihe, 6.feld, KDE 28 012 "\ L399 3tad1 I
Pleickhard Stumpf, ■Bayern' 936 (mit abbildung). GHB H9901 (mil ab-
bildung). Oeaterley, artikel7< Schon zur zeit Otto« lll. mil marktgerechtig-
keil begabt.
26) Wörth a.d. Donau, T.\ qo.48 Etegeneburg (osl 187 l 2 reihe,
•I. frl.l. KDR24, N|0 16. OV 924. Markl mit schlon, bez. Begeneburg. ÖHB
1 843 (Miii abbiidung). Stumpf i B8 (mit abbildui i 11 918.
Von diesen 26 hier aufgezählten orten, zu denen noch
hi österreichische kommen, die man in dem ortslezicon von
II. Rudolph verzeichne! findet, sind die qo. l 21 und die bei
Rudolph genannten Wörthe ohne weiteres auszuschliessen: Bie
sind nie markte gewesen, auch isl nirgends aberliefert, dass
dorl je ein markt abgehalten worden sei Von den no. 22 26,
den Städten und markten, kommen die no. 22 und 23 nicht in
betracht, weil sie in Sprachgebieten liegen, auf die derdialekt
Reinbots in keiner weise hindeutet, die e ausschli
Wir haben also bloss zwischen Donauwörth and Wörth an drv
Donau zn entscheiden, da no.24 noch 1339 dorf war.
Für Donauwörth Bteht die von den königen verliehene
marktgerechtigkeil fest Am 1. februar L039 bestätigte könig
Konrad II. dem orl die marktfreiheit (s. Lori, Geschichte des
Lechrains 1 1 l f.). A.ber die blosse bezeichnung Werd* stau
Stoebuch Werdi bei Reinbot Bpricht nicht gerade für Donau-
wörth als abfassungsort des hl. Georg. Wie wir Bähen tällt
der auftrag des herzogenpaares vor dem L.sept L246. Die
wahrscheinlich zuletzt geschriebenen widmungsverse entstanden
ebenfalls vor dieser zeit Wir durften den beginn der arbeil
Reinbots spätestens in das jähr 1245 verlegen. Damals war
das Verhältnis zwischen Witteisbachern und Bohenstaufen noch
keim Iber alle zweifel erhaben. Der auftrag an einen
in der reichspflege Donauwörth auf den könig ans dem hause
der Bohenstaufen vereidigten mann wäre in hohem masse auf-
lallend, Bin Bolcher mann wurde auch kaum den ausdruck
underharic gebraucht haben. Ferner stand Bayern und die
herzogliche bunilie noch nicht zu Donauwörth in so engen
besiehungen wie etwa zwanzig jähre Bpäter, wo die Wittels-
bacher nicht bloi verwante und in freud und leid treu
bene bund< . der Hohenstaufeu waren, Bondern die
366 WILHELM
reichspflege zum pfand erhielten (s. Lori II 9). Schliesslich ist
aber von einem geschlecht Durne / Dürne in Donauwörth nichts
bekannt.
Wir sind demnach, wenn Donauwörth auszuschalten ist,
auf Wörth a. d. Donau angewiesen und für dieses spricht alles.
Freilich mit dem nach weis der marktgerechtigkeit hat es seine
Schwierigkeit. Wir wissen nicht, wann und von wem der ort
die marktfreiheit erhielt. Die urkundlichen nachrichten über
dieses Wörth sind für die ältere zeit sehr spärlich und nichts-
sagend. Der älteste sichere beleg für den ort stammt aus dem
jähr 1179: Acta sunt hec in loco Werde clicto, in pago Tun-
comie (R. 272). 1186 wird Werd als weinbauort erwähnt und
hat abgaben an St. Johann in Regensburg zu liefern (R. 280).
Um 1233 wird die pfarrei von Werde genannt (R. 379; vgl.
auch F. Janner, Geschichte der bischöfe von Regensburg II 340,
anm. 4). 1247 hielt sich bischof Albrecht I. von Regensburg
in Wörth auf, weil die Regensburger wegen ihrer gemeinschaft
mit dem excommunicierten Friedrich II. gleichfalls in den
kirchenbann geraten waren und der bischof den anschein ver-
meiden wollte, als stünde er auf Seiten des kaisers (s. Verhandl.
d. bist. Vereins v. Oberpfalz u. Regensburg 22,337). Damals Hess
Albrecht in Wörth auch münzen schlagen (s. B. Grueber und
Ad. Müller, Der bayr. wald, Regensburg 1846, s. 385). Erst
1295 wird die bürg von Wörth urkundlich erwähnt: Werdhoj
(TA no. 48. Regensburg [ost 1875] 3. reihe, 4. feld) sub Castro
nostro Werd sitam (R. 697), doch wie sich aus den Notae S.
Emmeramni MG. SS. XVII 575, 32 ergibt, bestand das castrum
schon vor 1225.
Die herschaft Wörth und die grafschaften Stauf und Hohen-
burg bildeten das fürstbistum Regensburg. Sie giengen mit
der Verleihung der temporalien an den bischof über. Wir er-
fahren nichts darüber, wie bis 1300 die bischöfe die herschaft
Wörth verwalteten, vor allem nichts, auf welche weise die
vogtei besetzt wurde. Seit dem 14. Jahrhundert werden die
nachrichten über die pfleger und richter in Wörth häufiger,
aber für unseren zweck ergibt sich daraus nichts. Die ein-
wohner des ortes tragen auch seit der letzten hälfte dieses
Jahrhunderts den titel Wirg&r im gegensatz zum ausman. Ein
teil des ortes scheint demnach mit mauer umgeben gewesen
UKINlioT VON DÜRNE.
zu sein. Urkundlich erscheint der erste bürgar am L9.juni I
er heisst Wolfram der Chraghals (siehe kgl. bayr. reichsarchiy,
Wörth, herschaft a. cL Donau, Fase N. 8). L418 wird auch ein
eignes Wörther mass erwähnt, MB. 26,359 a
werdär m
Als markt wird Wörth ersl in einer Urkunde des bischofs
Johann II. von Regensburg vom 30. april 1533 erwähnt Johann
Bagl den bürgern von Wörth die Freiheiten und Gerechtigkeiten
zu. die ihnen bischof Eeinrich IV. in einer Pfint > der
heiligen drey Jcdnigtag 1481 ausgestellten, nichl mehr erhaltenen
Urkunde gewährt hatte (& kgl. bayr. reichsarchiy, Wörth u.
Fase 26). Wie aber wird da der markt Wörth erwähnt! Ehr
ist ein alter markl und /.war beruht seine marktgerechtigkeil
auf herkommen. Es ist hier nichl der ort, die ganze Urkunde,
die mehrere Seiten selbst in petitsatz füllen würde, abzudrucken,
aber die für unseren zweck wichtigsten Btellen sollen hergesetzl
werden: Wacftdem von <i!t<r herkomen, das <il/«<i in
wochen in vnnserm Markht eu Werde ein gewöndlicher wochen
Marki am Montag gewesen ist, das der also <nt ainetn ■
eritag darnach für vnnd für tu ewigen Seiten bleibi vnd
gehalten werden soll .... und Dawider vnd entgegen so haben
wir auch den benanten vnnsern bürgern : ■ / ausgegeben
vnnd vergunt, das sy furan so jr oder des markts notturfft
das eraischen wirdt jm jar ainsmais eu sand peterstag ketten-
feier (Laug.) oder eu sand Dionisjtag (9. ocl iarmarkt
zu werde ist, alles schenkhen, <ül<)l>j gedranks aufheben, jnen
selbs vnd gemeinem markt zu nni: vnd anlegung drej tag pan-
wein ausgeben vnd schenkhen mug<
Aus diesen angaben ir* ■ 1 1 1 nicht hervor, wann Wörth markt
wurde, .Man wusste es damals offenbar Belber nicht mehr und
erklärte die marktgerechtigkeit aus gewohnheit und herkommen.
Ei lässl rieh aber Behr wahrscheinlich machen, dass schon vor
1240 in Wörth markte abgehalten wurden und d stelle
bei Reinbot der erste beleg für Wörth als markt ist. i
Reinbot in diesem Wörth schrieb, wird sich uns Doch aus
anderen gründen ergeben.
AU 1539 Johann IL den Wörthern ihre freiheiten und
5htigkeit«-n I • liar kein BChrift-
Liches marktprivileg von selten des königi und rden
368 WILHELM
sie auch nie besessen haben. Ursprünglich war, wie bekannt,
die Verleihung der raarktgerechtigkeit ausschliessliches recht
des königs. Aber schon im 12. und 13. Jahrhundert kam dieser
satz sehr ins wanken. Die grundherren usurpierten das recht,
markte zu gründen. Die könige aber konnten häufig aus
politischen rücksichten diesen rechtswidrigen gründungen ihre
anerkennung nicht versagen oder wollten sie protestieren,
dann konnten sie dies bei ihrer politischen ohnmacht meist
nur so gelinde tun, dass man aus dem formellen protest auch
eine billigung herauszulesen im stände war. So war es bei
der gründung der markte und zolle Föhring und München
und den daran anknüpfenden Streitigkeiten zwischen den
bischof en von Freising und den herzögen von Bayern, über
die uns Sigmund von Riezler in bahnbrechender weise auf-
geklärt hat (Abhandl. der kgl. bayr. acad. d. wiss. III. cl. 24 II
321 f.). So war es auch noch öfter. Nach dem frieden vom
30. juli 1205 zwischen Konrad IV. von Eegensburg und Ludwig
dem Kelheimer übten bischof und herzog in Regensburg das
marktrecht gemeinsam aus. Ebenso das münzrecht (R. 307.
308). Als dieser vertrag Weihnachten 1212 abgeändert wurde,
blieben gerade die bestimmungen von 1205 für markt- und
münzrecht in Regensburg bestehen. Diese tatsache ist wichtig.
Sie spricht gegen die annähme, dass die Städtegründungen
von Landshut (1204) und Straubing (1218) vorgenommen
wurden, weil der Regensburger bischof schon eine Stadt mit
markt besessen habe. Dass sie gegen den bischof gerichtet
waren, ist zweifellos, aber sie werden nicht wegen Regens-
burger Vorkommnisse unternommen worden sein, sondern wegen
solcher auf grundherrlichem boden des bischofs. Es lässt sich
nachweisen, dass schon zu anfang des 13. Jahrhunderts die
bischöfe von Regensburg sich Vorrechte des königs angeeignet
hatten. Der Zollkrieg zwischen Konrad III. von Regensburg
und Wolfker von Passau zeigt das zur genüge. Konrad III.
hatte bei Achdorf unterhalb Wörth (s. TA no. 48. Regensburg
[ost 1875] 3. reihe, 4. feld) eine küfelmaut für die aus dem
bistum Passau kommenden salztransporte errichtet. Wolfker
belegte seinerseits darauf die Regensburger ledertransporte
mit zoll. 1201 wurde der streit beigelegt (R. 301), aber der
von Konrad erhobene salzzoll ausdrücklich als ungerecht
REINBOT 70» IH UNK. 3G9
bezeichnet Bis L256 erhoben die bayrischen herzöge von
den Regensburgera zolle auf der Btrasse Regensburg-Wörth;
am 7. nov. dieses Jahres wurden sie auf eine karrensteuer von
einer Ubra hallensium redimiert, aber mit dem ausdrücklichen
vermerk: licet id vassalis et fidelibus carissimi auunculi nostri
Conradi secundi Incliti Jerusolimi et Sicilie regis displicen
titneamus (s. kgl. bayr. reichsarchiv, Regensburg, reichsstädt.
archiv. Fase 5). Ein Schriftstück, welches die berechtigung
dieser auflagen verbriefte, existierte lii">«> nicht und man
sprach daher von einer gewohnheitsrechtlichen abgäbe. Das
konnte man aber doch bloss dann tun, wenn der gebrauch schon
mindestens zehn Ins zwanzig jähre alt war. Kaum wird der
bist hof von Regensburg besonders erfreut gewesen sein, wenn
unterhalb seiner Schlösser Donaustauf und Wörth strassen-
abgaben ZU zahlen waren, die nicht in seinen säckel flössen.
dieses Gewohnheitsrecht gegen den bischof gemünzt war,
zeigl Bich aber daraus, dass die herzöge von Bayern diese
einkünfte an die Regensburger burggrafen überwiesen hatten.
Wenn vuii Seiten des Regensburger Stuhls gegen eine solche
angeblich gewohnheitsrechtliche steiler, die doch auch so und
bo viele Untertanen des bischofs traf, nicht Verwahrung ein-
gelegl wurde, dann wird er wo) einkünfte von gleich zweifel-
hafter berechtigung besessen haben. Gewohnheitsrechte an-
zuzweifeln verstand man sonst in der Btadt df> hl. Wolfgang
sein- wnl. Audi ist nichl anzunehmen, dass der Regensburger
stuhl den gegen ihn gerichteten gründungen von Landshul
und Straubing zusah, ohne etwas dagegen zu tun. Diekönige
konnten in dieser zeit nicht helfen. Selbst war der mann,
hie einzig richtige antworl auf das vorgehen Ludwig <\*-^
Kelheimers war. ähnliche gründungen auf fürstbischöflichem
bilden vorzunehmen. Donaustauf und Wörth waren di<
eigneten orte dazu. Diese festen beherschten den Donaulauf
auf strecken. Der \\<j: von Straubing gieng und geht
über Bie. Diese beiden bollwerke weiden Bchon lange den
bayrischen herzögen ein dorn im an ssen Bein. Strau-
bing wurde uro] ihretwegen gegründet
Selbsverstandlich kann man bei dem Bp&rlichen und
lückenhaften material nicht Bagen, welche von beiden parteien
zueilt anfieng. Das isl für unseren zweck auch nebensächlich.
ll-itiagc lur grtchichle der de |
370 WILHELM
Es steht fest, dass der Regensburger bischof ebenso wie der
bayrische herzog zu anfang des 13. Jahrhunderts sich eigent-
lich nur dem könig zukommender rechte bemächtigt hatten
und es ist in hohem masse wahrscheinlich, dass der 1533 zu-
erst als auf altem herkommen beruhende markt von Wörth
in die zeit des beginnenden 13. Jahrhunderts zurückreicht. Es
wäre ein grosser politischer fehler gewesen, wenn der bischof
auf seinem grundherrlichen boden keinen markt errichtet hätte.
Weiter als die geschichtlich - geographische Untersuchung
bringt uns die genealogische.
Das Stammbuch des blühenden und abgestorbenen adels
in Deutschland 1, 303 b führt drei geschlechter des namens
Dürne an:
1) Die dynasten aus Franken, nach Walldürn (TA no. 25.
Miltenberg [1850] 3. reihe, 4. feld) benannt.
2) Einen oberpfälzischen adel, dessen familienmitglieder
auch unter dem namen Dürnär erscheinen und dessen wappen
ein widder im schild war.
3) Ein altbayrisches geschlecht, das sehr spärlich bezeugt
ist und in blau einen goldenen schrägbalken geführt haben soll.
Die dynasten kommen wegen ihrer abstammung aus rhein-
fränkischem Sprachgebiet und der s. 363 angeführten gründe
nicht in betracht, Ueber das altbayrische geschlecht wissen
wir zu wenig. Vielleicht liegt ein irrtum vor. Das andere
wappen braucht keineswegs für eine von der oberpfälzischen
verschiedene familie zu sprechen. Ueber diese wissen wir genug.
Aus ihr wird unser Reinbot stammen.
Das geschlecht nannte sich nach dem orte Dürne, der jetzt
in das dorf Vorderthürn und den aus zwei gehöften bestehenden
weil er Hinterthürn zerfällt und zum bezirksamt Roding gehört
(TA no.42. Burglengenfeld [ost 1875] 2. und 3. reihe, 4. feld;
OV 938). Dort um den Silberberg war der besitz der familie.
Von dort blickten sie hinab auf das südlich, hinter dem Nit-
tenauer kirchenholz gelegene Nittenau. Bis zum gipfel des
Mautberges reicht heute von der moosigen, fruchtbaren höhe
des Silberberges der blick nach süden, bis nach Schöngras und
Bodenwöhr nach norden und bis nach Fischbach im westen.
Dichter wald hindert die weitere fernsieht nach osten, nur in
das tal des Sulzbaches und auf die an ihm entlang ziehende
BEINBOT VOH DÜBNE, 871
Btrasse kann man Behen. Am nordöstlichen ausläufer des
Silberberges and der Platte lieg! Brück, jener ort, der nach
der aussage der Vorderthürner vor nicht allzulanger zeit
Vorderthttrn erel überflügelt haben boIL Die geschichte Bprichl
anders. Nur dreimal finden wir den ort Dürne erwähnt, ofl da-
ii Brück, es war Bchon im mittelalter pfarrdorf. Dürne tritt
uns zum ersten mal in einer Urkunde Ottos von Bamberg aus
dem jähre 1139 entgegen; turne geschrieben (MB 24,17). In
der kurz nach 1139 abgefassten relatio de piis operibus Ottonis
episcopi Bambergensis (MG. SS. XV 1159, 12), in einer L156 von
Eberhard von Bamberg and in einer 1374 von Rabno von Eich-
Btätl ausgestellten Urkunde (MB 24, 32; das. 160) steht Dm
das werden wir entsprechend dem heutigen namen Jt;i>t> zu
interpretieren haben. Die etymol namens marin
Schwierigkeiten. Er wird nicht von dorn zu trennen Bein.
Eine collectivbildung ohne ge- wäre möglich, wenn auch Belten
belegt (s. Kluge, Nominale Stammbildungslehre s, 32). Man wird
auch an an. Pyrner and mhd. dürnen denken müssen. Der aame
wird ursprünglich 'dornengebüsch' oder 'dornengehi g ' bedeutet
haiicn. Es mag damit zunächst eine mit dornenhecken be-
wachsene gegend, oder ein mit Bolchen amzäuntes besitztum
bezeichnet worden Bein. Auch /''hur als hausmarkenbezeich-
nung wäre denkbar. Das lässt Bich nicht mehr Feststellen.
So viel aber isi sicher, der name ist mit ü, nicht mit >t zu
schreiben.
Schon Wiguleus Hund (•(■ 1588; 9, AM:. 13,392 i.i bemerkt
im dritten teil seines bayrischen Stammbuches (hsg. von Libius
in der Bammlung historischer Schriften und Urkunden, geschöpft
au- has. von M. frhr. v. Freyberg :'•. bd. s. 1 •'•'.' i. Stuttgart und
Tübingen 1830) 3.278, dass die Dürner •ihren namen und ber-
kommen' von 'dorf und Bitz Dürn, welches Bie auch noch
neulich ingehabt1 haben. Er nennt als älteste ihm bekannt
gewordene Dürner: 'Waltherus, Conradus und Waldemarus de
Dürne 1145.' Wo er die-«- namen fand, sagt er nicht. Viel-
leicht in uns verlorenen grabinschriften, wappenbüchern und
Urkunden, denn solcher art waren Beine quellen. Der alt
hei.-: im- das geschlecht, den Ich mit eignen au 'heu
habe, findet Bich in den Aspacher traditionen zum jähr n-
(MB 5, 1
372 WILHELM
In einer zn Prüfening (TA no. 48. Regensburg [west 1872]
2. reihe, 3. feld) am 19. märz 1266 ausgestellten Urkunde
testieren unter anderen Rugerus de Dum und Otto de Dum
(MB 13, 224). Nach einer Michaeli 1299 im markt Rotz (TA
no. 43. Cham [west 1871] 1. reihe, 3. feld) gefertigten Urkunde
standen viridis et Cliunradus Dumarii in einem foedus mit Chun-
radus de Sivarzenburch bezüglich der proprietas vnius curie in
Ferndorf (TA no. 43. Cham [west 1871] 1. reihe, 3. feld) situate
(MB 26,49). 1317 vermacht Vir eich Durnär unter bestimmten
kautelen den Augustinern von Schöntal (TA no. 43. Cham [west
1871] 1. reihe, 4. feld) den halben hof, den er mit den kindern
seines bruders zu Perndorf besitzt (MB 26, 84). Konrad von
Dürne war also damals schon tot. Ulrich scheint Konrads
witwe geheiratet zu haben, denn in einer von Waldmünchen
(TA no. 37. Schönsee [ost 1875] 3. reihe, 1. feld) aus dem jähr
1320 datierten Urkunde (MB 26, 98) fungieren ein Chunrat der
durner Rihter und vlrich Durner als zeugen und in einer solchen
von 1321 (MB 26, 99) Vlrich der Durner und Chunrat der Richter
sin stevfsun. In dem selben jähr testieren nochmals Her Chunrat
der Richter von Mvnclien und Her vlreich der dumaer (MB
26, 100). Als zeuge für eine Schenkung nach Schöntal erscheint
1325 Her Chnnrad der Durnär Richter ze München (MB 26, 107).
1329 war Ulrich von Dürne, des richters Stiefvater, tot, denn
des Suntags vor Sand Vrbans tag dieses Jahres bestätigen die
kinder des bruders von Herrn vlreich dem durnär, vnserm liben
vetern, .... dem got genad, Chunrat, vlreich vnd Perhtold, ge-
haizzen die Durnär, dessen Schenkung von 1317, als zeuge
fangiert dabei her Chunraä der Durnär (MB 26, 109). 1335
testiert Herren (!) Chunrat der Dvrner iveilant Rihter ze Mün-
chen (MB 26,115). 1337 wird mit dem insigel des herm Chnnrad
des Dürner, der den selben czeiten Richter ze Chamb (TA no. 43.
Cham [west 1871] 3. reihe, 4. feld) ivaz gesigelt (MB 27, 121 und
26, 118, hier fälschlich Durmer geschrieben), desgleichen 1344
(MB 26, 129). Im selben jähr verkauft Seyfrid der Fuchs von
Falkenstein dem Ersamen Flitter Herrn Chnnrad dem Dvrnner,
seiner Haivsfraiven vnd ir Erben seinen iveingarten ze ChrvkcJien-
perch (TA no. 48. Regensburg [ost 1872] 2. reihe, 3. feld), einem
ort, der anderthalb stunde westlich von Wörth an der Donau
liegt (MB 26, 130), aber schon 1348 wird dieser weinberg den
BEINBOT von DÜBHE. 878
brüdern in Schöntal geschenkt, weil Eonrad dort begraben
werden will i MB 26, 1 12). Im Beiben jähr erschein her Chunrat
der Durner Dochmala als zeuge (MB 27, 136). L354 war er
bereits gestorben, denn in rinn- Schöntaler Urkunde von diesem
jähr wird des Weingarten gedacht, der gewesen ist deserberigen
Ritter Herrn Chvnrat de* Dürnär, </<>// got genad (HB 26, 149;
das. L52).
L319 erscheinen in einer Urkunde des Rennbot, Conrad und
Seyfrit von Swarcsenburch ein Otto ran THirn mit seiner fran
Geisel als Btifter eines seelgeräts für ihren söhn Ulrich, der
in dm diensten der Swarzenburchs verschieden war (MB 27,95).
Hei einem mühlverkauf testieren 1823 Sifrid der Probst von
Prvk, Otto von Dürn und vlrich von Dürn (MB 27,101), L324
wider Ott ran Dürn (MB 27, 103). Einen anderen Otto treffen
wir in der zweiten hälfte des 14. Jahrhunderts an. 1365 wird
mit des Erwergcn Otten des Durners Insigel gesiegelt (MB
127. Is7). 1 : *. T l mit dcz Erwergen manns herrn Otten des Dur-
närs sc Prukk an der weil Closter Probst su Prüffning Insigel
MB 27, 224), l^T'.» mit des Ersamen bescheiden mann* Insigel
Otten desDürnärs (MB 27,250) und L358 mit Otten des l
närs su PruJc anhangenden Insigel (MB 27,295). Im selben
jähr werden auch herr Vlrich der Pfarrer tu Pruk vnd <>tt
der Dürnär erwähnl (MB 27,290). Am 6. jan. L403 Bigell
und bürgt Linhart der Dürnär, Richtet .< l'> ikk (VGO 23, 177)
und mit diesem identisch i>t wo! lynhart dvrnär von Gast-
rntvnd <l< r hind hiltbrant des pömpflingär (MB
26,313), [nteressant ist auch folgende Btelle im Urbarium
lominatus Strubing (MB 36 II 846), das im L 4. Jahrhundert
geschrieben wurde: Geswant med. lib. it. IUI' den, Tenet
i r. dicit quod dux c erit sibi pro XX lib. d<i.
ordinauerit sibi <i)>ut magistrum Georium instrumenta»!.
tas den angefülirten belegen ergibt sich mit aller deut-
lichkeit. da88 das geschlecht der heuen von I »in tu- ein in der
pfalz alteingi er ritterlicher adel war. Da wo wir
seine BÜtglieder Doch namentlich nachweisen können, sehen
wir sie an oberpfälzischen orten Sie haben beatsungen
im comitat Chamb, das bereits 1204 an die Witteisbacher kam
(und* ebiet der djnasten von Schwarzenburch,
in deren dieiiste >ie auch • n. und sie sind in der
374 WILHELM
nächsten Umgebung von Regensburg tätig-; wir sehen sie in
Prüfening und erfahren, dass sie vier jähre lang anderthalb
stunden von Wörth a. d. Donau entfernt einen Weinberg be-
sassen und somit auch für diesen besitz unter der herschaft
Wörth standen. Es sind nur spärliche nachrichten , welche
über das geschlecht zu uns gedrungen sind. E einbot selbst
haben wir namentlich nicht nachweisen können, Gerade aus
der zeit, in der er lebte, ist uns über die Diirner nichts über-
liefert, auch auf dem kgi. bajT. allgemeinen reichsarchiv in
München war nichts über ihn zu finden. Ein zweifei, dass
Reinbot aus diesem oberpfälzischen geschlecht stammt, kann
nicht bestehen. Schon deshalb nicht, weil es eine andere
familie von Durne / Dürne, die in Sprachgebieten ansässig war,
aus denen Reinbots Georg stammen muss, nicht gibt. Das ist
der grund, weshalb die gelegentlich der nachforschungen über
die minnesänger Otto zem Turne und dem Dürner genannten
geschlechter nicht in betracht kommen (vgl. die bei Bartsch,
Liederdichter4 s. xcni und xci verzeichnete literatur). Von den
bei Hund II 342 (ausgäbe Ingolstadt 1598) aufgezählten und
in den MG. Necrol. II 559 gesammelten freiherren von Turn
(Turris) ist selbstverständlich ganz abzusehen. Alle diese
feststellungen sprechen stark für Wörth a, d. Donau als ent-
stehungsort des hl. Georg. Ja es ist zu vermuten, dass die
familie der Dürner, aus der Reinbot stammen muss, noch um
1340 wolmbesitz in der gegend von Wörth oder im markt
selbst hatte. Denn was hat der ankauf eines einzelnen Wein-
berges, für dessen pflege man selbst sorgen muss, für einen
zweck, wenn man nicht selbst in der nähe wohnt?
Es lässt sich aber noch auf andere weise dartun, dass
Reinbot in der Oberpfalz zu hause war und oberpfälzisch
schrieb: auf sprachlichem und literarhistorischem wege. Es
finden sich Spracheigentümlichkeiten bei ihm im reime und im
versinnern, die sich nicht bloss am besten als bayrische, son-
dern als oberpfälzische auffassen lassen. Ferner zeigen sich
auf dem gebiete des Wortschatzes so merkwürdige Überein-
stimmungen zwischen dem hl. Georg und oberpfälzischen denk-
mälern wie der Kaiserchronik, dem Rolandslied, Berthold von
Regensburg, Rüedeger dem Hünchov?er, dem jüngeren Titurel
und Andreas von Regensburg, so dass man nicht mehr von
BEINBOT VOJi DORNE.
zubill reden kann. Auch die \'"ii Kraus Schon teilweise zu-
sammengestellten Übereinstimmungen zwischen dem hl. <•■
iiiul dem oberdeutschen Servatius sprechen für die bayrische
lirimat Reinbots. Denn der hl. Servatius isl nicht wie be-
hauptet wird in Augsburg oder Regensburg entstanden, son-
dern, wie ich demnächst zeigen werde, in der diözes Freising.
Augsburg als entstehungsort des Servatius anzusehen hätte
allein die bindung von germ. R mit germ. au abhalten sollen.
Denn wenn Kraus anni. zu v. 1557 l Reinbots bemerkt: der
Servatius 'hält R und ou auseinander', so ist das falsch.
\. 3185 wird gebrachen1) : louch en | -■= in) gereimt. Die
diphthongisierung von « > ou war also schon um 1 17.", in
Bayern vollzogen. Für Augsburg lässt Bie sich erst L280
nachweisen; vgl. Kaufmann § vJ. anm., s, auch Schatz, Alt-
bair. gramm. § 10.
Die diphthongisierung des i — für den Servatius lässt
Bie sich aus den reimen nicht erweisen — war in I.Vinbots
mundart nach Kraus, anm. zu v. 1083, noch nicht durch-
gedrungen, weil die form w\ nhd. wei ausdrucklich als
Reinbotisch belegl Bei. A.ber dieser Bchluss ist falsch. Wir
halien es 7. 1082 f. mit einem vocalspiel zu tun (vgl. v. 1086
die fünl uoeales sint hie bi). Der laut i in wi wurde willkür-
lich dieses vocalspiels wegen eingeführt Die form wei konnte
der dichter nicht brauchen, irt beweist also irar nichts; aus
dem kommt der ausrui w\ auch heute noch vor, besonders bei
kindern als reaction für angstgef ühle. Für die diphthongisie-
rung ?on i Bindet Bich tatsächlich kein beweisender reim,
wenn mau nicht etwa in den bindungen, in denen die nan
form Tjofreit erscheint, einen solchen erblicken will. Aber es
findet sich auch kein beweisender reim, der dagt iche.
Aehnliches Lrilt für die diphthongisierung von i« • tu. nur
die VOD H ou ist durch den reim für den hl. Georg wie fin-
den Sei yatius bei*
Auf bayrischem Bprachgebiet war die diphthongisierung
von i ii Bchon im 12. Jahrhundert vollzogen (s. Schatz a.a.O.
und Lessiak in der Festschrift für Kelle s.241 f.). Dass auch
dum wird tob den Wbb. für '-in •• gehalten,
• aber gebrochen nti nnd könnt mit ou nur in dm
•i kennen in der ann. zur stelle in m<
376 WILHELM
in der Oberpfalz, wohin wir Reinbot versetzen müssen, die
diphthongisierungen von l zu ei, ü zu ou und iu zu eu schon
damals durchgedrungen waren, beweisen die no. 281 (1183).
286 (1186). 323 (1213) und 398 (1238) bei R. und es mögen
das noch folgende zwei mit Reinbot gleichzeitige Regensburger
Schriftstücke zeigen. No. 1 ist eine Urkunde aus Niedermünster
vom jähr 1240 (N. Fase. 5), no. 2 die Regensburger tuchmacher-
ordnung vom jähr 1259 (kgl. bayr. reichsarchiv, Regensburg,
reichsstädtisches archiv Fase. 5), die älteste Zunftordnung in
deutscher spräche. No. 3 die älteste deutsche Urkunde aus
Obermünster vom jähr 1287 (0. Fase. 10).
No. 1.
In nomine domini amen. Hiltegardis, dei gracia inferioris monasterii
abbatissa, Omnibus presentem paginam inspecturis salutem in domino.
Quorum noticia in plures annos est necessaria, cantum est, ut illorum me-
moria scriptis et testibus conseruetur. Nouerint igitur uniuersi presentes
5 et posteri, quod Waltberus in aehkirebstrazze et liberi eins Fridericus et
Elspeta molendinum et duas bubas in Gbeveriuge nostro monasterio atti-
nentes, quas a nobis ad tempus uite sue suseeperant possidendas, in manum
nostram uoluntarie resignarunt et nos ad instantem ipsorum peticionem
idem molendinum et easdem bubas Friderico, Rvdgero et Ottoni, filiis perb-
10 toldi veslarii, civis ratisponensis, concessimus in possessionem babendam
ab ipsis ad uite sue terminum sine censu. Et \\t nostra concessio ipsis
rata permaneat presentem paginam conscriptam in illius confirmationem et
memoriam sigilli nostri appositione dignum duxiinus roborare testibus
annotatis. Testes sunt : Magister Siboto scolasticus ratisponensis et plebauus
15 noster. Perbtoldus de Teckendorf capellanus noster. Aruoldus gwalt ca-
nonicus ueteris capelle. Lsevtwinus aput capellam. Otto pragser. Heinricus
prepositus superioris monasterii. Gozwinus bie der wer. Heinricus ante
urbem, filius /lomini willehalmj. Heinricus zannrer. Rappoto prepositus
noster. Gerbardus inter rasores. paltwinus tvlse. Fridericus latinus. Chvn-
20 radus de nittenowe. Vlricus gemlingser. Wernberus hsevzzo. Syboto in foro.
Ortlibus in foro. Ekardus in prvnneleta. Gozwinus de pferin. Heinricus
ante urbem. Hermannus ante urbem. Cbvnradus parczifal. Heinricus de
frisinge. Gbvnradus de Ettensdorf. Heinricus aput portulam. Heinricus
de Strovbinge. Cbnsebel. Eberbardus bavt. Rudgerus de aiebe, seruus
25 Lsevtwini aput capellam. Heinricus raedwitzrer. Livtoldus seruus tvlsonis.
Lsevtwinus et Rvpertus serui bsevzzonis. Cbvnradus seruus Cbvnradi de
Ettensdorf. Heinricus de linta, seruus zannarii. Perbtoldus seruus Chvn-
radi de Nittenowe. Cbvnradus seruus Gemlingarii. Ekardus seruus seruus (!)
Ortlibi in foro. Gotscbalcus, cognatus cbvnradi de Ettensdorf et alii quam
□ o o a
30 plures. Acta sunt hec anno incarnationis domini M CC XL jndictione xnj.
BEINBOT VON Dl' UNK. 3 ! <
Xn. 2.
I>az ist der -atz, den hex A.lbreh1 von dem bvrhtor, bnrgsBrmeieter
vinl ili Bebzehen vnd ander bvrgeer geeetzel babent, dar vmb daz man gvtiv
tvrh Iii ze regenspvrch weh nid bereit vnd den valsch wer. 1/. enschol
dehein Bwerzser dehein rinderhar Bwerzen: daz babenl « I i bvrgser verboten.
Bwen dar vber Bwerz, der des von der warheit überwanden wirt, oder als 5
ofte man iz datz im rindet, als ofte geh driv pfvnt der werd dem rihtar
oinez, iliv zwei an < 1 i Btat bab er der pfenning niht, bo Bläh man im ab
ili hant. l/. enscbol dehein Blahan dehein rinderbar vnd dehein Btreicbhar
vnd dehein walcbhar vnd dehein scherhar vnd deheinen Bleien Blähen, ovch
iii drin pfänden oder bi der haut als vor geschriben ist, dem rihtser einz, 10
zuti an ili stat. Iz enschol dehein seil noch dehein himpergser niht minner
haben denne zehen lal. son Bchol ovch dehein ander tvch, daz vnder scha t
vnil vnder chorten cbört, niht minner haben denne einlif zal, bi drir pfvnd
wände! oder di haut, als vor geschriben ist. Iz Bchol dehein weitser dehein
rinderhar vnd dehein streichbar vnd dehein walcbhar vnd dehein Bcherbar 15
vml deheinen Bleien vnd dehein vngrisch wolle vnd dehein boa wolle vnd
dehein wollein tvrh vnd dehein wollein garn niht weiten, ovch bi drin
pfvnden oder bi der haut als vor geschriben ist. dem rihtser einz. zwei an
die -tat. Iz so! nimeii vnder di Bchersar dehein tvch bereiten, daz ili t lenger
lmh denne virzec eilen oder man bereitel im Bin niht. Iz schvln di schenex 20
allen lavten gvtiv tvch bereiten, swer den tavten daz versag in ihr weis,
daz er den satz gern brach, ihr geh driv pfvnl oder di hant, al
schrillen ist. dem rihta r einz, zwei an di stat. Iz enschol Ovh nim< n sinev
tvch avz der stat in daz gai zeweben gehen hi dem wände! drir ] fvnd
oder ihr haut, dem rihtser einz. zwei an di >tat. Diser satz Bchol stat Bin 25
immer vml immer vnd schvln Immer manne zweit", di von iar ze iar da ZV
werdent geschoft, den valsch Bvchen vnd melden, swa sin rinden, vnd t\'r
di burgsar vnd fvr di rihtar bringen avf ir ait der Bch^ln zwen Bin ovz
ihn watmangsBrn, iwen ov« den Bcherarn, zwen ovz den wollsarn, zwen
ovz den ledrarn vnd den irhsern, zwen ovz den websern vml zwen ovz den :!,i
in. Datum Anno domini M CC lvuii Hense Jvlii im Idns eivsdem, in
die Hart irete rirginii ei martyris.
No.
Wir Eteihtze von üotes genaden, Aptesse datze Obernn
pvreh Tun allen den ehvnt. die disen brief sehenl oder horent lesen,
bei i ii \ ni.it der lMl.ir. vnsen Goteah lienstman, mit
'• nd mit . ! . ach an > i 1 . • .. mit
gewissen \n mit ordenlicher beschaidenheit betraht i
heil vnd verrihl rieh mit vna vnd mi1 vnsei vmb elliv div
Iahen, div er int von vns vnd von dei
ln't in dem doi fl
liehen ovf vnd gestvnd du von vnd -"-.tan.
■ div wir hernach an disem bril aennei ■ : 10
378 WILHELM
vnsern tisch vnd einer iesliclier frowen Aptcssen tisch, die nach vns choment.
vnd daz tet der Pullser dar vmbe, daz wir den sitz vnd daz geseezz datze
Sala mit hovse vnd mit hofstat vnd elliv div lehen, div der Pulla?r in dem
dorffe datze Sala ze rehtem lehen het von dem Goteshovse, enveld vnd
15 endorff, erpawen vnd vnerpawen, versvht vnd vnversvht, vnd alles sin feigen,
daz er het in dem selben dorff, daz er vns gegeben het vnd nvm Schilling
phenninge zinses von hoflanten, nach vnsers herren des hohen Phallentz-
graven Hainriches von dem Rein, Hertzoges von Beiren, rat vnd pet haben
gelihen hern Perhtolden dem Meinchovaer vnd siner husfrowen ver Marge-
20 reten vnd den chinden, div si beidiv mit einander habent vnd noch ge-
wiiment. Wir nemen ovch vns ovz, daz der selbe Perhtold vnd sin hovs-
frowe vnd ir Erben dehein voderung noch dehein reht svlen haben vf vnser
forste noch ovf vnser holtzer noch ovf vnser wismat, noch dehein privhovs
noch dehein taver noch deheinen chovf haben svlen datze Sala, daz vnsern
25 levten oder vnserm marchte oder vnserr hofmarche geschaden mvge. Swes
sich ovch her Chvnrat de pullrer ze vnrecht het vnderwunden von vnsers
goteshovses levten oder gvt, da svlen si von gesten, als verre als wir si des
geinnern mit der gewizzen. Es svlen ovch hern Perhtoldes vnd vron Mar-
gareten chint v.. (sie!) von vnserem goteshovse niht cheren mit heirat an
30 vnsern willen vnd an der Aptessen willen vnd rat, div ze den ziten des
gotshavses gewaltich ist, Ez si danne, daz si nach vnsers goteshovses eren
vnd nach ir wirden niht ze heirat chömeu mühten, So svlen si heiraten in
Mdermvnstraer gewalt. mohten aber si da vch niht ze heirat chömen nach
ir wirden vnd nach ir eren, so mvgen si dann wol mit heirat cheren in
35 vnsers herren hertzoges Hainriches gewalt, also daz daz alles sol au gevaerd
geschehen. Swelhes chint daz aAver niht tvt an gevaerd, als geschriben ist,
daz ist gevallen von allem dem reht, daz es het an dem vorgenanten gvt
datze sala, vnd ist dem Gotshovse ledich. Wir haben vns ovch darzv ge-
bvnden vnd wellen daz es staet belibe, daz wir noch dehein Aptesse, die
•10 nach vns choment, des iht gewalt haben, daz wir des vrbares, daz vnserm
Goteshovse von dem Pvllaer warden ist, iht verlihen oder an werden mvgen
noch ensvlen vmb dehein s . . (sie!) sache. Ez hat ovch der vorgenant
Perhtold mit der hovsfrowen vnd mit den chinden daz geheizzen, ob wir
oder daz gotshovs werden angesprochen vmb daz gvt, daz dem gotshovse
45 ist gevallen von dem Pvllaer oder in gelihen ist, daz svln si mit samt vns
versprechen vnd redden mit gantzen triwen. Ynd daz versprechen sol an
rerhtolden dem Meinchovaer al eine sten, die wiel er lewet, al so daz sin
hovsfrowe vnd siniv chint dar vmbe niht ze antwurten habent. Swenn
aber er niht waer, so svln si daz goteshovs versprechen vnt retten mit vns,
50 als verr si mvgen mit gantzen triwen. Vnd daz gvt, daz des Pullaer lehen
ist gewesen vnd vnserm gotshovse von im warden ist, daz benennen wir
hie an disem brief. Datze Geiselhering der grozze zehent, der giltet vir
vnd zweintzich schaf, vnd da selb des chrvken ansedel, giltet zwelf
Schilling. Vnd zwo hofstet gelten! zwen vnd Sibentzich phenning. Datz
55 Tetenchoven ein zehent giltet sehs schaf. Datze Chaltprvnn vü ze Bibrich
vfi ze Habortaeren ein zehent giltet sehs schaf. Datze Haederspach ein hof,
giltet zehen schaf. Datze Nevnhoven ein holtz. So ist daz daz eigen, daz
REINBOT von DÜBNE. 379
rnaera Goti i dem Pvllser warden vnd gegeben ist : Datze < rrevzzing
ein bof giltel zehen Bchaf. Vnd ein mfle daselben giltet driv schaf. Datze
Hsederspacb ein bof, giltet acht scbaf. Datze Hinderpvcb ein gvt, gi tet 80
vir Bchaf. Daz dirre sitz, ditze Geschäfte vnd disiv sache also stael ewich-
lichen belieb vnd vnzerbrochen an allen chrieck', dar vber isi gescbriben
diser brief se vrchvnde vnd ze vestenvnge veraigelt mit >U> vorgenanten,
vnsers boben berren Phallentzgraven Eeinricbes von dem Bein, Hertz
\ . .11 Ii.ii tu. chreftigem jnsigel vnd mit vnserm jnsigel vnd vnsers Convenfc
jnsigel vnd mit des offte genanten Perhtoldes jnsigel. Bied Bßfte
vnd bie diser ordenvnge Bint gewesen <li'- Edeln berren ... Graf Albrebt
von Hals vnd ber Virich von abenspercb vnd die dienstman Ber Heinrieb
der All.'ih iiuv.ii'. Her Albreht von Strfbing, der vitztvm, HerHerman vnd
Her M igens >li<' lihtenbergter, Bvger Perhtol« vu Gewolf die Grevle, Hartlip 7"
zzoltingeer, Sfarchart der Perchofser, Heinrieb vnser schribaer, Chvnrat
vnser bofmaister, Cbvnrat der chaatenser \'n<l ander ein michel tael. Daz
ist geschoben do von vnsers herren gewnrt waren Tovsent iar zwai hvndert
iar In dem Biben vnd Ahtzigisten jar ;\u dem nahsten tag nach >;uit Mar-
tinestag. Geschaehe aver < 1 a z . daz div chint wurden angesprochen vmb di(
i. da Bvlen >i sich von nemen mit ir aride, vnd boI man den gelSben.
Vnd div Bache ist verrihtet in dem iar vnd an dem tag als vor ge-
scbriben i-t.
V. 8175 finde! siel) bei Rembot die merkwürdige bindung
bi (sprich bei) : hie. Vielleicht ist damit mich der reim v. 2«
bie zu vergleichen. In Augsburg wäre das niemals, auch
heute nicht, ein reiner reim. Den dichter des Bios, als ver-
gleich heranzuziehen ist gleichfalls verfehlt Er gehört nicht
nach Augsburg, sondern weiter westlich in das nördliche
Schwaben. Ausserdem musa mau bedenken, dass es di<
poet mit den reimen überhaupt nicht genau nimmt. Letzt«
gilt auch von Alberts hl. Ulrich. Wir haben es mit einem
ierenden gedieht zu tun. Reinbot aber hielt diesen reim
wol für rein, oder empfand ihn wenigstens als solchen. Wirk-
lich findet Bich in oberpfälzischen Urkunden die tonn bii 1. 17:
8,66 1. Ich weiss Behr wol, dass auch in mitteldeutschen Urkunden
die tonn bu öfters vorkommt Der dem ie zugrundeliegende
laut muss aber jedesmal erst von dermundart des schreiben aus
erschlossen werden. Was bedeutel dii ber in den ober-
pfälzischen Urkunden? Die oben veröffentlichte Urkunde von
1287 gibt uns den Schlüssel. Dort wird für teilt 8,47 i rf und für
Ub< 3, i Uebe geschrieben. Das besagt nichts anderes alsmhd.
.' war im oberpfälzischen aus einem den diphthongen
zu einem fallenden rden, der dem aus mh<L I hervor-
380 WILHELM
gegangenen sehr ähnlich klang. Im heutigen oberpfälzischen
lautet mhd. ieder, hie u. s. w. eider, hei, mhd. is, als. Beide
laute sind nicht so verschieden wie der schwäbische ?-diphthong
vom schwäbischen «'-diphthong. Reinbots reim M : hie spricht
also stark gegen Donauwörth als entstehungsort des hl. Georg,
denn erst acht stunden ost-nord-östlich von Donauwörth beginnt
man mhd. ic als ei zu sprechen.
Kraus hat häufig neben heilige, heiligen, manic, manige,
manigen, heiige, heiigen, manc, mange, mangen in den vers ge-
setzt. Er wollte damit zweisilbige Senkung beseitigen. Aber
ob er das richtige getroffen hat, scheint mir fraglich. Die
silben -igen sind im oberpfälzischen in -in übergegangen. Belege
aus älterer zeit kann ich dafür nicht bringen, wol aber solche
für den ganz analogen Übergang von -egen in -en. Bei Andreas
von Regensburg kommt z. b. (317, 40 entgenget für entgegenet
und 632, 11 gesengte für gesegenete vor. Einmal 622, 29 habe
ich bei ihm mangen gefunden (vgl. auch noch eriverger 648, 26).
Sonst hat g intervocalisch im oberpfälzischen den lautwert /.
So war es wahrscheinlich auch schon zu Reinbots zeit. Die
gleichzeitigen oberpfälzischen hss. geben darüber keinen auf-
schluss: sie schreiben consequent g. Ob die formen manic
und heilig Reinbots dialect angehören, ist mindestens zweifel-
haft. Lautgesetzlich wäre der schwund des auslautenden
palatals. Dieser liegt auch bei Reinbot vor in dem nominativ
Geori für Gcorig. Diese form spricht gegen Augsburg und
Schwaben. In den oben citierten Urkunden aus Regensburg
wird dieses auslautende c (g) ein paar mal durch h (ch) wider-
gegeben. 2,1 bvrhtor. 3,38 ledich, 68 abensperch. Vielleicht
darf man daraus schliessen, dass schon damals das inlautende
g spirantische geltung hatte. Vgl. auch A. Gebhardt, Gram-
matik der Nürnberger ma. § 120. Es unterliegt aber keinem
zweifei, dass metrisch die silben ixe, iyer die Senkung weniger
beschweren als die silben -ige, -iger. Schon rein zeitlich nicht,
denn die bildung des palatalen verschlusslautes beansprucht
mehr zeit, als die des entsprechenden reibelautes. Kraus hätte
also besser die synkopierten formen nicht in den text gesetzt.
Für den osten des süddeutschen Sprachgebietes spricht
auch die Verwendung des erst in mhd. zeit aufkommenden
deminutivsuffixes -l, welches masculina und feminina neutralisiert.
REINBOT von' DÜBNK, 381
Nach A. Birlinger, Schwäbisch- Augsburgisches \vl>. Bp. 302a
es erst in allerneuester zeil ins ostschwäbische eingedrungen.
Bei Eleinbol erscheinl es dreimal, zweimal erweisl es dasmetrom
als echt: kindel v. 2144. 8218. 3225. In der älteren Reg
burger literatur ist es uichl nachweisbar, im Roland and der
Kaiserchronik habe ich es nicht gefunden. Auch im Servatius
fehlt es. Dagegen erscheinl -2 bei Heinrich von Melk, im Nib.-l.,
bei Ulrich von Lichtenstein, dessen Schwiegersohn Herrant and
bei Heinrich von Freiberg. In der Oberpfalz gebraucht es
Rttedeger der Hünchovaer. Zur manier ist der gebrauch dieses
-/ bei dem aus Wien kommenden, zuletzt in Regensburg leben-
den, mitteldeutschen Eonrad von Megenb worden. Ans
oberpfälzischen Urkunden belege ich güetel MB. 26, 62 (1303);
das. B3 (1316); das. '.'7 (1320). Bei Andreas von Regensburg
fand ich bloss einmal 592, 1"> wörtel.
Wie schon bemerkt, bietet auch der Wortschatz Reinbots
anhaltspunkte für die Oberpfalz. Die von Kraus in der an-
merkung zu v. 1557 f. verzeichneten worte lassen sich fast alle,
zum teil ausschliesslich, bei oberpfälzischen Schriftstellern nach-
weisen. Freilich isl nicht alles bemerkenswert, was Kraus an-
gemerkt hat. Das Grimmsche WH. Bcheint für ihn nicht zu
existieren, Bonst wäre z.b. buole kaum als merkwürdig auf-
geführt worden. Was ist an eischen, freischen, gebet, vlust
wunderbar? [ch lasse jetzt ein Verzeichnis der worte folgen,
die für Reinbot als Oberpfälzer sprechen. Nur da, wo ich
■•• aus nicht für die mhd. wbb. ausgezogenen denkmälem
luin: ich citate. Sonst führe ich bloss das werk oder
den Schriftsteller an and verweise den leser für die citate auf
die wbb. Wenn das betreffende wort Bchon bei Kraus in der
anmerkung zu v. 1557 f. erwähnt ist, unterlasse ich es, die vere-
zahl des Ge : ■ anzugeben.
bc loc he n 8err»1 Krone. Selb« li ich EU>th.
er 261 Berth, j.Tit. (sehr häufig). Kinkel Et«
1. UIZ.
n m dei bedeQtang ■iu.ninii.lp> kind .1 tob
Beim« sfurl MO hu " </ •
Stufiger i-t thu In demselben - enkkni:
j. Tit. Bngdietrieh. M- .
EnikeL VgL I i iheostephanex chronih
382 WILHELM
vnd pot dem midier, so die fraio daz chindet gepar, wer es ein tegen-
chiudt (dcgenkint Cgm. 315), daz er jm dann preeht den poltz, wer es
ober ein maidlein (dicrnlein Cgm. 315), daz er jm das vingerlein
preeht.
gebrech Servat. Berth. Neidh., aber au ob Pass. und Ebern, v. Erfurt,
gemächid Berth. Elisabeth. Erlös. Schwabensp.
hügelich, hügende Hadmar von Laber. hügen II. Trist. Rol. Kaiserchr.
Kindh. Jesu. Ulrichs Willi, geh'uge Servat. 22. gehügde Servat. 13.
Vn da höret von ze gehvgde in der von Rüedeger eigenhändig- geschrie-
benen Urkunde; s. 0. Lippstreu. Der Schlegel s. 26.
itewsege Servat. Kindh. Jesu.
lichnam G. 4737, vgl. Andreas von Regensburg leycfmam 606, 39.
orthabe vgl. E.Schröder, Zur Kaiserchr. s. 5-1. Servat. Heinr. v. Melk. Lit.
Wernher. Urstende. Auch bei Rud. v. Ems. orthaber aller wisheit s.
Yilmar s. 60.
pflegen swv. Servat. Wernher. Maria. Bonus. Buch der Rügen. Helra-
breht. Warnung. Krone. Helbeling.
riden Servat. Kaiserchr. 11626. j. Tit. Hadmar von Laber. Konrad von
Megenberg. Suchenwirt. Lichtenstein. Lohengrin. Neidhart. Teichner.
Ulrich Willi. Rabenschlacht. Chroniken deutscher städte (Augsburg)
4, 118, 13.
salin au 403 ein auch in Bayern gewöhnlicher ausdruck, vgl. MB 24,324
per manum delegatoris, quem uulgo Salm an nominant (v.j. 1189); das.
s. 43 Verum ad maiorem securitatem et, ut fratres siluas preuotatas
liberius obtineant, tradite sunt in manus fidelis nostri Diepoldi lant-
grauii de LucJcinberc, ut ipse ad proficuum supradieti monasterü et
fratmm in his, qui uulgo salman nuncupatur existat (v.j. 1199).
stroufe Nibl. Freid. Ottokar.
teuer 2636 daz leint hat in sinem tener alliu dinc bcslozzen, nur noch
aus einer stelle der Kaiserchr. belegt und auch sicher daraus entlehnt.
Kaiserchronik 3576 und alle di werlt in sinem teure (tener 3) be-
st ozzen hat.
Fassen wir die ergebnisse unserer Untersuchung- zusammen,
so können wir folgendes sagen:
1) Aus Reinbots bemerkung, dass er in einem markte
Wörth schreibe, lässt sich zu gunsten des einen oder des andern
der zwei in betracht kommenden markte, Donauwörth und
Wörth a.d. Donau, nicht entscheiden. Geschichtliche erwägungen
sprechen aber mehr für Wörth a. d. Donau als für Donauwörth.
2) Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das Wörth
der entstehungsort des hl. Georg ist, in dessen nähe sich eine
REINBOT VOH DÜRNB. LINDQVI81
familie von Dorne / Dfirne nachweisen lässt Dieser ort ist
Wörth a. d. 1 tonau.
8) Dafür sprechen auch die sprachlichen and literarhistori-
schen tatsachen.
ii Der naint' Reinbots ist Dürne, mW nmlaut, zuschreiben.
\!> Oberpfälzer sprach Reinbol schon die Denen
diphthonge and dies muss auch im text zum ausdruck
kommen.
MÜNCHEN. FR WILHELM.
ZUR ETYMOLOGIE DES AMD. AS. UABMSCARA.
Dies worl das auch im ags. vereinzelt begegnet - ist
bisher oicht befriedigend erklärt worden. Es wird von Braune,
Aithochd. lesen.' gloss. mit 'schmerzliche Btrafe, zfichtigung,
Bchmerz' widergegeben, Schade übersetzt es in Beinern Wörter-
buch mit 'beschimpfende, qualvolle Btrafe' und in Müller und
Zarnckes Wörterbuch wird die mhd. form i\<-s wortes harm-
schar mit 'was zur Kränkung, pein und quäl auferlegl oder
angestiftet wird, strafe, plage, not' erklärt in INI., w
nur einmal vorkommt (v. 240), wird es von Sievers im forme!-
Verzeichnis Beiner ausgäbe b. 149 mit 'strafe1 übersetzt
In der tat scheint die bedeutung nach dem Zusammen-
hang, wo] in es an den ältesten stellen vorkommt, zu urteilen,
'schmerz, quäl, leid' za Bein, also ongefähr mit derjenigen von
härm zusammenzufallen, das von Braune (ibd.) mit 'beschim-
pfung, schmach, leid, schmerz' widi ben wird. Diese über-
einstimmung der bedeutungen von hamucara und dem einfachen
härm wird auch von Deckel, Beitr. 33, \~,i ein anfsatz, aui
den ich nachher zurflckkomme hervorgehoben: 'es lässt sich
aber l nachten, dass harmtkara annähernd härm Ist', [eh
habe 'das einfache härm' u« -( lni.d.cii. denn d;i worl ein
384 LINDQVIST
compositum ist, liegt ja auf der band, und dass härm das eine
compositionsglied ist, ist ja auch einleuchtend. Es verstellt
sich also von selbst, dass die erklärung 'schmerzliche strafe'
und 'was zur kränkung, pein, quäl auferlegt oder angestiftet
wird', in der auffassung des zweiten gliedes begründet sein
muss. Hier liegt aber die Schwierigkeit.
Die eben erwähnten Übersetzungen beruhen nämlich alle
auf der von Grimm, R.A. 24, 255 gegebenen etymologie des Wortes:
lscara ist aufläge, herrnauflage, frohne, harmscara folglich,
was zur pein und quäl (von der obrigkeit) auferlegt wird'.
Später hat er selbst diese erklärung bezweifelt und die Ursache
dazu ist offenbar, wie Neckel a. a. o. richtig bemerkt, die
Schwierigkeit gewesen, eine beziehung zwischen härm 'leid'
und shara in der von Grimm gegebenen bedeutung herzustellen.
Ausserdem ist es wol fraglich, ob die — im mhd. allerdings
geläufige — bedeutung 'herrnauflage, frohndienst' schon zur
zeit der ältesten belegsteile von harmscara (Ludwigslied, aus
dem jähre 881 oder 882) vorhanden gewesen sei. Hier wird
es jedenfalls von einem leid gesagt, das vom dichter als durch
gott veranlasst dargestellt wird. Die allgemeine bedeutung
von shara 'schar' kann hier nicht in frage kommen. Nun hat
es Neckel a.a.O. versucht, mit hilfe von altem nordischen
runenaberglauben, runenstäben und besch wonnigen die be-
ziehung der beiden coniponenten klarzulegen, und er kommt
dabei zu dem ergebnis, dass harmscara eine 'liarmbescheeruiig'
sei. Statt auf Neckeis in meinen äugen sehr wenig überzeugende
ausf ührungen einzugehen, will ich eine andere etymologie wagen.
Ich gehe von der im Ludwigslied v. 14 vorhandenen form
liaranscara aus. Da das zweite a offenbar svarabhaktivocal
und das n durch assimilation vor s entstanden ist, können wir
es nur mit einem alten harmscara zu tun haben, was auch die
formen des Wortes in den Hel.-hss. bezeugen. Ebenso ist die
allgemeine Vermutung, dass das wort ein compositum sei, und
dass das erste glied das subst. härm enthält, offenbar un-
anfechtbar. Aber es scheint mir nicht von vornherein klar
zu sein, dass die compositionsfuge zwischen m und s liegen
muss, das wort könnte auch in harms und cara zu zerlegen
sein , d. h. die älteste form wäre dann m. e. härmiscdra, das
nach einer bei der angegebenen accentuierung natürlichen
HARMSCARA,
Bynkope des i nnser härm eara geben müsste. [ch Fasse also
das worl als eine Zusammensetzung von härm mit dem gok-as.
Jcara, ags.com, cearu, ahd. jfcoro, chart . leid, kummer'.
Bei dieser auffassung verschwinden alle Schwierigkeiten
hinsichtlich der bedeutung, und wir verstehen sofort, «ramm
die bedeutung des compositums derjenigen des einfachen /<"/»<
bo nahe kommt: das worl i-t eine tautologische Zusammen-
setzung, wie sie in den alten germ. sprachen genau wie in den
modernen bo häufig vorkommen, [ch will mir an das got mari-
saiws, das äs. mdÖ-sebo, aha-ström, fvl-fat, das ahd. muot-unllo
erinnern. Wie die lautliche entwicklung zeigt, i-t jedoch das
gefflhl vnii dieser entstehung des wortes dem sprachlichen be-
wusstsein früh verloren gegangen. Wenn das worl B]
^entlieh in einer bedeutung erscheint, die Bich mein- der
von 'strafe1 nähert, ist dies nicht auffallend. Berühren sich
doch diese beiden bedeutungen -ein- mit einander; a& wtH er-
Bcheinl bowo] in der bedeutung 'strafe1 die bei dem ent-
sprechenden aisl. viti die einzige i-t wie auch Behr häufig
in der von •quäl, pein1 und Hol. L838 n. steht es parallel mit
härm, genau wie es v.239 t. mit nnserm harmscara parallel steht.1)
Das einzige, was bei dieser erklärung des Wortes zu be-
denken anlass geben könnte, wäre wol die art der composition.
Bekanntlich Bind die genetiveomposita auf den ältesten Btufen
der germ. Bprachen ebenso selten, wie de in neuerer zeit zahl-
reich sind, und man hat ja die Casuscomposita überhaupt als
'uneigentliche composita1 bezeichnet und ihr Vorhandensein auf
den ältesten .-tuten der idg. Bprachen geradezu geleugnet.
Diese auffassung wird wol kaum aufrecht erhalten weiden
können (vgL /. 1». Brugmann, Grundrisse II §4' ofalls
kann 68 nicht in abrede ge8tell1 weiden, das- sehen im
und ahd. einige unzweifelhafte beispiele dieser compositionsaii
belegt und. [ch erinnere an da- 'gs-wadäjiM, das ahd.
tunnün tag, ahd. rnndia-brüi 'Wirbelwind', mehrere ahd. pflanzen-
namen wie hanin-fMOf, hrindestunga, wolfes-milh und an ein
wnit, da- in diesem fall.- von besonderem Interesse ist. ahd.
lihhinamo Ukkm-han nhd chnam), dessen erst
'i Du vul.st | i lat. j
lun. ,.r duichfunadit
Hciiii^t »ur («tchichi* J«i l«uttcb«o i,
386 LINDQVIST, HARMSCARA.
zweifelsohne als gen. eines schwach Sedierenden urg. Hikan-
: *Vhkin- verstanden werden muss (Kluge in Pauls Grundriss2 1
s. 474 und ders., Etym. Wörterbuch art, leichnam, Wümanns,
Deutsche gramm. II s. 547). Denn weil das subst. ahd. lih
oder, schwach flectiert, ahd. Hihho selbst 'körper' bedeutet,
ist ahd. lihhinamo gewissermassen ein zweites beispiel der-
selben compositionsart wie harmscara, insofern nämlich die
bedeutung des wortes auch nach dem hinzukommen des zweiten
gliedes dieselbe bleibt.
Weit entfernt also, dass die art der Zusammensetzung etwa
die vorgeschlagene erklärung verdächtig machen könnte, steht
sie mit der ganzen art des wortes in gutem einklang. Denn
selbstverständlich muss ein subst,, das eine tautologische Zu-
sammensetzung ist, verhältnismässig jung sein, und dann kann
es uns nicht wundern, wenn es auch eine compositionsart ver-
tritt, die einst in verhältnismässig jüngerer zeit sich zu ver-
breiten anfängt.
Obschon es wol überflüssig sein wird, möchte ich zuletzt
einige andere beispiele für tautologische genetivcomposition
anführen. Ich erwähle ein paar aus meiner eigenen spräche:
schwed. gärdes-gärd = 'zäun', so wol gär de wie auch — in
der älteren spräche — gärd = 'einfriedigung', schwed. tungo-
mäl 'spräche' von tunga 'zunge, spräche' und mal = got.
fnapl, schwed. ändalyht 'schluss' von ände 'ende' und Jyht
( : vb. aschwed. lulca, ndän. lukke 'schliessen') in der älteren
spräche = 'schluss'. Das aisl. ülpyöisfolk = 'Übeltäter' {Jrißi
und folh alle beide = 'leute') wäre auch zu vergleichen. —
Andere beispiele aus dem deutschen bei Wümanns, Deutsche
gramm. II § 399, 2.
LUND. AXEL LINDQVIST.
NOCH EINMAL DER KÖTER.
(Zu Beitr. 88, t02f. and Beitr.84,5671 l
Am letztgenannten orte hal Friedrich Klage meine an
EI. Schroeders dentnng (Beitr. 29,554 ff.) angelehnte etymologie
idd. hIhI. Jcöter als lca\ 'beller' in ziemlich schroffer
weise abgelehnt I « • 1 * will daher versuchen, die an ersterem
orte um- kurz angedeute etymologie hier etwas ausführlicher
zu begründen.
Fr. Kluge hat darin recht, dass er in oberdeutsch Jcauaen,
ihnen das verbalsuffiz got -atfan ahd. -aesen (vgl
lauhatjan, ahd. i<>hn::d>i 'leuchten*) sucht. Denn Schweiz.
elidier', ckätun (Schweiz, idiot. 3,595; man beachte den von
Kluge vermissten umlaul sowie ^*i n fehlen!) kann nur auf ein
urgerm. *Jcauwatjan zurückgehen, da urgerm. *kautjan ja zu
'<■/>>, :,n. ¥clwzen hätte werden müssen.1) — Die letztere grund-
form wir»! mit Verkürzung des ahd. o vor z (vgL über diese
vereinzelten falle Wilmanns, Deutsche gramm. 1-. 310 f.) in nhd.
hotten fortleben, woneben sich, besonders in der burschikosen
spräche, kosen findet, das \Vl.i auf md. boden entstanden isl
(vgl. über solche doppelformen Behaghel, Grundriss l*,693). —
Ein kleiner hund, der viel bellt, heissl übrigens Schweiz, chäu-
§erli, also hd. kawn rcht n.
Das in fast allen oberd. und westmd. mundarten (nicht
nur am Oberrhein, wie Fr. Kluge angibt) verbreitete /." i
gausen (vgl DWb. 5, 371) findet Bich im bair. auch in der form
kauschen\ obersftchs. liegt kauxen, ganzen vor.
werden wir aui das wurzelelemenl *kau- als bedeutun
geführt, das zweifellos onomatopoetischen Ursprungs ist Wenn
II. Hirt in der neuen aufläge des Weigandschen Wb.'s l
■ ii nach alteren i z.b. die citate bei Schmeller,
wb. 1,969) mit aisl. geyja, praet^d, d&n. <i » 'bellen1 zu-
sammenstellt ae. C""/ f. "tu rh.it. leicht&inn' isl trotz an-
scheinender formeller Übereinstimmung mit aisL <j">i
hellen' der bedeutung wegen wo! fernzuhalten
'i In einet nitteQnag rem L9. febr 1908 bat m immun in
Zfiricb hierauf
-
388 FEIST, NOCH EINMAL DER KÖTER. — KÖVI
nur insofern richtig, als liier das im consonantischen anlaut
abweichende wurzelelement *gau- der bedeutungsträger ist.
Bei einer lautnachahmenden Wortbildung ist aber diese differenz
(*kau- : *gau-) bedeutungslos. Eine etymologische anknüpfung
indes zu suchen — Hirt gibt die gleiche wie ich selbst Beitr.
33, 403 — , wird man in diesem falle doch besser unterlassen.
Den umstand, dass das auch schon aus spätmhd. zeit be-
legte nhd. kauzen, ganzen (leautzen Diefenbach, Gl. 70 b aus dem
15. jahrh., gautzen bei Alberus Dict. Q la [1540], s. DWb. und
Weigand a. a. o.) keine ndd. entsprechung hat, worüber sich Fr.
Kluge a.a.O. wundert, erklärt H. Schroeder ganz annehmbar
dadurch, dass mit der monophthongierung des au zu ö auf ndd.
Sprachgebiet der charakteristische inhalt des wurzelelements
*kau- (vgl. wau-ivau) verloren gieng und es somit für den ge-
wollten zweck unbrauchbar wurde; ein mit dem 'determinativ'
t erweitertes *kautan (vgl. das oben erwähnte bair. Jcaussen
u. ähnl.) musste ja zu ndd. *kö~ten werden, gleichwie ein ur-
german. got. *kautareis zu andd. *kötari, *köteri = ndd. höter
wurde.
Ich halte also meine deutung von nhd. Icöter als 'kauzer'
immer noch für ansprechender als die ableitung von ndd. kot,
engl, cot 'hütte'. Hirt hat sie übrigens im neuen Weigand s. v.
Mter ebenfalls angenommen.
BERLIN N, 20. märz 1909. S. FEIST.
DAS DWB. UND DIE ZIPS.
Weder die gebrüder Grimm, noch deren nachfolger tragen
die schuld, dass in dem monumentalen werke, dem Deutschen
wörterbuche, krasse fehler der nachweit überliefert wurden.
Dieser Vorwurf trifft zum grössten teile dr. K. J. Schröer, der
als geborener Pressburger das ungarische bergland bereiste
und sich einige tage auch in Zipsen aufhielt, worauf er in den
bdn. XXV. XXVIII und XXXI der Sitzungsberichte der kais.
academie der Wissenschaften in Wien deii Beitrag zu einem
DAS DWB. im» DIE Z1PS.
Idiotikon der Zipser mundarten veröffentlichte. Um meine be-
hanptong zn rechtfertigen, will Leb nur einige wenige stellen
ans dem l >\Yi>. citieren.
[m.4. bde. I 2. teil, sp. 2479c unter geheuer liest man: 'einen
wichtigen (!) beitrag gibt ein versteckter winke! im äussersten
osten - in der Zipa gehöre Zeiten Sehr. 61. ' Schröer sagt:
'geheuer ist dir und. rest eines alh-n wortes.' Er mag die
worte gehöre Zeiten aus der Zeitschrift von and für Ungarn,
redigiert von Schedius L803 u. ff. geschöpft haben, woGenersich,
damaliger prof. am lyceum zn Kesmark, ebenfalls fälschlich
gehöre Zeiten statt -hehre Zeiten1 schrieb.
//'//;• — in Zipsen ein sehr volksübliches wort — bedeutet
'schön, prächtig, erhallen, heilig'; und da in Zipsen die collectiv-
form Behr beliebt ist, so nennt man daselbst die hohen, hei:
Feiertage ostern, pfingsten and Weihnachten — g9h$\ ■
I taher Bteht das attribnt hehr in gar keinem znsammenh
mit geht
Einen /weiten vielleicht noch gröberen fehler findet man
unter Schaub DWb. 8, sp. 2300. Verl ii'. in Zipsen
hölzerner teller, Schröer 2,287. Wie Schaub in Oestr. ein kurzer
weiberrock, in Zipsen ein Langer wickelmantel, worin saugli
agen werden, mit einem hölzernen teller in Verbindung
bracht werden kann, bleibt Schröer Bchuldig zu erklären. Es
i-t richtig: S&ep oder $ö$p heissl in Zipsen jeder teller. Der
diphthong " wiid in Zipsen a< oder ff< gesprochen, daher nicht
zu verwechseln mit a i") oder ö. Das wort ist aber unter
inzuführen; §a$p ist auch iliirnauie und bezeichnet eine
dache bergkuppe. A.ucb die Zielscheibe der Benutzen heisst
§aep mit der übt Ufrti 'tartsche'.
könnte man ein oder mehrere dutzend fehler anführen,
die den deutschen philologen ein sehr verworren.- bild VOH der
Zipser mundart liefern mfl Lehnliche fehler — besonders
v, lie . ssprache anbelangt kommen auch in der Zeit-
schrift von Schedius vor. die s. z. auch Schmell itzte:
z. 1>. 'schlecht, unnütz' heisst in Zipsen hitvendix- ■
schrift erklärt das wort: 'schlecht wie ein gewendeter hut\
l ta ist gut in Kinderschuhen.
• »in im: • lehnwort y mit Zipser
mundartlicher endung.
390 KÖVI, DAS DWB. UND DIE ZIPS. — GEBHARDT
Es ist nun die frage: sind diese fehler noch gut zu machen?
Ich halte dafür, die leitung des DWb. möge 15—20 individuell
— es müssen nicht eben gelehrte sein, sondern vielleicht stu-
dierende oder reifere gymnasiasten — damit betrauen, dass sie
alle Schröer'schen citate aus dem DWb. zusammenschreiben
mögen. Diese excerpte sollen dem herrn Rudolf Weber, prof.
am ev.-luth. obergymnasium zu Budapest oder mir nach Iglö
(Zipsen) eingesendet werden. Nach der correctur möge dem
letzten bände des DWb. ein nachtrag mit der aufschrift i Ver-
besserungen' angefügt werden.*)
[*) Mir würde es einfacher — und auch zweckmässiger — scheinen
wenn die herren seihst zu der Schröer'schen arheit einen nachtrag ver-
öffentlichen wollten, in welchem alle schiefen auffassungen Schröer's, nicht
bloss die ins DWb. übergegangenen, berichtigt würden, so weit sie die
erklärung des Wortschatzes betreffen. Daraus könnte das DWb. dann leicht
seine Verbesserungen schöpfen. W. B.]
EMERICH KÖVI.
MED. POYTWIN.
In der einzigen handschrift des gedientes von der kreuz-
fahrt Ludwigs, hsg. von Fr. Heinr. v. d. Hagen, Leipzig 1854,
lesen wir vers 2806 (vdH., richtig 2801) f.
Der povtwin1) ouch hers furste
was in manlichem geturste.
Dazu bemerkt S. Singer, Prager deutsche Studien 8 (= Fest-
schrift für Kelle), Prag 1908, s. 313: '1. Poytwin? Das scheint
nach Türlein 58, 1 eine sarazenische standesbezeichnung.'
Die angeführte stelle lautet vollständig in Singers ausgäbe,
Prag 1893, s. 78
LVIII Poytwin und heidenriter vil,
der ich nü niht nennen wil
(west ich ir namen, ich nannte sie),
die stuonden alle durch schouwen hie,
5 dö man den markis fuorte her.
J) Nicht port win wie vdH. liest.
miid. POYTWIN. 891
Dazu vermerkt der herausgeber die lesarten Torwen, Botwin,
B (i ii-Di. Seutwin, Bertun, Barun, Herren.
Tatsächlich scheint hier der Zusammenhang eine bedentnng
zu fordern, die mit dem worte heidenriU rgleichlänft, also entweder
eine Btandesbezeichnnng, oder wenigstens i twaa ähnliches, viel-
leicht eine bernfsbezeichnnng oder die einer Waffengattung.
Ausser diesen beiden stellen ist mir das vorkommen dieses
Wortes nur noch an zwei stellen l><i Wolfram bekannt. Die
eine, im zweiten buche des Parzival, lautet:
72, l I tiniiuiri stach binden dm
lo Poytwln de Prienlascon
und anders manegen werden man.
an den er richerheil gewan.
Zu Poytwin verzeichnet Lachmann die lesart Poitewinen.
Bartsch meint in einer anmerknng zu dieser stelle Poytwin
entspreche hier dem französischen Baudouin. Aber oy ist ja
bei Wolfram gewöhnlich die widergabe eines frz. oi, vgl. /. l>.
Terdelaschoye Erz. terre delajoie. Freilich scheint Poytwin
hier der eigenname eines ritters zu sein. Allein möglich ist
doch immer, dass auch hier im letzten gründe ein appellativum
dahinter Bteckt; uml dass der dichter an 'heidnische1 ritter
ichl hat. diese Vermutung wird nahe gelegl durch das an
onserer stelle folgende:
Bwai dd gekrinstex rittet reit,
die gennaaen des beides arbeit :
15 diu gewonnen ora diu gab er in:
an im lag ir gros gewin.
Nun ist bs wo! <-in anachronismus, im gefolge von Parzi-
vals vater von kreuzrittern zu sprechen. Aber ich glaube,
wir dürfen darüber mit einem Wolfram nicht rechten, der
ganz im geiste .-einer zeit handelte, wenn er kreuzritter und
•lieiden' in gegensatz zu einander setzte, und brauchen daher
nicht um dieses anachronismus willen mit Bartsch Btatt des
von l.achiiijiiiu aufgenommenen gekriustei von den abweichenden
lesai tcu gebruti r, hrütäiter, ;i< truwt r, <i> m r die erste anzunehmen
und das gekriuMter der classe D für daraus entstellt "der wie
Piper sagt, verschrieben zu halten.
Bndlich aber kommt das woi I noch voi im \\ illehalm, buch 7.
wo von vasallen Tei i am* l \\ ird:
392 GEBHARDT
358 Purrel tuot hiute mauheit schin,
und die stolzen Cordine
und die punjür Poytwine,
und Cliboris der starke,
der künec von Tananarke.
Lesarten: potiwin, potewine, porteivine.
Jedenfalls beweisen die zahlreichen lesarten hier und bei
Ulrich, dass es sich um ein den abschreibern nicht bekanntes
wort handelt, und die stellen bei Ulrich und im Willehalm
verglichen unter sich und mit der in der kreuzfahrt lassen
Singers Vermutung als sehr wahrscheinlich erscheinen. •)
Als ich mich mit diesen stellen beschäftigte, kam mir der
gedanke an das wort beduin, und auf mein befragen erklärte
mir herr professor Jacob freundlichst, beddivin sei ein vulgärer
plural zu dem arabischen beädwi ' wüstenbewohner'.2) Und zwar
sei das e der ersten silbe ein unfester laut, der noch heute in
einzelnen arabischen dialekten als a erscheine.
Freilich haben unsere mhd. dichter das wort kaum un-
mittelbar aus dem arabischen übernommen — ausser sie haben
selbst einen krenzzug mitgemacht — , sondern am wahrschein-
lichsten aus dem lateinischen oder auch aus dem französischen.
Aber auch in diesen sprachen spiegelt sich das schwanken der
arabischen lautgestalt wider in einem schwanken in der
widergabe.
Zwar ist auch hier Beduini bez. Beduins die regelmässige
form; doch verzeichnet Du Gange I 636 als nebenformen Be-
davii und Bolduini, La Curne de Sainte-Palaye, Dictionnaire
de l'ancien langage francois, Niort & Paris 1875, 1 446 Bedoins,
Baiidouins, Bectuaires, und in dem von Thomas in den Mün-
*) An stellen in Rudolfs von Ems Willehalm, z. b.
72G5 bi den Franzoysen wolte ouch sin
von Poytiers gräve Poytwin:
er was in oucli ze Chomarsi
mit siner sunderrotte bi,
und üfter, verhält sich selbstverständlich Poytivhi : Poytiers, Poytomoe =
Anschev/n : Anschouwe bei Wolfram , und scheidet dabei' aus unserer be-
trachtung aus. Uebrigeus zeigen auch hier die hss. die bunteste Verschieden-
heit : Poitwin, Poyttoin, Porteivin, Poutewin, Podewin (vgl. das register in
Victor Juncks ausgäbe, Berlin 1905, s. 256).
2) Vgl. Odorici de Foro Iulii über de Terra sancta cap. 4G, § 1: desertum
Surie vel Sirie, in quo vagunt homines silvestres, scilicet Badewini.
Min». POYTtVIN, iii i i;\ 1 1 B.
chener Sitzungsberichten iv''>">. bd. II Ml ff. nach drei dortigen
handschriften herausgegebenen Tractatus de locis ei Btatn sancte
terre ierosolimitane Liest (au L59) cod. 17060 Buduini,
|.;.M bedicoini und ~>:'>i»7 boudewini
Daher möchte ich den fachgenossen dir Vermutung vor-
legen, <>ii nicht iii»- Povtwin und Varianten unserer mhd. t<
wenigstens teilweise das arabische bedawi wenn nicht an-
mittelbar, bo durch Vermittlung des Lateinischen oder fran-
zösischen widergeben sollen. Selbsl wage ich dir frage nichl
zu entscheiden.
ERL LNGEN, den 24. juni L909.
AUGUST GEBHARDT.
LITEEATUR
(Vei "i der redaction eingegangener Bchriften.)
Beowuli, nebsl den kleineren denkmälern der heldensage. Mit ein-
leitunf i and anmerkunj von F. Holthausen. I. teil: texte
u. oamenverzeichnis. 2. verb. aufläge. Mit 2 tafeln. Eeidelberg, Winter,
XIII. :
Bei-, • mann, De versa Satnrnio. (intim. Perthes, L9O0. —
VI. 18B - M. 3.00.
Boycr, Paul (Gerhardt, I»i>' mitteldentschen Segremors-fragi
Qnteranchnng and ausgäbe, l'i— Marburg 1909. ui -.
Brandstetter, Ren ward, Elenward C] 1614. Dei
der schweizerischen Volkskunde l Elenward Brandstetten phien
zur vollständiges sprachlichen and volkskundlichen • rforai hang AJt-Li
\ Uli Lasern, EUag, L909
Dahin. Kau i. I >> i /.ur Unterscheidung
and imperfecta tri iraTatian nnd in Nol hios. Lei]
. I '.i- .tlt.' «1. otsche volkslii üi'k«-
rormen betrachtet i \ :\
Dichtungen, Aul., te • t und hei n von
iii und V ried rieh von der
II. l;
ind, Etyn rterbnefa di
mit einschluss des I i eu Hall«
394 LITERATUR.
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en Mededeelirigen der K. Akad. van Wetensch. Letterkunde, 4e Reeks, Deel X).
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Grur.driss der germanischen Philologie ... hsg. von Hermann
Paul. 2. verbesserte und vermehrte aufläge. II. band, 1. abteil., 6. lieferung
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Trübner, 1909. — VIII, s. 318—772.
ZUR LIEDERPOESIE IX FISCHARTS
GARGANTUA.
• Mir Bei es erlaubt, hier nur Doch eine reiche quelle von
gemeinen, insonderheit trink- und bnhlliedeni anzufahren, es
simi die Übersetzungen Fischarts In Beinem verdeutschten
Rabelais, zumal in der litanei der trunkenen, und sonsl beinahe
durchbin ist eine Bolche menge Lustiger lieder, wenigstens dem
anfange nach und Btrophenweise angeführt, dass mancher kleine
feyne allmanach von lustigen gesängen und Volksliedern aus
dieser einigen quelle einen Btrom erhalten könnte, mit der
allgemeinsten und unendlichsten bibliothek1) weite zu laufen.
Für mich war [eoneept: ausser vielleicht ein paar Btrophen]
nichts darinn; indessen leugne ich nicht, dass viele lieder eine
Fröhlichkeit verrathen, zu der manche neuere in dieser gattung
als trocknes, uachgedrechseltes werk erscheinen möchten.'
.Mit diesen w<>rten hat Herder-) auf die zahlreichen
deutschen Lieder hingewiesen, die zwei Jahrhunderte früher
Fischart in den Zusätzen Beiner < largantuabearbeitung angeführt
oder erw&hnl hatte.
Von den 'lustigen* liedern desOai finden wir eines schon
im ICusenalmanacfa für 177'.». hsg. von Joh. Beinr. V*oß, neu
abgedruckt: das bekannte Muskatellerlied 'Den liebsten bulen,
den ich hab\ Die herausgeber von Des knaben wunderhorn
haben im /weiten bände (1808) einige liederbruchstücke aus
dem Qarg. als grundlage für sehr willkürliche bearbeitungen
verwendet Später hat K. von Brlach eine reihe von Lieder-
') NicoUii Lüg. deutsche bibliothek
inleitong ra den \ olkiliedern II (1779
Uen, Dortmund
i l.\\\ I (noob nicht enohieBi
l(citijk-c lur gcschichle im tteutschco Sprache
396 WILLIAMS
citaten aus Fischarts roman in seine Sammlung- aufgenommen.1)
Die herausgeber der wichtigeren neueren Sammlungen mit
liedern des sechzehnten Jahrhunderts, von Uhland bis Böhme,
haben den Gargantua als quelle mit herangezogen.
Den bedeutsamsten versuch, lieder des Garg. in alten
quellen nachzuweisen, hat der bekannte Fischartforscher K. H.
G. von Meusebach im rahmen seines ungedruckt gebliebenen
Gargantuacommentars gemacht.2) Er hat für eine menge
liedercitate des Garg. ihm bekannte parallelen bez. quellen in
seinen anmerkungen angeführt.3) Meusebachs handschriftliche
'liederhistorie', in der er durch Zeugnisse aus verschiedenen
quellen das alter bez. den Verfasser von vielen deutschen
liedern zu bestimmen suchte, enthält auch einige in seinem
Gargantuacommentar fehlende belege für Fischarts lieder.
Ein paar blätter in seinem nachlass no. 21 enthalten weniger
wichtige hinweise auf parallelen zu liedern des Garg. Ich
habe Meusebachs arbeiten erst eingesehen, nachdem ich schon
die meisten der für Fischart wichtigen liederquellen des sech-
zehnten Jahrhunderts durchgearbeitet hatte. Von dem verhält-
nismässig wenigen neuen material habe ich einiges unten in
den nachweisen des II. teiles verwertet.4)
Spätere Fischartforscher, vor allen A. Häuften, haben
manche für die vorliegende arbeit sehr wertvolle beitrage
zum Verständnis dieses dichters und zur erklärung des Garg.
veröffentlicht. Sehr willkommen der abgedruckten texte oder
!) Volkslieder der Deutschen 1 (1834), 25—41.
2) In der handschriftenabteilung der kgl. bibliothek in Beilin auf-
bewahrt (Meusebachs nachlass no. 22). Siehe die beschreibung und Würdi-
gung von Meusebachs commentar von A. Hauffen, Neue Fischart -Studien,
7. ergänzungsheft zum Euphorion, 1908, s.272 — 289; ausserdem C. Wendeler,
Fischartstudien des freiherrn von Meusebach, Halle 1879.
s) Zu der langen liste von liedern im 1. cap. (im II. teil dieser arbeit
als no. 1 — 30) ist von Meusebach nichts angemerkt worden ; auch sonst hat
er bisweilen nicht alle liederquellen seiuer eigenen grossartigen Sammlung
ausgenutzt. Er scheint seinen commentar vor der mitte der dreissiger jähre
des vorigen jahrh. zum abschluss gebracht zu haben; vor seinem 1847 er-
folgten tode sind wol neue schätze an alten liedern in seinen besitz ge-
kommen.
4) Gargantuacommentar, vgl. meine nachweise zu no. 91. 121. 134. 139;
Liederhistorie (Meusebachs nachlass 33), vgl. zu no. 20. 35. 40; Nachlass 21,
vgl. zu no. 91. 114.
I.II.DKKI'nKSIK IM Q LBG AVI CA. 89 I
der nachweise wegen waren mir für tdele lieder de Q
die Bammlungen bez. aufsätze und bibliographischen arbeiten
von Unland, Boffmann von Fallersieben, Goedeke, Böhme, Jon.
Bolte, M. K. Marriage und besonders 7on A. Kopp.
I. Allgemeiner teil.
^ 1. Vergleichung der drei ersten ausgaben dos Garg.
in bezug auf ihren liederinhalt.
Fischart hatte Bchon in den Zusätzen der ersten ausgäbe
vnn L575 die hauptmasse der noch bestimmbaren lieder —
mehr als ein hundert an der zahl — citiert oder erwähnt
Diese Btellen sind in den späteren ausgaben im wesentlichen
unverändert geblieben.
Nur kleine Fragmente sind 1582 neu hinzugekommen,
no. L26 137. An liedern, die Bchon in der ersten ausgäbe
vertreten waren, sind in der zweiten nur unbedeutende neiie-
rungen zu constatieren: von no. 48 kommt ein weiteres &
nieiit vor: das bruchstück A"ii no. 122 wird auch an einer
zweiten Btelle verwertet (nur 1582); die Letzten /eilen des
Fragments no. 16 Fehlen 1582, als ersatz wird ein citat aus
einem neuen lied eingefügt iii". 129); Ferner wird L582 in
einige liedercitate der ersten ausgäbe nicht passendes ein-
:hoben, ro in ii<>. ■> I. 64. 77 und 111.
la den Zusätzen der ausgäbe letzter band 1590 kommt
hier nur eine Btelle in betracht, in der die liedlein no. L38 und
in». 189 vorkommen.
f; 'i. Fischarts gruppierung der liedercitate.
Fischarts neigung, lange listen aufzustellen, zeigt rieh im
l. cap. .. wu in seiner aufzählung der unsauberen
lieder beinahe ein viertel der muh bestimmbaren liederfrag*
mente vorkommen im 11. teil unten als no. l
Kino lange quodlibetartige stelle im i. cap. (neudr. b.69 F.),
in der die irdischen Freuden der pfaffen und mönche gegensl
der Batire sind, scheint aus liederfragmenten n be-
stehen, Mri. ii". :'_ (•"' und 181. in diesem capitel citierte
Fischaii auch Martinslieder na L6. 17. 182 und Eastnachts-
lieder no. i-. 19
Im berühmten 'trunkenej h' (cap. 8) sind mehr als
398 Williams
fünfzig lieder vertreten, die streng genommen nur zur hälfte
eigen tliclie trinklieder und -reime sind: no. 58-115. 133. Fischart
hat hier kleinere liedergruppen aus gedruckten Sammlungen
entnommen: Scandellus 1570 und H. Ott, 121 lieder 1534, vgl.
unten s. 408 und 410; auch diese sind nicht ausschliesslich
trinklieder.
Unter den spielen im 25. cap. finden sich auch liederbruch-
stücke 73. 118—123. 134— 136. >)
In der vorrede der ausgäbe 1582 erwähnt Fischart an
einer stelle drei geistliche lieder no. 126. 127. 128; die beiden
letzten hat er sicher als umdichtungen weltlicher lieder gemeint.
Zwei derbe liedlein bilden den hauptinhalt eines Zusatzes
der dritten ausgäbe no. 138. 139.
Sonst hat Fischart in diesem werke liederfragmente nur
vereinzelt, ohne inneren Zusammenhang, verwendet.
§ 3. Einteilung der lieder nach ihrem inhalt.
Eine Übersicht über den inhalt der lieder, soweit nach
Fischart und der sonstigen Überlieferurig noch möglich, möge
hier platz finden.
Wie schon Herder erkannte, sind buhl- und trinklieder
am stärksten im Garg. vertreten.
Trinklieder und -reime, weinlieder no. 32. 37. 47. 48. 57.
60. 61. 62. 64. 66. 69. 70. 76. 80. 81. 82. 83. 86. 88. 100. 102.
104. 105. 109. 113. 114. 115. 116. 132 (darunter lateinisch-
deutsche mischlieder no. 45. 46? 89. 90).
Lieder mehr oder minder bedenklichen inhalts, für die
Fischart selber (Garg. 34) den ausdruck 'geuchlieder' ge-
braucht, no. 3. 11. 13—22. 24. 25. 27. 28. 35. 49. 74. 85. 94.
123. 129. 130. Zu dieser gruppe sind wahrscheinlich auch zu
zählen no. 23. 29. 30. 118. 135. 136; die reiterlieder no. 2. 6.
96; das lied von den dreizehn nonnen no. 7, und möglicher-
weise die nicht bestimmbaren fragmente no. 39. 43. 44. 71,
die sich auf kleriker beziehen dürften. Hierher gehören die
längeren schwankähnlichen gedichte no. 5. 12 und andere,
worin mönche und pfaffen eine rolle spielen, no. 1. 4. 8. 9. 10.
J) Ob auch andere von Rausch, Spielverzeichnis s. 78 — 81 als lieder
angeführte ausdrücke wirklich als solche anzusehen sind, möchte ich dahin-
gestellt sein lassen.
LIBDBBF0B8XB IM 0ABGJJI ITA.
Liebeslieder no. 81. 50. 52. 34. 92. 95. !>7 and wol noch
no. 26. 58. 54. 55. 117. L19. L20.
Spottlieder and -reime no. 88. 108, wo] auch do. 10; auf
pfaffeD undmönche do. 84. 181. L88; andere unter den 'geuch-
liedern' oben.
Klagen des anzufriedenen no. 41. 87.
Historische gediente erwähnt no. 107. 110. 111. 112. 187
und vielleicht no. 124.
Verschiedenen Inhalts sind die übrigen in den wichtigeren
liod.'ivitaten vertretenen stücke no. 58. 77. T«j. i>s. -♦'.'. 101. 125;
kurze meist einstrophige liedchen no. 33. 59. 67. 68. 72. 75. 78
(refrain). 91. '.>:;. l<"'>. L22. 1:'.'.'.
Geistliche umdichtungen weltlicher lieder erwähnt Fischart
no. 127. 128, vgl. auch im. \-^\_
§ 4. Deberblick über den nmfang der liedercitate.
Fischart begnügt sich bei der mehrzahl der lieder mit
einen kleineren bruchstück oder einer anspielung. Er setzt
wdI meist hei Beinen lesern bekanntschafl mit den texten
voraus, doch ist es zweifelhaft, ob noch im letzten viertel des
16. Jahrhunderts die leser des Garg. ohne weiteres alle an-
spielungen Fischarta auf lieder verstanden haben. Da^eLren
teilt er einige damals sein- verbreitete lieder und volkstüm-
liche reime in grösseren Eragmenten oder gar vollständig mit.
Die scheinbar vollständig angeführten Btücke Bind meist
kleine einstrophige spruchähnliche reime no. 57. 59. 62. 7."». 91.
'.•j. 108; auch no. 72. BO. 93 erscheinen im Garg. wesentlich
vollständig. Einige wenige hatten arsprünglich zwei Strophen
oder teile do. 60. 61. 64. 68 alle aus den Scandellus sehen lied-
lein 1570). Ebenfalls vollständig angeführt ist das drei-
strophige trinklied no. 66 aus Scandellus) und ein anderes mit
neben Btrophen no.81 (ans Otts 121 liedem 1584). Vielleicht
ist auch das nur bei Fischaxt überlieferte trinklied no. 118
vollständig mitgeteilt (fünf str.). Mit einer ausnähme (no.57)
tinden Bich diese lieder und reime alle im v. cap., wo auch die
meisten der • Fragmente vorkommen.
Unvollständig citierte, arsprünglich meist mehrstrophige
liedertexte. Nur mit der anfangszeile führt Fischart an ao
7. 1 16 (( ta g 167 128; mit den beiden • (eilen
400 WILLIAMS
no. 21. 25. 26. 27. 49. 83. 96. 101. 122. 139. Er bringt den
anfang mit kleinerem fragment no. 14. 16. 18. 22. 24. 28. 41.
46 (?). 79. 95. 102. 131. Die erste Strophe no. 32. 37. 45. 82.
100, vielleicht auch 55. Str. 1 mit fragment no. 69. 70. 89.
114. Eine auswahl der Strophen no. 50 (von 10 str. drei); 85
(von 11 str. neuneinhalb); 88 (von 11 str. siebeneinhalb auf
zwei stellen verteilt); 94 (von 15? str. sieben); 97 (von 13 ?
str. vier); 98 (von 5 str. drei); 104 (von 9 str. fünf). Ver-
schiedene grössere bruchstücke, eine str. oder mehr im ganzen
no. 34. 35. 47. 48. 77. 90. 99. 115.
Die übrigen (ca. 60) stellen des Garg., in denen lieder
sicher vertreten sind, enthalten nur ein paar worte oder verse,
kurze paraphrasen oder anspielungen; näheres über die ein-
zelnen bruchstücke unten im II. teil.
Es kommen ferner im Garg. mehrere an Wendungen volks-
tümlicher lieder anklingende Wörter und ausdrücke vor, die ich
ihrer geringen bedeutung wegen nicht berücksichtigt habe;
z. b. s. 29 z. 3; 111 z. 4 v. u.; 187 z. 2; 255 z. 1. Viele gereimte
stellen haben meines erachtens nichts mit eigentlichen liedern
zu tun, weshalb ich sie im II. teil ebenfalls nicht angeführt habe.
§ 5. Mehrfach verwendete lieder.
In der ersten ausgäbe des Garg. sind einige der bestimm-
baren lieder mehr als einmal vertreten. No. 88 ist auf zwei
stellen verteilt; ähnlich die 'trunkene mette' no. 48, — Fischart
erwähnt dieses gedieht dann an einer dritten stelle und ver-
wendet 1582 ein weiteres fragment davon. Auf no. 29 spielt
er 1575 zweimal an und noch einmal in der dritten ausgäbe.
Von no. 2. 4. 57. 116 sind je zwei, von no. 77 und wol von
no. 104 drei getrennte bruchstücke im Garg. 1575 vorhanden.
Von no. 122 (nur 1582) ist dasselbe bruchstück zweimal citiert
worden, vgl. auch 65 und 73. Zum liede no. 25 wurde der an
einer anderen stelle des Garg. erwähnte kehrreim no. 25 d ge-
sungen; auch gehört vielleicht der refrain no.78 zum liede no.ll.1)
a) Mehrere der im Garg-. vorkommenden lieder hat Fischart in anderen
Schriften verwendet: S. Dominici lehen 1571, vgl. zu no. 94; Eulenspiegel
1572, vgl. zu no. 1; Aller Praktik Grofsmutter 1572, 1574, vgl. zu no. 56.
57. 69; Flöhhatz 1573, 1577, vgl. zu no. 58. 107; Pod. trostbüchlein 1577,
vgl. zu no. 57; Gegenbadstüblein 1589, vgl. no. 91.
LOEDIRPOMII IM aiBOAVTÜA. 40]
§ 6. Abweichungen der liedercitate von wortlaul
der Bonstigen Überlieferung.
w o Fischarl im Garg. etwas vom texte eines Liedes an-
führt, weichl er im Wortlaut im allgemeinen nichl stark von
anderen ans aberlieferten quellen ab. Auch ganze Lieder oder
ssere Eragmente stimmen ziemlich genau mit den ent-
sprechenden Btellen der sonsl aberlieferten fassungen aberein:
no. 17. 64. 66. 81. 82. 35. B8. 90. 94. 98. L04.
In einer anzahl von fällen sind aber meines eracl
abweichende leearten desGai aüber der sonstigen aber-
lieferung l»ez. Fischarts vorlagen als von unserem dichter
Belber vorgenommene änderungen anzusehen; diese abweichungen
können oichl alle aus der mündlichen Überlieferung oder aus
uns nidii mehr bekannten quellen stammen. Ich führe zunächst
die stellen an, wo der zweck dieser neuerungen besonders
deutlich zu tage tritt
1) Fischarl sucht das metrum ^\<-v den reim zu ver-
ern. Vgl die zu no. 97 abgedruckten vier Btrophen mit
der entsprechenden Btelle des Garg. L37 f. — genau wie sie
im Garg. Btehen, dürfte Fischart diese verse wo! nie gehört
oder gelesen haben. Die rücksichl auf das metrum Bcheinl
der anlass zn änderungen einzelner verse gewesen zu Bein in
der Bchlu88zeile von no. 109; in Btr. 5 von no. 98 (Schöffer u.
Apiarius): •... So wil ich doch Bingen im gloch', Gai L8S
'S Bing ich doch in diesem gloch'; wol auch im zweiten verse
von no. 93. Er beseitigt in einigen fällen assonanzen und
anreine reim.-: von den versen aus Scandellus im trinklied
ii". u i 'Er h;it mich oechten truncken gemacht, vnd frölich
heut den gantzen t ;nr * ändeii Fischart Garg. 126 den zweiten
•\iiml frölich disen t .- 1 lt vollbracht'; ähnlich no. 62 Scandellus
'trotz der TOS das wehr«- ... der tos woll ernehreif: Garg. 1-7
•der \ : hre'. M> urere änderungen d I weisen
Fischarte Btrophen no. 50 auf:
I .-•■_• \
i Da mit di !
7 V r.l hat am barren stan,
402 WILLIAMS
1582 A, no. 165: Garg. 72:
. . . Vnd welche magd allein nicht . . . vnnd die allein nit schlaffen kan
schlaffen mag
8. Vnd wer des weins nicht trincken Vnnd wer des Weins nicht trincken
mag, mag,
der ist nicht unsers fugs, der ist nicht vnsers fugs,
Der zieh wol in das heyrisch Schwa- der zih ins Bierland Koppenhag,
benland,
da find er wassers genug, da find er böß Bier gnug.
da trinckt ers aus dem krug.
2) Wie am Schlüsse der eben citierten stelle sucht Fischart
öfters durch änderungen des üblichen Wortlautes eine komische
Wirkung1 zu erzielen, z. b. no. 32 Seb. Ochsenkhun 1558: '. . . Da-
rinne wont mancher bruder on bar gelt, vnser Orden regiert
in aller diser weit'; Garg. 69 'Darinn manch Bruder tringt
keyn gelt, Vnnd ißt keyn Wein, daß er den Orden helt'.
So auch in kleinen fragmenten, vgl. no. 2 Müllerin statt
maller; 22 des war sie fro; vielleicht in 25 d; 41 Schneider zech
statt schuster zech; und 74 Stiffelbrauns Meidlein statt schöns
brauns. Eine komische Wirkung ist auch Fischarts zweck in
der Verknüpfung und änderung von liederfragmenten nach art
der quodlibets: Garg. 70 'Gut Hanicken vnter dem zäune saß . . .'
(Verbindung der anfange der unter no. 29 und 40 besprochenen
lieder) und Garg. 403 'Der Gauch hat sich zu todt gefallen,
von jenem hohen zäune' (aus dem anfang zweier lieder, vgl.
no. 139 und 29). Komisch ist weniger die abweichung vom
üblichen Wortlaut als die absichtliche Unordnung der verse und
des drolligen kehrreims in Fischarts fragment no. 95.
3) Sechsmal scheint Fischart in trinkliedern durch ände-
rung von eigentlich formelhaft gewordenen Wendungen den
gebrauch des wortes gott vermeiden zu wollen:
Quelle, Scandellus 1570, no.3: Garg. 125, no. 60:
Nu bis mir Gott wilkomen nun biß mir recht wolkomen
Ibid. no. 2, str. 1 u. 2: Garg. 126 f., no. 61:
Gott geb ihm heint ein gute nacht. drum geh ich jm ein gute Nacht.
Nu grüs dich Gott mein rebensaff't: Nun grüß ich dich mein Rebensaff't.
121 lieder 1534, no. 35: Garg. 132, no. 81 :
Nun grüs dich Gott du edler safft Nun grüß dich Hey du Edler Safft.
UEDEBPOBSIE im 3ARGANTUA.
Und zweimal am anfang von no. ! nüber den übrigen
etwas späteren quellen, z. l>. Glanner, Liedlein I L578: oo.9
'Proficial jr lieben Herren, <i"tt gesegen euch das trincken
viul das essen, Seit < ; « > 1 1 willkhum inn allen ehren ...':
Garg. 70 'Proficial ... gesegen euch trincken nid essen, Seil
Willkomm all inn t'hrn . . . * Vgl. ferner die letzten der unten
zn no. 90 abgedruckten verse, die von Fischarl nichl angefühii
wurden. Zweimal komml das worl gotl in den liedercitaten
des Garg vor: in den trinkliedern no. 57 and 98, Garg. 121
z. 13, 188 /. 13.
Weitere beispiele für selbständige Änderungen des Wort-
lauts sind die paraphrasierten stellen in mehreren lieder-
citaten.
Den üblichen anfang von do. ■">) ersetzl Fischarl durch
paraphrasierte zeilen:
Qaellen des L6. jfa v 69:
Dai Eteeonel Papistisch.
1. Res h nid behend der pfarherr Nun resonet in Landita
ich,
heut band wir ein gpoite Bach, Benl gar mit guter muß:
r richl die kirchen zu. tfefiner rieht 'li*- Kirchen zu.
Nachbarn Vogl ial todl ... der Nachbanr ist zur Todenrhn...
Im anschlnss an den anfang and mit benutzung anderer
gpibl Fischarl eine kurze gereimte paraphrase von be-
kannten Liedern in no. 16. L8 und auch w<d in oo. 20; ähnlich
no. 13. Er paraphrasierl ferner zwei zeilen der 6. Btr. des
unter no. '.,l.' besprochenen Liedes.
Zwei grössere bruchstücke no. 69 and 70 enthalten die
trophe and paraphrasierte zeilen aus anderen Strophen
der betreffenden lieder aebsl einigen von Fischarl Belber stam-
menden versen.
Am freiesten behandelt Fischarl <lie 'trunkene mette1
no. 18. Er bringl grössere bruchstücke di cht es in
zwei gereimten Btelle . die eine mit sechzehn,
die andere mit dreimal Bo viel /eilen. Am anfang beider
citate folgt er einer in dam it in seiner heimat
breiteten fassnng (in einem 8tras8burger fi. bl erhalten', dann
it er immer mehr ib und dichtet neue seilen hinzu, wol
404 WILLIAMS
mehr aus lust zu reimen, als aus mangelhafter kenntnis des
üblichen Wortlauts.
Fischart gibt sich keine mühe, das seltsame 'quodlibet von
löffeln' no. 77 genau zu citieren, obwol er es höchstwahrschein-
lich in einer gedruckten fassung gekannt hat (siehe unten
s. 408; H. Ott, 121 lieder 1534).
Wo an anderen stellen des Garg. etwas von dem Wortlaut
eines liedes mitgeteilt ist, habe ich wesentliche abweichungen
nicht constatieren können, die mit Wahrscheinlichkeit als ände-
rungen Fischarts anzusehen wären.
§ 7. Fischarts erweiterungen der liedercitate
durch eigene zusätze und einschübe.
Das liebesliedchen no. 92 hat Fischart durch zwei neue
mit den beiden anfangsversen des liedes reimende Zeilen in
ein trinklied umgeändert:
Garg. 137:
Die brünnlem die da fliessen, die Weinlein die wir giessen,
die soll man trincken . . . die soll man trincken,
die Brönnlein die da fliessen,
die sollen sckwincken . . .
Aehnlich hat Fischart durch zwei neue Zeilen sein bruch-
stück des liedes vom Fürstenberger wein no. 47 am Schlüsse
so geändert, dass es passend als Martinslied verwendet werden
konnte:
Ocksenkknn 1558, str.3: Garg. 71:
. . . sein Nam ist weit zu loben, Er liegt mit vnden oben,
wo er nur wirdt erkant, zu diser Martinsnacht,
leit mit vnden vnd oben, darumb ist er zu loben,
darnach sichs wetter wendt. hei daß jr jm zu ehren Vögel bacht.
Fischarts einschiebungen von eigenen Worten oder versen
in seine liedercitate sind weder zahlreich noch wichtig. Yg\.
z. b. im liede no. 50 die eingeschobenen stellen Garg. 71, z. 12
'der laufft ... vil Schu', z. 13 — 15 'Stößt . . . hendkauchen' und
s. 135, z. 22 f. in no. 89. Eingeschobene verse Fischarts finden
sich ferner in den fragmenten no. 69 und 70. No. 48 zeigt
starke selbständige erweiterungen (s. oben s. 403). 1582 hat
Fischart in einige liedercitate eigenes eingeschaltet, besonders
in no. 54. 64. 77. 114, vgl. die betreffenden stellen des neu-
drucks des Garg.
LIBDEBPOnm IM SARG LHTÜA. 105
Fischarl liebt es, ein lied oder liederfragmenl weiter
zuspinnen and zwar meist so, dass Bein znsatz widerhoH mit
dem Schlüsse des eigentlichen liedercitats reimt. Solche
reimte anhängsel haben qo. 62. 64. 7'.'. 33. 92 I 9
auch 94 — hier leitet Fischart geschickt and aicht ohne humor
durch eine gereimte zutat zu einem anderen liede über (no 95).
Eine absichtliche verknüpf ang zweier liedercitate durch einen
zusatz scheint auch in einem anderen falle vorzuliegen: Dach
dem Fragment ao. *7 •Inn dieser Well hab ich kein Gelt' reimt
Fischart Garg. 134 inn jener Welt, mir "keine gefällt and
anmittelbar darauf das beliebte schlemmerlied ' Wo soll ich mich
hinkehren, [ch dummes brftderlein' folgen.
§ S. Zur frage nach den Verfassern der Lieder.
Nur sehr wenige der im Garg. vorkommenden lieder la
sich auf bestimmte dichter, die als deren veri ilten
könnten, zurückführen.
Den schwank 'der Pfaff im Fed erfaß' no.fi hat Bans Sachs
in reime gebracht Das weitverbreitete gedieht von den üppigen
Dauern, wovon Fischarl no. 38 ein bruchstück anführt, stammt
mich einem handschriftlichen Zeugnisse des 15. Jahrhunderts von
einem bayrischen dichter Bans Beselloher. Von no. 69 rührt
wahrscheinlich nicht nur die melodie, sondern auch der text von
einem Zeitgenossen Fischarts, dem Baseler Organisten G
Keyer her.1» In zwei anderen von Fischart erwähnten lidein
sind in den schlussstrophen als Verfasser genannt worden
Busch (buchdruckei lied no. 100) und Bans Kugler (Schütten-
sam ii". 1 1 2).
Einige liedertexte Bind wahrscheinlich in der von Fischarl
benutzten gestalt ursprünglich \ edichtet bei,
beitet worden: etwa die gekünstelten stücke no. 61. 62.64.
•i Anton. Scandellus, i nto.
g !>. I »ie quellen der liederciti
einer ontersuchung über die quellen der im G
vertretenen lieder ist ch auf noch erhaltene drucke
*en; inwi it von mündlichen, von uns nicht
'i riiUn.l. Schriften I
406 WILLIAMS
mehr bekannten gedruckten oder gar von schriftlichen quellen
abhängig war, lässt sich nicht mehr ermitteln.
Obwol Fischart auf rein mündlichem wege mit dem da-
maligen liederschatz sehr vertraut gewesen sein muss, ist es
doch an sich höchst unwahrscheinlich, dass er alle der in
diesem werke verwendeten lieder und reime nur aus der
mündlichen Überlieferung gekannt hat. Nicht wahrscheinlich
ist es auch, dass er sich bei diesen zahlreichen liedercitaten
allein auf das gedächtnis verlassen hat, ohne jede abhängig-
keit von gedruckten oder geschriebenen vorlagen. Es ist gut
möglich, dass Fischart selber, wie Dederding vermutet1), eine
liedersammlung augelegt hat: drucke, eigene oder fremde
liederabschriften und -aufzeichnungen. Wie dem auch sei, es
müssen ihm damals wenigstens in gedruckten Sammlungen und
in den zahllosen in Strassburg und Basel verbreiteten einzel-
drucken deutsche liedertexte in hülle und fülle bekannt und
leicht zugänglich gewesen sein. Er wird sich liederdrucken
gegenüber kaum anders verhalten haben als den schwank- und
sprichwörtersammlungen und anderen quellen, die er für den
Garg. so reichlich ausgeschöpft hat.2)
Was eine sorgfältige Sichtung eines sehr reichen materials
an drucken des 16. Jahrhunderts für die quellen der lieder des
Garg. ergibt, lege ich im nachfolgenden vor.
Zunächst mögen zwei von Fischart für den Garg. benutzte
bücher betrachtet werden, in denen gelegentlich deutsche lieder
erwähnt oder citiert sind. 1) Die lateinische scherzrede 'De
generibus ebriosorum et ebrietate vitanda', zuerst 1516 er-
schienen, eine schritt, aus der Fischart für den Garg. mehr-
mals direct schöpfte. 3) Sie enthält auch f ragmente in deutscher
spräche, darunter bruchstücke von liedern und reimen. Für
das 8. cap. des Garg. (142, z. 9—35) hat eine lange stelle aus
De gen. ebr. Fischart die vier verse no. 109 und str. 6 des
beliebten schlemmerliedes no. 88 gegeben. Im 4. cap. hat
Fischart die unter no. 45 besprochene Strophe aus De gen.
') Gustav Dederdirjg, Zur Charakteristik Fischarts. Progr. Berlin
1876, s. 6.
2) Vgl. besonders Häuften, Neue Fischart-studien s. 263 — 289.
3) Vgl. A. Hauffen, Vierteljahrsschrift f. lit.-gesch. 2, 492; Quellen u.
f orschungen 66, 127 f. ; Neue Fischart-studien s. 287.
UEDKKI'OKKIK IM QABGANTUA. 407
ebr. herübergenommen. Bei diesen Fragmenten ist die an-
mittelbare vorläge Fischarts Bicher, da er oichl nur die brach-
Btücke selbst, sondern auch etwas von dem Zusammenhang mit
aus seiner quelle anführte.
Li) Fischart hat für stellen Ar* Garg. auch Mich. Linde-
ners Katzipori 1558 benutzt.1) Dieses werk enthält die ein-
zige vollständige Fassung aus der zeit vor 1575 des liedes
'Vinum qua pars', von dem Fischart etwa ein viertel angeführt
hat, qo. 89. Seine bekanntschaft mit dem Hede mag von Linde-
ners Fassung ausgegangen sein, aber directe abhängigkeit lässl
sich für die. Gargantuastelle nicht erweisen. Bei no. 30 kann
die eine Strophe bei Lindener Fischart kaum beeinflussl haben.
Zu anderen quellen, die nicht speciel] liederdrucke zu
nennen sind, zeigt Fischart, Boweit mir bekannt ist, in den
eigentlichen liedercitaten des Garg. keine beziehungen.*)
Von Liederdrucken im eigentlichen sinne, hauptsächlich
aus dem /weiten und dritten viertel des 16. Jahrhunderts,
kommen hier in betracht: besondere Liedersammlungen, in der
regel mit noten und mehr oder minder vollständigen texten,
und zweiten- fliegende blätter "der Sonderdrucke, gewöhnlich
heftchen mit 1—4 liedertexten.
\ ■•«•druckte liedersammlungen.
gefähr ein viertel der im Garg. vertretenen Lieder scheint
für fliegende drucke nicht geeignet gewesen zu sein, da in di
nur texte mit drei oder mehr Strophen vorkommen. Ein- und
zweistrophige stücke3), Bowie die mehr gekünstelten der texte
der Umsetzer verdanken ihre erhaltung hauptsächlich den musi-
kalischen Bammlungen.
I Banffen, M
-, ii-i iniit bat II Bot ki D< r vollen tu i -
bianni betratst, aber Dicht ne lieder, wie nach Banffen, M E
n ist, i
•Nu lehel ... hat ich, etc.1 ausB I oglich nicht ni
ntlichen lii /.u baben, vgl DWb. 5, 7821 br. f.
lit.-gi (die stell k). am den nnmittelbaren sosan
bang in. G I mir nach ... versteht mich' geht !■
I .irt di w . i te 1 1 1 ■ ; trachtet I
■ind in ri i nicht in allen Allen all die anfing*
408 WILLIAMS
Es werden liier in chronologischer folge diejenigen ge-
druckten Sammlungen berücksichtigt, die entweder als directe
oder indirecte quellen des Garg. gelten können oder besonders
wichtige parallelen zu Fischarts liedercitaten bieten.
Die für den mehrstimmigen gesang bestimmten lieder-
bücher aus dem zweiten und dritten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts kommen für die lieder des Garg. so gut wie gar
nicht in betracht. Dies gilt auch für die Bergreihen (ohne
noten, 1531 — 1537 erschienen, später von Daubmann und 1574
von Val. Furman nachgedruckt), da dieselben von nur einem
der Gargan tualieder eine wichtige fassung enthalten, no. 49.
Sehr wichtig für Fischart ist Hans Otts erste Sammlung:
'Hundert vnd ainundzweintzig newe Lieder', Nürnberg, Hieron.
Formschneyder, 1534. Zwölf der im Garg. vorkommenden lieder
und reime stehen in diesem liederbuch, no. 28. 59. 70. 72. 74.
75. 77. 78. 81. 82. 83. 92. Die elf letzten finden sich alle in
der ersten hälfte der 'trunkenen litanei' (Garg. cap. 8) und
neun davon (70. 72. 74. 75. 77. 78. 81. 82. 83) kommen sogar
innerhalb einer wenig mehr als drei Seiten langen stelle vor
(Garg. 1575, bl. Jij— Jiij, Neudr. s. 129—132). Von diesen neun
stücken sind no. 82 und die kleinen reime no. 75 und 83 (so-
wie 59) vor 1575 nur im Ottscheii liederbuch bekannt; no. 81
ist sonst nur in einer handschriftlichen, no. 70 und 77 je in
einer gedruckten quelle vor 1575 überliefert. Fischart stimmt
im Wortlaut mit den 121 liedern fast genau überein im sieben-
strophigen liede no. 81, in der Strophe no. 82 und in der ersten
Strophe von no. 70; die kleinen stücke no. 75 und 78 (auch 59)
entsprechen in Fischarts fassungen genau den Ottschen. Nur
das umfängliche, eintönige und höchst unsinnige quodlibet
no. 77 hat Fischart sehr frei behandelt. Fischarts Überein-
stimmungen mit den Ottschen texten sind kaum anders zu
erklären, als dass ihm bei der abfassung des 8. Gargan tua-
capitels diese Sammlung vorgelegen habe.
Bekanntschaft Fischarts mit den 'Fünf vnd sechzig
teütscher Lieder', Strassburg, Schöffer und Apiarius, ca. 1536,
ist möglich bei no. 85. 86. 87. Nach dieser Sammlung scheint
längerer lieder zu betrachten, die nicht vollständig abgedruckt wurden,
weil sie damals allgemein bekannt waren. Titel der gedruckten Sammlungen
bei Goedeke, Grundr. 2, § 109. 110 und Eitner, Quellenlex.
LXBDEBP0B8II IM G LEG \N l ITA.
Fischart z\wi aus dem 16. Jahrhundert sonst nicht vollständig
aberlieferte gediente eitiert za haben, vgl do. 98 und
bowo] Im i als im Liederbuch anmittelbar darauf folgende
li.-.I um. 99.
i.. Porsters Teutsche Liedlein in fünf teilen 1539 1556
(Braunes Neudrucke na 203 206) halte ich nicht tili- eine
directe quelle für den Qarg. Es finden sich allerdings für
ein-- anzahl der von Fischart angeführten Lieder belege Bchon
orster i, aber engere beziehungen Fischarts zu den I
ii liedertexten habe ich nicht constatieren können.3)
Wolfgang Schmeltzeis Quodlibetsammlung 70m jähre
l.")ii enthält fetzen von vielen Liedern, die im Qarg. vor-
kommen, aber Fis< hart scheint aus diesem werke nichts ent-
lehnt zu haben. Das Lange Quodlibet von löffeln do. 77 wird
hart nicht bei Schmeltzel, sondern in den 121 Liedern
dl. Ott) L534 gekannt haben.
Ich bezweifle nicht, dass Fischart Seb. Ochsenkhnns
Tabulaturbuch auff die Lauten, Heidelbe] innl hat,
en der auffalligen Übereinstimmungen, die Beine gereimte
einleitung (Lob der Laute) zu Jobins Lautenbuch I 1572 an
einigen stellen mit der vorrede Ochsenkhans zeigt Ochsen-
Urans tabulaturbuch ist wahrscheinlich als quelle für zwei
Lieder des Qarg. zu betrachten: do.32 ist vor K»7."> ausser bei
OchsenkhuD nur in einer anderen quelle überliefert; auf dem
enden blatte des Garg. 1">7."> teilt Fischart mehr
hälfte eines liedes mit. das Bonst nur bei Ochsenkhun erhalten
ist, uo. 17.
Der berühmte Orlandus <li Lassus (di I von L562
an erster capellmeister in München, dürfte Fischart als com-
»i Vgl. :
anderen (feilen citieii Fiacharl stellen der lii die in den im
UTollftXndig« q I l Im
(jn<"! tii.ilt kleine bi einigen li<
<li<' im i ■ •••ii und.
'i I Inland Ii.it in
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I N i iwei r linder btf kam 'in i Bbnea f iir -li«- I
der rrnnkenen in nennen da ■ . len fünfzig aud mehr liedern im i
tel (darnnU üi< he Irin]
t'ur nur etwn ein D&lbea 'lut/ LlL
410 Williams
ponist bekannt gewesen sein.1) Fischart dachte wol an ihn,
als er 1582 Garg. 277 'die Baierisch Capell' erwähnte. Dass
er aber etwa di Lassus' texte für den Garg. benutzt habe,
lässt sich nicht erweisen. Für no. 66 ist meiner ansieht nach
nicht di Lassus, sondern Scandellus die quelle Fischarts.
Eine unmittelbare quelle für Garg. cap. 8 ist die zuerst
1570 in Dresden erschienene Sammlung des sächsischen capell-
meisters Antonius Scandellus: Nawe vnd lustige Weltliche
Deudsche Liedlein mit Vier, Fünft vnd Sechs Stimmen (inhalt
bei Goedeke 2, 45).
Die hier in betracht kommenden lieder sind:
No. 60, Scandellus no. 3 : Man sagt wol in dem meyen.
„ 61, „ „ 2: Den liebsten bulen den ich hab.
„ 62, „ „9: Guts muts wollen wir sein.
„ 64, „ „ 10: Wer hie mit mir wil frölich sein.
„ 66, „ „ 11: Ein guter wein ist lobenswert.
„ 68, „ „ 14: Ein henlein weis.
„ 108, „/ „ 20: Bistu der Hensel schütze.
„ 76, „ „ 19: Der wein der schmeckt mir.
Zu den einzelnen lieder n vgl. unten im II. teil.
Alle diese lieder ausser no. 76 erscheinen im Garg. voll-
ständig und mit wenigen abweichungen von den Scandellus-
schen fassungen. No. 60. 61. 62. 64. 68 sind vor 1575 nur
bei Scandellus bekannt bez. vollständig erhalten. Sieben lieder
(bez. acht, vgl. no. 76; weniger wichtig die belege bei Scand.
für no. 57 und 120) sind Scandellus und Fischart gemeinsam
(die Scandellussche Sammlung enthält nur 20 nummern); sie
finden sich alle im Garg. 1575 in der eisten hälfte des 8. cap.,
und fünf derselben, no. 61. 62. 64. 66. 68, kommen innerhalb
einer kaum mehr als zwei Seiten des neudrucks umfassenden
stelle (s. 126 — 129) vor. Ferner ist sogar eine auffällige Über-
einstimmung mit Scandellus in bezug auf die reihenfolge bei
den ersten sechs liedern nicht zu verkennen (vgl. die obige
Zusammenstellung).
Fischart hat einmal den namen des bayrischen capell-
meisters Ivo de Vento erwähnt, 1590 in einem fingierten titel
') Drei stücke aus di Lassus Liedern mit fünf stimmen I 1567. 1569
finden sich in bearbeitungen für die laute in Jobins Lautenbuch I 1572,
worin Fischarts Lob der laute erschien. Das register des Lautenbuchs nennt
'Orland.' als componisten derselben, vgl. Hauffen, Fischarts werke 1, s. LIX.
LfBDBBPOBSlB im QABOAN1 i'A. 1 1 I
di's Catalogua catalogorum. !) DeVento veröffentlichte in den
jähren 1569 L578 sechs Sammlungen seiner compositionen mit
deutschen texten2); von diesen hal aber nur eine für den Garg.
wert: die Newen tentschen Lieder mit \ i«*i- Btimmen, München
L571, i"> Dummern. Diese Bammlung ist höchstwahrscheinlich
Fischarts quelle für no. 90. '.»:; und 123, die sonst nicht über-
liefert sind. Das '.».stück bei de Vento ist eine dreistrophige
gereimte Fassung des schwankes, auf den Bischart Garg. 18
anspielt: 'wie die Magd deren man den Dorn außzog'
Das Frankfurter liederbüchlein. Das älteste erhaltene
liederbuoh der Frankfurter gruppe mit Jahreszahl ist das bei
Nie, Basseus in Frankfurt a. M. erschienene Lieder Büchlein
(nur texte) aus dem jähre 1580 (s. den bibliogr. anhang unten).
I >i< 3e reichhaltige, wichtige Sammlung enthält mehr als zwanzig
der im Garg. vertretenen Lieder. Es handeil sich aber East
ausschliesslich um texte, die Bchon Behr verbreitet waren und
meist in noch alteren tl. 1dl.. auch aus der zeit vor L575, er-
halten sind.1» Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass
eine noch ältere ausgäbe dieser Lieder > etwa Fischart vor «lern
erscheinen der ersten ausgäbe des Garg. bekannt gewesen wäre.
Für den Garg. L582und L590 hat Fischart diese Lieder sicher
nicht benutzt Mit verwanten Bamminngen, wie dem von
ELWolkan, Euphorion 6, 649 f f. beschriebenen Liederbuch (vor
L580?) und dem Kölner liederbüchlein ca L580 •) zeigt Fischart
keine engeren beziehungen.
B) Flie gende blätter.
Wenn Fischart an einer Btelle von 'sauberen' Liedern Bpricht,
'die man Bingl \nd getruckt And1 (Garg. 84, /. h. ist wol in
Haufen, ffl
he deke2, t: f.
*> VgLB • '■■ ndraeke), bd. 8,
4i Au-ii.ilui.. ii I, mit. ii im II t.il zu im . •_• und l"l.
ii' dem titelblatl d< i Liederbficbleii
neuw gemehret mit \il schönen Liedern, die In des endera iutoi eafl-
ngenen Drucken, oichl gefunden wrerdi geben von 1676 und
in elten Frankfurt«
k u Qber Lied meist eil uuzuvt-rläesig.
Lie bibiiographie nn(
Beiträge <ur geschieh« der deutschen «(>r<che
412 WILLIAMS
erster linie an fliegende drucke zu denken; sicher meint er
solche Garg. 184: 'hansirer, Zeitungsänger vnd sonst Priffheffter,
die die lider auff den Hut ... stecken.'1)
Mit weniger Sicherheit als bei einigen gedruckten lieder-
sammlungen lässt sich feststellen, ob Fischart bestimmte
fliegende drucke gekannt oder benutzt hat. Die Sonderdrucke
mit ihren wenigen texten haben seltener als gedruckte Samm-
lungen den vorteil, anhaltspunkte für einen vergleich der grup-
pierung oder anordnung der lieder zu geben.
Fischarts erwähnung des liedes 'die zwölf f Atzelmönch im
Keller' (Garg. 33) no. 9 enthält, wie Unland gezeigt hat2),
eine deutliche anspielung auf den titelholzschnitt eines einzel-
druckes von diesem liede, welcher zwei Atzein (elstern) in
kapuzen darstellt. Hans Sachsens schwank 'der Pf äff im
Federfaß' (no. 8) dürfte Fischart in Sonderdrucken bekannt
gewesen sein.
Es ist anzunehmen, dass Fischart die mehrzahl seiner
lieder und reime in den in Strassburg und Basel gesungenen
fassungen gekannt hat. Von kleineren stücken und einigen
künstlichen gesellschaftsliedern abgesehen, waren diese fas-
sungen zum grossen teil dort auch in zahlreichen flugblättern
verbreitet, wol meist aus druckereien jener beiden städte stam-
mend. Im dritten viertel des 16. Jahrhunderts waren in Strass-
burg besonders Jak. Frölich, Thiebolt Berger und Christian
Müller als liederdrucker tätig, wie aus der beträchtlichen
anzahl ihrer noch erhaltenen blätter zu ersehen ist. In Basel
druckte Sam. Apiarius von der mitte der sechziger jähre an.
Liederheftchen aus Strassburger und Baseler officinen muss
Fischart vor dem erscheinen des Garg. in seiner heimatstadt
und während seines Baseler aufenthalts gekannt haben.
Im höchsten grade wahrscheinlich ist es, dass Fischart
solche fliegende blätter wenigstens gekannt hat bei no. 69. 18.
13. 48. 52. Auch no. 1. 4. 11. 19. 26. 30. 50. 58. 84. 85. 100.
127. 128 sind noch in Baseler und Strassburger Sonderdrucken,
und zwar meist in ausgaben aus dem dritten viertel des 16. Jahr-
hunderts, erhalten.
J) Siehe auch W. Wackernagel, J. Fischart v. Strassburg s. 24.
2) Schriften 4, 250 f.
L.IEDEBP0E8IE tu G \i:<;.\M l\. I (3
- lieder in anderen als Strassbnrger oder Baseler flug-
blättem Fischart bekannl waren, isl anch möglich. Nürnberger
drucke bieten die einzige erhaltene Fassung von ao. 10. :'.l and 97.
ldi fast nun die ergebnisse der Untersuchung aber die
tickten quellen der Gargantualieder kurz zusammen.
Fischarts quelle für zwei liedercitate and für einen volkstüm-
lichen reim war die lateinische scherzrede I»«' generibus
ebriosorum. Fischarl hat gedruckte Liedersammlungen un-
mittelbar benutzt: für cap. 8 die l-l lieder (Hans Ott), Nürn-
berg 1584 und die 1570 erschienene ausgäbe der liedlein von
Anton. Scandellus; höchsl wahrscheinlich auch die 65 lieder
(Schöffer und Apiarius), Strassburg ca. 1536 und EvodeVento,
tentsche Lieder, München l">71. und (für cap. h 8eb.
Ochsenkhuns Tabulaturbuch aufi die Lauten, Eeidelbe
Er hal lieder in fliegenden blättern gekannt (darunter no.9,
Biehe oben s. L12). Fürviele Btellen des Garg. bieten fliegende
bl&tter besonders Strassbnrger und Baseler drucke so wichtige
Helen, dass man fast zu der annähme genötigt wird, Bolche
quellen hätten Fischart bei der aufzählnng der 'sauberen1
Lieder im l. cap. (no. l 80) und auch sonst vorgelegen.
g 10. Der Gargantua als Liederquelle.
i die zahl der darin vertretenen lieder betrifft, steht
der Garg. nicht hinter reichhaltigen liederbüchern des 16. Jahr-
hunderts wie Otts l-l Liedern und dem Lteil der I theo
liedlein (130 nrn.) zurück. Die mehrzahl der Lieder ist aber
im Garg. nur bruchstücksweise vorhanden; auch Bind
meisten in anderen gewöhnlich I quellen überliefert
Nur im Garg. bezeugt Bind, Boweit mir bekannt ist, na 7.
ii-V 129. l ■;- (vielleicht anch 54. 55. 117), and eine an-
/alil Eragmente, die wahrscheinlich zu Bonsl nicht belegten
Liedern gehören: na , 71.
7.".. I L37. i . ist ferner die hauptquelle für
ii". ii:; im,! 85. Folgende Lieder Bind im Garg. /war zu
belegt, aber in anderen quellen besser überliefert: no. 2
25 d (refrain I, 37. i(|i : \ ^r 1 . anch no.
inderen quellen bietet uns also der Garg. an
■ unbekannten wertvollen Liedern wohl weniger, als man
bisher geglaubt hat [mmerhin bleibt I - roman eine
414 WILLIAMS
quelle für deutsche lieder des 16. Jahrhunderts, die der forscher
nicht unberücksichtigt lassen darf.
Vor ca. 75 jähren schrieb ein deutscher gelehrter,1) der
sich für Fischart und die alten lieder interessierte:
„Wie viele Verluste der schönsten Volkslieder des 16. Jahrhunderts
haben wir schon zu beklagen (man sehe nur die bruchstücke in Fischarts
geschichtklitterung) , von Volksliedern, die ihrem inneren werte nach die
ganze poetische literatur jenes Jahrhunderts aufwiegen würde."
Wir freuen uns, dass seitdem ein so grosser teil auch der
schönsten lieder dieses Jahrhunderts in alten quellen allgemein
bekannt geworden und jetzt auf bibliotheken und zum teil auch
in neudrucken liederfreunden und -forschem zugänglich sind.
Sonst wäre es unmöglich, nach mehr als drei Jahrhunderten
uns von der art und dem wert weitaus der meisten lieder in
Fischarts Gargantua einen genauen begriff zu machen.
II. Besonderer teil.
Die liedercitate des Gargantua.
Im nachfolgenden sind die stellen des Garg., in denen
lieder vertreten sind, fortlaufend numeriert, zunächst die der
ausgäbe 1575, dann 1582 und 1590. P'ragmente, die zu liedern
gehören können, aber weder von Fischart deutlich als lieder
angeführt worden noch in alten liederquellen besonders des
16. Jahrhunderts nachweisbar sind, habe ich mit einem der
nummer vorgesetzten Sternchen bezeichnet. Voran stehen die
anfange der lieder, wenn sicher bezeugt; diese anfange sollen
in bezug auf Wortlaut oder Orthographie nicht als genaue
widergabe bestimmter quellen gelten. Die seite der Original-
ausgaben des Garg. steht in eckigen klammern vor den ein-
zelnen citaten; unmittelbar darauf folgt die angäbe der seite
und zeile des neudrucks von Alsleben (Braunes Neudrucke
no. 65 — 71). Die nachweise gewähren einen überblick über
die sonstige Überlieferung der lieder.
*) Dr. Hermann Leyser aus Leipzig in Mones anzeiger 4 (1835), 122.
Unland verdankte ihm einige abschriften älterer lieder für seine Sammlung.
Leysers nachlass auf der universitäts-bibl. Leipzig (ms. 0603 e) enthält eine
liste von stellen aus dem Garg. (ausg. 1608), in denen seiner meinung nach
lieder vertreten sind. Seine Zusammenstellung hat keinen wert, da ihm
nur sehr wenige liederquellen des 16. Jahrhunderts zugänglich waren.
LIBDEBP0B8IE im G LR0AHTÜ1. 4 15
Ausgabe 1575. So. 1—195.
I. Zu Co8tnitz saD ein kanffmanrj reich.
[Biij* Neudr. 88, z. 9 v.u.: 0 Badgestrigeiter Doetor von Costen».
Der gereimte schwank 'genanl der Striegel1 war im 16. |fc
■ itet Am dies« lichte spielt Fiscbarl auch Bonst an: Eulen-
Bpiegel reimensweiss, hsg. von Hanffen b. 332, 7.9419 (zi
'Ich geh, eh man mich nackenl Striegel' and Qarg. 1575, Fiij Neudr.89,
».21: '(man g jm Dil wie . . .) dem Domherren mit dem Strigel.'
Siebzehnstrophige Fassungen des gedichtet?. Abdruck in verkürzter
form: Wunderhorn 3, 99 ff. ed. Grisebacfa - 716, vgl. F. RJeser, Wunderb.
d. seine quellen, Dortmund L908, b. 116; Böhme no. 97, Erk-Böhmeno I
Fl. 1)11.: o.j., Nürnb., Val. Nenber, im Vatican (Stevenson, [nventario [12,
no.2767pp.); Bern, Sam. Apiarius 1563, in Basel, Sar. 151, no. 43, andere
ausg. in Tübingen, Dhlands sammelband b. 371ff. Liederb. 1650 II. no. 98
(Kopp, Zs. fdph. 89, 217). Weitere nachweise bei Bolte, Val. Schumanns
Nachtbüchlein, Stuttg. lit. ver. uo. 197) anm. b. 412f. Mit 24 atrophen:
H. I»l. c, j , Lugsb., Val. Schönigk, in Zürich Gel Will. 2016, no.9 (abdruch
Birlinger u. Crecelius, Wunderh. 2, 134 ff.) ; Jaufner liederhs., anfang 17. jh.,
hsg. v. Waldberg, Neue Heidelberger Jahrbücher 8, 298 800 mit nach-
weisen. Prosafassung auch in der Zimmerischen chronik, ed. Barack
2. sufl. 2, ish".
2, I >er müller anff der NidermüL
Biij Neudr. b. 33, z. 9 v. it.: die Müllerin auff der Niden
iivj Neudr. & 108, z. 17 t: da wiget sie das Kind ...
alk ine, alteine.
erste stelle enthäll etwas geändert den anfang des liedes, die
sweite den schlnss der 8. str. Frankf. liederbüchl. 1580 u. 1584 gleich
1582 \. ii". II"'. vgl. Dhland no. 155; entspr. Kölner ib. ca. 1580, no. 6,
Erfurter Ib. no. 116. Vgl. noch Bergliederbücbi 1700/1710
von Kopp, - LOS, no. 187, str. I. vers8: 'Dort sitzt meine Kutter und
t das Kind."
.:. Wend jr boren Bingen, ich Bing.
fHiij' Nendr. b. 88, z. 8 v.u.: der hdbereack.
Fiscbarl meint höchstwahrscheinlich das lii
[Ij Wend jr bOren singen \2\ Dai Frewlln das was in
ich mit k in' n Worten klug,
von einem feinen Frewelin, wie I un den hal
\\ ii [eng vipI zu Mir mfllc trag
■ - genant d< r habersack, Kuller mein
inen guten morgen den haben soll da malen
vnd einen guten I durch den willen mein,
dein vnd mein, vnd sJm r dein
der ich hi 11 versöhn
416 WILLIAMS
[3] Der Müller nam den Habern Got geh ihr einen guten morgen
vnd schutt jn auff die rell vnnd einen guten tag
. er kund den nyn genialen tag vnd tag vnd aber tag
es was sein vngefell bey der ich hinacht lag.
er malt die nacht biß an den tag
Gott geb jr einen guten morgen [5] Das bort des Müllers knechte,
vnd einen guten tag in seinem kämmerlein
tag vnd tag vnd aber tag er gedacht in seinem sinne
bey der ich heynecht lag. es w^r ein Frewlein fein,
es wer ein frewlein minnigk-
[4] Der Müller nam die hosen r,- -
er streyffts an seine beyn wdt ^ golt k]l gye gchawen
er gieg die gassen auff vnd ab, dnrch den wiUen mein
er sang ein Liedlein kleyn dein unfl mei ynd aber mein
er sang ein Liedlein vom Haber- eg goU verschwy en sein.
[sack
Hier nach Berliner ms. germ. quart. 709, no. 28, abschritt (in der
hand Wilh. Grimms) eines wol verschollenen fl. bl. o. o. u. j., 16. jh. Wol
dasselbe fl. bl. war den herausgebern des Wuuderhorns bekannt (2, 392, ed.
Grisebach s. 605) aber bei der aufnähme des liedes änderten sie etwas den
Wortlaut, vgl. K. Bode, Die bearbeitung der vorlagen im Wunderhorn,
Berliner diss. 1908, s. 33 ; Rieser, Wunderh. u. seine quellen, Dortmund 1908,
s. 442 f., dazu Bode, Anz. fda. 32,313. — Vgl. meine nachweise zu no. 20
unten.
4. Ich weiß (mir) ein stoltze müllerin, sie däucht sich
hübsch vnd klug-.
[Biija] Neudr. s. 33, z. 8 v. u. : der Thumherr mit der Fraiv Eselerin.
[Biijb] Neudr. s. 35, z. 2 f.: ... auff dem Land weder die
Müllerin noch die Eselerin sicher sind.
Fischart meint hier einen im 16. jh. sehr verbreiteten gereimten
schwank. Eine anspielung auf dieselbe geschichte sonst im Garg. 1575,
Mviija, Neudr. s. 187, z. 24: '(möckt einer . . . ansehen) . . . die Eselin für
Frau Müllerin' ['Müllerin' stand schon in der ausg. von 1575].
Früheste gereimte fassung, 23 Str., hs. Karlsruhe, Keller -Sievers,
Verz. altd. hss., Tübingen 1890 s. 42, abdruck Mone, Anzeiger 7 (1838),
sp. 67 — 71. — Die gewöhnliche 26str. fassung. Abdruck: 1582 A, no. 220,
vgl. Böhme, Altd. Ib. no. 44, Erk-Böhme no. 155. Nachweise: Gassen-
hawer u. Reutterliedl. o. j., no. 15 u. Graßliedlin o. j., no. 4, in beiden im
Altus str. 1 ; 115 liedlein 1544, no. 58 der lieder mit 4 stim. str. 1 ; Mel. u.
str. 1, Baseler hs. Fx 5 — 9, no. 10 u. 35 (Richter, Katalog s. 55. 57) ; fl. bl.
o. j., Strassb., Jac. Frölicb, 26 str. (Abschrift Berlin mgq. 709, no. 30); Job.
Steurlein, Gesänge 1575, no. 8, str. 1 ; Frankf. liederbüchl. 1580. 1584, no. 220
gleich 1582 A; fl. Bl. o. o. u. j., Brit. mus., 11515, a 51 no. 9; Niederd. liederb.
anfang 17. jh., vgl. Kopp, Jahrb. f. niederd. spracht 26, 47 f. — Am Schlüsse
v. cap. 105 der gartengesellschaft II (' Von einer müllerin, wie sie ein thüm-
LIBDBBP0B81I IM OABGANI DA 1 17
heiren betrog', Stnttg. lit. ver. no. 217, «.40 stehl die bemerknng,
«las Lied sei 'tob diser geschieht gemacht'. Vgl. ferner rlirchhof, Wend-
uniniit l\'. do 246 Mit. v.r. qo.97, b. 221 Noch 1646 parodiert,
Werlina he, Manchen b. 392 eine Btr Vgl. WJL 1. do. 231.
5. Bin mttller isl gesessen zu Basel an dem Rhein.
[Biij" Neudr. b. 83, z. 7 v.u.: Die bricht der Baselerischen
Malierin.
In erhaltenen einzeldrncken <los lt;. jli.'s hat «las lied 17 Btr., vgL
A um. zu Val. Schnmanni NachthOchlein (1559) I no. in, Stnttg. lit.
ver. no. L97, ■. 392; so aneb fl. bL o. o. u. j. im Vatican (Stereneon, [nventario
II 1. do. 2390 ü). L4 atroph. faasnng: Frankf. Liederbüchl 1580. L584, vgl.
1582 A. do. 221.
<>. Y> hieng ein Stallknecht seinen zäum.
Biij" Neudr. s.83, z. 6 v.u.: wir beide fahren weil vberden l
rte finden sieh in str. 2 u. :\ des reiterliedes, in welchem
auch die bekannten Strophen vom 'dannenbenmelein' vorkommen. — Ab-
drnck: 1582 A, no. 121, vgl. übland no. L51, Böhme, Lb. no. 433. Nach-
: Fl. hl. o. j.. Nttrnb., Fr. Gutknecht, 13 str., in Berlin 5Te470, andere
fe 171.472. Frankf. liederbüchl. 1580. 1584, do. 121 n. Erfurter Ib. no. 122
gleich L582 \. 121; Kölner liederbüchl. ca. 1580, do. 53 in I2str., < nt>]>r.
1582 B, do. 51. VgL Bergliederbüchl. 1700/1710, heg. von Kopp s. 64, d
'...wir beyde wir fahren wohl über den Rhein.'
7. [Biij j Neudr. & 38, z.6 v.u.: treieehen Nonnen, vier-
tgehen Kinder.
Das hier gemeinte lied ist wo] verschollen.
s. Börl wie vor langer Zeit. (Hans Sachs.)
[Biij*] Neudr. s.38, /. 5 v.u.: der Pfaff im Federfaß.
Ohne sweifel hat Fischer! hier im sinne das25. april 1531 gedichtete
meisterlied von Bans Sachs, vgl. Bolte zu Val. Bchnmanns Nachtbüchlein
(1559)11, do. 25, Stnttg. lit ver. do. 197, - 874 ::77 u. anm. 1.4111; Hans
mtl. fabeln u Bchwinke (Bi
Binseldnicke Doch, o o n. j : im V*a1 • d, [nventario ll_.
Miiii; Weiler, Annalen ' ■ Britmns. 115 s 51, na n. An«
Bpielnngen anf dieselbe geschieht« Bonst bei Fiscl
Nendj Üler Praktik Grofisnutter 1574, bL Di
man dich nicht für den Pfafen im federfafi an.'
!». ich weiß mir einen freien holt
[Biij*] Neudr. .-.."> \.u. I 'manch imKeüer.
Das 15 strophig« lied isl nach Weller, Lnnalen 1, 290, no. I
undatierten tl. Ml. des I6.jh.'s erhalten. Abdrnek: Unland a<
418 WILLIAMS
10. Ein burger ist gesessen zu Thübing in der stat.
[Bii f] Neudr. s. 33, z. 4 v. u. : der Tübingisch Mönch im Ofen.
Das hier genieinte lied ist erhalten in einem Sonderdruck o. j., Nürnb.,
H. Guldenmundt, in 9 str., exemplare in Berlin, Yd 7821, no. 31 (einband
v.j. 1539), Weimar u. Zwickau; abdruck: Erk-Böhme no. 152. — Dem ge-
dichte zugrunde liegt eine in facetiensammlungen erhaltene geschichte,
lit. bei A. Wesselski, H. Bebeis schwanke, München u. Leipzig 1907, bd. 2,
s. 99 f.
11. So wöl wirs (Was wollen wir) aber lieben an von einem
reichen kargen man.
[Biija] Neudr. s. 33, z. 3 v. u.: der Better heyaho.
Abdruck des liedes, worauf hier angespielt wird: 1582 A, no. 98, Unland
no. 285, Böhme Lb. no. 46, Erk-Böhme no. 139a. Quellenangaben auch bei
Marriage, Forster Neudr. s. 259 f. zu V 8. Weitere nachweise: fl. bl. o. j.
(ca. 1564?) Bern, Sam. Apiarius, 11 str., in Basel, Sar. 151, no. 45. Frankf.
liederbüchl. 1580. 1584, no. 98 u. Erfurter Ib. no. 98 gleich 1582 A. — Zur
11 strophigen fassung dieser lieder gehören vielleicht auch die verse: Ich
weiß nicht was er jr verhieß usw., und ein auch im Garg. angeführter
kehrreim, s. no. 78 unten. — Die Zimmerische chronik (16. jh., hsg. v.
Barack, 2. aufl. bd. 2, 111) will den 'bettler' des liedes mit einer bestimmten
persönlichkeit identificiereu.
12. Wolt jlir hören ein newes gedieht.
[Biija] Neudr. s.33, z.l— 3 v.u.: der Augspurgisch Spinnen-
stecher . . . erwischt.
Das gedieht, dessen inhalt Fischart hier in kürze angibt, ist in mehreren
flugblättern aus dem 16. jh. erhalten: Nürnb., H. Guldenmundt o. j. (Böhme,
Altd. Ib. s. 193 f.); Nürnb. Val. Neuber o. j., in Berlin Yd 9755 in 15 str.,
str. 1: 'Wolt jhr hören ein newes Gedicht, zu Augßpurg es geschehen ist,
vonn eines Burgers knechte, sein Herr schickt jhn nach Fischen auß, es
geschach jhm eben rechte.' Ohne ort u. j.: Yd 9769; fl. bl. im Vatican
(Stevenson, Inventario II 2, no. 2814 bhh) ; in Wien (Weller, Annalen 2,
s. 541). 17. jh.: Weller 1, s. 288, no. 520; Brit. mus. 11515 a 56, no. 2.
Vgl. Böhme, Altd. Ib. s. 127 'Schamperlieder' 27.
13. Es wolt gut Jäger jagen, wolt jagen die wilden schweih.
[Biija] Neudr. s.33, z. 1 v. u. bis s. 34, z. 3: Schlaf Töch-
terlin . . . ein Gast.
Aus der zeit vor 1575 ist die einzige erhaltene quelle ein fl. bl. mit
3 liedern, Basel bey Sam. Apiario 1568 (in Unlands sammelband, uuiv.-bibl.
Tübingen, s. 363 ff.), 1. lied: 'Es wolt gut Jäger jagen, wolt jagen die
wilden Schwein . . . ' 10 str. In seinem citat verwendet Fischart teile von
Str. 4—6. — In 10 entspr. str. Frankf. liederbüchl. 1580. 1584, no. 112;
entspr. 1582 A, 112 (Neuausg. s. 124 abgedruckt), Kölner liederbüchl. ca.
LIEDBBP0R8IE IM G IBGAHTUA. 1 19
do 192 ii. Erfurter Ib. do. li::. Eeidelberger hi pal. 848. 9 str.,
v.n Kopp, i. L86. Aehnlicher Btoff: Bergliederbüchl. 1 T< >< » 171' > lug. von
Kopp, - L29f
14. Eins morgens im. thal ich mich zn ...
[Biij | Nendr. b. 34, z. 6 8: Eins morgens ... vns hören, etc.
Fischart citiert einen teil der l. Btr. Vgl. Böhme, Altd. ll>. b. \-~.
' Schamperlieder ' 20. Nachweise: Einblattdruck o. o. u. j. in Berlin, in
Mgq. 718 (anfang 16. jh.), bl. 32b eingeklebt: Aiu news lied ron ainer bauä
maydt, fünf L2seiL Btr., anfaog: 'Ains morgens frfl thel ich michznainer
banfi mayd Bchone, Bcbmnckt sy zu mir was Bchaffenl ir, hört auff vnd
tond darvone, vnd lond micb keren, man möcht raus hören ...'; Genn.
um- um. Val. Holla h<. bl. ISO1 . vgl. Keib Vera. altd. hsa . Tübingen
-. 131; il. lil. o.o. u. j. in Berlin, rd7821, oo. 17. 5str.; tl. bl. o. j.,
Nürnb., K. Hergotin, Yd 7821, no. 27, 5str.; Baseler hs. l'\'Ji, bL85 in
8 str. (Bichter, Kat.s.65); Schmeltael 1544, do. 20 II. der erste
15. Wach auff mein hört
[Biij' Neudr. B. 84, z. (.»: Junger Knab, nun eihe dich ab.
Der anfang der 5 str. eines im 16. jh. beliebten tageliedes. — Lit. bei
Kopp, Archiv i. neuere spr. 111, 271 a, Harriage, Porster Neudr. b. 242.
Vgl. II. Baumer, Untersuchungen aber die Bergreihen, '!i.-~. Jens Li
:. auch mit abdruck noch Berliner H. bl. Vd 7801, no. 67. Weitere
nachweise: Berckreyen 1674 (Val. Purman I>. do. 38 in s-tr.: Liederb. im
■ l;. Wolkans (Euphorion 6,651 l; Frankf. LiederbfichL 1580 n.
im. ■_>:; u. 202 gleich 1582 A; Kölner liederbüchl. gleich
1582 B, ii". 162, A 202. In demselben tone wurden andere, auch geistliche,
Lieder
U\. LDs fischt ein Erei trau fischerin.
[Biij*] Neudr. - 34 unten, var. L: es fischt ... das u
;.irt i-iti.-rt die beiden anfang und fügt
parapbrasierte seilen hinzu. In den spaten i I nur
« l i * - erste seile Weller, Annalen 1,282 no. 163 u. Kaltsahni I
seichnen einen druck von zw. i liedern, A
ifangt n . liicnt
bei Fischart. abdruck Dach anderen quellen: Wacl Das il'-nt .
kirehenlied 1841 - Lltd. Ib. n 1 r< r. I
künde 12,108 mir aachv ■ hmeltsel 1544, ii". 7 fragm. im Altus:
[ch weifl ein hfipscbe i herin, 'Ii.- für wol rber des
auch Well
17. Biij* Neu lr. - 2 — 14: um
ich nicht schlieft Aermet
inlich aus dem Li« ur wölb
Böhme, altd, Lb d i 12, str. 4 V
420
WILLIAMS
18. Es wolt ein Jäger jagen, es ward . . .
[Biif] Neudr. s. 34, z. 14—17 : Es wolt . . . roten Mund, etc.
Fischart scheint ein lied im sinne zu hahen, das in zwei vor 1575
aus seiner gegend stammenden fl. bll. erhalten ist. Er verwendet hier den
anfang u. die 7. str. Drei lieder, Basel bey Sara. Apiario 1568 (in Unlands
sammelband s. 363 ff., Tübingen, univ.-bibl.), zweites lied, in 11 Str.:
[1] Es wolt ein Jeger jagen, er fürt sie an ein ende,
es ward jm vil zu spat, juheya- da er ein Bettlin fandt.
[maho, [-7] gje lagen bey einander,
was begegnet jm auff der hey den, biß auff die dritte stundt,
ein Jungfröwlin an freyer straß.
[2] Jungfraw wolt jr reytteu,
ich setz euch wol vff mein rofß,
[juheyamaho,
ich will euch mit mir füren,
gehn Wallenstein auff das Schloß.
[3] Da er nun gehn Wallenstein
[kam,
wol vnder das hohe hauß,
[juheyamaho,
da luget sich der Graff Ludwig,
an einer zynnen herauß.
[4] Biß Gottwillkum mein Jeger,
du liebster Jeger mein, juheya-
[maho,
hast du das thierlin gefangen,
so für es da zu mir hereyn.
[5] Ja ich habs gefangen,
das liebste thierlin mein,
[juheyamaho,
schleuß mirs inn deine kamer,
vnd halt mirs hüpsch vnd fein.
[5] Er nam sie bey der hende,
bey jhr schnee weiffen handt,
[jnheyamaho,
[juheyamaho ,
keer dich schons lieb herumme,
beut mir deinen roten mundt.
[8] Ich keer mich nit herume,
du fürst mich dann widerurab
[heim, juheiamaho,
zu meiner lieben gespilen,
die ließ ich doch nechten allein.
[9] Er nam sie bey der hende,
er fürt sie wol vnder das thor,
[juheiamaho ,
das engelein sprang von dannen,
was eben als frisch als vor.
[10] Der vns das Liedlin new ge-
lang,
von newen gesungen hat,
[juheiamaho ,
das hat gethon ein Jeger,
Gott geh jm ein fein gut jar.
[11] Er hats gar wol gesungen,
auß frischem freyem müt,
[juheyamaho ,
er ist wol innen worden,
wie scheiden von der liebe
[thüt.
Entsprechend fl. bl. 0. j. (ca. 1570?) Strassb., Thieb. Berger, Ublands
sammelband s. 427 ff. — Aehnliche fassung bei Böhme Ib. 110. 436 B. Lit.
über verwandte lieder, Marriage, Forster Neudr. s. 228 f. u. 257.
19. Ich ritt einmal zu Braimschweig auß, da sah ein megdlein...
[Biija] Neudr. s. 34, z. 17 f.: Vnd hat dich dann der Hund
gebissen, vnd hat dich doch nicht gar gerissen, etc.
Sehr interessant ist die mitteilung angeblich 'Ex. MSS.' (16. jh.) über
dasselbe fragment bei Ign. Gropp, Wirtzb. chronick 1 (1748), 256 citiert
UEDBRPORBH im G LBG anti'a. L2 I
von R. Hildebrand, Materialien, Leipzig I Die beiden verse finden
Mich seit der mitte des 16. jh.'s in den sehn- bezw. nennzebnstrophigen
fassnngen eines vielverbreiteten liedes, abdrucfe 1582 A, do. 148, yj\
Nachweise bei Kopp, Archiv f. nenere Bpr. 111, b. 24. Weitere belege:
fl.bl. o. <>. u. j. im Vatican, tOstr. . [nventario II 'J. no.2312iii).
Zwei tl. 1)11. in Unlands sammelband : - , Thieb. Berger, o. j.,
tOstr.; i. 897ff., o. o. u. j . 9str. Frankf. liederbüchl. I580n. 1584, oo. L48,
EOlner Liederbüchl. uo. 18 1582 B 18, in allem gleich l"
14R [liederb. L650 II. no.72 (Kopp, Zs. fdph. 39, 215).
20. Es wolmt ein m&ller 7or jenem holtz.
[Biij*] Neudr. s.84, /.. L9 -22: Es wohnt., der Hahn- im
(Vgl. Neudr. s. 263f. unter den spielen: 'Der Haber im Sack',
'Im sach verbergen*, Rausch, Spielverzeichnis - i
Aus dem li'>. jh. kenne ich nur das verwante angeblich 1573
seichnete lied der Baseler ha. mns. V. z. 21, bl. 99: Ein Bchon \
las ein Hfiller in einem tich, abgedr. (ohne anfangsstr. a. Kehrreim d(
bei Bartsch, Beitr. zur Quellenkunde der altd. lit.. Sü
b. anch J. Richter, Katalog der mnsiksamml. der nniv.-bibl. Basel, Leipzig
Im volksgi 18. n. 19. jh.'a trifft man ähnlichen stoff,
vgl. Erk- Böhme l. b. 480; Köhler-Meier, Volkslieder v. <L Hose! a
' zu no. ! " ige, Volks! aus d. bad. Pfalz oo. 200. M
bach, Nachlaes do. 33, b. I3f. *itiirt eine Btelle ans einer refonnationaflng-
t v.j. 1580 and <lrei Btellen ans Murner, die Bich anf ein lied vom
'habersack' beziehen: I) Narrenbeschwörung 1512 (Braunes Neudrucke 119
124, b. 71 ichmal 1519, bLkiiij; 3) Von <1. gr. luth. Narren L522
il'nl. 17, -J 1.84). VgL ilas Qargantuairagmenl oben uo. 3.
21. Brauns meidlein zeuch.
[Biij | Neudr. b.84, z.22f.: Brauns ... her tu mir, etc.
iart citierl ili«' beiden anfangsverse. Fl. BL o. j., Nfirnb., VaL
Neuber, 8 itr., in Berlin, kgl. bibl., Vd
[1] Brauns sfeydtlein seucb dein hemetlin ul>, vu leg dich hersn mir.
ich t'-il mit ilir \\.i< ich vern Itu gelauben mir. AN w.is ich hab
so] werden dein, ich nedig mein, da
Und am Bein, • lein.
|2| Brauns Heydlein hertzigs kuserlein mein, dn Edli Kejserin, meyn
Ls( gans inn trewen dein, Bthones lieb vernim mein »tim!>. k« r dich
zu mir. theyl ich mit «lir, Idi seucb mit -lir wol auA der w< il der
hell der mir gefeit, \ r andern fn
[:i| Brau ein holder •
mit disem Liedtlein klein, a -
gon leb ich mit mach1 i
allen ein gut DSM bt,
422 WILLIAMS
Entsprechend: fl. bl. o.j., Nürnb., Fr. Gutknecht (im Vatican, Stevenson
112, no. 2332 dddd); Berckreyen (Val. Furraan) 1574 n, no. 30; Paul v. d.
Aelst, Blumm u. Außbund 1602, no. 124.
22. Es gierig ein meidlein des abends spat,
[Biijb] Neudr. s. 34, z. 12 — 14 v.u.: Es gieng ein Meidlein
Abends spat, für einen jungen Knaben, etc. des war
sie fro, er rauscht im stro, etc.
Fl. Bl. o. o. u. j. (Strassb., 3. viertel 16. jb.) in Basel, univ.-bibl., Sar.
151, no. 35, sieben 7zeil. str. Anfang: 'Es gieng- ein Meydlin des abendts
spat, für einen jungen Knaben, mit züchtigen Worten er sye bat, das sye
jn lieb solt haben . . .' Str. 4: '. . . Das Meydtlin sprach . . . kummend bey
nacht zu mir auff diellen, der Knab war der antwort fro, er kam auff
diellen vnd rauscht im stro, sie sprach seine! freündtlich stille. ' — Schmeltzel
1544. no. 7 im bassus fragm. der 4. u. 7. str.: Kumbt des nachts vnd rausch
im stro thut kurtze pfenwert machen.
23. [Biif] Neudr. s. 34, z. 11/12 v. u.:
Der Schwester waren trey,
die aller jüngst, die vnder jhn war,
die ließ den Knaben ein.
Das lied, zu dem diese str. wahrscheinlich gehört, war schon damals
sehr zersungen. Anfang (16. Jh.); 'Ich gieng wol bei der nacht (Ich gieng
bei eitler nacht) ,' oder ' Ich fuhr mich vber Rein ' oder ' Es saß ein eul vnd
spann.' Vgl. Kopp, Zs. d. ver. f. Volkskunde 14, 64 — 71, Archiv f. neuere
spr. 117, 241 f. ; Marriage, Volksl. aus d. bad. Pfalz s. 296 zu no. 202.
24. Es het ein Schwab ein töchterlein,
es wolt nit lenger dienen.
25. Es het ein Schwab ein töchterlein,
es wolt nit lenger ein meidlein sein.
[Biijb] Es hat ein Schwab ein Töchterlein,
das wolt nit länger ein Maidlein sein,
0 du feins meins [1582 ff.: mein feines] Elselein, etc.
Vgl. d. Neudr. s. 34, z. 9— 11 v. u.
Fragmente aus zwei verschiedenen liedern mit gleichem anfang.
(24). ' Das Elselein. ' Fl. bl. o. o. u. j., 15 str. (in Berlin Yd 9531 u.
Weimar): 'Es het ein Schwab ein töchterlein, es wolt nit lenger dienen',
am Schlüsse jeder str.: '0 du feynes meyn Elseleyn', Abdruck Unland
no.257, Böhme, Ib. no. 51 a. Andere quellen: Reutterliedl. 1535, no. 2 nur
str. 1: Gassenh. u. Reutterl. o. j., no. 53, str. 1; Gerle 1532. 1537, bl. Miiij a :
' Das Elselein' ; Heidelberger cod. pal. 343 (hsg. von Kopp, s. 56 f.). Niederd.:
fl. bl. o. j. (Weller, Annalen 1, 213 zu no. 60); Niederd. liederb., vgl. Kopp,
Jb. f. ndd. Sprachforschung 26, 40. Niederländisch : Antwerpener Ib. 1544
LIEDERPOEBlfl IM OAB01M i PA. I- I
qo. 29 (Hoftm. ▼. Fallenleben, ffor.belg.il). Hierhergehören auch die
lieder im Qeidelb. cod. paL germ. 109 bl L85b und in den 115 liedlein 1544,
ii". (.") der lieder mit i Mim (Böhme no ->\ . 52).
<^>. Ein anderer text mit verschiedenen refrains:
a) GraSliedl. o. j. ao. 1 eine Btr. Alt us : 'Ei hett ein Schwab ein
töchterlein, dentelon remi, : Es wolt oil n meydlin sein,
<lz dentententelore lasse faremi :|, das ilrntrh.iv lasse faremi.1
b) de Vento, Newe tent. lieder mit 3 Btim. 1572 u. ö. no. 11 in zwei
teilen: I. 'Es hei ein Schwab ein töchterlein, Annelein butz mirs liecht...
11. Es woll nur haben einen man, Annelein bntz . . .' usw. Oeber diesen
kehrreim vgL Kopp, Archiv f. neuere sprachen 117, s. 242f.
c) Refrain: 'krause mause ..." and 7 str. im Frankf. liederbttchl.
236 u. Kölner liederbttchL ca. 1580 ao. 221 ; 1582 A 236 fehlt str. :,.
Vgl. Kopp, Archiv 117. s. 250, Zs. fdph. 39,219.
d) Refrain: 'bey nachte, fein Bachte, halt die kanna, schöne bas Anna,
halt die kanna feste.1 Abdr. 1582 A 287, 9 str., entspr. Frankf, liederbttchL
1580 n. L5 i liederb. ca. 1580 oo. 214. VgL Kopp, Archiv
f. neuere Bpr. 117,250. Auf diesen refrain spielt Fischart im Garg. r<7.~»
Jijb (Neudr. s. 130) an: 'bei nachte, bei nachte, halt dich Annale feste.1
26. Es stel ein lind in jenem taJ isl obenbreil vnd ynden schmal
[Biijb] Neudr. b. 34, /. (.»f. v.u.: Es steht ... schnell, etc.
is1 nichl klar, weshalb Fischart gerade dieses lied unter den
'Geuchliedern1 anfuhrt, — die texte mi1 diesem anfang gehören zn den
schönsten and anschuldigsten, die wir aus dem 16. jh. kennen. 1. Das lied
bei Unland na r> A kann Fischart bekannl gewesen sein, eine Strassburger
fassung etwa v.J. l /»T< » i>t aoch vorhanden Ol. M. in Unlands Bammelband,
facaimile in Könneckes Bilderatlas b. 163). 2. ühland no. 116, nachhs. v. j.
: Kopp, Euphorion 9,27—81. 8. Dhland ao. 27, aus dem L6.jh.
bänfig belegt Nur die anfangazeile Btimmt aber zu Fischarts Fragment.
Nachweise: Marriage, Föntet Neudr. b. 261.
'2't. Ea hei ein meidlein sein schu verloren.
liii.i ; Neudr. >. 34, /. 7 t. v. u.: Es hett . . . finden, etc.
Die beiden anfangs! ttebenstr. fassung auf tl. 1>11. d<> IG.jh.'s:
o. j., Magdeburg, Joachim Waiden, im Vatikan (8tevenson, Enventario Il'J
oo. 2297M); o. o. n.J. In Berlin ?d7801, no. 18, 5
ii". i nur («tr. 1 daraus Böhm« Böhme no L20e). QeistL om-
dichtnng, WK. ::. no. 1 17.
88, irii wt-iij mir ein (stoltze) müllerin, ein wunderschönes weib.
I'.iii Neudr. b.34, e.6 v.u.: Ich weiß mir ein stoU/n
hrtn, i)i>l 8üU <rlt I» i ff mnUn, etc.
Dieses lied wurde schon in l5.jh.voa ffeinr. von Loafenberg geistlich
angedichtet, vgL WK. 2, ao. 704. Au- den 16. ja. scheinl nur die i -tr.
liefert in sein, 121 lieder 1534, ao. 16: 'Ich weil nur ein Malnerin, du
424 WILLIAMS
wunder schönes weib, in allen diesen landen, ein hübsche Mülnerin, wolt
Got ich solt jr malen, mein kornlein zu ir tragen, so mal ich dirs wen ich
mag.' Forster II, no. 60 II: 'Vnd solt ich bey jr malen'; dasselbe fragm.
bei Schmeltzel 1544, no. 7 im bassus. — Seit anfang des 18. jh.'s neuere
fassungen. Bergliederbüchl. 1700/1710, no. 127, hsg. von Kupp, s. 00 f. (Böhme,
Lb. no. 43, Erk-Bühme no. 156a). Vgl. Köhler -Meier, Volksl. v. d. Mosel
Saar, s. 403 zu no. 128; Marriage, Volksl. aus d. bad. Pfalz no. 169.
29. Der guckguck auff dem zäune saß,
es regnet sehr vrid er ward naß.
[Biif] Neudr. s. 34, z. 3—5 v. u.:
Der GurJcgauch der flog binden auß,
ivol für der Beckerin Häuft,
darinn ein Goldschmid maußt.
[Eija] {Gut hdnicke vnder) dem zäune sas,
Es regnet sehr vnd es ward naß.
(Vgl. Neudr. s. 70, z. 18 und no. 29.) (Auch im Garg.
1590 eine anspielung darauf, s. no. 139.)
In quellen des 16. jh.'s sind überhaupt nur dürftige reste des liedes
erhalten, worauf Fischart an diesen stellen anspielt. Forster II, 1540 u. ö.
no. 29, drei str. (Neudr. s. 91, Lit. s. 232). Le Maistre 1566 no. 90 fragmente:
tenor u. alt, d. 1. vers, bassus: 'Der Guckguck auff dem zäune sas, es
regnet sehr, vnd ward nicht naß.' Vgl. Erk-Böhme no. 880 a bis 881 a. —
Mehrere neueren fassungen erwähnen einen goldschmied, wie schon Fischart.
30. Wo gehn die Bamberger meidlein hin.
[Biijb] Neudr. s. 34, z. 3 v. u. : Wa gchn die Bamberger
Meydlin hin, etc.
Hans Neusidler, Lautenbüchlin 1544 I, no. 7: 'Wo gehnd die Bamberger
Meidlein hin, wo gehns sie hin nach gras ', nur so viel text. Mich. Lindener,
Katzipori 1588 bl. aiiija citiert str. 1: 'Wogehen die Bambergische mägd-
lein hin . . .' vgl. die Neuausg. Stuttg. lit. ver. no. 163, s. 183. Mit 9 str.
fl. bl. o. j., Strassb., Thieb. Berger (in Berlin Yd 7850, no. 20):
'Wo gehn die Bomberger meigdlein hin, wo gehn sie hin ins graß,
sie gehn hin in die mül werd, da der Ziegler saß. [2] Da spreit er seinen
mantel, in das grüne graß, kuffl her mein feines Appele, ruh ein wenig
baß. [3] Ach Gott was soll ich rüwen, mein kelblein hat kein graß, ich
hab ein zornigs mütterlein, schlecht mich alle tag. [4] Hastu ein zornigs
mütterlein, bind du den finger zu, sprich hertze liebe mütter, ich kau jhm
nit gethün, [5] Ihr wolt mich lehren liegen, es stünde mir vbel au, viel
lieber wolt ich sprechen, der Ziegler wer mein mann. [6] Was zog er aus
der deschen, drey gülden waren roth, sehin mein feines Appele, kauft dir
wein vnd brot. [7] Wann du das Gelt verzehrest, so sprich mir freundt-
lich zu, will dir ein Daler geben, kauff dir nummen gntig.' (Str. 8: Gar
LtEDERPOBBtE im i;.\i;i:.\N"I i'A. 125
hoch aiit't' jhenem bei ihl ein mttlen radl ... and itr.9: Dm radt
daa i-t Berbrochen . . . Bind 6 zeilige Btr., die nicht zu diesem liede
trgliederbUchl. 1700 17k> heg. *on Kopp, qo. 86, b. 62f.,
i Böhme, Lb. no. st>i
N < • n ■ 1 1 . 3. 35, z.3: weder du Müllerin noch du Eselerin ...
Vgl ii". 4 oben.
31. Ich sah mir ein blauen Storeken,
[Hv''J Neudr. s. 38, /.. 1 v.u.: in einer Wisen, von <i<><n
das blau Storch nlied lautet
A,ns dem 16. jh. waren BOhme and anderen nur awei fragmentc dea
• Blanstorchi olied« b ' bekannt (s. BOhme, Aldi. Ib. um. 87, Erk-Böhme no.
l. 'Ich sach mir ein blonwen Btorchen' Überschrift einer melodie in einer
Amerbachischen ha. oniv.-bibl. Basel, 1 c. 21 (J.Bichter, Katalog, I.
hart v. Straßsburg, B isel 1^74,
er \\ iffen, es isl kein storch, i b i.-t
mein lieb' als Btr. L3 des tiedes: Es Bolt ein meidlein frne anff stan, I
reihen 1531 a. ö. (hsg. ?on J. Meier, Brannea Nendmcke 9 anch
auf tl. bll. erhalten. Ich teile bier die 1 strophige faasnng ein«
der mitte des 16. jb.'a Btammenden ii BL mit: Drey Schone Lieder, Das
<i-t. Et i-i ein Schnee gefal- Len wen" es i-t noch nitzeit. Das ander, Ich
sali mir ein blawen Storeken anff einer Hatten gohn. Das dritt, Straft*
bnrg Ich mnft dich lallen. Im thon, [ft- |brnck ich mnfi dich lalfen. (Bild-
chen. Ajoi Schlüsse:) Qedrnckt an Nürnberg, dnrchFi Qntknecht
(o. j. i.t. 1550? I bll. B°j in Rom, Vatican, Bammelband mit der si^n.:
itina VI. ■>[', ii". 89, vgL Stevenson, Inyentario ?ol. 2, pari
' Ein ander Lied.
|1J Idi sah mir ein blawen StorckS \\\\ \*rlaul» hat sie mir neben,
anfl einer Matten gohn. ich hoff es scy mein < ilück.
ich meint es wer mein feines Lieb, Sie wolt mich gern fftren,
so betreoget mich der Hon. an einem Narren Btrick.
ii jr jmmer danck, Daa sag ich jr jmmer recht,
das mc mich hat betrof sie findl wol ein Reichen,
/.um ersten anefang. ich bini ein armer knackt
l-l () trawre, vl„r trawnn. [4] |,j, wil .iull i„„,.n „„,,,.„
mochl ich Milch »ein. ,1,. i,.h Ilit ,illir 7Jlllil.
-b -ch doch rerlora, Vuf^hi thut mich iwina
den all.r liebsten Bolen mein. ,i.u/u ... ,,il
'*•"• Hein bah Ich g
ich wil jetzt trolich Bein, icl. .. Junck-
ich weiij mir ein Bttdl f [fra-
[Junckfrawe, • K,.\, }T ,.\n ,,,„,. N;ll.llt
di-' i>t mir lieber 'lann »jfl
r da anfang zur beeeichanng det Baelodie einer masmig •!• -
v.iin iclein', - jm tkOB V, ,.in-
426 WILLIAMS
fang: 'Ich weiß mir ein wunder schöne Magdt, an jres Vatters fenster
stan . . .' 11 str.) auf einem fl. tri. o. o. u. j. 16. jh. im Vaticau, Palatina
VI. 54, no.97 (Stevenson, Inventario II 2, no. 2350xxxx). — Das Blau-
storcbenlied wurde im 17. jh. erwähnt, vgl. Fromans Zs. Die deut. rnund-
arten 4 (1857), 95, no. 68. Die anfangsverse lebten noch im 19. jh. in einem
tanzliede fort, vgl. A. Birliuger, Die deut. mundarten 5 (1858), 259 f. u.
Schwäbische Volkslieder, Freiburg 18G4, no. 12. Vgl. Martin, Literaturblatt
1909, s. 95.
Neudr. s. 57, z. C f., vgl. no. 57 unten.
32. Ein abt, den wollen wir weihen.
[Ea] Neudr. s. 69, z. 14— 17: Ein AU ... Orden hell
Hier str. 1 mit den beiden letzten versen launig verändert. — 115 lied-
lein 1541, no. 23 der lieder mit 4 stim., 4 str. (bei Böhme, Lb. no. 360.
Heidelb. cod. pal. germ. 318 (1544) bl. 110a nur die anfangszeile). Ochsenkhun
1558, bl. 76 b in 3 str. (bei Hoffmann, Gesellschaftslieder 2. aufl. no. 387).
M. Schaerer III 1602, no. 2 wie bei Ochsenkhun.
*33. [Ea] Neudr. s. 69, z. 17 — 19 : Wolan die Hüner gachsen
viel . . . hören mir.
In liederquellen mir unbekannt. Vgl. die sprichwörtliche redensart:
'Der die eyer wil haben, muß das gatzen der hennen auch leiden', Seb.
Frank, Sprichwörter I 1541, bl. 14b.
Neudr. s. 69, z. 20: Ich . . . im Luder. Vgl. Garg. 139, z. 5
und no. 104 unten.
34. Eesch vnd behend der pfarherr sprach.
[Eab] Neudr. s. 69, z. 21— 31 : (Nun resonet in laudibus . . .)
Meßner rieht . . . Im Kämmerlein.
Fischart bringt hier zwei stellen aus dem 'Resonet Papistisch', einem
spottlied auf die pfaffen. — Abdruck WK3, no. 469 nach fl. bl. o. j., Basel,
Rud. Deck (in Berlin Ye 3105), mit Fischart vgl. str. 1, vers 3 — 12 u. str. 3,
vers 5 — 10 a. Andere fl. bll. Wackernagel, Bibliogr. no. 210. 211. Frankf.
liederbüchl. 1580 u. 1584, entspr. 1582 A, no. 144.
35. [EbJ Neudr. s. 69, z. 33 bis 70, z. 3:
Ein rickmeß gick, daß gire giregiclc,
wol von dem Pfaffen von Wisenthai . . .
der Schreiber was ein Mann,
Er gab dem Pfaffen ein päuderling,
vnd lieff darmit darvon.
Von dem liede vom ' Pfaffen von Wisenthal' scheinen sonst nur zwei
kleine fragmente erhalten zu sein: 1. Reformationsflugschrift 1524 (nach
Meusebach, Nacblass 33, s. 112 f.): 'Ju, jw, jw, der Schreiber was ein man';
i.ii.in'.urui'.sir. im Gl m;<; an i r \. 1-7
bi Basel (1. halft* L6.jh.) nach Richter, Katalog, Leipi ::i ober-
Bchrift: 'Der Bchreibei was ein man.' i> W. Schmeltzel 1544, QuodL qo.7
fragm. im altui: 'Er gab dem pfaffen ein Bchwenderling, damit liefl ex
darnon, des giri ^iii gang.1
36. E | Neudr. s. 70, z.9: Aha, wer de Cctrtäuser Orden,
Ich wer längst ein Mönch worden.
Die» raunen in einer längeren quodlibetartigen stelle in /.n-
sammenbang mit liederfragmenten vor. andere belege fehlen.
37. Proflciat jhr liebtMi herren.
El Neudr. 8.70, z. 10— 15: Proficiat . . . den andern griffen.
Diese stelle enthält str. 1. IL Nensidler, Lautenbuch 1574, ao.86
eis Überschrift *ers l; Glanner I 1578, do. 9 in 3 str. (darans Hoffmann,
Qesellschaftsl. 2. aufl., qo. 250); ammerbach, Orgeltabnlatnr 1583, no. 1 Vi
vom texl nur \. i- l: Nie. Rosl 3, no. II. str. l. Str. l hand-
schriftlich hinten in einem Bammelband der kgl. ritterakad. in Liegniti
(Bibl. Rudolf, um-. 65, einband 7. j. 1584) gleich Qlanner str. 1. Anfang,
M. Frarn k, Fa ic. Qnodl. im l, no, 5.
38. Von vppiglicherj dingen < Itesellolier).
[K'| Neudr. b. 70, /. LO: Da kam der Bruder Stoffel, Mit
seinem langt n spieß.
Der 'Brnder Stoffel' erscheinl hier nicht als grober bauer, sondern
als bnhlerischer mönch, Der anfang der 4. Btr. des weil verbreiteten ge-
dichtes ?on (Hans?) Heselloher (Bayern, 15. jh., vgl. Ohland, Schriften
4, 'l'l'i n. Pauls Grundriss, 2. aufl., 2,1, b. 372). Nachweise: HandschriftL
15. jh. in München (ühland qo. 249 n. Schriften 1,222 ff.); hs. in Wien
560). Einblattdruck, 13 Btr., o. o. u. j. in München,
focaimile bei A.d Bartels, Der bauer, Leipzig II Fl. hl. <>. j. Nttrnb.
Gutknecht, Weimarer sammelb., no. 77. 65 lieder ca. 1536, no. 62 in i
dl. haus Böhme, Lb., no 151); 56 lieder o. j., no. L8 nur .*tr. i; Forster ll
1540, no.60 fragm. str.4; Petreins L541 1. no. 49 eur Btr. I; Frank! lieder-
bttchl. 1580 n. 1584, entspr. 1582 A, no. 129, Erfurter liederböcbl na 180.
HandschriftL noch 1646 bei Werlin, str. i (Erk-Böhint1
Lied wurde häufig amgedichtet, ?gl. Qoedeke 2,86 n. WK 2, no r2'.x> u.
r\ B l . i
39. [E Neudr. b. 70, /. 17t: Bern fecx tis Don >>. da-
In im rixl sonst an rt
[Jviij Neudr. >. L89, /. B t v. u.: wo habt jhr geschlaffen,
dahi i»t odt r 8( < tu <>>t.
Die* ■' ichsl Iren «"I sn einem spottliede auf buhlet
kleriker. Vgl b i. dai Lied ron ■!• in monch o der nihterin bei Erk*Bonme
in. 181
Heitrer mr geschichte der «IruUchea «praclic. XXXV.
428 WILLIAMS
40. Gut Hänicken vp dem sclieyter weg saß.
Eija: Gut Jiäniclce vnder dem zäune sas (vgl. den Neudr.
s. 70, z. 18).
Es wird an dieser stelle zugleich auf das lied ' Der gackguck anff dem
zäune saß' (oben no. 29) ausgespielt. — Forster II 1510, no. 46 eine str.,
bsg. von Marriage s. 96. Meuseback (Nachlass no. 33, s. 48) verweist auf
Nie. Manuel, Vom Babst u. siner priestersebafft, 1522: 'Singend gut henßlin
vff der sehyter bygen' (ed. Baecbtold s. 59, vers 734) und Barbali 1526: 'sing
ich bensli vff der sebyter bygen' (Baecktold s. 171, vers 1043).
41. Vil ärater vnd gar wenig blech.
[Eija] Neudr. s. 70, z. 19 — 21: Vil ämter vnnd wenig Plech,
Ein läre tusch, vnd Schneiderzech.
Vers 1 und 3 eines liedes, von dem sonst wol nur eine str. überliefert
ist. Gassenbawer und Eeutterliedlin o. j., no. 47, altus:
Vil Empter vnd gar wenig bleck,
der scblüssel vil, vnd kleyner gwalt,
Nur lere tasek vnd sekuster zeck,
vm mick kat es keyn andre gestalt,
Sckeuckt einr was, muß leiden dz
mir wirdt gar offt gedreet die naß.
115 liedlein 1544, no. 53 der 4 stimm, lieder, eine entspr. str., desgl. nock
1646 Werlins ks. (München, kof bibl.) s. 366.
*42. [Eija] Neudr. s. 70, z. 21 f.: lichter dann ein Kachel-
ofen, hat sie ein Idaren schein.
In diesem Zusammenhang wol als bruchstück eines liedes aufzufassen.
*43. [Eija] Neudr. 70, z. 22— 24: Sie sucht den schwartzen
Pf 'äffen . . . im garten voll.
Fischart dachte hier wol an ein, möglicherweise an zwei lieder.
*44. [Eija] Neudr. 70, z. 25 f.: Bene veneritis Domine Custos
. . . vestrum.
Die ersten worte finden sich auch in einem spottlied auf buhlerische
mönche bei Forster II 15, hsg. von Marriage s. 88.
45. Venite lieben gesellen mit sorgen.
[Eija] Neudr. s. 70, z. 28—33: Liebe gesellen . . . Illudemus ei.
Die stelle Garg. s. 70, z. 28— 35 citiert Fischart direct aus De generibus
ebriosorum (1516), vgl. deu neudr. dieser schrift bei Zarncke, Die deutseken
Universitäten im mittelalter, Leipzig 1857, s. 125. Diese str. ist meines er-
acktens eine sonst nickt erkalteue parodie auf str. 1 von 'Venite jr lieben
gesellen one sorgen', einem im 16. jk. beliebten trinkliede (über dasselbe
vgl. Forster, Neudr. s. 84 und 226).
LlEDERPOtiSIfl i -i G LBG \M r.v. 429
4(i. Po8l .M.u tiiiiun Immun viiiiiin.
[Eij*] Neudr. s.71, /. I (8 LO): Post Martinum bonum
rininit, (Gänß vnnd Vogel ... Oänß gähn).
[eh kenne Bonsl nur den anfang in der Lat schrifl Jos Potandi 1627
(Berliner mischband Xu 26, qo. 16) bl. BS anter den anfangen einiger da-
mals bekannten lieder: 'Bonnm rinnm posl Martinnm etc.' Lateinisch-
deutsches mischlied?
17. Dorl aiden an dem Keine.
Eij Neudr. s.71, /.. V'< 20: Dort n'nhn ... ist er eu loben
zusatz bis backt] 1582 bis z. 21: ... gebracht].
Ochsenkhun, Tabulaturbuch 1558, bl. 79 a in '■'■ Str., abdrnck bei
Unland no. 231. Em Oarg. Btr. 1. ?ers 1 i nnd Btr. 2 angeändert, Btr. :?.
ren 7 and ■"> geändert and mir Ensatz.
18, Es kniniiit ein seil gar (gantz) wunniglich.
[Eij | Neudr. s. 71. /.. :; v. u. bis s. 72, /. 8: Es kompt . . .
vnnd ruffen dann dem VUen, tt<-.
Kiij | Neudr. s. 117 (die ganze Beite): {Hei du Truncke
im diu dir laßt vns hertretten:) Er sincki ...Jim
>> in J'xi/r /."//< ii .ml.
VgL Neudr. >. 201, /.. 1">: Aü, Morgen sang er die truncken
Metten.
A u<-h 6arg. L582 .i\.i . <lit' beiden ersten verse der 3. Mr..
Neudr. s. 126, z. 6 v. u.: Sih da ... G
Am näehsten kommen Fischarts citate einer l .". >t r. hasung der 'truncken
Kette1 in einem fl. bl., welches "<>l im dritten viertel des L6. jh.'s beiJae.
Frolich in Piacharts heimatstadt Strassburg erschien (exemplar in Basel,
nniy.-bibl., Bar. 151, no. 62): 'Ein hübsch neu Lied, Die tmni
genant. I-t manchem gaellen wol bekant.'
[1] kompl «in teil gar wunigklich,
hu der da ist all weit rrolioh,
die lit.
in dl tobt,
ein Planel luv i> der Kl--
macht einem offt <la^ kopfflein schwer,
wer sein \il trinckt, ward! selten lar,
in diaer
die fafinacht gibt vil trnnekner 1<
[21 S wir den Wirtshaufi r.u.
kond tag md nacht allaampt keyn rhu.
der wein dar schmeckt \n> also wol,
daui>n m werd wir truncken ntd rol,
-
430 Williams
biß einer singt wol auff den banck,
Sant Vrbans plag die macht jhn kranck,
er rüfft dem Vtz vnnd machts nit lang,
bey disem gsind, da trinckt man gschwind,
der Wirt ein groben baß zu stiinpt.
[3] So ist es yetz das aller best,
der Wirt ist völler dann die gast,
im kropff facht er zu dichten an,
ein compositz kan nyemandt verstan,
er dunckt sich weiß vnd wol gelert,
die note würfft er wider die erd,
daffelb ein halbe stund wol wert,
er machts so kruiii, vnd spricht kurtz vm,
wolker nun kert mirs pulbret vmb.
[4] So ist doch das das edel gsang,
sye singen dnoten kurtz vn lang,
der dicken singens also vil,
vnnd schieffen vubillich züin zyl,
sye schienen vnbillich zum zweck,
dz gsang das in den gsellen steckt,
gar übel in der stube schmeckt,
es macht ein blüder, laufft als über,
der haußknecht kompt mit kessel vnd züber.
[5] Vnnd kert die noten one zal,
vnder dem tisch vn überal,
das gsang das wert wol gen dem tag,
wolher wer wider schlemmen mag . . .
Die erste stelle des Garg. enthält etwa die hälfte von str. 1 und den
anfang der 2. str. der fassung des fl. bl. ; in dem andern langen citat finden
sich teile der 2. str., die ganze 3. str., str. 4 beinahe vollständig, und ein-
zelne verse oder zerstreute brocken aus str. 5—8. 10—12 und 15.
Aelteste fassur.g, fl. bl. o. j. Nürnb., K. Hergotin in Zwickau, ratsschul-
bibl. XXX. V. 22, no. 28, 14 str., abdruck bei Böhme, Lb. no. 346 (str. 1—3.
4 — 14 im ganzen gleich str. 1—3. 5 — 15 des Strassburger fl. bl.). Ferner
fl. bl. o. j. Nürnb. H. Guldenmundt, 14 str., im Vatican (Stevenson, Inven-
tario n 2, no. 2254*). Vgl. Seb. Franck, Sprichwörter 1541, II bl. 148b:
'biß daß jn Bachus . . . vnder die banck wirfft, dz er anfahet die truncken
mettin mit den langen noten zu singen.'
49. Die faßnacht bringt vns freuden zwar.
[Eijb] Neudr. s. 72, z. 9 f.: Die Faßnacht . . . gantzes Jar, etc.
Die beiden anfangsverse eines wol nur in den Bergreihen überlieferten
liedes, vgl. den neudruck derselben von John Meier (Braunes Neudrucke
99/100) s. 17 f. Berckreyen 1574 (Val. Furman I), no. 5. Vgl. E. Bäumer,
Untersuchungen über die Bergreihen. Diss. Jena 1895, s. 18 f.
EiIBDEBPOEBIE IM QABOANTÜA. 431
50. I'li zeunl mir uechten einen zäun.
[Eijb— Eiij»] Neudr. 8. 72, z. 10 20: Der mit der Kate . ..
I Bier gnug.
He enthäll Btr. 6. 7 and 8 des 10 atroph. Liedes. Nach »tr. 6,
vom 3 hal Fischart zwei Zeilen and zwischen Btr. 6 and 7 drei seilen ein-
geschaltet, die gar oichl zum liede gehören. Ahdrnck: Qhland no. 51
3chriften t, 45 f.), Erk-Böhme oo. 448. Weitere aachweise 'vur!. aach
Marri er aendr. b. 261): einblattdrnck o. o. n.J. in Berlin 5Td 7801
(▼on Nagler), oo. 12 in lOstr.; fl. bl. <>. j. Nürnb. Fr. Gntknecht, LOstr., im
Vatican (Stevenson, Lnventario 1 1 2, oo. 2331 cccc); il. t>!. o. j. Strassh . Thieb.
Berger, LOstr., in riil.mil> Bammelband b. 191 ff.; o. o. n.J., J. P. (Jac. Frö-
Lich, Strassb.) in Basel, Sar. L51, oo. 52, LO Btr. Frankf. liederbüchl.
ao. L65, Kölner liederbüchl. ca. L580, ao.39 gleich L582 B, no. 37, in
allen mit 9 Btr. wie L582 V. no. L65.
51. [Eiij*1 j Neudr. s. 71. z. -J f.: Er hat sein such,,! wolge-
than, dummel dich gut linken (1590 Birckel)\
[Jijb] Neudr. s. 130, /.. 19: dummel dich gut Pirchen (1590
Pärc en)\
Neudr. s. 259, /.. I v. u.: Dummel dich gut Birche
(vgL Rausch, Spielverzeichnis & 80).
Aehnliche verse kommen in trinkliedern vor, z.b. J. Hailand, Gh
luss: • . . . Er hal Bein - ichen rechl gethan, tnmmel dich gnta
weinlein, das Qleßlein boII hernmmer gähn, tnmmel dich gnts weinlein';
ähnlich Mancinns L588, no. L9.
Neudr. 81, z. 7 f. v.u.: Laßt auch .. . vierteig vier. Vgl. unten
zu DO. I1» l.
Neudr. 84, z.9 -12. Diese stelle bezieht rieh nicht auf ein
ueisterlied mihi Schillers thon zusingen';
vgl. auch die parodie I rarg. 31 1.
Neudr. l||v. z. 17 L: da wiget ... aXU L oben no. 2.
52. unmöglich ist es das mau flndt
• h ü.i ' Neudr. a 1 1 1. z. 1 v. u.: {daß man wol das Lied von
jr singt n tv das man fin l,
ht uir.l Bchwerlich weil ?er
kannte es hOchstwahrscheinli« r drucken
je mir bekannte qnelle \-\ 'Zwey h •■>(. unmöglich
-.nun l apiario L5( br. (in n.
Hunmelban . oniT.-bibl. T .
432 WILLIAMS
[1] 'Vninüglich ist es das man findt,
ein Mensch als icli mir eine weiß :|:
Herr bhüt wie ist mir das ein Kindt,
erst gadt mir auß der angstlich schweiß.
Wenn ich an sie gedencken,
an jr schön wunder weiß vn bärd,
ach was lieblicher schwencken,
ich forcht sie bring mich vnder dErd.
[2] Eecht gwaltig redt sie von eim ding,
vnnd kan jhm auch ein reimen gän :|:
Dadurch sie mir mein hertz durchdringt,
es mocht ein Mensch doch wunder nän.
Wo her es jr doch käme,
vnd das wunder schon weiblich bild,
solche tilgend doch näme,
sie macht mich schier graw, taub vnnd wild.
[3] Stoltzeren leib ich nie gesach,
von f ülfen auff biß an das haupt :|:
Was schöner bein hat sie zweyfach,
ich hets mein lebtag nie geglaubt.
Dz mans schöner kond malen,
sie seind so rund als werends dräyt,
Kein schätz mag sie bezalen,
sie ist mir in mein hertz vernäyt.
[4] Vnd ist jr weich klein zart vnd rein,
vnnd oben drauff ein starcke brüst :|:
Glaub mir kein schnee mag weiffer sein,
jr briistlin seind ein gantzer lust.
Man könds nicht schöner bgären,
inn aller form inn maß vnd weiß,
als ob zwey öpffelin wären,
vnd kämen auß dem Paradeiß.
[5] Lieblichem mund ich nie gesach,
rot süß vnnd klein als wers ein kind :|:
Ir zänlin weiß in Ordnung gmacht,
jhr bilder wol gformieret sind.
Darauß schmeckt jr der athem,
als ob es wer ein Balsam gart,
von Nägelin vnd Muscaten,
Feyel vnd edel Eosen zart.
[6] Am Näßlin solt man wunder han,
wie es so wol gformieret sey :|:
Ir öuglin laßt sie vmher gan.
Hat oben drauff zwey bräwlin frey.
LIBDBRP0B8IH im GLABGAHTUA.
fr stirnen nid ir w
die sind ganti klar schön vberanß,
daran swej löcklin hangen,
fttrwar sie Beind gantz edelkranß.
[7| Baar gpeb ich drnmb als was ich je gewan,
Liefl roffs, Bchwert, spar nid was ich han :|:
ach (Jotl mir wer ail mangel dran.
\ im! «roll üe nimmermehr rerlan,
rechl mich zu jr thftn fügen,
erst ich kurzweyliger x.-i r .
rechl frenndtlich mit jr üben,
in jr mein troel nid hoffnnng leyt.
Ende.
Lyd, myil. vii'l vertrag,
Glnck kiinipt noch all l
.">:{. Auft" freud vml leid.
[Gviij*] Neudr. b. 11-. /.. 1: An/) freud vnd leid, ist j<t:
>>i bescheid, < tc.
Dieses Lied ist mir sonsl nicht bekannt
54. Gviij*: (vnd wie das lied klingt ... i
h /7 lang goldgt Ib har,
die Augen wie /'"im Stern klar,
kurß helfenbaim n /.<m,
(/.- Mün Hin < ng vnd schön
Vgl den Neudr. >. 1 12, /. 22 -J'.'.
Sehnliches i->t Qberans h&nflg in Liedern der Uteren z>it (Tgl. auch
«Ins Torletatc Lied), aber diese irier rerse snaammen habe ich sonsl nicht
nachweisen können. Vielleicht hat Pischarl selber, nicht ohi
tendens, die formelhaften Wendungen insammengereimt
.">."). We röslein Bind n brechen /.»'it.
:ij Neudr. b. L18, /. •'• - v.u.: (Ich brech jnmer hin,
amff das alt Licdlein R nter nicht
|( mir nl n.i.li-
■nweisen Unland r< ein vom unToll-
. bl. 117 119),
!t .i.'Il \S
: qo. 23 ii. nt wirklich zu den
Lieds des ii bl hier ni< I
III. .Vttill». tl. l'i
434 WILLIAMS
*56. [Hva] Neudr. s. 121, z. 12: frisch auff jr Gesellen,
die Hüner praten schon.
[Kviija] Neudr. s. 155, z. 10: frisch auff, lustig, lustig sie
praten schon.
Aelmliches, was ein bruchstück eines liedckens sein könnte, auch
früher bei Fischart: Aller Praktik Großmutter 1572, Braunes Neudrucke
no. 2, s. 7 : ' Wolauff die hüner braten schon ' ; Ausg. 1574 Bv b : ' Wolauf
die Hüner braten schon, aber nicht in deiner kuchen.' Vgl. M. Franck,
Fasciculus Quodlibeticus, 1611, no. 6: 'frisch auff, sie braten schon.'
57. Trincken wir wein, so beschert Gott wein.
[Hvab] Neudr. s.121, z. 13-16: trinchen ivir ... nach scheuten.
Vgl. auch [Dijb] Neudr. s. 57, z. 6: {Wißt jr nicht den schönen
Spruch?) Trincken wir Wein, so beschert Gott Wein.
Auch sonst bei Fischart: Aller Praktik Großmutter 1574, bl. Biiija:
'Trincken wir wein, so beschert der Wirt wein, vnd will auch in der zäch
sein'; Pod. Trostbüchlin 1577, hsg\ von Hauffen (DNL), s. 34 nur der an-
fang-. — In anderen quellen auch nicht mehr als die eine str. Fast der
ganze reim bei H. Bock, Der vollen brüder orden, vgl. Vierteljahrsschr. f.
lit.-gesch. 1, 94; Seb. Franck, Sprichwörter 1 1541, bl. 163 a: 'Trinck wein, so
beschert dir got wein. ' Forster V, no. 39 (hsg. von Marriage, s. 202) ; Scan-
dellus 1570. 1578, no. 18 eine str.; Knöfel 15S1, no. 3 etwas verändert; Man-
cinus I 1588, no. 9; P. Kauffmann 1609, no. 36 (Hoffmann, Gesellschaftsl.
2. auf 1., no. 189, gleich Scandellus).
58. Nun wolt jr hören newe mär
vom buchsbaum vnd vom felbinger.
[Hvija] Neudr. s. 124, z. 15: (du singst vns diß vnnd sonst
noch mehr,) vom Buchsdaum vnd vom Felbinger.
Mit dem fragment des beliebten Streitliedes vom buchsbaum und weiden-
baum (felbinger) reimt Fischart einen überaus häufig in schlussstrophen
widerkebrenden vers, vgl. z. b. Liederb. 1582 A, no. 237. 239.
Der anfaug und inhalt der str. 4 — 11 des liedes vom buchsbaum und
felbinger findet sich schon 1573 bei Fischart, Flöhhatz, Braunes Neudrucke
no. 5, s. 68, z. 116—126. — Zuerst bei H. Finck 1536, no. 46, 4 str., vgl.
Unland, Volksl., anm. zu no. 9A. Die reihenfolge der 12 str. gewöhnlich
wie 1582 A, no. 231 (Unland no. 9B, Böhme no. 273, Erk-Böhme no. 1073).
Weitere nachweise: 56 lieder o. j., no. 39 nur str. 3; Graßliedlin o. j., no. 17,
str. 1; fl. bl. o. j., Nürnb., Val. Neuber, 12 str., in Berlin Yd 9925; fi. bl o.j.,
Strassb., Jac. Frölich, 12 str. (abschr. Berlin Mgq. 709, no. 25); Frankfurter
liederbüchl. 1580. 1584, no.231 entspr. 1582 A. Zimmerische Chronik 16. Jh.,
ed. Barack, 2. aufl. 4,64: 'oder sie sangen den Buxbomin und Velbinger. '
Erwähnt in E. Alberus, Fabeln 1550 (Braunes Neudrucke no. 104—107, s. 38,
LIBDEBP0E8IE im G LEG \n I D L
Nachdichtungen. Weltlich: L) M. hl. Yd 7m'!. do " er □
Wein'), Tgl Erk - Böhme no. 1074; 2)1 reack u. 8tock-
ancfa Ton Pischart Im Plöhhatz 1578 verwendet, Braunes Neudrucke
II«!,:,. b. 68. Im Garg. L582 erwähnt Pischart den 'geistlichen Felbii
TgL im t • n no. 128.
.")<>. Eg gehl gen diesem Bummer.
[Hvij*] Neudr. L24, z. 1»"' 19: Es geht ... laß einher gähn.
<i:iu/. entsprechend in den L21 liedern 1534, qo. i. Tgl. Förster Neu-
druck s.287.
Nach diesem cital folgen im Garg. die sinnlosen worte 'Pnm Pimperln
Pump', welche Bausch, 8pielvereeichnis s. 80 für den refrain des liedchens
hält Dassell ler ähnliches auch Bonst im Garg. s. 265 nnd 299. Der
refrain eu dem ehen Ton Pischarl erwähnten liede Tom buchshaum und
felbinger lautel bei EL Finch L586: pum pimperlein pum.
t;o. Man BÄgl wol in dem meyen.
[Hvij Neudr. b. 125, /.. 7— 15: nun biß ... gut Wein.
nd< lins, Liedlein, Dresden L570, no. 3:
Man Bagl wo! in dem Heien, Nu bis mir Gott wilkomen,
•1" Bind die brfinlein gsunt, <lu edler Elebei
[oh ! . :i nit gleuben, Ich hah gax wol vernommen,
[ch gleub es hal kein grund, dn bringst mir gute kraft i .
K.m j h m uit glauben geben, I mir mein gm&t nit Bincken,
vii-l wil mir ja nicht ein, Tnd Btercksl ds hertie mein,
[eh l«»h dii -•II, darumb wil Leb dich trincken,
die bringen tus guten wein. Tnd wil gax frolich Bein,
ind i pari lequitur.
I»i>- nichtseagendei] iten teilet bei Scandellus sind
kaum anden su betrachten als willkürliche Änderungen einer Scandellus
oder dem bearbeiter Bein hon bekannten ^tr •
■ 1570 ungefähr in der bei Pischarl
genden gest n worden sein rieht auch di«' ent*
Die Scandellui
•ammlnng las lied aufmerksam gemacht, aber er
dtiert 'li<- beiden teile in umgekehrter Ordnung und scheint mehr einer
Tolkstumlj ■ s/Inerten1
( Unland, Schriften I
• • ' v
•Nun liii! mit mit einer dritten str
. Lb. do , ndet
ii anfang nnd Lhnlichkeit mit der itr 'Man
in tl I>1 war mir nicht ingänglicl I An-
iKii.-u ifaii ..
436 WILLIAMS
61. Den liebsten bulen den ich hab.
[Hviijb] Neudr. s. 126, z. 4 v. n. bis 127, z. 5: Ben liebsten
. . . mein Bebensafft.
Scandellus, Liedlein, Dresden 1570, no. 2:
Den liebsten Bulen, den ich hab,
der leit beim Wird im heller,
er bat ein holtzens roeklein an,
er heist der Muscateller,
Er hat mich nechten truncken gemacht,
vnd frolich heut den gantzen tag,
Gott geb jhm heint ein gute nacht.
Von diesem bulen, den ich mein,
will ich dir bald eins bringen,
es ist der allerbeste wein,
macht mich lustig zu singen,
frischt mir dz blut, vnd gibt freien muth,
als durch sein kraft, vnd eigenschafft,
Nu grüs dich Gott mein rebensafft.
Es ist möglich, dass dies Muscatellerlied auf grund eines alten wein-
liedes mit gleichem anfang für die Scandellus sehe composition zurecht-
gemacht wurde. Schon Goedeke hielt Scandellus für die directe quelle
Fischarts, Grundr. 2, 85 zu no. 3. Fischart verbessert den reim str. 1, vers 6
und ändert die Schlusszeilen beider Strophen, s. oben s. 401 f.
E. N. Ammerbach, Tabulaturbuch 1575, no. 35, vom texte nur: De liebste
Buhlen den ich hab, nach Scandellus. Mancinus, Lieder 1 1588, no.18, 2 str.
Anfangsverse in Joh. Balhorns Güldenem ABC nach E. J. Koch, Kompendium
2 (1798), s. 100, s. Gräter, Bragur 8 (1812), 417. Aus dem Garg. schon im
Musenalmanach für 1779, hsg. von Voss, s. 20 (am Schlüsse geändert). —
Ueber andere lieder mit gleichem anfang vgl. Marriage, Forster Neudruck
s. 226 f.; Böhme, Altd. Ib. s. 410 f.; Uhland, Schriften 4, 204 f.
62. Guts muts wollen wir sein.
[Hviijb] Neudr. s. 127, z.9— 13: Guts muts ... frolich Bruder
drauß, trineli gar auß [zusatz bis z. 14: ... Bruder
drauß].
Scandellus, Liedlein, Dresden 1570, no. 9:
Guts muts wöln wir sein, trinckt flugs rumb,
trotz der vns das wehre, vnd macht es aus,
Es mus ein reicher Pawer sein, so wirdt ein frolich Bruder draus,
der vns wolt entehren, trincks gar aus.
ich bit euch drumb,
Mancinus, Lieder I 1588, no. 23, wol aus Scandellus,
USDEBPOBSIS IM QABG \N I I A. ' i
68. [Hviij Neudr.127, /.. 17 19: Nun tcolauff jr Ordens
y.'/ \der ... "1/ mich /ruh r.
Es isl möglich, dass dieM stelle ein Liederfragment enthält
64, Wer hie mit mir wü Ertlich Bein.
Hviij i. N.-u.ir. s. 127, /.. 20 bis 128, /. 2: Wer hie ...
h dran [zusatz bis /.. I ... Teuffei l>
lellus, Liedlein, Dresden 1570, no. 10, tenor:
Wer hie mit mir wil frölich sein,
ilz glas wil ich jm brin
wer trineken wil ein guten Wein,
der muß auch mit mir sinken,
trineken wir alle,
diesen wein mit schalle,
Dieser wein vor andern wein,
ist aller wein ein Purste,
trinck mein liebes Broderlein,
irt dich nimmer dursten,
trincks gar au-,
wolln wir trineken die gantze nacht,
bis an den hellen morgen,
hol wein, schenck ein,
wir wollen frölich sein,
ada pars. Zu dieser <tim, müssen
jrer ■_'. sein: so einer trincki . das d< t
ander bj
Wer :it"-r ii i t wil frölich sein,
der iol bey vns oit bleiben,
wir trineken drumb den guten Wein,
die sorgen zu aertreiben,
drumb bruder mein, ich bring dir
ii im inn dem
gleslein an den mnnd,
ans bis an den grand,
IM Will.
b h it mir leiden wolgethan,
das gleslein das so! rommer
her nu l.it im.
- er nit mehr k.»n tliun bescheid,
. I uiti dam
■■•
wir wollen frolit b
Unland ii" 222 B I und erweitei bden
kt, BO jujrh !
u
438 WILLIAMS
quellen vor und mau darf annehmen, dass es erst für die Scandellus sehe
composition zusammengeklittert wurde. Es ist allerdings zum teil aus
volksmässigen bestandteilen zusammengesetzt, aber als ganzes kann es un-
möglich viel verbreitet gewesen sein. Auch würde Fischart das lange stück
unabhängig von dem druck wol weniger genau citiert haben ; die mehrzahl
seiner unbedeutenden abweichungen von Scandellus sind eben in den ihm
geläufigen volksmässigen partien: 1. teil, vers7: alle, Scand. : andern (über
vers 5—11 vgl. unten no. 116); 2. teil, vers 7 — 11 (sonst im Garg. als str.
4 und 5 von no. 81 unten. Nachweise: Forster Neudr. s. 239 zu II 72; Kopp,
Bergliederbüchl. 1700/10, anm. s. 113).
*65. [Ja] Neudr. s. 128, z. 10: Mein Tochter ist Heurats
zeit {ich gel) jr einen Mann).
[Rvj'] Neudr. 264: Mein Tochter ist heurahts zeit
[als spiel].
Sonst nicht belegt; wahrscheinlich als fragment eines liedes zu be-
trachten. Vgl. Bausch, Spielverzeichnis s. 80.
66. Ein guter wein ist lobenswert.
[Jb] Neudr. s. 128, z.22 — 33: Ein guter Wein ... mit singen.
Di Lassus, Liedlein 1 1567. 1569, no. 19, gesammtausg. 1583, no.40, drei
6zeil. str. (abdruck: Hoffmann, Gesellschaftsl. 2. aufl. no. 199). Scandellus,
Liedlein 1570. 1578, no.ll, fast genau mit di Lassus übereinstimmend (str. 2,
vers 1: maß, bei Scand. als neutr. ; str. 3, vers 1, di Lassus: in einem funk,
Scandellus und Fischart: in einem Schlünde). Fischart citiert das lied voll-
ständig und fast unverändert. Scandellus, nicht di Lassus, scheint seine
quelle gewesen zu sein. Bernh. Schmidt, Tabulatur 1577 (vgl. Zs. fdph. 38,
249 f.) II no. 7 nach di Lassus arrangiert, vom texte nur die erste zeile.
Gosswin, Lieder 1581, no. 16 nach di Lassus, nur str. 1.
*67. [Jb] Neudr. s. 128, z.3— 5 v. u.: Hoppaho henecken . ..
noch Rot.
Da andere belege fehlen, ist dies fragment nicht bestimmt zur lieder-
poesie zu rechnen.
68. Ein lienlein weiß mit gantzem fleiß.
[Jb] Neudr. s. 128, z. 2 v. u. bis 129, z. 3: Ein Hänlin . . .
ein Ey [zusatz bis z. 5 : ... frölich sey\.
Scandellus, Liedlein, Dresden 1570, no. 14:
[1] Ein henlein weis, mit gantzem fleis,
sucht seine speis, bey einem han,
(vnd hub zu gacksen an,)
ka ka ka ka ka ka ney,
ka ka ney, ka ka ney,
das henlein legt ein ey. •
LTEDRRP0E8IB IM Q IBGAOTUA.
[2] backen wir ein küchelein,
meuseli in viul streubelein,
•rnd trincken auch den knien «rein,
k.i k.i |n. s. w. wie oben].
Die gerade bei Fischart fehlende seile 'vnd hnb i
Scandellos mir von der altstimme zu singen and ist in den drei 11 1
stimmbüchern nicht vorhanden. E.N. Äjnmerbach, Tabnlatnr 1571, bL B l :
•Bin Benlein weiß mit großem tl<-is', nur so viel text; ausg. 1583, ao. 51.
69t Wo wachst ha/w auff der matten.
[Jij*] Neudruck b. 129, z. L8 29: Wa wachßt Hdw ... m
die 8cht un u laß.
Qhland hat^Fischarts rorhild constatiert in einem sechsstrophigen liede,
i melodie and möglicherweise auch texl von Gregor Meyer, Organisten
zu Basel herrühren. Zusammen mit swei anderen Liedern wurde es
zu Basel bei Sam. Apiario gedruckt, in welcher gestall es wahrscheinlich
■ 1 1 bekannt war. Qhland seihst besass ein exemplar dieses il. bL (in
seinem sammelband in Tübingen, s. 175 182), abdruek in seinen rolksli
12, v-i. auch 8chriften 4,211 214. Die Btelle di enthält in
sehr wenig abweichender gestall str. 1 des druckee, daneben einzeln«
aus itr 3 6 Schon in Aller Praktik Großmutter Bpielt Fischart h
wahrscheinlich auf dieses lied an, 1572, Braunes Neudrucke no. 2, s. 20: ^'»er
d man in lidern singt, das bringt; 1674, hl 11 ': aber das heu
darvon die Lider singen, «las laßl vns bringen. Weitere aach weise: eine
handschr. fassung nach 1561 in schweizerischer Orthographie fügt eine 7. str.
hinzu, stimml aber sonst im ganzen mit dem il. bL aberein, abgedr. V>< itr.
24,549 ii Ein tragm. bei MeL Franck, Spannewes Last. Quodlibet, I
1619 and Mus. Grillenvertreiber 1622, no.2, stimml mit zwei stellen des
; aberein, auch wo Fischart von der fassung
icht: 'Got ll'iw das wachst am Beben, wolln wir
hau, das kan ras trewden gi doch Weih nid Mann, d
gut ll.'iw, machl gute Strew, 0 führet! ein, rad wer es nicht kan
g nicht niit zum Wein.'
70. Hoscha wann wollen wir frölich Bein.
[Jij-1 ; Neudr. >. 129, /. 9 v. u. bta L80, z. \ Uoscha wann
. . . laß sorgt n ■
Hier str 1 mit einzelne] tnd paraphrasierten
and :t. 121 Lieder. Nftrnb., Hans "it. [584, no. •
[l] Hoseha • 4er küle s
lieh warten, Di< geselschafft auch rersamlet ist, an bösen bist, i
nun schon die karten, wolauffzum wein, mein brüderlein, laß sorgen
;. hab gueten müet, wei n thut, w Lleicht
lig n ir. n hau
[*Jj tig tn'uiik hangen mir .iu [ anj, da« . r kau,
440 WILLIAMS
vor tollheit mich vrasehen, Ach schweig der wort mein lieber gsel, kayn
vugefel, wirdt dir aus dem geschehen, volg ietzt nur mir, bald hilft ich
dir, dein vnmut gantz vertreiben, sechs glas mit wein, sauft erstlich nein,
das thut dir wol, mein gwise kunst dich helffen sol.
[3] Sol ich denn volgen deiner kunst, du sols vmb sunst, in keinen
weg geleret han, Wol auff so wol wir auff die bann, was sol ein man, der
nicht altag wol sauften kann, Warst nechten wol, mit nichten sol, dein
hertz darumb erschrecken, sei nur guts muts, mein lieber vetz, mein gelt
ist dein, trinck erlich zu, las sorgen sein.
A. Utenthal, Lieder 1574. 1586, no. 6 in drei entspr. str. (wol aus den
121 liedern); J. Eccard, Lieder 1578, no. 7 nur str. 1 (bei Hoft'mann, Gesell-
schaftsl. no. 202).
*71. [Jijb] Neudr. s. 130, z. 16-21: Hopfaho, sind die vn-
fläter do, Er führet sie hinder Bauten, . . . von der
Nippedei.
Diese stelle enthält wahrscheinlich fragmente aus einem oder mehr
als einem spottiiede auf buhlerische mönche. Vgl. Bausch, Spielverzeichnis
s. 80. Ueber den auch hier vorkommenden ausdruck ' dummel dich gut Pirchen '
s. oben zu no. 51.
72. Es war eins bauren töchterlein.
[Jijb] Neudr. s. 130, z. 21 — 23: Ein Bauerntöchterlein . . .
wol inn die Finger.
Dieser kleine reim begegnet zuerst in den 121 liedern 1534, no. 34
(no.33 nur die erste zeile), bei Böhme, Lb. no. 192. Nachweise bei Marriage,
Forster Neudruck s. 263. Vgl. Bergliederbüchlein 1700/10, hsg. v. Kopp,
s. 64, no. 89.
*73. [Jijb] Neudr. s. 130, z. 23: Meydlin sind dir die Schuh
recht.
Liederfragment? Ganz so sonst im Garg. s. 263 links, z. 4 im Spiel-
verzeichnis. Vgl. Rausch, Spielverzeichnis s. 79.
Neudr. s. 130; z. 15 v. u.: bei nachte . . . feste. Vgl. oben zu
no. 25 d.
74. Im meyen im meyen hört man die lianen kräen.
[JijbJ Neudr. s. 130, z. 11—15 v. u.: Du bist mir . . .
ich kumm.
Aus einem damals weitverbreiteten liedchen. Zuerst in den 121 liedern
1534, no. 95—97 eine str. (Böhme, Lb. no. 301, str. 1). Häufig in musikal.
Sammlungen und tabulatmbüchern bis ins 17. jh. ; einige von diesen quellen
nennt Marriage, Forster Neudr. s. 234. Mit Mel. nach di Lassus und an-
fang des textes in B. Jobins Lautenbuch I 1572 (worin Fischarts 'Lob der
laute').
LIEDERP0E8H IM G \ i:<;,\ N i r.\. 1 I 1
<ö. Wblauff, \vul;uitl' am Boden
[Jijb] Neudr. b. 180, z.8 10 v.u.: Wolauff ... höfli
u so in den 121 liedern 1534, no. 88, abgedruckt mit .
Orthographie i»-i Böhme, Lb. qo. 495a.
W>. Jij Neudr. 8. 130, z. 8 7 v.u.: Wolauff ...getruti
Ein lied bei Scandelhu, Liedlein L570, no. L9 'Derwein der schmeckt
mir also wol' (nngenan abgedr. bei Hoffmann v. Fallersleben, Gesellschaftsl.
ü. auf l.. im. i:»s> enthält im zweiten teil Wendungen, die Fischart bei
reimerei vorgeschwebt haben müssen:
'Lieber brnder \\ir glaubens wo!
frisch anff, mein brüderlein,
es sej gleich ^rut bier oder wein,
aB es doch getruncken seyn.
1- ist jo war er schmeckt auch wol,
i anff . . .
Wir wollens thnn ohn alles leidt,
■ anff ..."
'i't. Herbei, herbei, was loffel Bey.
.im Neudr. >. 131, /.. 9— 30: Herbei ... hoho J,<>fj;i do.
I.v Neudr. b. 165, /.. 27: . . . vnd das Lied 0 Stoffel lieber
Göffi I L'<>\)< I also klingt
[Tviija] Neudr. b.302, z. 24: Holaherbey,
Dreiteiliges 'Quodlibet ron Löffeln'; UM lieder (Hans Ott), Ntti
do. L18 L20, tenor:
1 18. BerbeJ berbei, wi loffel sei,
zu disem brei, gu bald vml bei,
Ich liutT vii- -"l gelingen,
het wir mir loffel silbre 1 • • tT* - 1
lange loffel Lrr">->' loffel
■lt mir [!| frOlieb singen
rad hnpsehe loffel, gkrade loffel, itarcke loffel
■ Erenden vrolt wir springen,
:i bealicb loffel, krumme loffel maaria loffel
<li.' tlmt vns .nii-ii berpringen,
vn. l auoBtoffel, koehloffel, effloffel,
; pea loffel kraul loffel,
I, allerlei loffel
ein fueter int loffi l wi loffel
rad andre loffel, rod raste loffel,
I loffel 'i". .s" sind wir fro.
1 19 N vil, loffel on »til.
ül loh aiuh wil, ru dUsjsj Bpfl,
442 Williams
das man sy her sol tragen
der erste loffel ein gien loffel,
faum loffel buxpaum loffel
ein hubscher gemalter loffel
wir sollen auch nun fragen
nach seltzamen löffeln nerrischen löffeln
pufflene loffel vnd painene loffel
mit silber znd gold beschlagen
dar zue hübsche zarte lüffl
Jungfraw loffl hoff loffl stetisch loffl
peurisch loffl milch loffl et cetera
Nun sing mein lieber Steffel,
0 ho lieber loffl 0 ho lieber loffl.
120. Nun sih ich wol, das ich auch sol
mein loffel einher tragen,
So bring ich zwar ein maul loffel,
rotz loffel, busen loffel, hültze loffel,
tiefte loffel flache loffel, thaschen loffel
oren loffel, butter loffel, gens loffel,
was sol ich weiter sagen
Seht lieben freund, schon glate loffel
rawhe loffel, der martschen loffel,
der durlein loffel, der vrsel loffel,
der hopffen sidrin loffel, der diern loffel,
Heintz loffel, Cuntz loffel Jörg loffel
Fritz loffel Vle loffel, Claus loffel,
wer vil darüber clagen,
al ort vol loffel, al winckel vol loffel,
dz haus wol loffel die weit vol loffel,
ich wil nach keim mer fragen,
singt nur mit schall ir loffel all,
ho ho loffel, ho ho loffel.
Auch bei W. Schmeltzel 1544, Quodl. no. 5 in drei entsprechenden teilen
(s. E, Eitner, Das deutsche lied 1, Berlin 1876, s. 117 f. 147).
In der ersten stelle (Garg. 131) citiert Fischart fast vollständig den
1. und 3. teil des quodlibets und ungefähr ein viertel des zweiten teiles.
Die einzelnen ausdrücke bringt er nicht immer in der anordnung des quod-
libets. Folgende ausdrücke des Garg. 1575 kommen in den genannten
quellen nicht vor: s. 131, z. 11 Stoffel; 12 Hauptmann; 11 Bubenlöffel;
15 eng; 18 Laffelmauler; 22 Schaumlöffel; 23 Wirtshaus-.
Der Baseler arzt Felix Platter (mehrmals rector der Universität ; vgl.
Allg. deut. biogr. 26, 266 f.) erzählt in seiner Selbstbiographie, dass man bei
seinem hochzeitsschmaus (1557) 'unter andrem daß gsang von löfeln' ge-
sungen habe (Thomas und Felix Platter, Zur Sittengeschichte des 16. jh.'s,
bearb. von H. Boos, Leipzig 1878, s. 318). Gemeint ist wol unser quodlibet,
das auch von dem Verfasser (F. Platter?) des langen in der genannten ausg.
LIEDERPOESIE IM <■ LEG \n K'A. 448
fles Platterschen werkes ! abgedruckten gedichtet auf den i
• LOffel1 benutzt wurde.
78/ |.Iiij;'] Neudr. s. L31, z. 6— 9 v.u.: Befata, .</»/ Hcyw-
vich, Encian . . . kramt n.
Ganz entsprechend in folgenden quellen als der grösste teil einet
aartigen gereimsels in Verbindung mit den auch sonst im link' vom
bettlei (s. oben no. n> vorkommenden versen 'Ich weiß nit \\.i> er jr ver-
biefl, «laß Bie <l.-n rigel dannen stieß': 12 1 lieder L534, 1 1 • » . 4 -" ; : 681iedero.j.
ii n ■ 1 Neuber) ao. 59; Förster \' L556, oo.5 (Neudr. s. 193. 259). Die
erhaltenen elfstrophigen fassungen des bettlerliedes Bind ohne refrain. —
Sehnlicher Kehrreim Porster ll 17 (Neudr. s.96. 234, Brk-Böhme l. 181).
<*.». Frölich sm wil ich Bingen
[Jiij1 Neudr. b. L31, z. 1 u. 'J v. u.: Frölich so will ich singen,
Schlage dein Weib vmb den Kopf) znsatz bis 132,
z. 3: Bebentopff].
Hier 'Ii'' beiden anfangszeilen; im darauf folgenden gereimten zusatz
verwendet Fischart auch vers 6 der ersten Btr. Deber dieses seil anfang
des L6. jh.'a belegte 1 i ^-< l s. Kopp, Zs. fdph. 35, 517 1
so. Der Lude! vn.l der E&nsel
[Jiij Neudr. >. 132, z.3 -7: Der Ludel ... Hup/f auff,
Presinger.
Nur die eine str. ist bekannt; bei Fischart fehlen ein paar w^rte. —
Zuerst bei II. Finck, Lieder L536, do. 10 Abdruck and nachweise i»i tfar-
riagf. Neudr. b. 10 Böhme, Lb. no.8
81. Nun grüß dich Gotl dn edler saifl
|.Iiij'| Neudr. b. L82. /. B 18: Nim grüß dich Hey ... eu-
wegen bracht
Bin längeres lied von Fischart vollständig und wesentlich unverlndert
angeführt Beine vorläge ist wol die siebenstrophige fassung der 121 lieder
L534, 00.35, abgedruckt bei Uhland do.221. Elandschriftl. liederb. *«fa«g
des 16. jh.'s in Hauchen, univ.-bibl. (nach Eitner, Monatshefte f Hui geseh
:;_'. 108 im' -rliui.it/. i 1544, no. 12 fragm.: 'zu letzt kam einer vnter
die bamek, dem andern «.ir die sunge kranck.1
BS. \ "ii edler art Bpie Ich in barl
Jiij Neudr. s. 132, s.20 24: Von Edler art, Spty ich
. . . vnuerirt,
>tr. t einer anzauberen ler beliebtesten lieder des
16. jh.'s: 'Von ••'ihr art ein fraulein brein and zart) ', rgl. darüber
Harri r Neudr 1.26 Sil and Kopp, Archiv L neuere spr LH, 2L
Heil
444
WILLIAMS
Die parodie nur iii den 121 liedern 1534, no. 76, tenor:
[1] Von edler art,
spieb ich in part,
on als gefer,
trug ich so schwer,
von starckem wein,
fiert man mich heim,
in sessel baldt,
drinn ich erkalt,
vnnd spieb ein pan,
es mocht einr hau,
ein schiff lein gtiert,
gantz vnueryrt.
[2] Wie ich im thue,
schaffst du kein rwe,
spat vnnd auch frue,
man singt dich zue,
mein lieber wein,
du schleichst hinein,
ee ich wird gwar,
der grollen schar,
von glesern vil,
zu diesem spil,
gehört nur spieben,
wers glauben will.
[3] Seid du der bist,
gen dem ich list,
kein stund nit brauch,
möchst nur in bauch,
gantz kubel vol,
vnnd solt ich toll,
werden daruon,
so hueb ich au,
vnnd spieb mit vleis,
in solcher weis,
als het ich des
den höchsten preiß.
83. Fraw wirtin, habt ir vns nit gern im haus
[Jiijb] Neudr. s. 132, z. 5 f. v. u.: Fraw Wirtin ... wider
gütlich drauß [wol zusatz bis z. 1 v. u.].
Mit einer zeile mehr in den 121 liedern 1534, no. 93:
Fraw wirtin habt ir vns nit gern im haus,
so iagt vns gütlich widerüb aus
als wer wir euch vnmere.
Heidelb. Cod. Pal. germ. 318 (1544), bl. 117 a nur die anfangsworte:
Fraw wirtin habt ir vns.
84. Ich bin versagt gen einer magd
[Jiijb] Neudr. s. 132, z. 1 v.u. bis 133, z. 1: Ich armer Knecht,
kam selten recht, Mein Seckel hat kein Futer mehr.
Hier der anfang der zweiten str. Abdruck mit nachweisen: Forster
Neudr. s. 28 und 213, Erk-Böhme no. 1659. Weitere quellen: fl. bl. o. j.,
Nürub., K. Hergotin, im Weimarer sammelband no. 56. Schmeltzel 1544,
fragmente: no. 7 bassus "Ich armer knecht hab nimmer recht', no. 9, tenor
'Ich armer knecht wenn hab ich recht.' Frankf. liederbüchl. 1580. 1584,
no. 187 und Kölner liederbüchl. ca. 1580, no. 146 entspr. 1582 A 187.
85. Ein armer man wolt weiben
[Jiiija] Neudr. s. 133, z.2 bis 134, z.9: Des muß ich ... ich
drumb zerspalten [zusatz bis z. 10: . . . Wein ist theur]
Fischart citiert von der zweiten hälfte der zweiten str. an bis zum
Schlüsse des elfstrophigen gedichtes — das umfangreichste liedercitat des
LIEDEBP0B8IE IM QABOANTUA. 1 l'<
(iarg. Fischarl weicht wenig von anderen Fassungen ;iii and wird hier
will einen drack benntcl haben. Reatterliedlin L5S5, 00.8 in elf acht-
seil. str. (bei Böhme, Lb. ii" isenh. und Bentterliedl. <•. j.. ao.56
nur str.l; <'.."> liedei ca. 1586; Schöffer and Apiarias do. 41, elf et.; il. bl.
o. j.. 11 str.. Niinili.. Kr. t iiitkn. ■••lit. im Yuti<;ni (Stevenson, ln\ entai io I! ".
ao. 22621); tl. bl. o.j., il str., Straub., Jac.Frölich in Basel Sar. 151, d
SU. X u i • närrisch sein isi mein manier
[Jiiijb] Neudr. 8.134, z. 12: Nur närrisch sein ist mein manier.
(Hans Jndenknnig, Tabnlatnrbnch, Wien L523, ao.34 der denl
stücke, uberschr. 'Nerrisch don ist mein manier'). Bentterliedlein l.">:;.">.
oo.l7, 12 -ir. (bei Böhme, Lb. oo. 345); 65 lieder, ca. 1536 (Schöffer and
Apiarins), ao.34, l1» str. Weitere aachweise (s. Blamage, Förster Nendr.
B.239); Bergreihen 1574 H(Val. Formen), ao.26 gleich Reatterl. 17; Krankt'.
Liederhüchl. 1580. 1581, ao. 161 gleich 1582 A. Noch L646, str. l in Werlins
he., München, hofbibl.
87« In dieser weit hab ich kein gelt,
bin ich ffirwor ein narr nid thor
[.liii.j | Neudr. B. 134, z. 13: Tnn dieser Welt hab ich kein
Gi U znsatz bis /. 14: ... gefeilt].
Mit diesen Worten beginnt jede der aenn Strophen eines gedichtes in
den 65 Liedern, ca. 1536, Schöffer and Apiarias ao. 17 (abgedrnekl von B. J.
Doeen, Uiscellaneen 2,251 f.; str. 1 aach di c Basastimme bei Weller, Annalen
2, 20 f.). Kensidler 1536 I. bl.rij* die erste seile (mei aach 65 Liedern).
Werlins he. L646, s. 1086, str. l.
88. Wo bo! ich mich hinkeren,
ich armes (ich dnmmes) brüderlein
[.Hiij Neudr. s. 184, /.. 1 I 26:
ii- soü ich mich hin Lehn >/,
Ich dummes Bt Ad* rh in . . .
Ich wiü »n in gut verbrassi n,
mit schlemmen frA und spät,
. . . cii In rüten gaht.
\Kl\ Neudr. & l 12, /. •"> v. n. bis l LS, 1. 14: K
freud . . . g hleich.
nri i stellen enthalten den gräteten t<il des beliebten 'weltlichen
schlemmen': in dei ersten ati ür. l •_'. dl Lifte von 8 and
die erste bilfte von 1; In sweiten »it.it str.6. s :». die erste hilfte von i<»
and die letita
Deranedmok 'gnt rerpraseen' in dem ersten »-it.it (eigentlich im an«
Bang da I Lirt an einem paosni La
446 WILLIAMS
sonst von ihm im Garg. vielfach benutzten lat. scherzrede 'De generibus
ebriosorum et ebrietate vitanda' (1516) zu erinnern, den er sogleich, aber
in sehr freier weise verwertet (vgl. den neudr. von De gen. ehr. bei Zarncke,
Die deutschen Universitäten im mittelalter, Leipzig 1857, s. 128 mit Garg.,
Neudr. s. 134, z. 26 — 29). Darauf folgen im Garg. über neun Seiten text,
bis Fischart wider eine stelle aus De gen. ebr. (Zarncke a.a.O. s. 121; Garg.
s. 142, z. 9 — 35 von 'Ede, bibe, lüde' an) einführt, welche die deutsche str.
'Kein besser freud' u.s. w. enthält. Fischart citiert nun diese (eigentl. die
sechste) str. des abgebrochenen liedes und fügt noch dreieinhalb Strophen
hinzu. S. auch F. Rieser, Wunderhorn und seine quellen, Dortmund 1908,
s. 452 ff.
Nachweise bei J. Meier, Bergreihen (Braunes Neudrucke 99/100) s. sii;
Kopp, Jahrb. f. liiederd. sprachf. 26, 40 f. und 'Pal. 343' s. 208 f.; Marriage,
Forster Neudr. s.236f.; Böhme, Lb. no. 358; Erk-Böhme no. 1170. — Der
früheste beleg ist meines Avissens das oben erwähnte bruchstück (str. 6) in
De gen. ebr. 1516. Eine weltliche (und auch eine geistliche?) nachdichtung
ist in wol noch älterer handschr. quelle erhalten; vgl. unten.
Weitere belege: Hans Judenkunig, Lautenbuch, Wien 1523, no. 10 der
deutschen stücke überschrieben 'Wo sol ich mich hinkeren' und no. 11 'Wo
sol ich mich hinkeren ich armes'; Gerle 1532. 1537, vers 1 und 2 als Über-
schrift ( . . . armes brüderlein) ; de Vento, Newe Teutsche Lieder mit 4 Stirn.
1571, no. 2 nur str. 1, desgl. Newe T. L. mit 3 Stirn. 1572. 1577. 1583. 1591,
no. 7; Frankf. liederbüchl. 1580. 1584; Kölner liederbüchl. ca. 1580, no. 37
und Groß Liederbuch 1599, no. 97, in diesen entspr. 1582 A 97; M. Schaerer
III 1602, no. 15 vier str. entspr. Bergreihen ed. J. Meier no. 27, str. 1 — 3. 5.
— Zahlreiche nachdichtungen sind weitere Zeugnisse für die beliebtheit des
liedes, z. b. weltlich: 'waltpruederlein', schon anfang des 16. jh.'s im Ber-
liner Mgq. 718, abgedr. von Kopp, 'Pal. 343', s. 214 f.; geistlich: 'Schlemer,
was pistu singen' WK. 3 no. 548, schon 15. Jh.? Vgl. Uhland, Schriften
4, 203 nach dem Münchener Cod. germ. 809 (nicht 811 !), bl.54 (ca. 1490—1524).
WK. 2 no. 1286, 4 no. 170 und 1165 u. a. m.
89. Vinum quae pars
[Jvab] Neudr. s. 135, z. 18 — 27: Vinum . . . drey oder viere.
Hier str. 1 (vers 6 anders, 3 zeilen hinzugefügt), str. 4, vers 1—5 und
str. 8, vers 7 — 12. — Zuerst in Mich. Lindeuers Katzipori 1558 in 8 zwölf-
zeil. str., vgl. die neuausg. Stuttg. Lit. ver. no. 163, s. 188-190. Abdruck
des liedes auch Liederbüchl. 1582 A, no. 96 und Hoffmann, Gesellschafts],
no. 243. Weitere nachweise: de Vento, Lieder 1571, no. 8 nur str. 1. Glanner
1578, no. 12 in 7 str. (3 fehlt); Pühler- di Lassus 1582, no. 26 eine Strophe
mit einigen brocken ; Frankf. liederbüchl. 1580. 1584, no. 96, entspr. 1582 A ;
Eccard 1589, no. 24, str. 1. Fl. bl. o. j. (Weller 1, 248, no. 259); o. o. und j.
in Berlin Yd 7852, no. 24 in 8 Strophen. Liederb. 1650 II, no. 92 (Kopp,
Zs .fdph. 39, 216). ■- ■ Vgl. auch Bolte, Festgabe für K. Weinhold, Leipzig
1896, s.129.
LIEDEBF0E8IB IM QABGANTÜA. 117
90. Wolauff jr brttder allzumal
iv Neudr. s. L35, /. 8 v.u. bis L36, /.. 1: Wolauff...
8ordido8.
Dieses Lied ist meines wissend vollständig erhalten nur bei [vo de
Vento, Nene tenteche Lieder mit 4 Stirn. 1">71. no.15 (abgedruckl bei
Leke- Tittmann b. U">. Bei de Vento tat das lied in zwei teilen zu je
12 versen gedruckt; die Letzten der verse beider teile fehlen Lm <iar-
gantna: (Ij '... so aal er anch ein Bchöne magd, annos habentem -'■-
decim, jrn leih sie kainem ni< versagt, vel bj venirent vndecim.' (Et) '...
frisch iiuiV die bnrsch wil Erblich Beyn, Lenate sursum pocnla, Gott gsegn
ms den vnd ander wein, in Bempiterna Becula.' M. Franck, Spann
lust. Quodlibet, Coburg Kim and Mus. Grillenvertreiber 1622, no.2, nur
vers 1—4.
91. I'rei gäns im haberstro
[Jvb] Neudr. b. 186, /. 5 7: drei Gänß ... im Haberstroh.
Der anfaug dieses wo! noch lebend igen lieuVhens kommt im ltl.jl
in parodien auf In dnld iubilo (Fiecharl citiert es hier in einem abschnitt
. der viele Lat. brocken enthält): t) Snmmarinm des Gnangelü
... Krieges, 1547 (vgl. Weller, Annalen 1,54, no.228 und 2,509), bUhj' :
•.i" psBan, in dulci iubilo Springet, Binget, 'luv genfl im Baberstro1 (M
bach eu der Qarg.-stelle); 2) anders in Barthol. Krügers Spiel v. .1. bäur.
Bichtern, 1580, li-u-. von Bolte, Leipzig 1884, b. 124 ff. — Eischart, tiegen-
Iblein, L589, bl. Bijb: 'Vnd bist darinn wo! als., froh Wie die drey
im Baberstroh' (vgl. Kurz 3, 371). Meusebach, Nachläse 21 verweist
auf Nie. Zange, Lustige neue deut weltl. Lieder, Berlin 1620, uo. 11: die
stelle lautet: 'Drey Ganfi im Haberstrob, die Bässen vnd assen die Bässen
vml «raren froh, den Kigag den Kagag den Bchnitter den Bchnatter da kam
der Brofl - Wer do? Wer do? Wer do? Drei Ganfl ... u. s. w. —
Berliner M-. germ. o< t. 2 U 1 1669), vgl. Vierteljahrsschr. I musikgesch. 7
und 647 und Erk-Bonme no. 1785. Wunderh. 8, anhang b.58 (ed. Grisebach
osl im 19. jli.
92. Die brünnleiD die da fli( Bsen
Neudr. b. 137, z.2 6: (du Weinlein, die wir gieffen),
die 80Ü man trincken, B nnlein diedaflieffen
... meiden muß rasati bis z.9: ... barfuß].
■ und '_' des liedchens umgestellt, sie reimen
mit den nicht hierh« n worten ''li>- Weinlein ...' and den ein-
geschobenen vers - • i i - - sollen »ch winken' a. Die mel. mit t .- -v t -
anfang al- aberschrifl häufig in mos werken und tabulaturen des !•;. jh.v.
am frühesten M-. um- 328.81, Manchen,] aniv.-bibl. (Monatahefte l um- -
eonh. Kleber), bL 1 1 i
1>1. M 1 j v Vi n 158 1 in a ' immer am
lehtieiL »1 > no. 183, Luch de N
448 WILLIAMS
no. 16. -- Ein fl. bl. o. j., Nürnb., Fr. Gutknecht (im Vatican, Stevenson,
Inventario 112, no. 2340 m m m m) hat noch acht gar nicht passende str.;
mit Strophe 1. 2. 4. 5. G. 8. 9 stimmt ungefähr die spätere fragmentarische
fassung bei Unland no.29 überein. — Geistl. umdichtnngen WK 3, no. 1292/6.
03. Es flog* ein gans mit jren federn weiß
[Jvja] Neudr. s. 137, z. 9 — 13: -Es flog . . . jr Gesang ist da
ga ga ga.
Ivo de Vento, Newe Tentsche Lieder Mit vier stimmen, München
1571, no. 3: Eg flog. ain üanß mit jren Fetjcrn weiß)
die flog in aines Wirtes hanß mit gantzem fleiß,
sie was gar schon formiret,
mit ainem langen halß
vnd gelben schnabel gezieret,
jr gsang ist da da ga ga ga
. mit jrem gelben schnabel.
Sonst nicht erhalten, nur bei Nie. Zange, Lustige neue ... lieder,
Berlin 1620, no. 11 das fragm.:
'(ein Ganß) mit jhrem gelben Schnabel,
darzu ein langen Halß, da da . . . '
94. (Nun) schürtz dich Gretlein, schürtz dich
[Jvjab] Neudr. s. 137, z. 13—26: Schürte dich ...ja Hem-
metlein [zusatz bis z. 28 ... Jäckelein leitet zum
folgenden liede über].
Fischarts citat enthält str. 1. 2. 3 (ohne vers 2). 4. 10—12 der fünf-
zehnstrophigen fassungen des sehr verbreiteten liedes (vgl. Erk- Böhme
no. 113). Eine anspielnng auf dieses lied schon in Fischarts S. Dominici
leben 1571, bl. B2b: 'Derhalbe schürtz dich Münchleiu schürtz dich' (vgl.
Kurz 1,140). — Reichliche nachweise bei Kopp, Jahrb. f. niederd. sprachf.
26,28; Zs. fdph. 39, 221 (Liederb. 1650); Bergliederbüchl. 1700/10, Leipzig
1906, s. 80. Marriage, Forster Neudr. s. 252 f.
95. Es ist ein schnee gefallen
[Jvjb] Neudr. s. 137, z. 8 — 12 v.u.: Hans JacJcel . . . ver-
schneit.
In komischer Unordnung stehen hier vers 1. 5. 6. 2. 4 und der refrain
des liedes. In der Fischart bekannten gestalt erhalten als 11 zweizeilige
Strophen in einem fl. bl. o. o. und j. 3 lieder (Strassb., Thieb. Berger, ca.
1570?) in Uhlands sammelband s. 315 ff., 2. lied, str. 1 — 3:
[1] Es ist ein schnee gefallen,
Jörg niffel, sigmichel hudelump,
hanß jocel, gut tuch hudelumpe,
wann es ist noch nicht zeit.
LIEDERPOESIE IM G \i;<: IV PÜA. I 19
[2] I «• 1 * wult zu meinem bülen gan, |6rg nissel ...
der weg isl mir verschneyet.
[3] Es giengen drei gesellen, j6rg 11 i— — «-1 . . .
ipataieren vmb daa bauB.
Abdruck bei Unland oo. I''. aber ohne kehrreim and str. 7 dei il. bL
brüten 1,39). Andere ausg. dea B.W. in Berlin STe 165. Zuerst in
den Qraflliedlin ca. 1687, ao.6 vierteilen ohne refrain. 7gl. Erk- Böhme
no. 124 a Deutlichere fassung: B.W. im Vatican (titel i. oben in no. 81) in
7 viereeil. str. ohne refrain. Anderes lied mit gleichem anlang, ha i."> Jh..
vgl. Könnecke, Bilderatlas 2.anfL, s.96; Böhme, Lb. ao. 165.
im», «int reater bei dem weine safi
[Jvj'l Neudr. s. 137, z.6— 8 v.u.: Out Beuter ... Wort
Vi rtnoß.
Zwei verse ans 'l<-m anfang eines weil verbreiteten liedea
weise bei Kopp, Archiv i". neuere spr. LH. 268; Euphorion9, 34 — 39; Berg-
liederb. 1700 10, Leipz. 1906, s. it>:;. Stevenson, [nventario II 2, do. 2328z ss
(i2 str.); Weller, Annalen l.'j:?1-', no. 162 and s.255, ao.800; Erk-Böhme
ao. 1302, vgl. ao.1803/6 and Köhler-Meier, Volksl. von d Hotel and
I i zu 00. 1 I
'.»<. Wo) hinter meines raten 1,
[Jvjb] Neudr. s. 137, z. 5 v.u. bis b. L38, z. 5: Wann der
der best Wein ... von falschen Sinnen [znsatz bis
/. 6 ... ja Spinm n .
igment findet sich in etwas abweichender gestalt als bestand-
tiil des lii bindter o tters hoff1 in einem tl. bL o. |
. Nflrnb., Val. Keuber, swei ausgaben je LS str.: a) Berlin Y.l
(ungenau abgedrnckt Wunderh. i. 1854, vgl. Böhme, LI
b) im Vatican (81 [nventario 112, no. 2330 b bbb). Str. 8 11 oaeh a:
[8] Wenn der best Wein im alten Fafl wer,
darinn musl ir ersanren,
wenn ein Jungs Keydlein ein alten Mann oimpt, ja oimpt,
Ir junges herta muB trawren.
[!•! \ ii'l wenn 'li'1 Linden das Laub verlernt,
ii all 'li.' I
Kitt leb dich /.irt-s Jangtrewelein, ja lein,
h.ilt da dein Krentalein v<
[lo| Soll ich mein Krentalein behalta i
wil • ii nimmer bleyben,
vi] lieber woll i«"h mit eim jo iben, j.i kn
mein seil vnd \vii vertreib«
[11] Vii'l wer der tpffel noch so n>t,
find m .in ein w&mlein drinni
450 WILLIAMS
so welche Jungfrewlein sewberlich sindt, ja sindt,
die können vil falscher sinnen.
Vgl. Unland no. 17 A, str. 5. 6 (dazu Kopp, Jahrb. f. ndd. spracht 26, 29).
Zu str. 11, vers 1 und 2 vgl. Kopp, Zs. f. Volkskunde 12, 19.
98. Man sagt von gelt vnd groffem gut
[Jvija] Neudr. s. 138. z. 8 — 23: Man sagt von Gelt ... auß
den Bonen.
Hier str. 1. 4. 5. Fischarts quelle ist höchstwahrscheinlich 65 lieder,
Schöffer und Apiarius, Strassb. ca. 1536, no. 36, 5 str.; abgedr. bei Unland
no.235; Böhme, Lb. no.362a; Erk-Bökme no. 1174. — Holland 1570, no. 28
'Das mir niemands hold ist' 3 str., text z. t. aus obigem liede. Vgl. auch
Böhme no.362b.
99. Wer lützel (wenig) bhalt vnd vil vertut.
[Jvija] Neudr. s. 138, z. 23— 28: Wer wenig behalt . . . auß
den Bonen.
Hier etwas abweichend je eine halbe Strophe aus anfang und sclüuss
des sechsstroph. gedichtes. Quelle wahrscheinlich die 65 lieder, Schöffer
und Apiarius, ca. 1536, no. 7 (bei Uhland no. 236 ; Böhme no. 361 ; Erk-Böbme
no. 1175). Die der Gargantuastelle entsprechenden verse lauten im original :
[1] Wer lützel bhalt vnd vil vertut,
der darff nit ston in sorgen,
Das man jm zletst vergant sein gut,
kein Jud thut jm drauff borgen . . .
[6] ... Im gschicht gleich wie, dem esel hie,
muß holtz vnd wasser fronen,
Wermpt sich nit mit, vii wascht sich nit,
Zletst muß er auß den bone.
Neusidler, Lautenb. 1536 I bl. riijb (mel. nach den 65 liedern) Über-
schrift 'Wer wenig behelt, vnd vil verthut.' M. Scbaerer III 1602, no. 2 in
6 entspr. str.
100. Wolauff mit reichem schalle
[Jvija] Neudr. s. 138, z. 5 — 9 v. u.: Wolauff mit . . . jnen
gleich.
Str. 1 eines buchdruckerliedes, an dessen schluss Jörg Busch zu Nürn-
berg genannt wird. — Rotenbucher, Bergkreyen 1551, no. 23 in 14 atroph.
(str. 1-8. 11. 14 bei Uhland no. 265). Fl. bl. o. j., ca. 1570, Strassb., Thieb.
Berger, 15 str. (in Unlands sammelband s. 349 ff.). Liederb. im besitze R. Wol-
kans (Euphorion 6, 650). Frankf. liederbüchl. 1580, no. 256, 13 str. (str. 9
der fassung bei Rotenbucher fehlt, 5 und 6 umgestellt), entspr. 1582 A, 256.
— Geistl. umdichtung 1569, WK3, no. 978.
LIED] BP0E8H im G LB0AK1 1 i. 451
101. Gehabt euch wo] zu diesen Zeiten
[Jvij*] Neudr. 8.188, z.5f. v.u.: Gehabt euch ...den Leuten.
Die beiden ani in den quellen ein 'christlich1 oder .
lieh' Lied genannt Abdruck mil quellenangaben \VK i. uo. 241, eine drei-
aphorion 13, 181 f. Anch bei J. Knöfel, Liedlein 1681,
do. 20 drei »tr. Weitere nachweise bei Kopp, Archiv f. neuere spr. 112,11.
102. Paule Lieber Btallbruder mein
Jvij" Neudr. b.188, z. l I v.u.'. Pauli liebster... Wisch
i inmal herumb.
EU Nie Lmmerbach, Tabulatur, 1571, bl. G8b Überschrift einer melodie:
'Paule lieber Stallbruder mein,1 eti >. 25 'Paule Lieber Btallbruder.1
VgL Liederbuch! L582A. no.85, rtr. l nnd 4 (Unland no.218), Liederb
11. u". s7 (Kopp, Zs.fdpl Das refrainartige gereimte] 'Wiech
einmal herumb1 u.s.w. bei nng in trinkliedern.
108. -ivij | Neudr. >. 1 \9t /. 1 3: Ir Ä er ... drei
//■ !h r.
Vielleicht als trinkliedchen gemeint
VW. Nun beb Ich an zu Bingen
Jvij | Neudr. b.189, z.4 25: HoUa mein lieber Staubt
... su guter muht.
(Bl. B", Neudi 20: 'Ich lig auch gern im Luder1 nnd Kvi.j .
Neudr. b. 81, a.7 f. v. u. : ' Lafil auch die Specksupp kochen Bchier . . , riertzig
rier1 können reminiscencen an Btr. '_' nnd :'■ dieeee Liedes Bein, rgl. den neu-
druch L9 21).
.irt citierl im weeentlichen unyeränderl -tr neun-
druck 1582 A, ii". L27j Unland no
Prankf. liederbucbL 1580 L584, no. L27; Köln« Lb.
Lb. no. 128: in diesen gleich 1582 A. Fl. bl. defect (Unland zu i
106. Lei keiner hie, der spricht zu mir
Jvij Neudr. >. I
Hin in buh werkt B. jh.'i btuflg vorkommender trinkreim. Zu-
r 11 1540, ii" 86 Neudr - 94 und .
nnd anlang dea textet in B Jobini Lautenbuch i
ler laute
108. Zum biere zum biere der kell«
• i \ r m.: tum Bu r, </< r Keller
gefangen, i A
Vgl w. 8i bm<
'Zum Biere nun
452 WILLIAMS
die vögelein mit gsange' (vgl. Eitner, Das deutsche lied 1, 83). Es handelt
sich meines erachtens bei Schmeltzel und Fischart um eine parodie auf das
unten no. 122 besprochene spielliedchen.
107. [Jviij3] Neudr. s. 139, z. 8 v. u.: der Benzenaucr sprach.
Ein fragment aus dem Hede bei Liliencron, Hist. VI. no. 246 ; Böhme,
Lb. no. 381. Von Eischart schon 1573 im Flöhhatz erwähnt, Braunes Neu-
drucke no. 5, s. 16.
108. Bistu der Hansel Schütze
[Jviija] Neudr. s. 139, z. 4 — 6 v.u.: Bistu der ... Glocken
an, prim pram [zusatz bis z. 3 v. u. : ... Moren-
stammj.
Entsprechend Le Maistre, Geseng 1566, no. 86, tenor:
Bistu der Hensel schütze,
was ist dir dein Armbrust nütze,
weil du nicht spannen kaust,
brim bram, briin bram
da gienge die glöcklein au.
Ibid. no. 90 drei zeilen im tenor, die übrigen worte im bassns. Scan-
dellus 1570 und 1578, no. 20, entsprechend.
*109. Sauff dich voll vnd leg dich nider
[Kb] Neudr. s. 142, z. 24— 27: Sauff dich ... Arslexander.
Die beiden ersten verse dieses kleinen Spruches scheinen sehr ver-
breitet gewesen zu sein, aber erst im 18. jh. trifft man sie in trinkliedern,
vgl. Kopp, Euphorion 13, 121. — Die vier verse befinden sich in einer
stelle, die Fischart aus De generibus ebriosorum (1516) entnahm (Garg. s. 142,
z. 9— 35; Zarncke, Die deutschen univ. im mittelalter, s. 121, 256). Den
schluss 'das schreibt der gutt fruffi priester Arß lex ander' hat Fischart
etwas geändert. — Auch bei nachahmern Fischarts steht dieser reim: Joh.
Sommer, Ethogr. mundi, ausgäbe 1614, bl. Evj b ; Aegid. Albertinus, De con-
viv. et compot. 1621, s. 122 (hier vers 1 und 2).
Neudr. s. 142, z. 5 v.u. bis s. 143, z. 14: Kein besser freud
. . . glück erschleich. Vgl. no. 88 oben.
110. 111. 112. [Kiij b] Neudr. s. 146, z. 14— 16: Hui störte
den Becher, Gödecke Michel . . . Gelt Baumsattel,
mein Schitdensamen.
Die namen der helden von drei bekannten historischen gedichten.
(Wortspiel mit Stortebeker u. Schüttensam) :
(110). Stortebeker und Gödeke Michael. Liliencron, Hist. VI.
no. 44. Vgl. Kopp, Archiv f. neuere spr. 117. 251 ; Zs. fdph. 39, 221.
(111). Raumsattel. Böhme, Altd. Ib. no. 78. Fl. bll. in Berlin
Yd 8786 usw., vgl. Kopp, Euphorion 9, 33.
LIEDERPOESIE IM OARQANTTJ L 153
( i rj i- Schüttensam i-i der held eines im L6.jh. sehr beliebten, an-
geblich von Sana Kugler gedichteten Liedes (Liliencron, lli-t. 71. l'J7». Bin
derbes Wortspiel ist an dieser Btelle vorhanden wi< L59, z. 15.
113. (Kii.j'l Neudr. B. 1 16, z.23 bis s. 1 17. z. I : Hilf da ich
frölich bin ... erworgen, ja worgen.
.'■ fünfzeilige Strophen aus einem sonst wol Dicht erhaltenen wein-
liede. in anderen quellen kenne [ch nur eine str., die mit dem Bchlnsse
der GLargantnastelle von 'Ach Wein dn bisl mir ..." an genau ftberein-
stiimiii, bei M Franc k. Spannewes Inst. Quodlibet, Coburg 1619 and Uns.
Grillenvertreiber 1622, no. 2. — Fischarts Strophen zeigen an mehreren
steilen wörtliche anklänge an «las im gleichen veranlass gedichtete lied
vom 'wunderbSsen weib': 'Wie kumpts 'las ich so traurig bin1 bei liölmie,
Altd. Ib. no, 248.
Neudruck s. 147 (die ganze Seite), vgl. oben no. 48.
114. Mein tag, kein zag
[Kiiijab] Neudr. b.148, z.7 — 13: Mein tag ... wachen.
Str. l und schluss der 4. str., die eingeschobenen weite • I e r späteren
ausgaben gehören nicht hierher. — Abdruck des sechsstroidi. Liedes: L582
A DO. 1 !■">. entspr. Krankt, LiederbüchL 1580. 1584 u. fl. bL 0. 0. D j. in Basel,
' >1, ii" 64. Es. des M. Ebenreutter zu Würzburg (notiz von bfeuse-
bachs, nac.hlass 21) jetzt in Berlin Mgf. 188, auf bl. 322" nur str. l (frühest r
beleg).
115. [Kv1] NYmlr. s. 141». /.. s- 11 v.u.: Ihn F.sd teil ich
}))> isen . . . nit eu gast.
Blhl. in Berlin Fe 201 (8 bll. 8°, o. o., am Schlüsse 1540 datiert;
erstes Lied von Amin-. Blaurer nacb WK8, i. • L9): Drej newe Lieder, von
gegenwertigen Lastern ... vilen zum spiegel, Christlicher ermanung vnd
Lere ... Das dritt, von allen volsauffern ... (3. Lied) 'Ir narren die s"
trincket, wie seyl jr doch so blind ..." >'Jo neunzeil. str.)
[Str. 4 1 Den Esel mufi jeh preysen, ex mer netal sein mund,
der ist der lauffer Hu I l-t das nit wo! zu klagen,
Met wejbheit kan beweysen von lauffern solche in sagen,
trimkt nit mer als jn dfir-t. pfüj sie zu aller Stund
auch lieü sich gar erschla
Vollständiger titel einer andauerten ausg. dieses (Lbl. bei Weller, Annalen
l -■'•-. Do. L67. I besteht aus einer str. (ohne den B
in demselben v( ie das lied des druckes und dürfte wol
nicht nbel gelungenen parodie aul itanunen.
Neudr. B. 165, z.9 10 w u.: das 1. cd Qoffel Löffel Vgl
oben ii". 77.
454 WILLIAMS
110. So trincken wir alle
[Lvja] Neudr. s. 167, z. 18: (das Angsterlied ...) So trinchen
ivir alle, etc.
[aa viijbJ Neudr. s. 386, z. 3 f.: Dieser Wein . . . ein Für sie.
Zwei fragmente aus einem im 16. jh. sehr beliebten kleinen trinkreim.
Vollständiger im Garg. als bestandteil der oben 110. 64 besprochenen reimerei.
— Nachweise: Marriage, Forster Neudr., s. 232. Auch bei J. Steurlein,
Gesenge 1575, no. 19 und etwas geändert noch 1646 in Werlins hs. in
München, s. 2116.
117. [Mvija] Neudr. s. 186, z. 2: (haben ... die Jungfraiven
. . . Ire Lieder gedichtet,) inn Praun will ich mich
Meiden, gegen diesem Winter kalt, etc.
Es handelt sich hier um formein, die in scheideliedern öfters vor-
kommen, vgl. Forster III 42, str. 7 : '. . . ich schwing mich vber d heyden,
in braun wil ich mich kleyden . . . ' und das sehr beliebte ' Entlaubet ist
der walde, gegen disem winter kalt . . . ' Ob Fischart bestimmte lieder
im sinne hatte, lässt sich nicht entscheiden. Vielleicht wollte er nur das
formelhafte in den poetischen versuchen der mädchen etwas lächerlich
machen.
Neudr. s. 259, z. 4 v. u.: Bummel dich gut Birche. S. uo. 51
oben.
Neudr. s. 263 links, z. 4: Meidlin ... recht. Vgl. no. 73 oben.
Neudr. s. 264 rechts, z. 5 v. u.: Mein Tochter . . . zeit. Vgl.
no. 65 oben.
*118. [Rvja] Neudr. s.265 links, z. 16: Meidlin laß dirs
ivol thun.
Rausch, Spielverzeichnis s. 80 betrachtet dies als 'derbes Volkslied'.
— Aehnliche ausdrücke kommen in liedern vor: Förster II 53, str. 2 'Sihe
gredlein laß dirs dinglein thun . . . ' und Schmeltzel 1544 no. 20 II fragin.
' Liebs maidle laß dirs dinglein thun. '
*119. [Rvja] Neudr. s.265 links, z. 3 v.u.: Meydlin ivas
hat dir die Kunckel gethan? [spiel].
Vgl. Cod. Pal. germ. 318 (1544), bl. 111* 'Gredl was hat dir der
rocken than' (nur so viel, Wust als komponist genannt); Schmeltzel 1544,
no. 8 fragm. ' Was hat dir der rocken getan, daß du nit wilt spinnen.'
Eine str. mit diesem anfang findet sich in den meisten erhaltenen fassungen
des liedes ' Die höchste freud die ich gewan ', vgl. Böhme, Altd. Ib. no. 209,
str. 8 und Bolte, Zs. fdph. 22, 402. — Rausch, Spielverzeichnis s. LXVII
fuhrt Fischarts fragment unter den vermutlichen kunkelstubenspielen an.
LIEDERP0E8IE IM <: LSG \Nll \.
120. [Rvjb] Neudr. b.265 rechts, z.12 v.u.: .1/
»tw nicht spiel .
Bausch a . a " - M vielleichl als eine willkürliche entstellung
ilis Babelaisschen Spieles 'a la mourre' an betrachten. Fischart dachte
aber auch an den strophenschluß 'feine megdlein mnr nur nicht' (so die
ilmi bekannten Scandellnsschen liedlein 1570 no. 8) eines beliebten liedee
des 16 jh. 'Ein meidlein Bagt mir freundlich zu': vgl darüber Porster
Nendr. 1 210 zu [26; Kopp, Archiv f. neuere spr. 117
121. [Rvj Neudr. s.266 links, /.. 1: Seid ihr die Meyd
von Eosenthai [als spiel].
Meusebacfa rerweisl hier vgl. Hanffen, NFS279 auf >la* lied -Ks
gieng ein wolgezogener knecht' bei II. Finck 1536 im. 47 Ohland no. 250,
Btr. 2und8, vers 3: do sprach tli-- mait vom Bosental Bausch, Spielver-
aeichnis s. I.XYII (keine belege).
122. Zum zwire, zum /.wart-, der yogel ist gefangen
[Rvj Nendr. b.266 links. ■/.. r> v. 11.: Xion twire eum eware,
di r Vogel ist gefangen.
1582 bl. v:> Neudr.s.270, var. l. genauso, ebenfalls als
Bpiel angeführt
Fischaii citiert hier den anfang eines Bpielliedchens '1er kinder,
irelchee sich vrol vollständig in einer Baseler hs. erhalten hat [ch halte
das vorbild der parodierenden z< ilen •Zum biere' n.s.w. bei Schmeltael
nnd Fischart, vgl. oben im. 106. Text und melodie i"i J. Richter, Katalog
der musiksamml. auf der nniv.-bibl. in Basel, Leipzig 71 an Fa
17 20 (nach mitte des 16. jh.) no. B4 :
/um zwire zum an >l'l"'- schampe,
der vogel isl {refangen suhlahenl wir den vögele
vnd wellicher nit <lar zu kumbt rrellicher ragel obene .
den schlachl man also lange,
iiter a a.o, >. 77 zu l \ 59 62 'Zum zwire zum aware' all ul>er-
schiifl derselben melodie im handschriftlichen anhang zu einem exemplar
von ; . ,u. in 1. ausg. 1543 Bau» h, Spiele
>rlireilit <\.n Spiel
123, l »a zfind er jr 'Im rocken an
l.'\ ij Neudr. >. 267, /. 1 1 v. n.: /
an als spiel .
hier «rol ein lied im sinne, * den ihm wahr-
scheinlich bekannten Newen teutachen Liedlein mit \ Stirn, des [vo de \
München 1671, no.5 Qberlieferl ist (nur eine
456 WILLIAMS
Da züiult er jr den rocken an, vnd bin schabab,
die gunckel thnt zerschmeltzen, in Bayern ist nit gut bnlen,
wie mögen bey einander stahn meins hertzen zier
zwo Gänß anft' einer steltzen, vernageln mir
vrlaub ich bab, die Scbreiber anff den schulen.
Rausch, Spielverzeicbnis s. LXYIII bringt keine parallelen.
*124. [Siiijb] Neudr. s. 278, z. 14: vber Eppelins Häuivagen.
[Sva] Neudr. s. 279, z. 17— 19: die staffelen hinan ff,
den Berg hinab rennen, den Sclionbachischen llirtz-
sprung thun, rinn den Meyn sprengen, die stifte!
zu Nörenberg holen.
Diese stellen beziehen sich auf den 1381 enthaupteten fränkischen
ritter Eppele von Gailingen, vgl. das lied 'Es was eiü frisch freier reuters-
man' bei Liliencron, Hist. volksl. no. 28; Böhme, Lb. no. 365; ausserdem
Uhland, Schriften 4, 160 — 165. Das im 16. jh. wol ziemlich weit verbreitete
lied besingt aber nur die beiden letzten der von Fischart erwähnten sagen-
haften taten dieses beiden: 'rinn den Meyn sprengen' in str. 21 und 'die
stiffel zu Nörenberg holen' in str. 13 — 17 und 23. Es mag sein, dass Fischart
hier nicht an das lied dachte. Seine übrigen anspielungen auf Eppele er-
klären sich aus zügen der sage (vgl. Grimm, Deutsche sagen no.130): 1) vber
Eppelins Hüuwagen bezieht sich offenbar nicht auf str. 38 des liedes, son-
dern auf erfolgreichere leiatungen Eppeles, Grimm a.a.O.: 'über Heuwagen
auf der Wiese ritt er, dass seines Bosses Huf kein Hälmlein verletzte.'
2) die staffelen hinauff, die steilen höhen bei Muggendorf an der Wiesent?
3) den Schonbachisclien Hirtzsprung thun, -EfiVscAsprung ist zugleich Wort-
spiel mit Wiesent und anspielung auf Eppeles sprang zu pferde über diesen
ström.
125. Ich wil zu land außreiten
[Tvb] Neudr. s. 297, z. 13: braucht vor dem Man Hilden-
brantsstreich, siben Maffter inn die Erd.
(Vgl. auch Garg. 16 als adjeetiv Hildenbrandssireichig).
Vom alten Hildebrand hatte Fischart im Heldenbuch 1509 gelesen
(s. A. Hauffen, NFS. 278); hier wird ihm str. 10 des jüngeren Hildebrands-
liedes vorgeschwebt haben. — Facsimile einer alten gedruckten fassung
des liedes in Könneckes Bilderatlas, 2. ausg. s. 108; Müllenhoff und Scherer,
Denkmäler, 3. ausg. 2,20 — 30; Böhme no. 1, u. s.w.
Neudr. s. 302, z. 24: Hola . . . Prep. Vgl. oben no. 77.
Neudr. s. 386, z. 3 f.: Dieser Wein . . . Fürste. Vgl. oben zu
no. 116.
LLEDERPOESIE im QABG \Nil'A. t57
tatgabe 158«. ><>. 136— 1S7.
126. 1582 [bl.)(iijb] Neudr. b.5, z.15: {Dichten doch vnsen
Predicanten) Geistliche Lieder von einer VTilden Sau.
Solche liedei sind mix am dem L6. jh. nicht bekannt Pili ihre
existem seugl aber anch ein deutsch-lateinisches Lied des 17. jh.'s, das man
dem jesniten Jak. Bälde (1604 68 Engeschrieben bat G. Westermayer,
Jaoohna Bälde, sein leben nnd seine werke, Rffinchen L868 führt die titel
sweier drucke an: 'Paradoxon mnsicnm. Das ist: Ein Nene« geeist
Lied von einer wilden San in einem* schönen Garten. 12. b. 1. b. a. 18 nn-
pag. bL'; Bpfitere ausgäbe : 'Bälde •' . S. J. Bin nenea geistliches Lied von
einer wilden San wodurch der abtrünnige Martin Lntber abgebildel
Mit musiknoten. 4. 0.0. 1717.' Amin-: 'Ein Nagel -Nenea Lied dolore
tactus ordior Mit Hertz-betrüebtem Gemüetb ..." Dieses polemische ge-
dieht erwiiliiil Joli. Nie Weislin^er. AuUcrli-scnc Merkwürdigkeiten, StraBb.
L738, B teil, s 86 und anm.
Fischart meint irol protestantische polemische Lieder (nicht nm-
dichtnngen, — es g-al> wo! keine weltlichen Lieder 'von einer wilden sau').
127. 1582 [bl. )(iij!,j Neudr. b.5, z. L5: das geistliche wacker
braun Meidlein.
Das weltliche 'wacker meidlein' war in der 2. hälfte des IG. jhs. sehr
beliebt, ?gl. z. i>. Dhland VI. no. 88 und Schriften 1,82 B5; Böhme no. 55;
Erk-BOhme no. L18j Jahrb. t niederd. Bprachf. 26, b. 33.
Geistliche nmdichtnngen des L6. jhs.: L. Nennzehnstrophiges Lied, ab*
gedr. bei WK3, no. L139. Die fassnng eines tl.id. dürfte Fischart bekannl
len Min: 'Das Geystlich Wackerm&gedlin ..." Basel bey Samuel
Apiario t -"»T* >. exemplar Basel, nniv.-bibl. Sar. 151, no. 81; dasselbe, ansg.
l."»7'J in Uhlands Bammelband in Tübingen, b. 189ff. 2. Kl. bl. nach
>. Katth. l 1 an. k (in Berlin Yd 7881, Do. .">7), str. 1 : •<> I )as ich kund
von Bertsen, Singen ein Liedelein: Vnd rollbringen ohn schmertzen, Das
Wacker Madelein Geystlicher weise /.war. Das man so möchl vergessen,
das Weltlich ganta md gar.' Am Schlüsse des Slstroph. gedichtes: Ge*
Btelll vn in Druck verfertiget, Per Hieronymum Linck Glatsenaem. (VgL
anch Weller 2 152, no.84.) :'■ Das Lied bei WK3, no 781. sondere
kontrafaktnren 16. jh.: WK Wackernagel, Bibliogr. m
Weller, Annalen 2,440, no.622; ILblL in Berlin \<\ 7850, no.78
\ e 276 nsw.
128. L582 bL niii Neudr. b.5, z.16: den geistlichen Fei
r das weltliche Lied vom Bncbsbanm und Pelbinger s. oben 1
Der 'geistlich Buchsbaum ', ein gedieht Ton Hans Witxstal von I
heim, war damals weil und lir.it bekannt und i-t noch in Helen drucken
erhalten, /. b ti. bl
dasselbi '. ■■ I [Jhlands sarnmelbaiid). Abdruck Wl
458 WILLIAMS
Grnndr. 2, 257 f., no. 32 b. — Spätere nachdichtungen des weltlichen liedes:
WK 3, no. 1318 und 5, no. 790.
129. 1582 [B4b] Neudr. s. 34, z. 10— 12: Ich arme Magd,
ivie gern ichs wagt . . . dem Knecht.
Mir sonst unbekannt.
130. Es het ein biderman ein weib
1582 [B 5b] Neudr. s. 35, z. 21: so fahr der Teuffei ins Häuw.
Ein fragment aus der schlnssstr. eines der verbreitetsten deutschen
lieder. Böhme, Lb. no. 471. Nachweise: Marriage, Forster Neudr. s. 230 f.
Auch noch fl. bl. o. o. und j. in Basel Sar. 151, no. 63 und bei Glanner II
1580, no. 21, 6 str.
131. Vnser Herr der Pfarrherr
1582 [E2a] Neudr. s. 69, z. 5— 7 v.u.: Vnser Herr ...
Köchin, etc.
Vgl. Forster, Teutsche Liedlein V 1556, no.36, hsg. von Marriage s.201.
Le Maistre 1566, no. 92, See. Altus: Vnser lieber Pfarherr ... u. s. w. gleich
Forster.
*132. 1582 [E3a] Neudr. s. 71, z. 10— 13: 0 Martein Mar-
tern . . . Martinsman.
Mir sonst unbekannt. Es scheint ein echtes Martinsliedchen zu sein.
[J 4a] Neudr. s. 122. z. 5 v.u.: (Hie gilts . . .) den Moriscen,
den schivartsen Knaben, der gern das braun Meid-
lein wolt haben, Ja haben.
Wol nicht zur eigentlichen liederpoesie zu zählen. Vgl. F. M. Böhme,
Geschichte des tanzes in Deutschland 1, 132 ff. und 1, 56. 2,34; Bausch, Spiel-
verzeichnis s. 92.
Neudr. s. 126, z. 6 f. v. u.: Sih da . . . Gast. Fragment von
no. 48 oben.
133. 1582 [K4b] Neudr. s. 135, z. 9— 11 v.u.: Wer sind
. . . vnd ein junger.
Diese verse mit der erwähnung der ' Schreiber' hat Fischart in dieser
ausgäbe hinter das lat.- deutsche lied 'Vinum quae pars' (no. 89 oben) ein-
gefügt. — Aehnliche formelhafte schlussstrophen damals häufig, vgl. Wunder-
horn 4 (1854), 209 ff. str. 13; Uhland no. 48 A und 153.
*134. 1582 [T7a] Neudr. s. 260 links, z. 10:
BurcJchart mit der Nasen,
komm helff mir grasen [als spiel].
Fragment eines liedes? Meusebach citiert hier str. 23 eines liedes auf
einem fl. bl. vom jähre 1596 (jetzt in Berlin Ye 661):
LIEDERPOESIE IM ÖAKGANTUA. 450
Zn Nürnberg in der Lodergassen, ex hat fürwar ein
da war der weg bo I frißl gern Hüner vnd li
begegnet mir ein Juncher, tregt ein . säßlein an,
der beißl der Bnrckhart, 'li'- Vögel er wo! ropffen kan.
Heusebach bemerkl dara: 'Ea kommt bom1 in dem liede Dichte vor,
trat icur irgend rar erklärung des angegebenen spielet dienen könnte.1 —
VgL ancfa Ranscb, Spielverzeichnis b. 82.
135. L582 \ ;; , Neudr. 8.267, z. L— 6:
Ich gieng durch ein enges Gäßlin,
begegnet mir ein schwarte Vfäflin, etc. [als spiel].
igmenl erinnert an den anfang eines gediebtea in einem
11. bl. o. j., Nürnb., Georg Wächter (in Berlin Y<1 9451): 'Ein wirtin vml
• in Pfaffe, giengen durch ein enge gasse ..." . 16 fünfzeil. str. Vgl. I
II 16, N .-u lr. 8.88. Bausch, Spielverzeichnis s. 81 hält Elscharts bruchstück
für ein lied.
*VH>. L582 V3b] Neudr. s. 267 links, /. 7 9: Estcoltein
Jungfrau) süchtig sein ... drein, etc. .als spiel).
Vielleicht fragment eines derben Liedes. So auch von Bausch a. a. o.
b. Bl aufgi fasst
|V.V'J nur 1582, Neudr. b.270, var. l. Vgl oben zu no. L22.
137. Was \v«"»lleii wir singen vnd heben an,
von einem frenckischen edelman
1582 [X3S] Nendr. s.278, z.U f.: Albrecht von Rosenberg,
. . . traben, < ic
Aus dem anfange der 6. itr. eines bekannten historischen
Liliencron, Bist. VI. do. 511. VgL Kopp, Archiv f. neuere spr. 111,1
iit anch im li»il^rl). im besitze B.WoUcans (Eophorion 6, 650); Frankf.
liederbüchl. l 18O, 1584 ao. 61, entspr. 1582 A 61; KOlnerliederbücbl.ca
I, gleich I l; il. bL o. o. n. j. im Vatican o, [nvent
li a ao. 2811 eee).
Viis-:iIm> 150t». \o. 188. ISO.
188. Oarg. 1590 B.495 Neudr. 8. 408, z. 5 B: (Rewkamp
fieng ■ L edlein an:) Es ist M Baum
gefaUt ». ... wol sumpt n.
Eine parodie Fischarts auf einen kleinen volkstümlichen reim, der
1590 wo) allgemein bekannt war. Lii
IT.jli.i.. rgL Kopp, Archiv i. . l. 1700 l"
roa Kopp, Leipsig I r in Bronn ^-
fallen, leb hafa ihn hOm plnmpen ...' Verwantes inunei aoeb im
folkamnade, a Erk-Böhmc no
beinahe tui ^ KhkhM Jcr UeuUchea fi>r.»che. .\\.\\. '^j
4G0 WILLIAMS
139. Der guckguck hat sich zu tod gefallen
von einer hohen (holen) weiden
1590 [s. 495] Neudr. s. 403, z. 9: (Kunst auch . . . das Lied,)
Der Gauch hat sich zu todt gefallen, von jenem
hohen zäune: etc.
Der anfang eines beliebten liedchens und eine anspielung auf 'Der
guckguck auff dem zäune saß' (oben no. 29). — Nachweise: 115 liedlein
1544, no. 30 der 4 stimm, lieder (bei Unland no. 13 ein wenig geändert).
Meusebach (Garg.- commentar und nachlass no. 33, s. 11 f.) verweist auf die
interessante auslegung der 1. str. von Luther, Wider das Babstum zu Rom,
1545, hier nach dem Heidelb. exemplar, hl. Rijb: Also mochte das liedlein
auch hieher dienen, Der Kuckuck ist zu todt gefallen (Der Babst ist aller
kirchen Meister) von einer holen Weiden (das ist, zu Rom) Wer wil vus
den Somerlang (das ist, die Christen sind schuldig) zeit vnd weil vertreiben
(das ist, jm die fülle zu küssen). ' Heidelb. hs. Pal. 343 hsg. von Kopp,
s. 123, no. 111. Meusebach citiert hier auch eine stelle aus Job. Manlius,
Locorum communium collectanea, Basil. 1563, II 23 ; ungefähr dasselbe citat
handschriftlich im Berliner band Xg 1768, vgl. Wendeler, Fischartstudien von
Meusebachs, Halle 1879, s. 116 f. 146. Liederb. im besitze Wolkans (Euphorion
6, 650), Frankf. liederbüchl. 1580. 1584 no. 38, entspr. 1582 A no. 38, Kölner
liederbüchl. ca. 1580 no. 92 gleich 1582 B 90, Bergliederbüchl. 1700, 10, hsg.
von Kopp, s. 141 f. — üeistl. umdichtungen bei WK1, no. 113 f., 508;
3, no. 932; 4, no. 173; 5, no. 1029.
Bibliographischer »nhang.
Quellen.
Fischart. Geschichtschrift 1575, Geschichtklitterung 1582. 1590.
Exemplare der kgl. bibl. Berlin.
Liederquellen. I. Fliegende blätter, Sonderdrucke. Berlin, kgl.
bibl.; Weimar, grossherzogl. bibl.; Zwickau, ratsschulbibl. ; Frankf. a. M.,
stadtbibl.; Tübingen, univ.-bibl. (dort unter der Signatur: Dk 11. 1088
Unlands sammelband, 77 fliegende blätter, meist Strassburger und
Baseler drucke aus dem 3. viertel des 16. jhs.) ; Zürich, stadtbibl.; Basel,
univ.-bibl. (unter sign. : Sar. 151 der Sarasinische sammelband, 99 einzel-
drucke, wie Unlands sammelband sehr wichtig für Fischarts lieder wegen
der Strassburger und schweizerischen drucke aus der zeit vor 1575). Von
mir benutzt wurden ferner ein teil der fl. bll. aus dem 16. jh. in London,
brit. museum und in Rom, Vatican (mehrere reichhaltige sammelbände aus
der Heidelberger bibl. Palatina stammend, titel bei Stevenson, Inventario
II 2 nicht immer genau).
IL Gedruckte liedersammlungen. (Vgl. Goedeke, Grundr. 2, §§ 109.
110 und Eitners quellenlexicon.) Aus vielen deutschen und mehreren aus-
ländischen bibliotheken. Ein aus Heidelberg stammender band im Vatican
(sign. : Palatina V 468, einband v. j. 1580) enthält zwei sehr wichtige, bis-
LTJBDKBP08STJB im Q \u<; \Mi'\. 461
bar niehl beachtete, Liederbücher1) (ohne noten); titel, nicht ohne f < li I«-r.
bei Stevenson, tnventario I (1886), parte 1, p 218 l Lieder Büch-
lein, Frankfurl a. M , Nie. Baateus, L580. 8°. 116 bll "Jt;i nummern
Uteate datierte Liederbuch der Frankfurter grup] og. Ambraser lieder-
bneb v.j. 15 \ '. i~t wahrscheinlich ein aachdruck di
Vollständiges exemplar einer anagabe von 1684 in d i I Frankf. a.M-,
tst aneb das einsige bekannte exemplar einer vermehrten am
(aus der bibliothek S. Hirseis): Groß Liederbuch, Frankf. a. II . lie-
ftndet (also eicht verschollen, vgl. Archiv f. neuere spr. 121, s.251).
gäbe v.j. 1600 in Petersburg, b. Bolte, Zs. fda. 84, 167 169. Eine verkürzte
ausgäbe dei Frankf. liederbüchleins auf der stadtbibL in Bremen im misch-
bande II. e.411: Liederbüchlein, o. j., Erfurt bei Jac. Singe, der in den
lotsten jahren des in. und in den beidi i Jahrzehnten des 17. jhs.
Is drucker tätig war. '_'. Lieder Buchlin, Köln, Henrich Nette«
o. j. cii. IM ■ ibll. l'h Dummern Die meisten Lieder des bekannten
Liederbüchleins der Berliner bibliothek, u. o. 1682. L92nnmmern (' 1582B',
Tgl. Kopp, Archiv f. neuere spr. L21, 251) enthält d unss-
lung, und zwar fast in di
III. Liederhandschriften. Berlin, München (hof- und itaatebibL),
Heidelberg.
II il fsmi t tri.
1682 A. Ambraser liederbnch. Siehe Liederbüchlein 1582 A.
Bühme, P.M., Altdenl lerbuch. Leipzig 1877.
Eitner, Bob., Biographisch - bibliographisches quellenlexicon '1<t
muaiker and musikgelehrten. 10 bde. Leipzig 1900 04.
Erk-BOhme, Deutscher Liederhort 3 bde. L It
ichichtklitterui \ . von
lt- Ki- ii . Synoptischer abdruch der bearbeitungen von 1575. 1582 und
Halle L891. (Braunes Neudrucke no.66 -71.)
r irster-Neudr., • Liedlein in fünf teilen
m Elisabeth Marriage, Halle 1908. (Braunes Neu-
drucke no
rundriat sur gesebichte der deutsch, dichtung. 2 auf!
Leke-Tittmann, Liederbuchs d. 16. Jahrhundert Leipzig
11 auffen, A . Jol ir< rk.-. ;; bde. « Deut aat Li
Der aart -Studien, Leipsig and Wien
(Euphorion, 7. ergänsungshefl ►.
Hoffmanu von Fallersieben, Die deutsehen gesellschaftlieder des
lt',. and 17. Jahrhund ifl. Leipsig I
Kopp,*) Arthur, Die lieder der Heide!
1 1 leutseb bd. V 1).
• .bung
. if <ii.- >.lir wertvollen in a abliamlluniron
-. üI)*t die Liedsf du L&jhs. habi n in lesi i
II. teili verwiesen.
-
4G2 WILLIAMS
Ders., Aeltere liedersammlungen bearb. von A. Kopp. Leipzig 1906.
No. 1 : Sächsisches bergliederbüchlein 1700/10.
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Weller, E., Annalen der poetischen nationalliteratur der Deutschen.
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Anfänge der lieder
und der nicht genau zu bestimmenden fragmente.
no. no.
Aber wil ich singen (Raumsattel) 111 Der Ludel vnd der Hansel . . 80
Aha wer das Cartäuser orden 36 Der miiller auff der Nidermül. 2
Auff freud vnd leid .... 53 Der Schwester waren trey . . 23
Bei nachte, bei nachte, halt dich Der wein der schmeckt mir . . 76
Annele 25d Die brünnlein die da flieffen . 92
Bene fecistis Domine .... 39 Die faßnacht bringt vns ... 49
Bene veneritis Domine Custos . 44 Die höchste freud die ich . . 119
Bistu der Hansel schütze . . 108 Die rö'slein sind zu brechen zeit 55
Bonum vinum post Martinum . 46 Die stiffel zu Nörenberg holen 124
Brauns meidlein zeuch ... 21 Dort niden an dem Reine . . 47
Burckhart mit der nasen . . . 134 Drei gäns im haberstro ... 91
Das geistliche wacker braun Dummel dich gut birche (pir-
meidlein 127 chen) 51
Da zünd er jr den rocken an . 123 Ein abt den wollen wir weihen 32
Den esel wil ich preisen . . .115 Ein armer man wolt weihen . 85
Den liebsten buleu den ich hab 61 Ein burger ist gesessen ... 10
Der Benzeuauer sprach . . . 107 Ein guter wein ist lobenswert 66
Der geistliche Felbinger . . . 128 Ein henlein weiß 68
Der guckguck auff dem zäune saß 29 Ein meidlein sagt mir freuudlich
Der guckguck hat sich zu tod 139 zu 120
LIEDERPOESIE IM GABGAN l I A.
4G3
Ein müllei ist gesessen . . .
Kiu rickmeß . . . von dem pfaffen
von Wisenthal
Eins morgens frfl, tut ich mich zu
brel Bie hinder rauten . .
Kr ha1 Bein Bachen wo] gethan
Ei fischt ein frei fran fischerin
Es flog ein gans
;" i.t gen disem Bnmraei . .
. ng ein meidlein des ab« ada
■pal
fieng ein wol gezogener
knechl
Ei bei ein bidennan i in weib .
t ein meidlein sein sehn
verloren
Et het ein Schwab ein töchter-
lein, es wolt nil Lenger dienen
I ein 8chwab <in töchter-
lein, ea wolt nit lenger ein
meidlein sein
.11 stallknechl Beinen
Baum
• ein mönch vom banm ge-
fallen
dien . .
■Kiiit ein zrit gar (ganti |
wonniglich
3 ein eul nid Bpann . .
• t ein lind in jenem tal .
■
man
i - banren tochterlein
hol ein mttller von jenem
holti
I
jm . .
11 ein jm
«••in
I
Jagen
I l>t jr vns nit .
I
D
nil ich singen . .
I .i wol zu d
35
I !
71
51
16
59
L21
130
24
188
95
18
28
26
[24
72
20
18
101
Geistliche Lieder von einer »rü-
den san 128
i iut Banicken vp dem scheyter»
weg Baß ii i
(iut rentex bei dem weine safl . 96
< Lnta muta wollen wir Bein , . 62
Eeiaho gut Seinrieb . ... 78
Eerbei, herbei, waa Löffel Bei . 77
Hilf! daß ich frOlicb bin . . .118
Eopfaho, Bind die rnfl&ter do . 71
Boppaho benecken t;7
Eört wie vor langer zeit ... 8
a wann wollen wir . . 7o
leb arme magd, wie gern . . 129
[ch bin versagt - ;
[cfa fuhr mich vber Sein . . . 23
[ch gieng bei eitler nacht . . '_':{
[eng durch ein enges gaßlin 135
Iili gieng wol bei der nacht . 'S\
[ch ritt einmal zu Braunschw«
auÜ 19
[ch Bah mir ein blawen storeken 81
[ch weiß mir einen freien hof . '.»
[ch weiß mir ein (stoltze)
müUerin, t in 28
[eh w<iii i mir i ein stoltse
lnulliiin. sir däucht .... 4
[ch wil zu Land anfireiten . . [25
[i h sennt mir nechten . . . . 50
Im meien im meien börl man . 71
In dieser well hab ich k<in gelt
In prann wil ich mich kleiden . 1 17
ii n tsenneteer trinckt den wein [08
l-t keiner hie
Lichter dann <-iii ka 42
■
Man tagt «"1 Ln dem mden
Meidlein lnU «Urs wul thnn . . l is
Mi i-lliu sind <lir die schuh recht 7:!
ts hat dir . . . .119
1 u
Mein
Murr murr nur nicht ...
Nun biß mir «n.tt wolkommen
Nun grflß dich Gott di I ^i
Nun b . zu singen .
464
WILLIAMS, LIEDERPOESIE IM GARGANTUA.
no.
(Nun) schürte dich Gretlein . 94
Nun wolauff jr ordens brüder . 63
Nun wolt jr hören newe mär . 58
Nur nerrisch sein 86
0 Martern, Märtein 132
Paule lieber stallbruder mein . 102
Post Martinum bonum vinum . 46
Proficiat jr lieben herren . . 37
Rescb vnd behend 34
Kinn den Meyn springen . . . 124
Sauff dich voll 109
Schürte dich Gretlein .... 94
Seid jhr die meyd von Rosenthal 121
Sie hett lang goldgelb bar . . 54
Sie sucht den schwartzen pfaffen 43
So trincken wir alle . . . .116
So wol wirs aber heben an . . 11
Stortebeker vnd Gödeke Michael 110
Treizehen nonneu 7
Trinck(en wir) wein .... 57
Unmöglich ist es 52
Unser herr der pfarrherr . . . 131
Yenite lieben gesellen mit sorgen 45
Yil ämter vnd gar wenig blech 41
Vinum quae pars 89
Von edler art, spie ich ... 82
Von vppiglichen dingen ... 38
Wach auff mein bort .... 15
Wa habt jhr geschlaffen ... 39
no.
Was wollen wir aber heben an 11
Was wollen wir singen vnd
heben an 137
Wend jr hören singen ... 3
Wer hie mit mir 64
Wer lützel (wenig) bhalt . . 99
Wer sind die vns diß liedlin
sungen 133
Wie wers, wann ich nicht schlieffe 17
Wo gehn die Bamberger meid-
lein hin 30
Wolan die hüner gacksen vil . 33
Wolauff die hüner prateu schon 56
Wolauff jr brüder allzumal . . 90
Wolauff . . . mein brüderlein . 76
Wolauff mit reichem schalle . 100
Wolauff wir wollens wecken . 17
Wolauff, wolauff, am Bodensee 75
Wol hinter meines vaters hof . 97
Wolt jr hören ein newes gedieht 12
Wol wir aber singen (Schütten-
sam) 112
Wo sol ich mich hinkeren . . 88
Wo wachst hau auff der matten 69
Zu Costnitz saß ein kauffman
reich 1
Zum biere, zum biere .... 106
Zum zwire, zum zware . . . 122
HEIDELBERG.
CHAELES ALLYN WILLIAMS.
DIE HEIMAT DER ALTNORDISCHEN LIEDEB
VON DEN WEISUNGEN UND DEN
NIBELUNGEN.
III. 'i
r>. Sigurd, Isuag und Bellsar.
A. Hjalprek anterstützl Sigard mit volk und
Bchiffen (Reginsm. Prosa nach str. L5; VqIs. cap. 17; Nornag.
cap. 4). Wie Lsl die Verbindung Sigurds mit Hjalprek auf-
zufassi
Der aufenthall Sigurds während seiner Jugend am hofe
könig Hjalpreks Dach der nordischen sage entspricht zum teil
dmi aufenthalt Sigurds am hofe könig Esungs (d.i dem kaiser
von Byzanz) in der ßiörekssaga Der vandalische könig
Hilderik hatte sich als der freund Justinians lange in Kon-
Btantinopel aufgehalten. Später als vandalischer könig hielt
er an dieser Verbindung fest and Bchickte sogar gold nach
Byzanz.
Jetzt vermute ich, dass die Franken anstatt dieses namens
Bilderik irrtümlich Hilperik eingesetzt haben und dass Hjalprek
daraus entstanden ist
Es wird in der nordischen dichtung stark hervorgehoben,
dass Sigurd die tötung Eylimis, seine« iters mütterlicher
Beite, an den Bohnen Hundings rächt Reginsm. LS Bagt Sigurd
zu tlegin, da dieser Sigurd überreden will, den Fufnirzu töten:
•laut werden lachen die Bohne Hundings, die Eylimi das l<
raubten, falls ich mein- last habe, rote ringe zu Buchen, als
meinen rater zu rächen.1
In dem gediente Gripisspa - die
osmäl gekannt hat) sagl Gripir str. 9 zu Sigurd: 'zu
- die rorl MO
46G T3UGGE
sollst du den tod deines vaters und alles, was E3rlimi gelitten
hat, rächen (fodur um hefna oh Eylima allz Jiarms rekä). Du
sollst die söhne Hundings erlegen und sieger sein.'
Eylimi ist der grossvater Sigurds mütterlicher seite, und
er ist es, über dessen Ursprung ich hier eine Vermutung dar-
legen werde. Denselben namen führt in Helg. Hjorv. der vater
Sväfas. Eylimi hat die nebenform Eylimr gehabt. Denn Olrik
(Sakses Oldhist. I 87) hat nachgewiesen, dass Olimarus des
Saxo OUmcer Eylimr ist. Doch werde ich in einem excurs
dartun, dass Saxo den Eylimr mit einem andern sagenhelden
Eymunär oder Eymöör verwechselt hat.
Der name Eylimi oder Eylimr ist von dem isländischen
dichter Glümr Geirason mit dem namen Limaßgrdr (Limafjorör,
Glüma cap. 21, str.2: Limafjorör, Atlam. 4: fjgrör Lima) in Ver-
bindung gesetzt, indem er in seiner Gräfeldar-dräpa (Fms. I 88)
den Limfjord Eylimaßordr nennt.
Aber diese Verbindung darf man gewiss als eine spätere
nordische umdeutung bezeichnen. Durch seine entstehuug
scheint auch der name Eylimr auf den krieg Belisars mit den
Vandalen hinzuweisen. Der letzte könig der Vandalen, Gei-
lamcr, wird von Isidor Gilimer, ebenso in fränkischen quellen
Gilimcr, Gylimer, Gylemer genannt (vgl. Sigiberti Chron. Pertz
VIII 315 f. und Hugonis Chron. X 307 und X 320). Wenn die
Angelsachsen diesen namen von den Franken hörten, und den-
selben in ihrer eigenen spräche widergaben, konnte der name
leicht in *Jilimer, Ilimer übergehen. Dieser name ist nach
meiner Vermutung von Norwegern, die denselben von den
Angelsachsen hörten, in 0ylimr umgedeutet worden. In betreff
des anlautes kann verglichen werden, dass altn. ey (vgl. Feney,
Pivey) dem ags. ig entspricht; in betreff des anlautes, dass
Guöpormr als name des bruders Gunnars der allgemeinen
annähme zufolge an die stelle des frankischen namens Godomar
getreten ist.
Aber wie ist es zu erklären, dass während Geilamer der
name des vandalischen königs ist, den Belisar besiegt, Eylimi
der name eines königs ist, welchen Sigurd an den söhnen Hun-
dings rächt?
Der zug Belisars wurde angeblich unternommen, weil der
könig Hilderik getötet worden war. Dieser Hilderik war der
HEIMAT DBB ALTN. WBLSUHl BN- tJ. NTB.-LIEDEB.
Bohn von Eudokia, die von Theodorus den grossen stammte,
und hatte sich lange zeil in Konstantinopel aufgehalten. Man
mnss aber beachten, dass < lorippns (Johannidos Üb. III v. 198 ff,)
fehlerhaft den Bilderü Hildimer nennt Auch ist zu bemerken,
was in der Chronik Hugos (PertzX320) nach der erwäh-
nung des vandalischen königs fehlerhaft erzählt wird: 'Quem
Gilimer sumpta tirannide regno privavit, qui et Childericus
dictua est, ei regnum optinuit.' Wenn ßolche verwechse-
lungen hier stattfinden konnten, so kann es uns nicht wunder
nehmen, dass in der dichtung, die von den Pranken zu den
Sachsen und weiter in den fernen norden gebracht wurde,
Hilderik mit Gilimer verwechselt worden ist. Aus einer
solchen Verwechselung ist nach meiner Vermutung der sagenzug
zu erklären, dass Sigurd den tod Eylimis an den Bohnen ffun-
dings rächt
H. Sigurd kommt zu dem könig Gjuke. 'Der könig
war gegen ihn wie gegen seine eigenen söhne; diese Bchätzten
ehre höher als die ihrige (YoJs. cap. 16). Er hei
die tochter Gjukes, welche ihm von ihrem vater dargel
wurde; der aufforderung i rrimhilds und ( \ja
die Bohne Gjukes and Sigurd, dass rie gegen einander als
brüder sein Bollen. Sie fahren weit herum und fuhren viele
heldentaten aus. Gjuke und Beine männer weiden Goten
nannt. Seine männer werden Gota mengt (Brot 9), Grimbild
wird gotnesh Jcona (Gudr. II IT* und Gunnar Ootna dröttinn
(Grip. 35), Gotna fijöäann (Atlakv. 20) genannt
Die Goten in Italien Bchicken männer an Belisar, um ihm
das königtum anzubieten. Auch Vit;
ihm. er solle das königtum abernehmen. I
sich, als sei er damit einverstanden. Auf das verlangen
<iwt.ii schwur er. dass er kein m der Goten etwas zu
tun werde und sagte, du— er dem Vitigis und den häuptlij
der Goten den königseid leisten werde. Nachher zog B<
nach Ravenn . i tore ihm von den Goten geöffnet wurden.
op Bagt 'Als ich .'i nach Ravenna hinein-
ziehen Bah, dachte ich, inn der menschen
\u«h die iben
Bich ihm' (Pro)
468 BUGGE
Sigfrid-Sigurd scheint nach der ursprünglichen darstellung
zu Gibich-Gjuke zu kommen, um ihm das reich zu entreissen
(s. Golther, Norddeutsche u. süddeutsclie sage s. 289 f.).
Nach dem Nibelungenliede 325 f. hat Günther von der
Schönheit Brünhilds gehört. Nur derjenige könne sie als frau
gewinnen, der sie in drei ritterlichen spielen besiege:
sin scöz mit snellen degenen umbe minne den scaft.
Den stein warf sin verre, dar nach siu witen spranc.
Wer in einer dieser proben unterliegt, hat sein haupt verloren.
Viele christliche ritter hatten Marpaly gewinnen wollen,
aber ihren tod dabei gefunden, denn derjenige, der neben ihr
ruhte und ihre liebe nicht erhielt, musste sterben. Ihre köpfe
waren auf die zinnen der bürg gesetzt und noch war sie Jung-
frau (D VI. B 538). Nachdem Wolfdietrich neben der tochter
geruht hatte, musste er, sowie auch die ritter, die es versucht
hatten, vor dem vater drei mal stehen, während dieser sein
messer wirft (K 273). Wolfdietrich legt sein schwert zwischen
sich und die tochter des beiden (K 270. B 580), gleich wie
Sigurd ein gezogenes schwert zwischen sich, selbst und Briin-
hild legt. Darum kann dieser zug nicht erst in Nord-Europa
hineingefügt worden sein (s. Golther, Nordd. u. südd. sage s. 290).
Dem Nibel. 608 ff. zufolge gehen alle zuerst zu tische, nachher
wird der auftritt in der nacht geschildert. Auch Wolfdietrich
geht zuerst mit der tochter des beiden zu tische (Nibel. 667 ff.).
In der nacht kämpft Siegfried mit Brünhilde und bezwingt sie,
er lässt sie aber Jungfrau bleiben.
Das heidenmädchen kämpft in der nacht mit Wolfdietrich,
aber er schlägt sie (D 105) und ruht nicht neben ihr. Den
folgenden tag hält er wettkämpfe mit dem vater, zuerst in
fussschnelligkeit (D 121). Er macht einen Sprung von 9 klaftern
über einen graben (D 122).
Meyer vergleicht die sage von Oinomaos, Hippodameia
und Pelops. Hier soll der freier sich mit dem vater im wett-
fahren messen. Die Wolfdietrichsage und die Siegfriedsage
stehen sich darin nahe, dass in beiden gedienten die probe zum
teil darin besteht, einen weiten Sprung zu machen. In der
Wolfdietrich- sowie in der Pelopssage wird aber die probe
mit dem vater, nicht mit der tochter vorgenommen.
HUMAT DBB M.lN. WBL8UN0EK- ü. R1B.-LIBDBB.
Der zwinger Brünhilds ist von teuer umringt Die beiden-
tochter im Wolfdietrich übt zanberei:
.1.1/ diu kemen&te ron rOtem San enbran I" LOG LO
In der ßiörekssaga heissl der hof Brynhilda Scegar&r.
Einen Be« um die bürg ihres raters zaubert tfarpalie heryor.
Als Signrd zum zweiten male zu Brünhilde kommt, nennt
er rieh Ghinnar. Wolfdietrich sagt der heidentochter Dicht
seinen rechten namen I B 551 }.
Siegfried und Brünhilde lieben sich gleich beim ersten
anblick, ganz wie Pelops und Hippodameia. Ebenso bewundern
Wolfdietrich und «las heidnische mädeben itig ihre
Schönheit Sie 3a ': 'Deine äugen strahlen wie diejenigen eines
falken, nie sah ich einen schöneren mann.1
E. II. Meyer ha1 die d Marpalie mit der Bage von
Harpalya verglichen. Diese hat aber auch berührung
mit der in Brünhild. In Oddr. 1"»: sjd moör kon
dÖr hann sylti l'*>: launi Brynhüdi bao* li/iili» <i> ta hvad
hann öshmey veröa shyldu. Hiermil kann zusammengestellt
werden Hygin. L93 von Harpalyce: 'crescentem armis eiercuit.
illa i m -ri t iiiu i n patrem impetn facto conservavit' Vgl. auch
Oddr. 18: /</ vor ... ok borg brotin mit ßiör.s. cap. 168:
hann heeuir brotit upp borgarlidet.
ßiör.s. cap. ; | erwähnt, dass Brünhild ein gestüt mit
vielen pferden im walde hat VgL Hygin. L9S von Harpalyce:
iarum eqaarnmque eam aberibus nutrivit . . . vastando
iumentorum stabula.' VgL Aen. 1 116: 'quales equos Thn
fatigat llarpalyc volucremque fuga praeyertitur Hebrum. '
In Brünhild ist die walküre, die von motiven von Hippo-
dameia und Harpalyce beeinflusst war. mit Antonina, deren
rater wagenlenker war, zusammengeschmolzen.1)
< . I >ir 1 • i ■"■ i . • k - . ihlt ca] igurd, nach-
dem er Bein pferd bekommen hat, nach Bertangaland reitet
'Ueber dieses tand herscht ein könig, der [sung heisst. Ehr
ha» 1 1 i ihne. I mg und alle • »hne sii I
kampfer. Er em] I Sigurd und macht ihn zu Beinern rat-
'i K.um Myth. Vat 2, 1 i mit
IIli/m<lnltr in v.'iliiii'liu
lllyiu'lvliini. IL '.
470 BUGGE
geber und bannerträger.' Die handschrift A setzt hinzu: 'Da
bei ihm bleibt Sigurd lange zeit'
Es ist von früheren forschem nicht erwiesen worden, wer
dieser könig Isung ist.1)
Um den Ursprung dieses sagenhelden zu bestimmen, müssen
wir die in der piör. s. cap. 189 — 224 mitgeteilte erzählung von
einem zusammenstosse zwischen Dietrich und Isung genauer
in betracht nehmen. Diese sagenerzählung, die bis jetzt gar
zu wenig beachtet worden ist, stammt von einem niederdeutschen
liede, welches jetzt in seiner deutschen form verloren ist. Dieses
lied, das jedenfalls nicht jünger als vom 13. jh. ist, liegt aber
in dänischen, schwedischen und färöischen Umarbeitungen vor.
Siehe hierüber die ausführlichen mitteilungen und Unter-
suchungen von Svend Grundtvig in Danm. gl. Folkeviser I
63-122 und IV 602—678.
Die saga und das lied erzählt: Dietrich sitzt in der halle
zwischen seinen kämpfern. Er preist seine beiden und sagt,
dass sich nirgends ein mann findet, der mit ihm zu kämpfen wage.
Sein bannerträger erwähnt aber den könig Isung, die 11
söhne desselben und seinen bannerträger Sigurd als die stärksten
männer. Er meint, es würde dem Dietrich gefährlich sein, mit
ihnen anzubinden.
Und dem dänischen lied A 4 zufolge sagt Isses wie
Dietrich, dass keiner es wage, gegen ihn zu streiten. Das
historische Vorbild Dietrichs ist der ostgotische Theodorik, der
in Italien könig wurde. Wer mag nun der könig sein, der
ihm der einzige gefährliche gegner war? Befragen wir die
wirkliche geschiente, dann finden wir keinen andern als den
byzantinischen kaiser (BaöiZevc). Die sage hat die namenform
Isungr, das färöische lied Isin, eine dänische und eine schwe-
dische auf Zeichnung Isak, einmal Isses; eine schwedische auf-
zeiclmung Isingen; ein norwegisches lied Iselgrim, welches
aus *Isingriiin entstanden ist. In der schwedischen 'lilla
Eimkrönika' von 1448, handschrift von 1457 (Klemming I 217)
') Die bemerkung Müllenhoffs (Zs. f da. 12, 352) : ' ein riesisches, winter-
liches geschlecht, die zwölf Isunge (in der Hromundarsage geschieht der
kämpf anf dem eise)' scheint mir sehr wenig genügend. Anderer meinung
als Müllenhoff ist W. Müller, Mythol. d. deutsch, heldensage s. 209. 240 f.
BEDCA1 DBB ai.tn. um r. BIB.-LIBDBB. 171
Y8agt in einer handschrifl von 1520 IsyngA) [ch vermute,
dase das deutsche Lied die form / i i gehabt habe. Die zwei
letzten und die bekanntesten der byzantinischen kaiser, die
mit Theodorich gleichzeitig waren, Bind Justin der erste und
Justinian der erste, [ch vermute hing als eine germanische
umdeutung von Justin(us), welcher in der germanischen tra-
dition als der repräsentant der byzantinischen kaiser auftrat,
nachdem die zwei nahe verwanten namen Justin und Justinian
zusammengeschmolzen waren. Im germanischen isl "it. beson-
ders bei fremden namen, die endung -ng aus .n entstanden.1)
Die Verdeutschung vom anfang des namens Justin(us) zu
tsung \>\ vielleicht von einem franzosischen mittelglied be-
einflusst worden.
1>. Dietrich zitdit nun mit Beinen männern aus. um sich
mit dem könig [sung und Beinen beiden zu messen. Dm in
das land des königs [sung zn gelangen, müssen sie einen wald
durchwandern, wo der riese JEtgeirr, der landwehrmann des
königs Nihil:. Bich aufhält. Von dieser Beite hält [sung sein
reich für geschützt
In welcher historischen person hat nun der i
sein vorbild? Die Bage hal die namenformen Odganr
Et gcnr s. 33, A0geir8.$4) wo gesagl wird, dass er einen a
als waffe hal . / 3.51, Aigt n > -.1 16, i r in der
meine bemerkung in Daum. gl. Folkey. 1\' '. ik, welcher
in dem niederdeutschen liede ron dem tod des b menrich in
I betrieb auftritt , ist wol d< i
d I fenm. gl Folker. III 77-J.i.
t p. 8 'Ri]
uiont • 16 ( Hill" .
In Dum -
Hin fur '. 77 f.) das
nmgekehi te r< rhill ■ ; in I. luriu.
■Irenea Mi Ltntrim,
. .
18). In Da feum.
gl. PolkeT. 111 77'Ji'.i I -.agc bald I
472 BUGGE
pergamenths. s. 180. Er heisst in dem dänischen lied Langbem
Bisher (Ridsker) Grundtvig I 84. Bisher ist aus Ris' Edger
entstanden; in dem färöischen lied Agi risin sterki oder AJcival;
In der schwedischen Dietrichssage Edger oder Eggerd oder
Odgeor (Hylten-Cavallus s. 361); in Skiöarima (ausg. Maurers)
77 Eddgeir mit der Variante Oddgeir.
Ich vermute, dass dieser vEtgeirr, Eddger oder Odger sein
historisches vorbild in Odoacer, Odovacar hat, welcher in dem
Hildebrandslied Otaclier genannt wird. Dieser betrachtete ja
in der form den byzantinischen kaiser als seinen oberherrn
und liess sich von ihm zum patricier ernennen.
Obgleich Bisher in dem dänischen lied ein riese ist, so
wird er doch in C 9 'du Kjsempe god', C 16 'edelig Eisker god'
angeredet. Dass Odoacer in einen langbeinigen riesen ver-
wandelt worden ist, erklärt sich auf der einen seite durch
einen zug, der in Yita s. Severini von Odoacer (Script. Anti-
quissimi vol. I) cap. 7 erzählt wird, und, wie man vermuten
darf, in der sage behalten wurde: nämlich dass Odoacer, ehe
er nach Italien zog, zum heiligen Severin kam. Odoacer aber
war von so hohem wüchse (statura procerus), dass er sich beugen
musste, damit er seinen Scheitel gegen das dach der niedrigen
zelle nicht stiesse. Vergleiche hiermit, dass in dem dänischen
lied A 29 Langben Ridsker durch die tiir des kleinen hauses,
wo er all sein gold hatte, hineinkriecht.
Auf der andern seite muss hervorgehoben werden, dass
Odoacer nach Jordanes und Johannes ein Rugier (Rugus)
war. Daran schliesst sich die aussage in 'Teutscher Nation
Chronik' (1539), dass er 'ein Barbaras aufz Rügenn' war.1)
Ich vermute, dass de rügeske (rüske) Odker oder ein ähnlicher
ausdruck in de rise (in holländischer form reus) 0. verwandelt
worden ist.
Wenn Odger oder Edger in einen riesen verwandelt war,
so konnte daraus folgern, dass man ihn mit einer stählernen
stange kämpfen und übrigens als einen riesen auftreten liess.
Der riese Etgeir ist der solin des königs Nordian. Setzt
dieses ein romanisches *Norian aus einem mittellat. *rex Nori-
canus voraus?2)
0 W. Grimms Heldens.3 s. 348.
■) Anders über Nordian Müllenkoff, Zs. fda. 12, 343 f.
IIK1MAT DBB AI. IN. W 1.1 - 0. NII!.-!.Ii:H!:U.
Odoacer liiell sieh bei den barbaren in Noricum auf. ehe
er in Italien einzog.1)
Kin sächsischer Häuptling- wird in der handschrift von
Fred i oronik Odovacrua genannt, aber in der hand-
Bchrift von Liber Bistoriae Francorum Adova I lovagrius
genannt Der Btamm Auda- in einer mnndart öd-, in einer
andern Ad-. A.doacarius wird in den Quedlinburger Annalen
(Pertz 8j3. 3, 31) and in der Würzburger Chronik (Pertz I
anter den mördem Brmanarichs erwähnt
Der pifirekssaga zufolge gibt Vidga dem Etgeir zweimal
einen mit dem fasse, ehe er ihn zum erwachen und zum
aufstehen bringt Nachdem der rieee v& acht bat,
den Vidga zu treffen, haut dieser ein ä rtück von der
wade des riesen ab. Um sein leben zu retten, verspricht der
dem Vidga viel ^uld und Bilber, das er in einer erdhatte
unter einem steine \ habe. Nachdem er den stein fort-
. nat. will er, dass Vidga zuerst in dir erdhütte hinunter
gehen solL Aber Vid steht, da>.s der riese ihn verraten
will und er zwingl ihn. voraus zugehen. Dann haut er dem
in den kopi mit seinem Schwerte ab.
In dieser märchenhaften darstellung von dem kämpfe
zwischen Vidga und Btgeir haben wir eint- wid
dem krieg Theoderichs gegen Odovaker. Diesei wurde in
drei schlachten aberwunden — und schless sieh darauf mit
Beinen schätzen in EUivenna ein. wo i ert wurdi
Aber zuletzt musste er sich ergeben und wurde auf eine
betrügerische weise von Theodorichs eigener band
weil er. wie uf betrug sann.
meisten Umbildungen, »in- die historischen begeben-
heiten in der märchenhaften erzählung haben erleiden mQ
sind aus der aufi e zu erklären. I
muss hiervon ausgenommen werden, dass \ idga (der Vidrik
landsodn des liedes) /. t. die rolle Dietrichs übernommen hat.
. ;. Mmrphal* in Wolfdietrich >lurrh r..: Harpahjke.
■ i m-.iiii proptar metnm I
tulit thiii. ,ul l'lu\i. .^tra iu llumine
MO long« .i i ' - . t . . . ]. Liboi VIII rab . v&gia
•
et i.mi bitumim
474 BUGGE
Es ist bekannt, dass Wittich, ags. Widya, Wudia seinen
namen von einem bei Jordanes cap. 34 erwähnten Vidiyoia
Gothorum fortissimus hat. Aber mehrere historische personell
sind in Wittich zusammengeschmolzen. Wittich kam zuerst
zu Dietrich, dem er eide schwur und der ihm gold und land
gab. Doch gieng er zu Ermenrich über und lieferte Raben
(d. i. Eavenna), das Dietrich ihm verliehen hatte, an Ermen-
rich aus.
Ich vermute, dass die verräterrolle Wittichs daraus zu er-
klären ist, dass wir sein historisches vorbild hier in Fridericus,
dem söhne des Feiet heus, finden. Dieser flüchtete vor On-
dulf, dem bruder Odovakers, zu Theodorik, ehe der ostgotische
könig in Italien eingezogen war. Aber später brach Friderik,
wahrscheinlich während des krieges mit Odovaker, seinen bund
mit Theodorich und wurde ein Verräter gegen ihn. Die raven-
natischen fasten erwähnen in 423 eine schlacht zwischen Fri-
derik und dem magister militum Tufa, zwischen Trient und
Verona. *) Vgl. Pallmann II 4G5 f. Wie dieses aufgefasst werden
soll, ist unsicher.
Ueber diesen Friderik s. Köpke, Anfänge des königtums
s. 178; Dahn, Könige 2, 33.
[Rieger, Zs. f. d. mythol. I 233 und Heinzel, Ostgot. königs-
sage s. 57 denken sich den Wittig als den Verräter des Tufa.]
[Einen wenig befriedigenden versuch, die rolle Wittigs als
Verräter zu erklären, s. bei Heinzel s. 58].
Dietrich und seine männer ziehen dann in das land Isungs
ein, und als Isung ihre ankunft erfuhren hat, sagt er: 'ich
werde ihnen einen meiner beiden schicken, um ihnen zu sagen
dass wenn sie ihr leben behalten wollen, müssen sie mir zoll
und Steuer nach dem gesetze schicken' (süa sem log var standet
tu). Sigurd bietet sich als böte an. Sigurd reitet dann zu
dem zelte Dietrichs und sagt: 'Der könig Isung mein herr hat
mich mit dem auf trag hierher geschickt, die Steuer von euch
zu nehmen, die der könig nach dem gesetze zu fordern das
recht hat. Wenn aber der könig keine Steuer von euch erhält,
da werdet ihr euer gut und leben verlieren.' Aber Dietrich
bot Isung und seinen männern kämpf.
l) [Scriptores Autiquissimi I 321.]
Hiimai DBB AI. iv. WELBUNGEN- C RTB.-LIEDEB, 175
Euer finden wir eine bestätigung der oben dargeh
anschauung, dass [snng der poetische repräsentanl des byzan-
tinischen k;ii- Die heldendichtung behält nur einzelne
der historischen personen and lässt diese einzelnen, anstatt
mehrerer, die demselben volke gehören, hervortreten. Ebenso
wie die byzantinischen kaiser von Zeno ans (anter dessen
regierang Theodorich in [talien einrückte) bis zn Jnstinian
durch [sang repräsentiert sind, so repräsentiert Dietrich von
Bern, das poetische alter ego Theodorichs, die gotischen könige
in Italien. Als Theodorich in Italien einrücken wollte, soll er
mit dem kaiser Zeno verabredet haben, dass er Im falle eines
- Italien im namen des byzantinischen Kaisers beherschen
werde, unter Theodorich konnte der byzantinische ki
seine obergewall nicht behaupten, aber nach dem tode Theo-
dorichs und der eroberung Afrikas droht Belisar den (inten
in Italien, da er Lilybseum fordert: 'Eure Unterwerfung kann
dir gunst des kaisers verdienen; eine widersetzlichkeil wird
sein misfallen erregen und einen krieg veranlassen, welcher
nur mit eurem vollständigen Untergang enden wird. Wenn
ihr uns nötigt, die walten zu ergreifen, dann weiden wir
kämpfen nicht um eine einzeln»' Stadt zurück zu gewinnen,
sondern nm euch alle die provinzen zn entreissen, die ihr mit
anrecht eurem gesetzlichen oberherrn vorenthalten.' und nach
dem tode Amalasuinthas fing Belisar im namen des byzant mischen
kaisers einen krieg gegen die Ostgoten an. Die drohungen, die
Belisar an die Goten lichtet, im falle sie dem byzantinischen
kaiser nicht gehorsam sein wollen, klingen in den drohungen,
die Sigurd als der böte des königs [sang gegen Dietrich und
seine männer ausspricht, wider.
w iim I - 1 1 1 1 lt nun hier M-in historisches vorbild in Justinian
hat. so hat Sigurd Fafnisbane oder Siegfried in dieser
Verbindung sein historisches Vorbild in Belisarius,
welcher von den Goten onterwerfung unter kaiser Jnstinian
fordert her könig lsmiLr ist, wie wir es gesehen haben, der
Justinian, und die Voraussetzung, dass Sigurd falls zum
teil, sein historisches vorbild in Belisarius hat. passt dann
vortrefflich zu der darstellung in der Piörekssaga, dass Sigurd
in den dien- getreten Bei Er ist -ein ratgeber, Bein
bannerführer und -.'in erster held. Aimoin n
476 BUGGE
erat assiduus imperatoris consilio. Isidor gibt dem Belisar den
titel magister militum; dieses könnte wol nach der auffassimg
der Nordländer ihrem merhismadr entsprechen. Namentlich
ist zu beachten, dass Sigurd, als der vorzüglichste aller beiden
gepriesen, in dieser erzählung doch nicht als ein könig,
sondern als ein mann, der im dienste eines königs ist,
dargestellt wird. Dieselbe auffassimg tritt uns in andern dar-
stellungen der Sigurd- oder Siegfriedsage entgegen. Die Vols-
ungasaga erzählt, dass die mutter Sigurds, als sie ihn gebar,
eine kriegsgefangene war. Er wuchs bei Hjalprek, dem vater
Alfs, auf, der seine mutter heiratete. Fäfnir wirft dem Sigurd
vor, dass er ein gefangener und im krieg genommener mann
sei und Sigurd gesteht es (Fäfn. 7, 8). In VqIs. cap. 28 sagt
Brünhilde, dass Sigurd der Sklave Hjalpreks gewesen sei.
Regin wirft Sigurd vor, während dieser bei Hjalprek ist, dass
er die pferde der könige wartet und dass er ihr laufbursche
ist {Kynlegt er Jmt, er fiu vilt vera hestasveinn Jconunga
eöa fara sem hlauparar). hestasveinn kann hier eine hei-
mische widergabe eines deutschen marscalc sein. Gregor. Tur.
III 32 comes stabuli. Nach Aimon war Belisar cquihmi prae-
fectus des Justinian. Sigurd aber sagt im gegensatze dazu,
dass er mit den königen über alles verfügt und dass er alles
bekommt, was er nur haben will. Das Nibelungenlied erwähnt
ebenfalls, dass Siegfried im dienstverhältnis zu einem könig
steht. Als er mit Günther nach dem lande Brünhildes kommt,
schlägt Siegfried vor, dass sie Günther für seinen herrn und
Siegfried für den mann desselben ausgeben sollen. Nachher
erwähnt Brünhilde den Siegfried mit geringschätzung. Dieses
gibt den anlass zu dem wortstreite zwischen Kriemhild und
Brünhilde und ruft die katastrophe hervor.
Die erzählung von Sigurd bei Isung hat insofern die Über-
einstimmung mit der geschichte bewahrt, dass Sigurd wie
Belisar einsam in die weit hinaus, fern von seinem vaterlande
in den dienst eines fremden herschers gezogen ist.
In der nordischen sage entspricht der aufenthalt Sigurds
bei Hjalprek zum teil dem aufenthalte Sigurds bei Isung in
der piörekssaga. Auch in der nordischen sage verlebt Sigurd
seine Jugend in einem von seinem vaterlande weit entfernten
lande. Dem Fäfnir sagt Sigurd (Fäfn. 2): 'ich bin als mutterloser
UKIM \i DBB AI. in. uii i . HIB.-LIEDBB, 177
mann gewandert; einen rater wie die Bohne der menschen
w ti .l.-n" 11 Ti ü^-'iK. iiiniMi- gehe ich einsam.' Die eitern Beb
■ii wird gesagt, dass SeyfneVwsh im liede vom hfimen Seyfried
oder mntter wusste, I Dichte von .
Die Voraussetzung, dass Sigurd oder Siegfried wenig*
zum teil sein historisches Vorbild in Belisarins habe, erklärt
einen dunkeln y.wj; im liede von Dietrich und Beinen helden,
welcher ins jetzt ganz unerklärt gewesen ist Der saga zu-
folge ist es in der zeit Beiner Jugend, vor seiner heirat mit
Grimhild, dass Sigurd Bich bei dem könig Isung aufhält, dessen
vorzüglichster held er ist Und Dach dänisch A ist er der
jüngste von den Bieben Bohnen könig [saks. A.ber dennoch
heisst es in A 67: Sivord er en starblind Svend, hon
ticke sit Olavind til Ende, and dieses wird in dänisch DEFGH
Bowie in drei schwedischen and einer färöischen aufzeichnung
widerholt (s. Grundtvig [V665a), nur mit der Veränderung,
dass 'speer, Bchwert, schaff (Speer, Sveerd, Skaß) zum teil
anstatt Glavind eingesetzt ist
•unl 'starblind'1) sein Bollte, wird Bonst oirgends
gt and steht in Btarkem gegensatz bowo! zn Beinern ver-
halten bei [sung wie zn den aordischen aussprüchen über Beine
Btrahlenden äugen. Sonderbarer ist es Doch, dasszudän. \l".
in einer schwedischen and in färöischen anfzeichnnngen g<
wird, Sivord sei alt; er wird 'der alte kerl1 {dengamU Km
ont, welches bowo] dem liede als allen andern aussagen
über Sigurd, Siegfried widerspricht Dies* erklärt sich
durch die Voraussetzung, dass Sigurd zum teil Bein historu
Vorbild in Belisarins hat Denn in dem 11. und 12. jh. taucht
die erzählung hervor, dass Belisar in seinen alten tagen
blendet wurde and sein brot betteln musste. Es scheint,
als habe der Verfasser des niederdeutschen liedes diesen
gekannt und Um auf eine höchst anpassende weise anwenden
wollen, obgleich tische b oot-
wendigerweise jung und in vollem gebrauche der BehJ
seiner au^en ^nhii-hi «cnlcii nuus. hie uit.runur
' 'n tlu- Blindni -- l-'iulny li.
- liruudl.
478 MJGGE
wird dadurch bekräftigt, dass Sivord sich selbst in sch^ftj
A 18 mig fattig gammcelman nennt, iin^+ftas gold Fäfnirs
zu der nordischen sage yone°Säge, dass der alte Belisar ein
gewann. Ff erläutert. In dem färöischen liede (Grundtvig
A (3G2b) wird er als tulpara - drong oder turpala - svein be-
zeichnet. Dieses ist das mnd. dörper, mhd. törpel, dörpel, nhd.
tölpel, woraus dän. tölper und bezeichnet ihn als einen armen
bauernbengel. Auch VqIs. s. cap. 13 braucht diesen ausdruck von
Sigurd; Regin sagt hier zu ihm: ]>er IdaupiÖ sem Porpara sveinar.
Meine Vermutung setzt aber voraus, was wol bedenklich
ist, dass die Germanen noch im 11. oder 12. jh.1) sich der identität
Sigurds (Siegfried) und Belisars bewusst waren. — Und auf wel-
chem wege sind wol diese sagen zu den Deutschen gekommen?
Prokop schreibt den namen des helden BsXlgccqloc.2) Es
lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, welcher spräche
dieser name angehört, da man nicht weiss, welchem volks-
stamm Belisar bei seiner geburt angehörte. Der einzige be-
wahrte aufschluss von seiner herkunft sind die worte Prokops
(Bell. Vand. III 11): BsZtöaQiog Ix TsQ^aviag, ■/'/ Oqcctccov ts
xal 'IZlvQiav (/ezasv xeItcu. Ich entscheide daher nicht, ob
BeXiödgiog, wie Grimm, Gesch. d. deutsch, spräche s. 301 meint,
got. Walisäharjis (Valisaharis) sei, oder nach der deutung
Müllenhoffs (Zs. fda. 12, 288 f.) dem ahd. Biliheri entspreche,
neben welchem Bilis nachgewiesen ist (S.E.Schröder).3)
Der einwand Müllenhoffs gegen die deutung von BeXcödgiog
als *Walisaharjis, dass das gotische e als i-umlaut aus a nicht
habe, scheint doch nicht ganz entscheidend, denn BsZiöccqioq, im
falle es germanisch wäre, könnte einer andern spräche als
der gotischen angehören.
x) Früher kann die sage von der blindheit Belisars nicht nachgewiesen
werden. Doch könnte sie älter sein, obgleich es nicht historisch wahr ist.
Finley versucht zu zeigen, dass die sage von den Chronikenschreibern im
10. jh. überführt sei; diese erzählen, dass Syrnbation, welcher einen aufruhr
gegen Michael III. anstiftete, 866 geblendet wurde.
B) In Hugonis Chron. Fertz X 320 f. Belsarhis. In Pertz VIII 316
Bilisarius; VIII 317 hat eine handschr. Balisarkis. Bei Gregor. Tur. III 32
Belsuarius.
3) Fehlerhaft ist die erklärung des namens von slav. belitstvr 'der
weisse kaiser'.
HEIMAT DBB \i.TN. WBL8UNGEN- D. NIB.-LIEDER. 179
Obgleich ich Dicht behaupten will, dass BekiöaQioq ein
germanischer Dame Walisdharis Bei, halte ich es für annehmbar,
dass die Westgermanen den fremden Damen BsXiaaQioq in
Welisung (ags. FPa&m<7) auch Welising (Müllenhoff , Zs. fda
13,288) unter dem einfluss eines zu got Walis yvffoioq gawalis
{waljan wählen) entsprechenden Wortes omgedeutel haben.
Der umstand, dass BeXioaQioq auch im Latein, immerfoii
mit l> (so bei Jordanes Belesarius im gegensatz zu Vandali,
bei Prokop BavölXoi) geschrieben wird, kann dieses nicht
widerlegen, da die Griechen schon früher dasfremdworl ßlcav
halten, welches dem ahd. wisuni entspricht Das germanische
suffii -ung, Bowie -ing, -ling entsprichl in der anwendung oft
dem hü. -urius, mhd. kemerlinc cubicularius; hornunc Februarius;
aga h$rling mercenarius. Sollte man im mittelalter im westen
bei -arius in Belisariua an das altfranz. ain 'geschlecht1 (de
gentil aire) gedacht haben?
Nach der nordischen sagenform ist Sigurds erste kriege'
rische tat die, dass er gegen die söhne Eundings auszog
und sie erlegte. .Man meinl gewöhnlich, dass die Bohne Bun-
dings, die auch in der sage von Beige Eundingsbane auf-
ii. in der ursprünglich nordischen (nicht in der ursprüng-
lich fränkischen sage) einheimisch sind. Dagegen sprechen
aber zwei tatsachen:
h In dem angelsächsischen gedichl Widsiö 23 heisst es:
Mearchealf (weöld) Hundingum. und in 87: mid II
(halepum ha) and mid Hundingum.
2 Mein- beweisend ist folgendes: ich habe Dachgewiesen,
dass die Eelgedichtung von der fränkischen Wolf -Dietrichs
welche die Nordmänner in England kennen lernten, beeinflusst
war. Auch habe ich nachgewiesen, dass eine irische erzählung
von Cormac von derselben Wolf- Dietrichsage beeinflusst ist.
und ich habe es, wie ich glaube, wahrscheinlich gemacht,
die Cormacaage von der Wolf-Dietrichsage beeinflusst wurde,
weil der feind mae con, <l. i. Hund- söhn, hiess, bo wie auch
der feind Wolf-Dietrichs In der fränkischen nach England
überführten sage Bnnding hief
Es folgt also hieraus, dass Bchon die angelsächsische
*)
480 BUGGE
von Wolf -Dietrich den Hunding kannte. Die sagenfigur war
wol, wie die sage im ganzen, von den Franken überführt.
Welche sind nun die söhne H Undings, gegen die Sigurd
Fäfnisbane kämpft?
Zur bestimmung hiervon haben wir eine anleitung in den
folgenden Worten in dem prosastück nach dem ersten lied von
Helge Hundingsbane: 'Hunding hiess ein mächtiger könig, von
ihm hat Hundland seinen namen.' Wir müssen also zugleich
nach einem Hundland suchen; dieses land hat aber niemand
nachweisen können.1) Die anweisung, um dieses land zu finden,
haben wir in der Hauksbok (Nokkur blöö s. 29 L. 13). Hier
werden mehrere fabelhafte menschen und Völker nach süd-
ländischen quellen erwähnt. Die meisten finden wir bei Isidor
wider , z. b. Panadios (d. i. Panatios) und fieir menn er hafa
rossa fcetr (d. i. Hippopodes). Bei Plinius finden wir Ciroman-
dari (d.i. Choromandae) wider. Unter diesen fabelhaften Völkern
wird zuletzt erwähnt: par ero menn peir enn er hdka er groen
vid bringu niÖr. pat heita himdingiar. peir ero sna vid menn
sem olmer hundar. Hiermit vergleiche man Nokkur blöö s. 26 f. :
Cnocefali hafa hunds hofud. oc hafa peir gand firir mal. Mar
ero a fingrum oc a taom en engir negll\ die quelle hierzu finden
wir bei Isidor Or. XI 3, 15 (Cynocepali appellantur, eo quod
canina capita habeant, quosque ipsi latratus magis bestias quam
homines confitentur. Hi in India nascuntur) und bei Plin. N.
H. VII 2 (In multis autem montibus genus hominum capitibus
caninis ferarum velari, pro voce latratum edere, unguibus
armatum venatu et aucupio vesci).
Menschen mit hundsköpfen wurden von einigen nach Indien
überführt, von andern nach Libyen; so Herodot IV 191, vgl.
bei der äthiopischen küste Strab. 1, 43. 7, 299. 16, 774 [vgl. Ael.
n. a. 10, 25], der xvrojrQooojtoi als Völker in Ägypten auf dem
wege nach Äthiopien kennt. Hiernach scheint begründet zu
sein, Hundland, den Hunding und die söhne Handings ent-
weder in Indien oder in Libyen, Afrika, zu suchen.
Da ich nun im vorhergehenden zu zeigen versucht habe,
dass Sigurd Fäfnisbane jedenfalls zum teil sein historisches
*) Müllenkoff fasst die Hundinge als ein historisches germanisches
fürstengeschlecht bei einem volke an der südküste der Ostsee auf (Zs. fda,
11, 277 f. 23, 137). Dabei bleibt Hundland unerklärt.
IIKIMAT DEB ALTS*. WBL8TJNGBN- U. R1B.-LIEDBB, 181
Vorbild in Belisarius hat, so können wir Dicht an Indien, son-
dern nur an Anika denhen.
Der zng Signrd Fäfnisbanes gegen d;<- Bohne
II u ndi iil:s ist der zng Belisars nach Anika gegen die
Vandalen.
Dieses wird dadurch bestätigt, dass Signrd zn dem lande
der söhne Bundings segelt, wir lidisar nach Afrika. Der
zng Sigurde ist ein rachezug; gleichfalls derjenige Belisars
(ultio Jordanis, Momms. i>. 1<»2).
Bei der bezeichnnng der Häuptlinge der Mauren als Hun-
dings synir hat auch die anffassnng der Mauren als heiden
bei (Im südländischen Völkern, deren Vorstellungen die dichtnng
beeinflnssten, mitgewirkt 'Heidnischer hund' ist ein gewöhn-
licher ausdrncb im nordischen und im englischen. Vielleicht
kann auch der umstand beeinflnsst haben, dass ein könig der
Vandalen Hunerich hiess.
[ch hallt- gesucht darzulegen, dass die sage von Persens,
welrher die (inr^-i) tütet, eins der eleinente gebildet hat. wo-
raus die sage von Signrd, der den Fäfnir tötet, entstanden ist.
Nun klärt es sich auf. warum die Perseussage auf Signrd
überführt ist I >ie Gorgonen wohnten, wie man dachte, in
Libyen und Persens erblickte da die Andromeda Belisar
aber, das historische Vorbild Signrds, zog nach Libyen und
führte da als junger manu eine glänzende tat aus. Daher
überführte die sage auf ihn die tat. die Persens der sage nach
in Libyen ausführte.
Belisar gewann in Afrika grosse schätze. Prokop be-
richtet, dass er in den besitz d^ Bchatzea Qelimera (Bell.
Vand.II h kam. und dass man bei seinem triumphzug in
Konstantinopel die köstlichen gel sse, die goldenen stuhle.
viele edelsteine, Behr viele talente in Bilber und noch vieles,
was er als beute gewonnen hatte, zn Behen bekam Hl 9). In
Sigiberti Chron. (Pertz vin 316) wird gesagt, dass Belisar in
Afrika pecunias infinites recepit. Jordanea erzählt, dass
limer von dem berühmten {gloriosissitnunt)1) Belisar mit Beinern
ganzem geschlechte und mit Beinen Bchätzen, über welchen er
wir ein ränber brütete, nach Konstantinopel geführt winde
'i Diecei epitheton prird i>'-i mehreren - mcüt
482 BUGCSE
(quibus more praedonis incübabat ed. Momms. p. 102). Dieses
wirkte dazu mit, dass man auf Sigurd, das poetische alter
ego Belisars, die sage von der tötung des draclien oder der
schlänge, die über dem golde brütete, wodurch der held unend-
liche reichtünier gewann, überführt hatte. Das angelsächsische
Beowulfgedicht hat die ursprüngliche sagenform darin bewahrt,
dass der held seinen schätz zu seinem schiffe überführt1),
gleichwie Belisar in der Wirklichkeit den schätz Gelimers und
andere geraubte reichtünier über die see fortschickt und wie
in der dichtung Jason (dessen tat die Sigurdsage beeinflusst
hat) mit dem goldenen vliess auf dem schiffe Argo fortsegelt.
Nornagest erzählt (cap. 3), dass er im dienste Sigurds
gewesen ist und er gibt ihm das lob: 'Alle hatten ihn sehr
lieb, denn er war gegen uns sowol freundlich wie leutselig
(blidr oh litüldtr) und freigebig.' In Grip. 7 wird Sigurd frei-
gebig an gold gnannt. VqIs. s. (cap. 13) sagt, dass jedes kind
Sigurd liebte. Dasselbe lob erhält Belisarius (Prokop. Bell.
Got. III 1): 'Er war so leutselig und freundlich gegen alle,
als wäre er ein unbemittelter und niedrig gestellter mann.
Die liebe der Soldaten und der bauern für ihren heerführer
war unerschütterlich, weil er vor allen menschen die reichen
gaben unter die Soldaten austeilte. ' 2) Sigurdr var ]wi dstscelli
sem kann var cellri af glu föllci, svd at hvert harn unni Jwmtm
hugdstum VqIs. s. cap. 15; dtarlegr at dliti Grip. 4. Sigurd
hatte ein herrliches aussehen (itr dliti) Grip. 7. In der piöreks-
saga heisst es: hans UJcami er allr skapaÖr vid sie a hmd oc
digrleic ]>ann veg sem batst ma sama. In der Vols. s. cap. 13 : frd
honum segja aller eitt, at um atferd oh vgxt var engl hans maki.
pü munt madr vera ma&ztr und sölu oh limstr borinn liver-
jüm jgfri Grip. 7.
joröum spahr Grip. 7. Dieses wird durch die berichte
Prokops von Belisar erläutert.
Die erwähnten eigenschaften sind solche, die vielen beiden
beigelegt werden und sie beweisen daher für sich selbst nichts.
J) Hsefde agl&ca eine gegongen, pset he beähhordes brücan moste selfes
dorne; s&bät gehlöd, beer on bearm seipes beorhte frsetwa Waelses eafera;
wyrm hat gemealt.
2) In piörekss. wird gesagt: er findet seine frende daran, gold und
kleinode von seinen feinden zu nehmen und es seinen freunden zu geben.
HEIMAT DBB W.iN. WT5L8UNGKN- 0", NIB.-LIBDEB. I- I
Sie dürfen aber erwähnt werden, weil rie zu andern momenten
bestärkend hinzutreten and weil die Bchildernng von Belisar
uns zeigt, dass gerade er »'ine persönlichkeil für die helden-
dichtnng Bein musste.
Von Belisar Bagf Prokop: 'von gestall war er Bchön and
«s and er hatte das schönste gesichl von allen.'
Nibel. 23: man mOhte michel wunder von Stfride Bagen,
was 6ren an im wtiehfle (wie er ruhmvoll war)
and wie Bchoene was Bin Llp
inj sin lip der ist -n Bchoene, man so! in holden han.
Wie Belisar ziehl anch Sigurd in fremden Ländern weil
umher. In dem lied von Dietrich und Beinen beiden wird er
so angeredet (V W: G '■'<): H'ir du Sirard Snarendsvend, du
haver vceret saa tride. In Beownlf 898 — 900 heisst es von dem
töter der Bchlange: 5 vreccena wide m&rosi ofer wer-
Peöde, wigendra hin ellend&dwn.
wrecca bezeichnet einen kriege)-, der aus seinem eignen
lande fortgetrieben ist und Bich in kriegszagen in fremden
Ländern omhertreibt In der piörekssaga cap. 344 Bagt Brün-
liilde zu Gunnar und Hogne: 'Sigurd Svein kam zu euch als
ein anner wanderer' [sem einti vallari).
Signrd wird vor allen andern beiden gelobt und gerühmt.
rör hefir verii ggfgastr aüra herkonunga ok best ai seriheionum
rör rar ägcetastr aüra herkonunga af ostt ok afii
ok hmj Skaldak. cap. 10 (Snn I eru attir hhur ägosttu
ok konungar i fornutn sogum, j ■< ikal Sigurbr fvrh* ganga um <«/{
■i'iri, kapp ok hreysti, <r kann hefir hu/t um hveru wann fratnrn
annarra VqIi b. cap. 18.
/,/■/ man ' m old lifir, fyöÖar pengüll />itt mifn oera Qrip. 41.
i' uppi »um, meöan old lifir, nada\ nafn />itt vera Grip
hont nafn gengr i ullum ttmgvm ■ jridanj haf (PiOreki
■aga b, 181).
Biguroar tnor brogd /■■" fara und himin ikenttum (Grip. 10).
niiui hm • In ' rjinr • t hmni ä ,
141)
rn l iit Man MMN
nnm fyma
meban old hfir.
484 BUGGE
pat segir Jiverr madr, at asigi mun cptir lif a i verolldinni oc dlldri
siÖcmn mon borinn verda puilihr madr. firir Sahir afls oh reysti oh allrar
hurüeisi Caps oc milldi. er hann haföi umfram hvern mann annarra. oc
hans nafn mun alldrigi tynaz i pydvcershri tungo oc slict sama med Nord-
mannom piör. s. cap. 388, s. 302).
Virum gloriosissimum Belesarium (Jordan, p. 102) Glorio-
sissimus hat ebenfalls ein edict im Corpus juris civilis von Febr.
565 von zweifelhafter echtlieit. Prokop sagt, nachdem er er-
zählt hat, dass Belisar den Vitiges nach Italien geführt hat:
'Der name Belisars war auf allen lippen, denn ihm gebührte
die ehre zweier siege so glänzend, wie es keinem anderen
menschen zu gewinnen gegeben ist.' Prokop sagt weiter:
'Als Belisar nach Byzanz gekommen war, zeigte sich seine
erhabenheit in einem noch stärkeren lichte. Er zeichnete
sich durch tüchtigkeit in allem aus, war reicher als alle andern
heerführer und hatte eine grössere leibwache.
Prokop III 1 hebt die keuschheit Belisars hervor. Er
rührte kein weib an ausser seiner gattin. Vgl. Grip. 41.
VqIs. s. cap. 32 : Nu segir pat hverr, er pessi tioendi heyrir, at engt
madr mun pvilihr eptir i veroldunni, oh aldri man siöan borinn slikr madr,
sem SigurÖr var fyrir hvers vetna sahar, oh hans nafn man aldri fyrnast
i pyÖDershri tungu oh ä NorÖrlgndum, medan heimvihen stendr.
Den aussprächen der nordischen erzählungen von dem
unsterblichen rühm Sigurds entsprechen die ausspräche Jor-
danes in dem schluss seiner Getica über Belisar. Er sagt da
von den Goten: 'haec laudanda progenies laudabiliori principi
cessit et fortiori duci manus dedit, cuius fama nullis sae-
culis nullisque silebitur aetatibus (Momms. p. 183).
In Fäfnismäl wird Sigurd, da er die schlänge tötet, als
ein junger knabe {sveinn str. 13, vgl. str. 5. 6) bezeichnet, und
noch zuvor hat er die söhne Hundings erlegt. Man dachte
also, dass sein zug gegen dieselben in seiner frühen Jugend
stattgefunden hatte. Belisar, nimmt man an, ist nach 505
geboren. Er wurde zum führer gegen die Vandalen 532 er-
nannt und segelte nach Afrika 533. Also war er damals kaum
28 jähre alt.
BEIHAT DEB Al.'l'X. WELSDNGEN- 17. E7IB.-LIBDBB, 185
7. Krimhill Gtrimbild.
Der vater Krimhilds ist nach dem Seyfriedsliede Gibich,
könig von Worms, i-ün drache hal Bie ihrem vater geraubt
Siegfried tötet den drachen and befreit die Krimhild.
ESs ist erwiesen worden, dasa Gibich, könig \<<n Worms,
mit dem in der lex Burgnndionum genannten bnrgnndischen
könige Gebica oder Gibica identisch ist. Ebenso ist es erwiesen
worden, dass Günther, der bruder der Krimhild, mit dem bnr-
gnndischen könige Gundahari oder Gundicarius, der 437 fiel,
identisch ist.
Wie ist nun die sage entstanden, dass die tochter des
burgundi8chen königs vom drachen geraubt und von Siegfried
befreit wurde? Warum machte man Siegfried zum gemahl
der Krimhilid? Wie isl die Siegfriedsage mit der Burgunden-
sage verbunden worden? [ch vermute: Weil Bich der name
Gebica, Gibich sowol in der Burgundensage als in der mythi-
schen Siegfriedsage fand.1)
.Man hat bereits die ähnlichkeit zwischen der von Perseus
erlösten Andromeda und der vom drachensteine befreiten Krim-
hild beobachtet; s. v. Muth, Einleitung in das Nibelungenlied
s. 56. Im gegensatz zu der gewöhnlichen ansieht nehme ich
an, dass die Siegfriedsage in ihrer entstehung von der Perseus-
Bage beeinflussl worden i-t.
Derjenige teil des liedes vom hörnernen Siegfried, der
mit Btr.16 anfängt, ist in Beiner ursprünglichen form kurz nach
1230 verfasst; aGolther, Das Lied vom Eürnen Seyfrid b.xxx
Die sagenf orm dieses gedichts hat viele eigentümlichkeiten, von
welchen ich die folgenden hervorhebe:
K'rimhild wird von einem feuerdrachen geraubt, der zu
drin hause ihres van >n kommt, und wird von diesem
auf dem drachensteine festgehalten. Siegfried kommt /um
drachensteine, tötet den drachen und fuhrt die Jungfrau wider
zu ihrem vaiu i. bei dem fr mit ihr hochzeit halt. Keine
'» Aehnlich Bdiardi, Die Vota, d I \.\\l. Daftti
h ein mythischer oame i-t. fuhrt er jedoch nnr die Gibi<&ensteine nnd
• nl- den Damen einee swergköniga in San (Gera. 8, 171) hl
*i l1 -iml ancfa in einer form des Nibelungenliede!
1."). jli. BnJgenomm« d i 10, 1 1 1
486 BUGGE
andere Jungfrau wird liier erwähnt. Die briider Krimliilds
töten den Seyfrid, weil er mehr als diese geschätzt wird.
Ich glaube, dass diese sagenform durch den einfluss der
griechisch-römischen sage von Perseus entstanden ist. Dieser
rettete Andromeda, die an einen f eisen als die beute eines
meerungeheuers gefesselt ist, indem er das ungeheuer tötet
und darauf mit ihr hochzeit hält.
Der vater Krimliilds heisst in dem gediente von Seyfrid
Gybich] dieser hat drei söhne, von welchen Günther zuerst
erwähnt wird. Gybkh ist also als mit dem burgundischen
könige identisch aufgefasst worden. Dieser wird in lex Bur-
gundionum Gebka (var. Gibica) genannt.
Der vater Andromedas hiess Ceplieus. Dieser name kann
in Gebka, welcher als ein heimischer name bekannt war, ver-
deutscht worden sein. Wackernagel (Kleinere Schriften 3, 283)
hat viele beispiele dafür gesammelt, dass c im anlaut von
romanischen, lateinischen oder griechischen Wörtern in deutsches
g übergegangen ist. l) Lateinisch f, griech. ph kann im inlaut
bei lehn Wörtern in germanisches b übergehen.2)
In dem deutschen namen Gebka ist -ca ein deminutiv-
suffix, das u. a. in dem burgundischen namen Athica in einer
inschrift von 563 vorkommt; vgl. Wackernagel, Kleinere
schritten 3, 359.
Nun finden sich öfters dafür beispiele, dass dieselbe person
bald mit einem namen, der ein deminutivsuffix enthält, bald
mit einem namen von demselben stamm ohne ein deminutiv-
suffix genannt wird. Daher ist es ganz natürlich und mit sonst
vorkommenden Übergängen übereinstimmend, dass derjenige
mann, der im lateinischen in der antiken sage Ceplieus genannt
wurde, von den Deutschen, die diese sage aufnahmen, Gebka
genannt wurde.
J) Neugr. %ä(povQa, mhd. gaff er 'kampfer'; capa, ahd. gapha; carmi-
nare, ahd. garminön; carnarium; cilicium, ahd. gliza; calceus, ital. calzo,
mhd. golze; compositum, mhd. gumpost; contrefeü, gunterfeit; custos, ahd.
gustör. Noch kann genannt Averden Leiligcsteru in Hessen, von Leitcastre,
mhd. Gälaber Dietrichs flucht, Calabria.
2) Coblenz ahd. Chobilinza, hei Geogr. Rav. Conbülantia von Con-
fluentia; ahd. tu f stein und tübstein, tofus; ambictio in Alfreds Orosius =
Amphictyo.
.... WJSL8UNGEN- ü. NIB.-LTEDER. I-,
[ch vermute also, dasa die Franken die Bage von Perseus
kennen lernten, der die an einen felsen gefesselte tochter
königs I epluuis rettete, indem er das angehener, in di
macht sie war, tötete. Die Franken bildeten dieses in eine
heimische heldensage um und nannten den vater der Jungfrau
Gebico. Da nun ein bnrgnndischer könig, dervater der Gun-
thahari, denselben aamen trug, war diese namensübereinstim-
mnng der anlass dazu, dass eine mythische, von fremden er-
zählnngen beeinflnsste sage von Siegfried mit der sage von
historischen, burgnndischen königen zusammengeschmolzen
wurde.
Die gattin des Oibich ist nicht mit namen genannt. In
der nordischen Bage heisst die gattin Gjukes Grimhildr, wäh-
rend GHmhildr, Krimhilt, in der deutschen sage, auch im
Seyfridslied 51, der name der tochter (libichs ist.
Der name Krimhilt, GHmhildr bedeutet 'die behelmte
heldimf und ist von and. *crimo oder arima larva. persona,
galea gebildet, welches man aus crimun scenici, alt 11. grima,
grima 'maske' schliessen kann.1)
Die gattin des Cepheus hie>.> Cassiopeia. Der name i>t
Myth. \'atic I 7."». 1 in der handschrif I casiepia, in .Myth. Vatic.
II 7."» L. 17 \. cassiapan geschrieben.2) ich vermute, dass man
im mittelalter Cassiepia in Verbindung mit lat. cassis 'ein
heim' gesetzt hat und das> die Germanen daher den namen
durch Grimhild übersetzt haben. In (i>i»i/u/<l ist das erste
glied in betreff der bedeutung das hauptglied. Ein name auf
■hüd wurde nur gewählt, weil -hüd in weibernamen ein ge-
wöhnliches hinterglied war. i
Im mittelalter war es nicht ungewöhnlich, dass man fremde
eigennamen übersetzte, indem man sich bei der Übersetzung
an die vermeintliche, oft mit unrecht angenommene etymo-
logische bedeutung des fremden namens hielt
') Vgl. J. Grimm, HythoL1 ».217 f.; üüllenhofl, z.s. f.l.i. 12,299 902;
Bweel «Eldeel Engl I 29b.
') In bland schrieb man im mittelaltei
s. ut f.
ii engliacheo und im 18. jh. nach weibernamen anf -hüd
appellatiTiicbfl weibliche peraonennamen, all ma&eWd eermocinatrii gebildet
worden; & Eloge, Nomin. stammbild. g52.
488 BUUur^
Dieses gilt teils von Ortsnamen. So wurde Stettin von den
Isländern Burstaborg, Kamin Steinborg genannt. Der fluss-
name Sicoris bei Lucan wurde durch Orugga übersetzt. Orva-
sund in Helg. Hund. 1 24 scheint eine Übersetzung von Stralsund
zu sein, u.s.w.
Teils gilt es von Personennamen. Der könig Alfred über-
setzte Fabricii durch Welondes. Die Isländer übersetzten Livius
in Titus Livius durch den neidischen, Pontius in Pontius Pilatus
durch enn Pondverski, Aihra, in einer angelsächsischen ge-
schlechtsreihe den namen eines der vorfahren Wodens durch
Annan u.s.w.1)
Unter den verschiedenen Wörtern mit 'heim' erwählte
man bei der Übersetzung von Cassiepia grim-, weil man durch
Grimhild einen namen erhielt, welcher mit dem namen ihres
gatten Gebico, und da dieser mit dem burgundischen könige
desselben namens identificiert war, auch mit den namen seiner
söhne Gunthahari und Gislahari allitteration bildete.
Grimhild in der heldensage ist also ein name, der in der
urgermanischen oder der urdeutschen mythe nicht heimisch
ist. In der geschieht e ist derselbe auch nicht heimisch. Er
gehört von anfang an einzig und allein der dichtung. Der
name ist im mittelalter in der westgermanischen dichtung als
eine Übersetzung eines namens in einer antiken, und wie es
scheint mythischen dichtung entstanden.
Nach dem vorhergehenden glaube ich, dass die nordische
sagenform das ursprüngliche dadurch bewahrt hat, dass sie
Grimhildr den namen der mutter Gimnars, der frau Gjukes sein
lässt. Wenn nach der deutschen sagenform Krimhilt, Grim-
hild der name der tochter Gibichs, der frau Siegfrieds, der
Schwester Günthers ist, so sehe ich darin eine änderung des
ursprünglichen Verhältnisses.
Diese änderung denke ich mir auf folgende weise ent-
standen. In dem liede von Seyfrid wird die gerettete Jung-
frau in der regel nicht bei ihrem namen genannt. Sie wird
als künigs tochter, junckfraive, maget, meyd, megetleyn, iveyb
mit dazu gehörigen adjeetiven bezeichnet. Die schlussstrophe,
x) Wegen derartiger Übersetzungen vgl. Studier over de nord. Gude.
og Heltesagns Opr. I, register, s. 571; Helgedigtene, register, s. 349 b.
HEIMAT DBB ai. in. WELSÜNGEN- r. N1B.-LIEDER. 189
worin es Die drey brüder Krinihüdi heisst, ist Dach ßolther
s. x\ interpoliert Die jnngfran wird also dut in vers ;,i bei
ihren namen genannt Zuerst heisst es in st r. 50:
Es uniit anff difem ftayne
I >ir aller Bchönfte magdt, . . .
Sie ii't vnii Christel] lenten,
V.\ iis Königs tochter her . . .
I lanach Eolgl in 8tr. 51 :
Ir vatter der heyfl Gybich
l " ii ■ 1 lit/i't bej dem Eteyn,
Krimhill heyfl die Kttnigin,
Und ii't die tochter feyn.
Ich vermute, dass diese verszeilen in wenig veränderter
form aus einem uralten gedieht e von Siegfried äberfubrl Bind
und dass Krimhilt heisst die Künigin von anfang an auf die
gemahlin Gibichs, nicht auf die königstochter sieh bezog.
Da die königstochter in dem gediente nicht bei ihren
nanen genannl war. konnte die zeile leicht als von der königs-
tochter handelnd verstanden werden, and dieses misverständnis
einer verszeile, falls diese zu einem uralten und weit ver-
breiteten gedichte von Siegfried gehörte, kann die Veranlassung
ben halien. dass Grmhild, Krimhilt in der deutschen
sagenforn der nane der tochter wurde.
Dazu kam aiier mich ein nonent I»ie mit der Siegfried-
verbundene burgundische sage erzählte, dass Atiila i Etzel)
den Untergang Günthers und Beiner brüder verursachte. Dann
konnte natürlich der wünsch entstehen, dieses in der dich-
tung gerächl zu hören. Daher liess man Attila zur räche
für den Untergang Günthers und seiner brüder getötel werden,
und daher nachte man das gernanische weib, das der
nach Attila getötel hätte, zu der Bchwester Günthers. Nun
hiess aiicr dieses weib Uildikö, welcher nane als koseforn
aus Qritnhild an werden konnte. Hierin haben wir
dann einen nitwirkenden grund dazu, dass Grinhild, was von
anfang an der nane »im- gattin Gibichs war, zu dem namen
Beiner tochter gemacht wurde.
490 BUGGE
8. Sinfjotle und Herkules.
Zwischen der altnorwegischen sage von Sinfjotle und
und der sage von Herkules finden sich mehrere berührungen,
die nach meiner ansieht so erklärt werden müssen, dass die
antiken auf Herkules bezüglichen sagenmotive mittelbar oder
unmittelbar auf Sinfjotle übertragen worden sind.
Zuerst bespreche ich die sage von der geburt Sinfjotles.
Als Sinfjotle erzeugt wird, ruht Sigmund bei Signy drei
nachte nach einander (leggr kann hana hjd ser prjdr ncetr
samt Vols. s. cap. 7). Herkules wurde in einer nacht, die
dreifache dauer hatte, erzeugt.1)
Als Sinfjotle erzeugt wird, hat seine mutter die gestalt
eines anderen weibes angenommen, und sein vater kennt nicht
den wahren Zusammenhang. Als Herkules erzeugt wird, hat
sein vater die gestalt eines anderen mannes angenommen, und
seine mutter kennt nicht den wahren Zusammenhang.
Sowol von Sinfjotle als von Herkules gilt es, dass die
mutter die gemahlin seines Stiefvaters, nicht seines vaters, ist.
Sinfjotle als Herkules wächst in dem hause seines Stiefvaters
empor.
Sigmund prüft zuerst zwei söhne, welche Signy dem Siggeir
erzeugt hat, ob sie mut genug haben, um seine gehilf en bei
der räche zu sein. Die probe besteht darin, dass eine gift-
schlange in den mehlbeutel {mjglbelgr) hineingesteckt wird, aus
dem sie mehl nehmen, um brot zu backen. Die knaben werden
aber erschreckt und wagen es nicht, den mehlbeutel anzurühren.
Dann tötet Sigmund sie nach dem rate Signys. Als der vater
den Sinfjotle, welcher aus dem Volsungengeschlecht sowol von
väterlicher wie von mütterlicher seite ist, auf dieselbe probe
stellt, knetet dieser die schlänge mit dem mehl zusammen ohne
sich stören zu lassen.
Dieser sagenzug steht mit einer erzählung von Herkules
in Verbindung.2)
1) S. u.a. die folgenden stellen: jussit Jtqjpiter illani tripliccm esse
Myth. Vat. II 148 = Schol. ad Stat. Theb. XII 301, p. 411. Hercules . . .
trinoctio coneeptus Serv. in Verg. Bucol. VIII 75. de trinoctio facta una
nocte cum ea coneubuit Serv. in Verg. Aen. VIII 103. Apollod. 2, 48.
2) J. Grimm, D. Myth.3 s. 345 hat bereits bemerkt: 'Sinfiötli an dem
BBIHAT DBB AI. IN. WELSUNGEN- 0. BIB.-l [EDEB. 491
.Inno erfahren hatte, dass Jupiter mit Alkmene den
söhn Berkules bekommen liatte, Bchickte sie zwei Bchlangen,
welche den Herkules, Indem er in der wiege lag, verschlingen
solle, [phikles, der Bohn Alkmene« mit Amphitryon, de! von
der wiege herab and erweckte die eitern durch Bein geschrei.
Als sie aufgestanden waren, Bähen sie den Herkules die jchlai
in seinen händen haltend und sie erwürgend.1)
Nach Pherekydes (Apollodor II 4, 8) war es Amphitryon,
welcher die schlangen zu den knaben schickte, als diese ein
jähr alt waren, um zu erfahren, welcher von ihnen der söhn
Zeus1 und welcher der seinige sei [phikles entfloh, Herkules
aber erwürgte die üere. Daraus sah Amphitryon, dass [phikles
söhn war.
mders hebe ich hervor, dass in der alten irischen be-
arbeitung der erzählung des Daxes Phrygius von der Zerstörung
Trojas von Herkules (z. 2037), der hier söhn Amphitryons und
Alki nannl wird, folgendes berichtet wird: 'Dieses tat er
als kind. Eines tages gieng er von seini e hinaus,
von mutter und yater fort, allein mit Beinern zwillingsbruder
Fichlus, welchen Alkmene in derselben geburl geboren hatte,
Juno schickte zwei schlangen, um zu sehen, welcher von den
knahen der herzhaftigere sei und welchen die eitern am meisten
lichten, damit sie ihm unheil bringen könne. Bei dein anblick
der schlangen schrie er überlaut und jammerte und hielt sich
von den Bchlangen weit weg. Als sie aber zu Herkules kamen,
;• eine Bchlange in jeder band und tötete sie, indem er
ii den boden schlug.'1)
ol in der nordischen wie in der griechisch-römischen
tüung wird die Schlange mit den händen zu i rückt
In beiden erzahlungen wird der held im gegensatz zu dem
halbbruder, der erschrickt, weil er ans wenig etiler herknnft
i-t. hervorgehoben. Der nordischen erzählung tüm-
lich, dass die schlänge in einen mehlbeute] ist und
rag, di knabc
stellen, der in dei wiege durch wird.1
i l long Bndel sich u . a. in Muh. V.u. 1 ."■ band«
; ;in>t.iit / 'i;/tits und ;/j'lii/tus i
kt Theo, XII 801, p. m
492 BUGGE
Sinf jotle die schlänge mit seinen händen tot drückt, indem er
das mehl zu brot knetet. Ich denke mir diesen zug auf folgende
weise hineingekommen. Ursprünglich war nur gesagt, dass der
starke und herzhafte knabe die schlänge mit seinen händen
tot drückte. Aber ' drückte' war durch einen ausdruck be-
zeichnet, welcher speciell von dem mehlkneten gebraucht werden
konnte. Dieses gab dazu den anlass, dass das mehl und der
mehlbeutel in die sage hineinkamen. Aber die sage hat da-
durch verloren, denn es ist ein geringeres zeichen des mutes,
dass Sinf jotle eine giftige schlänge tot drückt, wenn er diese
nicht sieht, sondern nur merkt, dass sich etwas lebendiges in
dem mehlbeutel befindet.
Um die abhärtung Sinfjotles zu prüfen, ehe er zu Sig-
mund geschickt wird, näht seine mutter Signy, da der knabe
noch nicht zehn jähre alt ist, ein kleid an seinen händen in
haut und fleisch fest.1) Nachher reisst sie das kleid ab, so
dass die haut an den ärmeln hängen bleibt. Er machte sich
nichts daraus. Als die mutter ihn fragte, ob es weh tue, sagte
Sinf jotle: 'Wenig würde so etwas einem Vfdsung weh tun.'
Die halbbrüder Sinfjotles dagegen, die Signy auf dieselbe
weise geprüft hatte, hatten zum erbarmen gejammert.2) Hiermit
vergleiche ich die erzählung von Herkules unmittelbar vor
seinem tode. Die gattin des Herkules gibt ihm aus eifersucht
ein kleid, welches mit gift überschmiert ist. Als er es an-
gezogen hatte und da es sich an das fleisch festklebt, reisst
er es los, so dass das fleisch daran hängen bleibt.3) Die Ver-
hältnisse, unter welchen dieser einzelne zug in der griechisch-
römischen und andererseits in der nordischen erzählung vor-
kommt, sind ganz verschieden. Aber in dem zug, dass das
kleid, an das fleisch des beiden festgenäht, losgerissen wird,
so dass das fleisch daran hängen bleibt, ist eine so specielle
Übereinstimmung, dass ich eine historische Verbindung annehme.
Ich vermute, dass dieser einzelne zug von Herkules, von dem
ursprünglichen zusammenhange desselben losgerissen, im frühen
J) Ueber den ausdruck sauma at hgnclum s. Fritzner. Ordbog 2. ausg.
unter sauma und Cbristiania Videseskabsselskabs Forbandlinger 1880, no. 16.
2) VqIs. s. cap. 7; Bugges ausg. s. 94.
3) rovöe iixtLva cmtcrna nQoqnecpvxöxu tw amfiaxi, ovvantqn&vxo de
al oÜQxtq (Apollodor. II 7, 7). Vgl. Hygin. faö. 36, p. 37, ed. M. Schmidt.
iikimat DEB AI. TN. WELSUNGEN- r. nm:.-ui:i>i:i:. 403
mittelalter in Britannien erzählt worden ist Die nordische
säur hat den zug, dass Signy «las kleid bei den handgelenken
Sinfjoties an haut and fleisch festnäht, eingeführt. Der anlass
zu dieser Veränderung isl der von Fritzner erläuterte, im
norden gewöhnliche gebrauch, dass die guedern gewöhnlich
von weibern durch 'las nähen an die handgelenke
wurden, wenn mau sich ein kleid oder ein hemd angezogen
hatte. Wenn man grosse eile hatte, konnte es geschehen,
die nadel mit dem faden durch die haut gieng. So erzählt
Samuel Ödmann, dass der spätere probsl Wiesel, geboren I
einen präceptor hatte, zu des chäften es gehörte, jeden
sonntag morgen die handquedern an dem hemde seines schulers
mit nadel und faden zu befestigen. Aber an einem sonntag-
morgen, da man es verschlafen hatte, geschah es, weil man
eile hatte. da8S die nadel mit dem laden durch die hallt gieng,
ohne dass der jun^e Wiesel es wi ich merken zu Lassen,
wie weil es tat.
+ SOPHUS BUGGE.
DIE AUFGABEN DER NHD. WORTSTELLUNGS-
LEHRE. 0
Die nhd. wortstellungslehre sucht eine s}7ntaktiscli ge-
gliederte einheit in ihre teile zu zerlegen. Dann bestimmt
sie die form und die function dieser teile, soweit beide in
betracht kommen.
Hierauf stellt sie die gesetze fest, nach denen die teile
in der syntaktischen einheit angeordnet erscheinen. Es ist
in der darstellung hervorzuheben, dass diese an Ordnung aufs
engste mit der function, zum teil auch mit der form der
teile zusammenhängt, z. b. dass die nachstellung gewisser
nebensätze, wie der consecutivsätze, offenbar in beziehung zu
ihrer bedeutung steht, während es durch die form des
hauptsatzes, des nebensatzes und der bestimmungen mit um . . .
zu und ohne . . . zu bedingt ist, wenn sie nicht wie die Satz-
teile mit gleicher function, aber anderer form im innern des
Satzgefüges, sondern erst an dessen schluss stehen.
Dann ist zu untersuchen, ob und in welcher weise unter-
schieden in der anordnung der teile unterschiede in den übrigen
Seiten der form und in der function der gesammten gegliederten
einheit entsprechen. So sind z. b. zu behandeln die eigentüm-
lichen melodien der sätze, die mit dem verbum finitum beginnen,
J) Aus den folgenden abhandlungen und werken sind die angeführten
stellen nur mit dem namen des Verfassers und der Seitenzahl bezeichnet:
Braune, Zur lehre von der deutschen Wortstellung. Forschungen z. deutschen
Philologie s. 34 ff. — Erdmann, Grundzüge der deutschen syntax. I. —
Ries, Die Wortstellung im Beowulf. — Sütterlin, Die deutsche spräche
der gegenwart. 2. aufl. — Barth, Zur psychologie der gebundenen und
der freien Wortstellung. Philosophische Studien 19, 22 ff. — Wundt, Völker-
psychologie I. 2. teil, 2. aufl.
Sperrungen in diesen stellen stammen nicht von mir.
DIE AUFGABEN DEB KBD. W01 LEHRE. 195
die Verzögerung des tempos ond die pause iror einem satzteil,
der ongewOhnlicherweise oachgestellt wird, sowie die Function,
die an einen satz mit einer derartigen anordnung seiner teile
geknüpfl ist
Der ein«' hanptteil der wortstellungslehre umi
gebiel des satzes; er zerfällt in zwei teile.
Der eine teil befassl Bich mit dein Batz ond den ober-
einheiten als teilen des Batz ederter einheit. Die
obereinheiten Bind der form nach B-e (hauptsätze), N-e(ne1
Bätze), Batz&hnliche grnppen, d.h. inflnitive mit tm} um...eu,
ohne., .au mitsammt ihren bestünmnn tippen, «1. li. Batz-
teile, die Belbsl Byntaktisch gi sind,
n i i*i Wörter, oder die obereinheit findet gar keinen ausdruck.
Ein satz muss demnach im Binne der wortst dlung
wenigstens zwei obereinheiten umfassen selbstverständlich
ist eine bestimmte bedeutungsbeziehung der beiden oberein] i
rderlich, /.. b. alles wol.
Von den äusserlich als eingliedrig erscheinende]
d.h. von den Batzen, von deren inhalt nur ein teil in form
einer gruppe oder eines wortes in die erscheinnng tritt —
um d< - H-es ond $• , unten & 196 - Bind im sinne der
Wortstellung min I diejenigen als zweigliedrig zu fa
bei deren formung dem sprechenden die beiden bestandteile
satzes uicht zusammenflelen, namentlich die nach
analogieand os,d.h. verhältnismässig zwanglos
aui eine zweiheil von obereinheiten gebracht werden können,
/. b. Wet (du) nach h n n
Betrachtet man von den einglii en diejenigen,
die noch ohne •• aui eine zweiheit von obereinh<
zn bringen sind, nur aui den in d teil
hin. so sind sie, falls sie grnppen sind, sofort in onterein-
D zu /.< •:
l ».■!• zweite teil I sich mit der obereinheit .
gliedert ist and den Untereinheiten (ersten gn
ihren teilen, dann wenn oötig mit den Untereinheiten zwi
• ilen der Untereinheit ei id< - und
hi> keine weitere möglich ist
') Zu solchen eingliedrig
und mtcrj ' Juso nicht satikmi habcu.
406 BLÜMEL
Alle wenigstens zweigliedrigen sätze, H-e wie N-e, auch
wenn sie teile eines grösseren Satzgefüges sind, werden, gleich-
gültig ob von diesem Satzgefüge ausser dem teilsatze noch etwas
in die erscheinung tritt oder nicht, unter allen umständen so-
fort in obereinheiten zerlegt, diese wenn nötig in Untereinheiten
und so fort. Will man dabei die abhängigkeit des satzes her-
vorheben, so kann man von obereinheiten und Untereinheiten
u.s.w. zweiter, dritter Ordnung sprechen, wenn der satz der
function nach einer obereinheit oder Untereinheit gleichsteht.
Ueber die Zerlegung namentlich umfänglicherer Satzteile,
deren kern inflnitive mit zu, um . . . zu, ohne ... m bilden,
s. s. 515.
Den N fasse ich aus rein praktischen gründen ganz äusser-
lich nach der form und bezeichne als N-e relativ- und abhängige
fragesätze und sätze, die von unterordnenden conjunctionen
eingeleitet sind.
Von der wortstellungslehre ist nicht zu trennen die be-
trachtung der reihenfolge 'beigeordneter' inhalte. Diese be-
trachtung befasst sich ebenfalls mit Zerlegung und anordnung,
mit form und function.
Durch solche beiordnung können Untereinheiten entstehen:
(mit) dir und deinem bruder, obereinheiten: du und dein bruder,
satzstücke: (er) sitzt im garten und liest die zeitung, aber auch
sätze können so verbunden werden: er lacht und sie weint.
Damit sind wir auf den zweiten hauptteil der wort-
stellungslehre gekommen. Dieser beschäftigt sich (in ent-
sprechender weise wie der andere) mit gegliederten einheiten,
deren unterste teile die sätze und die einzelnen obereinheiten
mit satz wert sind (ich habe hier nicht Wundts 'satzäquivalente'
im äuge).
Ich kann hier auf dieses grosse gebiet nicht näher ein-
gehen. Nur auf einige punkte möchte ich hinweisen:
Wir könnten die Stellung bestimmter Wörter gar nicht
oder nur gewaltsam in die wortstellungslehre einreihen, wenn
wir uns nur an die sätze hielten.
Ein aber, ein nämlich kann nach der ersten (oder einer
hintern) obereinheit erster oder zweiter Ordnung stehen, auch
nach einer Untereinheit vor der folgenden Untereinheit, die die
vorausgehende nachträglich näher bestimmt, wenn beide unter-
IHK AUFGABEN DBB Mii>. W0BT8TELLUNGSLEHBE, 497
einheiten zusammen die erste obereinheit ergeben. VgL Hans
aber war nicht m hause. Wenn nämlich //(ins nicht §u hause
ist . . . Hans aber, der gute Jcerl, versieh es ihm. Abi >■ i-t wie
nämlich nur das bindeglied zwischen grösseren Inhalten, wobei
auf der einen wie anl der andern seite ein Batz oder "'ine —
vielleicht reichgegliederte - - mehrheil 7on Batzen Btehen kann.
Function Dach gehören aber und nämlich weder dem einen
noch dem andern inhali an. Ä.ber sie Btehen in den angeführten
beispielen im Batze, müssen also der form nach als ein teil
von ihm behandelt werden.
Ferner kann eine Behr umfängliche und sehr reich ge-
gliederte inhaltsmasse, z.b. eine lange erzählong, etwa als
accusativobject obereinheil oder als apposition zn g> xhichte
antereinheit Bein /.. b. in einem Batze: Er erzählte nun (/ tyende
chte):... Diese obereinheit, diese antereinheit mnss ich
doch scliritt für Bchritt gliedern, die Ordnung dieser glii
iten, bis ich - vielleicht erst nach mehreren zerlegnngs-
acten — am Batz angelangt bin, den ich aber, da ein satz
fach nicht etwa bloss einem andern, sondern auch einer
mehrheit yon Batzen gegenübertritt, bald bei einem b*üh<
bald bei einem Bp&tern zerlegungsact antreffe. Auch in diesem
falle könnte ich nicht einmal einen satz im sinne der wort-
Btellung recht auffassen, wenn ich die betrachtung grösserer
•:i. welche B&tze enthalten, von der wortstellungslehre
ausschliessen wollte; denn diese grösseren massen sind ja hier
ein teil eines satzea
Bndlich sind uns die B&tze durchaus nicht immer ohne
weite!-.- gegeben.
Die höchste gegliederte einheit, ?on der die Sprachwissen-
schaft auszugehen hat, ist die zusammenhängende menschliche
red- überhaupt — auch in einem gespräch; satz, gruppe, u"rt
sind nur dann die höchste gegliederte (oder, wenigstens an
lieh, ongi in/.en inhalt d< r
jeweiligen rede darstellen. Das gilt nicht für den
hörenden (oder lesenden), Bondern auch für den sprechenden.
Sobald die rede mehr als einen Batz umfasst, müF
— vielleicht durch mehrere zerlegui jedenfalls aber
durch Zerlegung gewonnen werden. gar
nicht BO einfach, all • heim. Sie wird QUg
498 BLÜMEL
unrichtig vollzogen, auch wenn die anwendung von willkür
nicht notwendig ist (die frage nach dem umfang der sätze ist
aber gerade für die bestimmung und abgrenzung der wort-
stellungstypen wichtig). — Es mag hier erwähnt werden, dass
auch eine mehrheit von beigeordneten H-en ausdruck für eine
gesammtvorstellung sein kann: er lacht, sie iveint, die erst
zerlegt worden ist, während eine solche Zerlegung auch beim
einfachen satz durchaus nicht immer vorausgegangen sein muss.
Schon die tatsache, dass wir in der wissenschaftlichen
betrachtung menschlicher rede die sätze ebenso durch Zerlegung
gewinnen müssen, wie die obereinheiten und Untereinheiten,
lässt vermuten, dass es sich auch um die anordnung der sätze,
nicht bloss um die anordnung der obereinheiten und Unter-
einheiten handeln wird. In der tat ist z. b. in bestimmten
Verhältnissen eine anordnung I II III durch eine andere, etwa
II III I, zu ersetzen, unter andern umständen nicht.
Es muss erst untersucht werden, wie weit bei der anord-
nung grösserer massen die grammatischen gesetze gehen. Eines
dieser gesetze ist jedenfalls in hohem grade wirksam: es ist
das in gewählterer rede geltende, dass die zeitliche reihenfolge
der ereignisse in der rede beachtet werden muss, wenn das
einfache Präteritum beibehalten werden und nicht im gegebenen
fall durch das plusquamperfect ersetzt werden soll. Dieses
gesetz gilt auch für eine erzählung, und hier muss doch dem
erzähler auch eine gliederung nach 'abschnitten' vorschweben,
nicht bloss nach einzelnen ereignissen.
Auch hier zeigt sich also ein Zusammenhang der beiden
hauptteile, indem der unterste teil des einen (den wir besser
den ersten zu nennen nahen), nämlich der satz, die höchste
gegliederte einheit des andern ist.
Für das ganze passt der name 'wortstellungslehre' freilich
nicht; er passt aber für keinen hauptteil und für keinen teil
des hier angegebenen ganzen, während allen diesen teilen die
betrachtung einer reihenfolge und der damit verbundenen bedeu-
tung gemeinsam ist (zum namen wortstellungslehre vgl. s. 508 ff.).
Psychologische und geschichtliche behandlung.
Hervorragend wichtig ist gerade in der wortstellungslehre
die berücksichtigung der Vorgänge in der seele
DIE \i I G IBRN DBB N'lll». W EISE.
l) des für Bich in worten denkenden oder für rieh redenden
oder virorte oiederschreibenden;
lesjenigen, der an einem gespräch bald als hörender,
bald als sprechender beteiligl
Auch die gebärden sind zn beachten.
Die hier in betrachl kommenden Seelenvorgänge können
am besten durch Selbstbeobachtung untersucht werden, mtl
aber auch durch beobachtung anderer personen and aus auf-
zeichnungen erschlossen werden. Hierbei Bind namentlich die
grammatisch 'falsch' gebauten Sätze und ihr Verhältnis zu den
'richtig' gebauten wichtig.
Brei durch psychologische and geschichtliche behandlang
einer sprachlichen erscheinung wird die nötige (und mögliche)
vollständigkeil erzielt Psychologische b ind bei der
geschichtlichen entwicklung massgebend, auch die psychologi-
schen Verhältnisse verschieben Bich and sinddahei tand
Bprachgeschichtlicher Forschung.
Anderseits isl die nur beschreibende psychologische dar-
stellung einer sprachlichen erscheinunj darauf verzichtet
werden des geschilderten zustande darzustellen, gezwungen
\ ielea als nur gegelx n hinzunehmen ohne es ei klären zn können,
weil es geschichtlich bedingt ist
Dnd doch h engewissen nicht zu unterschätzenden
wert, gerade die Verhältnisse der gegenwärtigen muttersprache
möglichsl von beschreibenden Standpunkt allein aus zu be-
handeln, allerdings In hinblick auf eine nöti rang
durch die geschichtliche darstellung.
Eine psychologische darstellung sprachlicher er-
Bcheinungen kann überhaupt nur an der gesprochenen
Bprache einsetzen. Hier nur können die in betracht kom-
menden I Uständig beobachtet, hier nur Kann eine 'voll-
ligkeit ' d i ials erl iche
hat dann anter den henen sprachen den gewall
wir in ihr >; bgefUhl1 D, BO
bleibt . pieh zn
warten. —
[ch ch mit rücksichl namentlich aut zeit
und räum auf eil »entlichen
:htet.
500 BLÜMEL
Wortstellung* und wortfrage.
Fördernd ist in der wortstellungslehre wie auch sonst in
der syntax das heranziehen von syntaktischen erscheinungen,
die mit der eben behandelten frage in Zusammenhang stehen,
hier das heranziehen von fragesätzen, besonders von wortfragen.
So treten die obereinheiten, allerdings nur in bestimmtem
umfang, deutlich vor äugen in der antwort auf eine 'wort-
frage', namentlich dann, wenn diese antwort nur den erfragten
inhalt zum ausdruck bringt.
Wer? und warum? sind je eine deutliche einheit in den
wortfragen wer kommt dran? und warum kannst du nicht mit
uns spazieren gehen?, sie kommen ja in wenig höflicher rede
auch allein vor, wenn eine beziehung dieser frageworter auf
einen schon ausgesprochenen satz vorliegt (T trennt die an-
teile der sprechenden an der rede): ich kann nicht mit euch
spazieren gehen T warum? Wer und warum sind auch im
sinne der Wortstellung je eine einheit (obereinheit), wie sich
zeigen wird. Wie nun iver, warum, die zeichen für einen un-
bekannten teilinhalt eines in allen übrigen teilen und auch in
den beziehungen sämmtlicher teile untereinander bekannten
satzes, eine einheit im satze bilden, so ist auch der die ant-
wort bildende teilinhalt, dessen zeichen iver oder warum ist,
der function nach eine einheit; denn er tritt für das fragewort
in derselben function ein (als subject bez. als bestimmung des
grundes). Gerade die function ist aber in der Wortstellung
sehr wichtig. Somit wird hier die einheit durch das subject,
durch die bestimmung des grundes gebildet, in welcher form
sie gegeben sein mögen, nicht bloss durch ein wort du, darum,
oder durch eine gruppe sie selbst, wegen meiner vielen arbeit,
oder durch einen infinitiv mit (um . . . ) zu, jenachdem mit be-
stimm ungen: um mich bei diesem nassen weiter nicht zu erkälten,
sondern auch durch einen N wer fragt = derjenige, der fragt,
weil ich zu müde bin oder durch einen H ich bin zu müde.
Ein wort oder eine gruppe und ein N oder ein H können
zusammentreten: derjenige der fragt. Aus dem gründe ich bin
so müde. Auch zwei oder mehrere sätze können zu einer ein-
heit zusammentreten: H und H: ich bin so müde und zeit habe
ich auch keine dazu. N und N: zveil ich zu müde bin und keine
DIE M DEB Nim. W0RT8TELLUHG8L] BSE. 501
seit dam habe. X und E: weü ich ttu müde bin und eeit habe
ich auch Leim- daMu (Übergang von II in X findet rieh sebi
Belten; vgl Behaghel, IT. I i. I
Es gibl Eragewortgruppen, welche mit einfachen h
Wörtern mit annähernd gleicher Eunction vertauscht werden
können, /. b. aus welchem gründe? warum? An wen? in
an wen schreibst du? —■ wem? Auch sie Bind demnach im
sinne der wortstellang als einheiten zn betrachten. Wenn in
andern fällen die vertauschung eines präpositionalausdrucks
mit einem einfachen wort nicht möglich ist (die einsetzung
z.b. von wofür? geht nicht immer an), so ergibl Bich die ein-
heit des ausdrucks daraus, dass er mit einem andern, durch
eine einheit ersetzbaren ausdruck Eunctionsverwanl ist
lie prftposition vom Substantiv oder vom pron men nicht
loszureissen. Entsprechendes gill vom Eragepronomen, das als
attribut steht; es Bteht in funetionsbeziehung zu andern attri-
buten, und diese attribute und ihre Bubstantive können /. t.
durch Zusammensetzungen ersetzl werden.
Es Bind sich also im sinne der Wortstellung wie sich
auch Bpäter zeigen wird in der Eunction wesentlich gleich-
wertigalle die verschiedenen formen, in denen eine obereinheit
auftreten kann:
I. 1 1 als einfaches wort oder als gruppe, als ein ausdruck,
der gebildet ist durch einen infinitiv mit su, um...su, ohm ...
:u mitsammt Beinen bestimmungen, nicht bestimmt oder be-
stimmt durch einen X oder H.
2) als X oder S;
II. durch eine mehrheit von beigeordneten solchen ein-
heiten, wobei diese einheiten in der form nicht gleichartig zu
Bein brauchen,
alle diese einheiten oder mehrheiten von einheiten nur in
ihrer funetion als Batzteile.
I liese i.n sache ist gerade f&r die nung
im rinne rtstellung wichtig; erst die erkenntn
h<- ermöglicht die ricl l jenzung I Dach
. hin. .1. h. dl irr mehr
als ein Bl
\\ ir bekommen den ein« wenn wir di
kannten teile der wortfra .. worden sind
502 BLÜMEL
— mit den nötigen änderungen, z. b. personenveränderungen du
> ich — oder variiert nach dem antwortkern widerholen, der
dem fragewort oder seiner gruppe entspricht. Dieser ganze
satz heisst: darum kann ich nicht mit euch spazieren gehen,
wegen meiner vielen arbeit kann ich nicht mit euch spazieren
gelten,
(nur) um mich bei dem nassen weiter nicht zu erkälten gehe
ich nicht mit euch spazieren,
iveil ich so müde bin kann ich nicht mit euch spazieren gehen,
ich bin so müde kann ich nicht mit euch spazieren gehen.
Letztere satzform ist durchaus nicht ungewöhnlich.
Die genannten Satzteile, welche als antwort dem fragewort
oder seiner gruppe entsprechen, treten auch in der 'vollständigen'
antwort, in der die bekannten Satzteile (nach ihnen) widerholt
werden, stark als einheit hervor, auch gegenüber dem auf sie
folgenden satzstück. Denn abgesehen davon, dass sie einer
andern, oft durch ein wort gegebenen einheit, der des frage-
wortes, entsprechen, sind s i e das neue, auf das der ganze vor-
hergehende satz angelegt war, sie sind das psychologische
prädicat (P), daher sind sie, d.h. ihre ' schwerste' silbe, stark
betont; sie sind oft durch augenblickliche tempozögerung oder
durch eine pause vom folgenden abgehoben.
Dass diese Satzteile in ihrem satze als obereinheit aufzu-
fassen sind, wird durch folgende erwägung erwiesen:
Das subjeet mit seinen bestimmungen (ebenso andere Satz-
teile, das verbum finitum ausgenommen, mit ihren bestimmungen)
bildet im sinne der Wortstellung eine feste einheit, d. h. diese
einheit zerreisst bei anderer Stellung nicht; mit dem nach-
folgenden verbum finitnm bilden subjeet und seine bestimmungen
keine einheit, denn besonders im N werden sie, gerade das
subjeet und seine bestimmungen, als unteilbares ganzes vom
verbum finitum getrennt (falls ein Satzteil vorhanden ist, durch
den sie getrennt werden können).
Daraus ergeben sich folgende grundsätze:
1) Die einheit eines umfänglichen ausdrucks im sinne der
Wortstellung zeigt sich darin, dass dieser bei allen Umstellungen
unzerrissen bleibt, z. b. Substantiv mit attribut. Das gilt nicht
bloss für die obereinheit im satz, sondern auch für die Unter-
einheit in der obereinheit, z. b. für des königs in der söhn des
Dil AUFGABEN DBB BHD. W0BT8TBLLUNG8LEHBB.
höniga and in des Jcönigs söhn Die einheitlichkeii zeigt Bich
bei der obereinheil auch an Batzanfang, wenn auf die ganze
am Batzbeginn Btehende maase Bofort «las verbum Unit um I
(Doch kann die einheil auch eine Lockere, Bie muss nicht
immer eine Feste sein. A.ber auch die lockere einheil ist immer
als einheil zu erkennen, auch wenn die teile gelegentlich
trennt Bind.)
Das gesetz: in H-en Btehl unr eine obereinheil vor dem
verbum finitum, wenn dieses nicht selbst den Batz beginnt,
nur scheinbare ausnahmen
2) Zwei Satzteile, von denen jeder in Beiner Function ein-
heitlich ist, und die Debeneinander stehen, bilden im sinn«
Wortstellung keine einheit, wenn sie bei änderung der Stellung
oder durch das hinzutreten eines neuen Batzteils getrennt
werden.
Für die obereinheiten gill dieser Batz immer, für die Unter-
einheiten ial es z. t. andera Man wird z. b. kaum anders an-
nehmen dürfen, als dass < In w ■mit zu gliedern ist
u rer mann '). vgl. •
aber nicht ein \nn, d.h. ein bleibt trotz
r örtlichen trennung von mann mit diesem eng verbunden,
genauere Feststellung der beziehungen zwisch
worl oderfra p*uppe and obereinheil imsatz wenigstens
.'im' den umfang dieser beziehungen hin ist für die wortstellungs-
lehre ebenfalls von bedeutui
Das attributive adjectiv ist nnfahig eine obereinheit zu
bilden (wenn das adjectii ntivisch verwendet wird, ist
i nicht mehr attributiv). Sätze wie bl mir
I nicht vollkommen verständlich, soll
nnbekan h z. b. um kleider handelt; 1
i v. irkl Iwie kU id\ t nach o :• i
aus der läge zu entnehmt wol Warn wi( i sind in
beziehung auf den inhalt /.
wmu mit
dick emeint sind. Hier liegt in beiden Sätzen (iabUme
und inbar ein« oheit, in wirklichkeil eine
I' li. nicht grammati
omni iu der schrifU] in nicht
504 BLÜMEL
Untereinheit vor. Fragewort und antwortkern (blaue) ent-
sprechen sich wider in der function.
Das wird offenbar für alle Untereinheiten gelten, nach
denen gefragt werden kann. Keine ab weichung ist es, wenn
auf eine frage welcher ivar es? (iv elcher auf ein vorausgegangenes
haiser Karl bezogen) die antwort erfolgt: Karl der fünfte] denn
hier wird nicht mit der entsprechenden Untereinheit geantwortet,
sondern mit der ganzen obereinheit. Entsprechendes gilt, wenn
umgekehrt etwa auf eine obereinheit welches haus . . . ? nur mit
der dem welches entsprechenden Untereinheit geantwortet wird:
das dritte von rechts mit dem hohen giebel. Es ist auch keine
ausnähme, wenn auf ein attributives ivelcher in zo elcher herr ...?
ein H oder mehrere als antwort folgen: sie haben ihn gestern
gesehen, er ritt auf einem rappen. Denn sobald ich die antwort
ganz oder teilweise 'ergänze', tritt der attributive Charakter
gewöhnlich deutlich hervor: (es war) der herr, den sie gestern
gesehen haben, der auf einem rappen ritt (oder: er ritt auf
einem rappen).
Ein aus welchem gründe? ist als ganzes zu betrachten;
hier erfolgt die antwort (gewöhnlich) nicht auf welchem allein.
Auch die präposition hat in der gruppe des frageworts
und in der antwortsgruppe die gleiche function, die der Unter-
einheit; die präposition wird in der antwortsgruppe wol immer
widerholt. Doch ist zu beachten, dass sie an beiden stellen
oder an einer stelle verschmolzen werden kann (wofür? dafür).
Der artikel tritt wol in der antwortsgruppe, aber wahr-
scheinlich nicht in der fragewortsgruppe auf. Was für ein?
und ivelch ein? (wenn letzteres auch in fragesätzen vorkommt)
haben als Zusammensetzungen zu gelten, wenn auch was für
ein getrennt werden kann (was war das für ein lärm ?). Dass
der artikel in der fragewortsgruppe nicht vorkommt, das ist
begründet nicht bloss in der altertümlichkeit des frageprono-
mens (man denke auch an die zweiformigkeit iver? — was?
ohne geschlechtsunterschied, an das fehlen des plurals, sowie
an das fehlen des artikels auch bei dieser, mein u.s.w.), son-
dern auch darin, dass selbst der 'unbestimmte' artikel dem
fragewort eine gewisse bestimmtheit verleihen würde, die mit
der Unklarheit unvereinbar ist, in welcher sich der fragende
gerade über den fraglichen inhalt befindet.
DIB AUFGABEN DBB Nlll». W0BT8TBLLUN0BLBHBB.
Präposition und artikel, umso and desto wie je vor com-
parativen haben das gemeinsame, dass nach ihnen in ihrer
ähnlichen Function nicht gefragt werden kann.
I >ic wortfrage nimmt ihr anbekanntes glied nie ausser-
halb des Batzes ('ausserhalb' im sinne der Wortstellung).
Es wird nicht nach VOCativen gefragt, auch nicht nach
interjeetionen, auch nicht nach ja oder lie antworten
auf satzfragen, aber mich oft interjeetionen sind; dann auch
nicht nach beiordnenden conjunetionen (und, "i></\ oder). Das
Eragewort könnte ja dem Batze nicht angehören, wenn der
inhalt, dessen /eichen es ist, ausserhalb d< - stünde.
Somit aberschreitet die wortfrage das satzgebiet der
Wortstellung nicht — wenn Satzteile, nach denen gefragt
werden kann, etwa nach dem satzschlusse nachgetragen werden
können, so stehen diese doch nicht ausserhalb des Batzes im
sinne ihrer Function, auch nicht im sinne der Wortstellung'.
'i isl das gebiet der wortfrage enger als das
Wortstellung. Ks kann nicht nach jedem satzteil gel
werden, nämlich nicht nach denjenigen, welche der Ver-
knüpfung dienen, also nicht nach Wörtern oder deren gruppen,
welche einen N einleiten, unterordnenden conjunetionen, rela-
tiven und deren gruppen «die Cragepronomina scheiden mit
ihren gruppen sowol in abhangigen wie in unabhängigen b
B&tzen von Belbst aus). Dann gehören hierher die den bei-
ordnenden conjunetionen verwanten o h\ gewisse verba
wegen ihrer bedeutung (hilfsverba).
Nach einem verbum tinitnm muss mit icas tut
geschieht ihm? u. • fragt werden (wenn nach ihn
werden kann). Der grund hiervon liegt darin, da» dem t
omen eine verbalfonn fehlt Dabei ist aber zweierlei nicht
ausser achl zu lassen:
li in der antwort auf ein was tut er? u.a. bildet der
verbalinhalt gewöhnlich nur in der tonn des Infinitivs
perfect den anfang, die verbalfonn rbum
tinitumi gewöhnlich nur im imperativ im weiteren sinn. /.. 1>.
gehen wir! als antwort auf - m? In der •
iIbo die antwort darin das betreffende verbum
tinitnm gtl nicht oder nicht am anfing d • ht ;
am tinitnm — mindi - an, wenn
506 BLÜMEL
der satz noch einen satzteil ausser ihm und dem subject enthält
— auch (oder nur) der Verknüpfung*; gerade deshalb kann nach
ihm um so weniger gefragt werden, je weniger es anderen
zwecken dient als der Verknüpfung.
Andere bestimmungen sind deshalb als antwort auf eine
wortfrage unmöglich, weil sie die art und weise angeben, in
der die Verknüpfung von psychologischem subject (S) und P
vor sich geht, z. b. nicht, selbstverständlich, alle hierhergehörigen
adverbien auf -weise. Hierher kann man auch die antworten
auf satzfragen ziehen, die aber ausserhalb des satzes stehen.
Die Satzteile, die mit infolge oder trotz eingeleitet sind,
können auch nicht gegenständ einer wortfrage sein, ausser
etwa einer pädagogischen. Sie stehen in beziehung zu der art
und weise, wie S und P verknüpft werden, meistens sind sie
S dazu.
Demonstrative pronomina und adverbien, sowie ihre
gruppen verknüpfen nur insofern, als sie den inhalt der von
ihnen vertretenen einheit wider aufnehmen. Die function im
satze ist aber sonst bei ihnen dieselbe wie die der von ihnen
vertretenen inhalte. Daher können sie antworten auf wort-
fragen bilden.
Die erklärung ist leicht: viele dieser Satzteile, nament-
lich die nur verknüpfenden, sind zu inhaltsarm, als dass
nach ihnen gefragt werden könnte (hierher gehören auch
Wörter wie schon, sogar, etwa). Den meisten fehlt aber gerade
die function, die allein sie dazu befähigen würde.
Die wortfrage hat als 'unbekannte' P, während S und die
art der Verknüpfung — oder die tatsache der Verknüpfung —
von S und P schon feststellt. Somit fallen die Verknüpfungs-
bestimmungen von selbst weg — man kann z. b. nach seltsam
als adverb fragen, aber nicht nach seltsamerweise. Der inhalt
seltsam macht also hier die frage nicht unmöglich, wol aber
die function des adverbs auf -weise. Ebenso fallen die ant-
worten auf satzfragen von selbst weg, da sie ja auf die Ver-
knüpfung von S und P gehen.
Die bestimmungen mit infolge und trotz kommen nicht in
betracht, weil sie S sind. Nach S kann aber nicht gefragt
werden.
du: \i DBB nmid. W0BT8TBLLUHG8LBHBE.
Dass die Function den du I zwischen den Satz-
gliedern bedingt, die als antwort anf wortfragen dienen können
lim l solchen, die das nicht können, zeigl Bich deutlich an
gender erscheinnng:
Jeder lau,, jede lautmasse von beliebigem nmfang nnd
von beliebiger gliedernng, sie mag BOgar noch so sinnlos sein,
sie mag jede beliebige Function haben, was ihre gewöhnliche
rolle im Batz bei e »gar ein Le kann die antwort
auf eine wortfrage bilden, kann also als obereinheit, aber auch
als nntereinheil auftreten.
Die fanction, welche die Satzteile sonst etwa haben, klinirt
dabei nur leise an (z.b. die dativfunction von dem manne in
einem Batz "d<m manne' ixt hier falsch). Die hauptsache ist,
diese inhalte wesentlich auf ihre äussere form hin (die
bei der gebärde •nur' gesehen wird) betrachtel nnd in Batzen
mit einem ganz bestimmten inhalt verwendet werden meist
hat er beziehung auf grammatik oder Stilistik !!t äber-
hanpt nur die tonn tv>t — und vor allem, dass sie in di
iner neuen Function verwendet werden, die mit
der etwa Bonst vorhandenen verwant Bein, aber auch erheblich
von ihr abweichen kann. \ir\. ld nicht richtig
(nominativ, jedoch <*in anderes subjectsverhältnis). l>-)i hunm'
dürfen sie neben diesem verbum >n<l,t sagen (anderes obj<
Verhältnis l. W< ri 'in </'
• Hm' mu
Schon der inhalt dieser Bätze bedingt eine ziemlich geringe
aii/ahl von Functionen, in denen diese Satzteile auftreten können.
können /.. b. weder in der fanction von verbum unitum
noch in der von conjunction odei inleitendes pron
auftreten; damit sind zwei Btelli
und 'li«' des N-es für d . wenn
inhalte <!• . fnen
nngen
1 1 Ries hal rei !it. wenn -tollung-
... ein in eminentem sinne syntaktisches problem i»t.
adige berücksichtigu ktischen gesichts-
l-unkt.- ni.ht /u lösen i-t
.<■ der iWuUcban iprschr M
508 BLÜMEL
2) Wenn die Wortstellung nach den angeordneten einheiten
— zunächst wird man wol die im satze angeordneten einheiten,
die obereinheiten, im äuge haben — und wenn die wortfrage
nach der einheit, durch welche sie — gewöhnlich — eingeleitet
ist, oder nach der einheit, in der die antwort gegeben wird,
benannt sein soll, so sind beide namen unrichtig.1)
Was zunächst die einheit betrifft, innerhalb deren das
fragewort auftritt, so wird ja vielfach die präposition, ebenso
als und wie als blosses formwort betrachtet. Nach dieser an-
nähme kann für wen, als was noch als je ein wort gelten.
Mir liegt es näher für wen und als was als je zwei Wörter zu
betrachten. Noch weniger kann natürlich aus ivelcliem gründe,
in welcher hinsieht, bei welcher gclegenheit, in welcher richtung
der form nach als ein wort im sinne der grammatik bezeichnet
werden, wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass z. b.
in ... richtung — entsprechend die anderen ausdrücke — nicht
viel mehr bedeutet als etwa ein suffix (oder eine präposition)
vgl. gr. -de. Wessen in der gruppe in ivessen namen ist frei-
lich ein wort, doch mit seiner gruppe fest verwachsen, und
diese gruppe leitet die wortfrage ein (die obereinheit in
ivessen namen eröffnet den satz, nicht die Untereinheit wessen
— eine Untereinheit eröffnet den satz überhaupt nicht — wenn
auch nur ein teil der eröffnenden obereinheit den gegenständ
der frage bildet). In dieser gruppe steht in, nicht ivessen an
der spitze, und mit dieser beginnenden Untereinheit in allein
steht wessen nicht in unmittelbarer syntaktischer beziehung,
wenigstens was die funetion betrifft.
Entsprechendes gilt von der antwort auf die wortfrage.
Sie kann gebildet werden durch ein wort oder eine gruppe,
durch einen infinitiv mit zu, um . . . zu, ohne . . . zu und seine
etwaigen bestimmungen, durch einen N oder H, auch durch
eine mehrheit von Sätzen. Man kann auch nicht sagen, der
fragende wünsche als antworteinheit ein wort. Er will nur
aufschluss schlechthin und könnte schwerlich eine frage stellen
wie diese: ivas hat er dir alles mitgeteilt?, wenn er als antwort
ein wort haben wollte.
l) Wortstellung kann freilich als 'Stellung der worte' gefasst werden.
Bei 'wortfrage' kann ich nur an 'wort', nicht an ' Wörter' oder 'worte'
denken.
DIE AUFGABEN DEB BHD. W0BT8TELLUNG8LEHBE.
In entsprechender weise ist übrigens zu sagen, dsss die
abhängigen fragesätze and die relativsätze die obereinheit
des Erage- oder relativpronomens an der Bpitze haben. Diese
obereinheit ist auch in diesen Batzen, wie in den unabhängigen
fragesätzen, durchaus nicht Immer durch das pronomen allein
gebildet 7gL wü heisst derherr, au/ grund undh
wir stehen?
— Es gibt übrigens auch 'wortfragen', in denen das frag-
liche Satzglied gar nicht durch ein wort ausgedrückt wird:
wünschen? Auf diese fragen passt der name 'wortfrage' eben-
falls nicht, jedoch aus einem andern gründe.
Die obereinheit der Wortstellung kann ein wort sein, aber
auch eine gruppe, einer der genannten infinitiyausdr&cke, ein
satz (N oder II i. auch eine mehrheit von Sätzen.
I lie obereinheiten der Wortstellung zerfallen durchaus nicht
immer in gleichwertige worte.1) Bin X. ein H. der ein teil
eines grösseren satzes ist, muss wider wie ein selbständ
satz in obereinheiten zerlegt werden. Wenn die obereinheiten
zerlegbar sind, so können auch ihre nächsten Untereinheiten
durch worte oder gruppen, einen infinitivausdruck, durch N-e
oder B-e gebildet sein, ebenso die nächstniederen Untereinheiten.
Mindestens bei den höchsten Untereinheiten sind mehrheiten
vi'ii Batzen nicht ausgeschlossen. — Jn der Umgangssprache
ist ein satz das ist dervater von dem hüben ■ en freund
gerettet hat nicht unmöglich. Bier kommen wir aui daswort
als eine unterste zerlegungagrenze z. b. bei das auf das i
mal. bei devi beim dritten, bei dert beim vierten, bt
erst beim fünften zerlegungsact Diese Wörter sind demnach
gerade nach ihrer fonction in der Wortstellung ■/<
zu bewerten.
unit -"11 durchaus nicht d mir
gerade bekämpften ansieht, der da?on spricht, <bs- einaatateil 'in m<
'ani mehreren Worten beatehe'. ho^pgen i-t .•* absn-
lehnen, «renn Brenne a B7 ?on ^>;/" d w i< mmt nnd •■■
kommt ttoin oa trota der proi litischen w
nnd i'inf <lfii wOrtern vater nnd ticcifel di< lügt wird.
Hier iel d Inheit in gunsten d
. n tritt «las .1 Itnifl in d
uii'l /.war fiel M It
510 BLÜMEL
Das einzelne wort kann in der function einer gruppe,
einem infinitivausdruck, einem N oder H, einer mehrheit von
Sätzen gleichwertig sein, und zwar sowol als obereinheit. wie
als höhere und z. t. niedere Untereinheit. Ganz deutlich wird
das in der beiordnung: ich oder mein bruäer, die taten Hamil-
Jcars und seines sohnes Hannibal. Ein fragewort kann das
zeichen für ein wort, eine gruppe, einen infinitivausdruck, einen
N oder H, eine mehrheit von Sätzen sein.
Beim zerlegen des satzes — so scheint es wenigstens —
kommen wir zuletzt immer auf Wörter und mit dieser Zerlegung
scheint die Zerlegung wenigstens im sinne der Wortstellung
beendigt. Wenn ich sage: ge- ist eine vorsübe, so ist ge-
syntaktisch ein wort, ein Substantiv (hier eine obereinheit).
— Es kommt aber auch vor, dass ein für die Wortstellung
sehr wichtiger satzteil gar nicht ausgesprochen wird.
Gerade für die abgrenzung des satzes, damit auch für die
abgrenzung der wortstellungstypen, ist dieses ausbleiben eines
hörbaren ausdrucks in lauten für einen satzteil sehr wichtig.
Schwierig ist die frage, ob der unausgesprochene factor
(genauer gesagt, der factor, der keinen ausdruck in einem
eigenen wort gefunden hat), durch den in einem relativ- oder
abhängigen fragesatz die Stellung des verbums ' bedingt' wird,
an das pronomen gebunden ist oder nicht. In letzterem falle
hätten wir einen factor der Wortstellung, dem wir überhaupt
keinen platz in einem wort, nicht einmal in einem zu er-
gänzenden wort, anzuweisen hätten, der aber trotzdem seinen
ausdruck fände, z. b. in der melodie. Wahrscheinlich hat aber
schon das pronomen eine bedeutungsfärbung, welche die wesent-
liche bedingung für die Stellung des verbums ist.
Abgrenzung der obereinheiten im satz.
Darüber einige andeutungen. Die obereinheiten sind z. t.
fest, z. t. locker. Bei jenen können die Untereinheiten — aber
durchaus nicht in allen fällen — gelegentlich als obereinheiten
auftreten, bei diesen ist umgekehrt das zusammentreten zweier
einheiten zu einer das seltenere.
Fest ist z. b. eine obereinheit mit einem Substantiv als
kern, locker die Verbindung gewisser bestimmungen mit dem
DIE AUFGABEN DBB EBD. W0BT8TELL1 LI IE. 511
infinit iv oder particip perfecl (nach Berlin fahren will ich nicht,
dafür wol häufiger nach Berlin teil/ ich nicht fah\
In vielen fällen ist es oichl recht 1 1 1 • - ^ l i ■ - 1 1 festzustellen,
ob 6ine obereinheil vorliegt oder zwei. Das gilt sowol in
fallen, wo diese 6ine einheil locker wäre, als auch in solchen,
wo sie fest wäre. Vgl. für den ersten fall ich will nicht muh
Berlin fahren, für den zweiten densatz ausserdem arbeiten die
leute in der Stadt fleissiger. Der zusatz als die au f dem land
würde erkennen lassen, dass die leute in der Stadt eine einheil
ist, der zusatz als au f dem land liesse auf zwei Bchliessen.
Wenn zwei obereinheiten in der mehrzahl der falle zu-
sammentreffen, die infolge einer andern gliederung eine ober-
einheit bilden können, z. 1>. dem mann und sein hut, so ist
diese anordnung einer etwa eintretenden gliederungsverschie-
bung günstig.
Die Wortstellung ist anderseits in vielen fällen das sicherste
anzeichen dafür, das- die Bereinigung zweier ehemals selb-
ständiger einheiten zu einer vollzogen ist oder dass zwei ehe-
mals zusammengehörige Untereinheiten selbständige oberein-
heiten geworden sind. Vgl für den ersten fall demvater
lud ist schön, für den zweiten des jubeis war kein ende (vor
dem verbum ftnitum Bteht im II nur eine obereinheit, voraus-
tzt, dass nicht das verbum linitnm selbsl den satz eröffnet i.
Man kann hier sprechen von
Aufbau und zerreissung von einheiten.
Beides können wir in der Umgangssprache unmittelbar, in
je einem satze, wahrnehmen.
Kineii aufbau. eine Zusammenfassung zweier einheilen zu
einer, vollzog ich in dem .satz wo ist denn die - FranM-Ludwig-
war zunächst alleinstehendes pronomen, etwa =
'die, an die ich denkt '. dann artikel zu Frans-Ludu
— Haben sie keinen schraubenjricher? An meim klavier tl<i<
klappert immet te \1> ich aussprach an meim thwebte
ortsetzung vor etwa kla heas...) ziemlich
dunkel, das übrige ganz dunkel Dann nahm ich die von
lung des klappernden Bchlossbeschläges ai> d,is auf. Damit
hiess die erste einheit "" meim klavier da klag nn
meinem im zweiten fall liegt eine Vereinigung zw
512 BLÜMEL
obereinheiten vor, im ersten ist die zuerst obereinheit, dann
Untereinheit, Franz-Liidivigstrasse dagegen von anfang an kern
der neuen obereinheit). Vgl. dazu die folgenden beispiele, in
denen es freilich nicht ausgeschlossen ist, dass für den sprechen-
den von anfang an die eröffnende obereinheit in der vorliegenden
form einheitlich war:
In meim heimatsdorf die haben her seh gehabt . . . (wahr-
scheinlich folgte unmittelbar darauf das lob der kirschen) Si.
(Eier) unten das grosse ist ein entenei BnÜ!. Nach grosse tempo-
zögerung. Von meinem simmer die aussieht ist wirklieh ivunderbar
eine dame, in Amrum. In dem südöstlichen sipfel von Bayern
in Reichenhall die (Jiabens lieber wenns nicht so heiss ist) Sehe.
Dazu: jetzt ich trink jeden tag mei mass — jeden tag d
mass — jeden tag d mass ist mein quantum ein herr. Jeden
tag 9 mass 2 war P. Hier ist ziemlich sicher anzunehmen, dass
jeden tag mei mass zwei obereinheiten sind, dass aber das
zweite jeden tag d mass, da es vor dem verbum finitum im H
steht, eine einheit ist (= eine mass täglich). Was das da-
zwischenliegende jeden tag d mass ist, entzieht sich der beobach-
tung; irgendwo liegt der Übergang, der aber durchaus nicht
genau in der mitte vor sich gehen muss, auf sehr verschiedene
weise denkbar ist und höchstwahrscheinlich unbewusst vor
sich geht.
Mit ausnähme des satzes von der Franz-Ludwigstrasse
haben alle diese sätze etwas gemeinsames: zuerst eine Orts-
bestimmung (im letzten eine Zeitbestimmung), dann ein sub-
stantivischer inhalt, subjeet oder objeet, der mit dieser Orts-
bestimmung oder Zeitbestimmung in enger beziehung steht (ein
ganzer satz ist in eine einheit zusammengedrängt: die stuhl
sind schon miserabel — miserable stuhl Z. — Ganz ent-
sprechende sätze habe ich auch schon gesprochen).
Die zerreissung einer einheit erfolgt dadurch, dass in
einer obereinheit die eine schon ausgesprochene Untereinheit
im bewusstsein zunächst wider zurücktritt, aber so, dass sie
der andern, die durch die trennung zu einer obereinheit ge-
worden ist, in anderer gliederung ebenfalls als obereinheit,
vielleicht variiert, noch einmal gegenübergestellt wird. Aus
ab wird b a . . , die form des satzes heisst aber tatsäch-
lich ab ... .a.. .
imk AUFGABEN DEB Mll'. V BSE. 513
(Mitteilung beim überbringen einer schon vorher vom
sprechenden erwähnten Zeitschrift:) was von Bosegger
paar sacken drin II Anfang (dnrchans nicht was!) *etwas
von Uosegger ist drin, beachte die congrnenz von sind mit eist
paar sacken sofort hinter von Uosegger. l-m paar assisienien
von der post sind ein paar da 8b. Wahrscheinlich heissl der
neue satzanfang eher assisienien von der post, als von
post...\ in letzterem falle würde ein paar assistenten in ein paart
aachwirken. | Kreuzbergausflug, schneefal] vorausgegangen:)
Wenns so gewesen war wie gestern haits keinen sinn Str. (neuer
anfang: gestern hatte <* keinen sinn\ anf dem papier ist der satz
nicht eindeutig, erst das gehör gibt den anaschlag). Hier ist
dem X die letzte obereinheil entnommen (wü mu\ gestern fasse
ich als zwei obereinheiten).
Einheit im Binne der Wortstellung und enge der
syntaktischen Zusammengehörigkeit
Ries stellt b. 168 das princip anf: 'Je enger ihre syn-
taktische Zusammengehörigkeit ist. um bo grössere
neigung zeigen die glieder eines satzes zusammenzu-
bleiben.1
Vgl da/u Ries, Zs.fda. 40. *J7«> f.: -Die Wirkung eines anderen
psychologischen grundsatzes, nach welchem das begrifflich ver-
bundene auch in der Wortfolge sich zusammenschliesst In
zweiter linie ist der einfluss der analogie zu betonen.1
Dazu ist zu bemerken: zwei (oder mehr) .-atzteile n
ihrer fnnction nach noch bo eng zusammengehören, dadurch ist
durchaus nicht bedingt, dass sie eine feste einheit, ja
sie überhaupt zusammen eine (ober-) einheit im sinne der Wort-
stellung bilden.
Anderseits können Satzteile feste obereinheiten bilden,
deren bestandteile nach ihrer fnnction nicht so eng zusammen-
gehören als jene anderen Batsteile
mders eng gehören lusammen erg&nzungsbedorftigQ
Lei mit ihren erganzungen, s.d. verbum (finitum) und
ject. gewisse verba mit Ortsbestimmungen, s.d. tteksn, liegen,
gelegen sein in sitsen wie München Uegi an dt r Isar
Stimmungen werdes r oft und dann durch-
514 BLÜMEL
gehend vom verbum losgerissen. Weil ich dich voraussichtlich
lange nicht mehr sehe . . .
Die bedingungen für das zusammentreten sind aber hier
meist psychologischer art, namentlich diegliederung spielt
dabei eine wichtige rolle. Sie umfassen nicht alle fälle, wo
notwendige bestimmungen stehen, man wird nur in ganz be-
stimmten fällen sagen können ihn sehen mag ich nicht, sie
umfassen aber auch fälle mit freieren bestimmungen, z. b. den
ganzen tag singen macht ihm spass. Vgl. in der Schriftsprache
die attributiven participien des präsens, die wie die nominal
gebrauchten anderen participien und infinitive mit ihren —
notwendigen und freien — bestimmungen teile je einer festen
einheit sind.
Die ständigen, festen Verbindungen gewisser bestimmungen
mit dem infinitiv (vor dem noch zu stehen kann) oder dem
particip perfect sind als unfeste Zusammensetzungen schon zur
wortbildungslehre zu rechnen. Es handelt sich hier um be-
stimmungen, die in dieser Zusammensetzung den hauptton
tragen: präpositionaladverbia wie ah, an, sowie um ausdrücke
wie Schlittschuh laufen, zu gründe richten, dann um Wendungen
der Schriftsprache wie in anivcndung bringen. Nur im N
treten diese bestimmungen ständig mit ihrem verbum finitum
zusammen, aber nur deshalb, weil dessen Stellung im N der-
jenigen der genannten nominalformen des verbs im H ent-
spricht: abgehen — abgehst.
So treten auch der infinitiv oder das particip perfect und
ihr hilfsverbum nur im N ständig zusammen, während sie im
H durch jede obereinheit ständig getrennt werden, die hinter
dem verbum finitum an ihrem gewöhnlichen platze angeordnet
ist, ausser wenn das hilfsverbum selbst im infinitiv oder im
particip perfect steht.
Infinitive mit zu, um . . . zu, ohne . . .zu können mehrere
bestimmungen — freie und notwendige — unter diesen auch
particip perfect und andere infinitive — zu sich nehmen. Diese
ganze masse bildet eine einheit im sinne der Wortstellung.
Diese einheitlichkeit zeigt sich nicht bloss am anfang des
H-es, weil erst nach dem ganzen ausdruck das verbum finitum
kommt, sondern auch am Schlüsse des H-es und des N-es.
Wenn nämlich diese ausdrücke nicht am anfange des satzes
DIB AUFGABEN DBB NHD. W0BTBTBLLUXO8LEHBE. 515
stellen, so Bt< gewöhnlich — namentlich die Infinitive
mit um. ..su und ohne...eu — mit allen ihren bestimmungen
ganz am schlnss des satzes, auch nach den Satzteilen, die sonst
ständig am ende dea satzes stehen, »ianz entsprechend sondert
sich anch der N und der ii gerne von der gesammten übrigen
masse des Satzgefüges ab, dem er angehört Somil erscheinen
diese einheiten als etwas satzähnliches, nmsomehr, ab
ahnlieh wie ein satz eine Vielheit von Satzteilen enthalten
können. Aber eigentliche Sätze sind sie doch nicht. Es gibt
-ländig unabhängige X-e, z.b. wenn-sätze mit der bedeutung
eines Wunschsatzes, aber die hier behandelten ausdrücke be-
halten, auch wenn sie allein stehen, immer die eigenschait
eines Satzteils, z.b. so etwas su tun! Im ganzen ton liegt die
misbillignng, die P ist und auch durch worte wie ist ein sta
stück widergegeben werden könnte. In der wortstellnngslehre
wird aber nichts anderes übrig bleiben, als solche umfängliche
(oder auch weniger umfängliche) ausdrücke als obereinheiten
zu betrachten, dann aber wie die X-e und H-e, welche eben-
falls obereinheiten sind, in obereinheiten zweiter oder dritter
Ordnung zu zerlegen. Noch schwieriger ist die frage bei den
adjeetivisch gebrauchten partieipien des präsens und des per-
fects, wenn diese bestimmungen bei sich haben, wie sie d im
verbum finitum zukommen. Als attributives adjeetiv müssen
sie in der wortstellnngslehre als Untereinheit betrachtet werden;
die bestimmungen geben aber dem ganzen ausdruck (Substantiv
mit partieip, dieses mit seinen bestimmungen) wider etwas
sat /ähnliches. .Man wird hier wol die bestimmungen des par-
ticij'S. trotzdem sie die form von obereinheiten haben und eine
mindestens derjenigen der obereinheiten sehr ähnliche, wenn
nicht gleiche functiou aufweisen, doch als niedere Untereinheiten
bezeichnen müssen. Die einheitlichkeit dieser ausdrücke tritt
besonders dann klar hervor, wenn der artikel dabeisteht, denn
er und das substantiv. ähnlich wie um und eu, ohne und tu
beim intinitiv. schliessen alles übrige ein. Auch eine Verände-
rung der Stellung im satze zeigt die anzerreissbarkeit der ein-
heit. welche das attributive partieip präsens oder perfeel enthält.
l>as verbum ünitum bildet mit keinem andern satzteil zu-
sammen eine obereinheit. weil es mit keinem Btändig zusammen«
bleibt.
516 BLÜMEL
In einem falle scheint sich eine solche einheit zu bilden.
Es handelt sich um den gebrauch, sich möglichst weit nach
hinten, offenbar in möglichste nähe des finiten verbums, oder
des infinitivs oder des particips präsens oder perfects zu rücken.
Diese erscheinung ist erst näher zu untersuchen, sie hängt
mit andern keineswegs erfreulichen, ebenfalls wol neueren ge-
brauchen in der Wortstellung zusammen.1) Zu deuten ist sie
wol so, dass damit ein weiterer schritt getan ist, um die ein-
heit von reflexiv und verbum auch äusserlich in der Wort-
stellung hervortreten zu lassen.
Entsprechendes gilt von ich anerkenne, das nach Cauer
'unlogisch' sein soll.
Die tatsache, dass aus der verschiedenen Stellung des
finiten verbs im nhd. satz gewisse (aber nicht alle) typen
der Wortstellung erkannt werden können, beweist an sich
noch nicht, dass das verbum finitum eine obereinheit ganz für
sich bildet.
Das hat vielmehr folgenden grund:
Das verbum finitum tritt durch die Wortstellung in be-
ziehung zu der gesammten masse der übrigen Satzteile. Der
Wechsel in der Stellung dieser Satzteile hat keine beziehung
zum Wechsel der verbstellung. Da infolge dieses wechseis das
verbum finitum bald hinter dem ersten satzteil oder vor allen
andern Satzteilen, also (in der regel) weit vorne oder ganz
vorne im satze stehen, bald hinter allen übrigen Satzgliedern,
also ganz am Schlüsse des satzes angeordnet sein kann, so ist
dieser Wechsel in der verbstellung ganz besonders geeignet,
jede einheit, die am satzanfang oder am satzende zwischen
dem verbum finitum und einem andern Satzglied entstehen
könnte, zu zerreissen, nmsomehr als die übrigen einheiten ein
'bestreben' haben, ihre Stellung untereinander beizubehalten.
Es wäre an sich eine entwicklung denkbar, welche dazu
geführt hätte, dass die objecte in einer ganz festen Ordnung
unter sich und immer unmittelbar nach dem verbum finitum
angeordnet wären, und dass dieses nach den jetzt tatsächlich
geltenden gesetzen bald an zweiter, bald an erster stelle, bald
hinter allen übrigen Satzteilen mit ausnähme der objecte stünde.
x) Diese 'Verspätung' von sich dient auch noch anderen zwecken.
DIE AUFGABEN DBB Nim. W0BT8TELLUNG8LEHBE. 517
Man könnte dann mit dem nämlichen recht wie unter den
jetzigen tatsächlichen Verhältnissen den wortstellungstypus ans
der verbstellung allein ablesen, schon deswegen, weil nicht alle
v« irba objecte haben. Und doch würde in diesem, rein gedachten
fall das vtiimiii liiiiimn mit seinem object oder mit seinen
objeeten zusammen eine obereinlieit bilden.
Weil das verbnm finitnm allein eine obereinlieit bildet,
grenzt es die erste einheit, die ihm im H vorausgeht, so scharf ab.
Während der nicht nominal verwendete infinitiv ohne zu
und das nicht nominal verwendete partieip perfect mit ihren
bestimmungen lockere obereinheiten eingehen können, bilden
alle nominalformen des verbums, wenn sie als nomina
gebraucht (gegebenen falls auch decliniert) werden, mit ihren
bestimmungen feste einheiten, wie die nomina überhaupt. Der
Infinitiv fungiert dabei als Substantiv und wird wie ein solches
bestimmt, desgleichen die substantivierten partieipien. Gewöhn-
lich fungieren die partieipien als adjeetiva und werden wie ihre
yerba finita bestimmt.
Die nomina bilden überhaupt mit ihren bestimmungen
feste Wortstellungseinheiten und zwar ständig.
Auf die enge der syntaktischen Zusammengehörigkeit
scheint es dabei auch anzukommen. Gewisse bestimmungen,
die in einem weiteren Verhältnis zu ihrem Substantiv stehen,
können nach dem satzschluss nachgetragen oder ihrer einheit
sofort nachgestellt werden. Auch adverbiale bestimmungen
können auf diese doppelte weise nachträglich bestimmt werden.
Zwischen der einheit und der ihr gleich folgenden nachträg-
lichen bestimmnng kann eine beiordnende conjimetion stehen.
wie aber, nämlich, ohne dass dadurch die gesammteinheil zer-
rissen wird (denn aber, nämlich gehören ja der funetion nach
gar nicht 'in den sarz hinein"). Die einheitlichkeil zeigt sich
besonders, wenn ein attributives Sediertes adjeetiv nach-
getragen wild, weil hier der Artikel Widerholt werden niuss.
Ivs niuss erst genauer untersucht werden, wann ein Bolcher
nachtrag möglieb ist und wann nicht Wahrscheinlich kommt
labei wie gesagt auf die enge des Verhältnisses an; es wird
kaum möglich sein. Zusammensetzungen, welche die form no-
minaler gruppen haben, auch nur gelegentlich zu lerreissen
(z. b. die Zusammensetzung Karl dir prowe), auch die nomina
518 BLÜMEL
agentis und actionis werden von ihren notwendigen bestim-
mungen kaum getrennt werden.
(Dagegen bildet das verbum finitum in den entsprechenden
fällen im sinne der Wortstellung stets eine obereinheit für
sich: weder Zusammensetzungen wie hat ... getan, steigt .. .ab,
noch object und verbum finitum, subject und verbum finitum
bilden im sinne der Wortstellung eine einheit.)
Gewisse einheiten, z. b. solche, die nur aus artikel und
Substantiv, präposition und Substantiv bestehen, sind wol ganz
unzerreissbar. In mit mir und dir gilt mit für das folgende
insgesammt.
Eies sagt s. 34: 'es besteht kein directer Zusammenhang
zwischen der Unterscheidung von verbum und nomen und dem
rein syntaktischen problem der Wortstellung; jener unterschied
der Wortarten geht zunächst nur die wortlehre an, die syntax
erst indirect.'
Auf grund dessen, was ich eben vorgebracht habe, kann
ich Eies hier nicht beistimmen.
Es ist sicher nicht bedeutungslos, dass verbum und nomen
in der möglichkeit einheiten zu bilden so verschieden sind und
namentlich, dass infinitiv und particip perfect auch hier Zwischen-
stufen zwischen verbum finitum und nomen bilden und zwar
nur dann, wenn sie ihrer sonstigen syntaktischen function nach
Zwischenstufen zwischen verbum finitum und nomen sind.
Worin besteht aber (im sinne der Wortstellung) der syn-
taktische unterschied von verbum finitum und nomen? Ich
habe ja selbst (s. 517 f.) darauf hingewiesen, dass verbum
finitum und nomen in der möglichkeit einheiten zu bilden
selbst da verschieden sind, wo in der enge der jeweiligen
syntaktischen beziehungen zum andern inhalt kein oder viel-
leicht nur ein geringer unterschied des grades besteht.
Dieser syntaktische unterschied von verbum finitum und
nomen besteht darin, dass das verbum finitum im allgemeinen
in viel deutlicheren beziehungen zu den übrigen Satzteilen
steht als ein einzelner nichtverbaler satzteil. Das ist nament-
lich in Sätzen mit zahlreichen Satzteilen sehr wichtig, denn
hier sind die beziehungen sehr mannigfaltig. Die Wirkungen
dieser beziehungen sind in ihrer stärke abgestuft, auch nicht
in jedem satze gleichmässig abgestuft. Jedenfalls können sich
DU AUFGABE» DER N'lll». WOBTSTELLUNGSLEHEE. 519
die Wirkungen durchkreuzen, man denke an den widerstreb
von Bubjecl and prädical bei der congruenz (sorgen sind
schlimme gesellschaß — das sin<l schlimme gesellschafter).
Pi ritiv zeigl sich die Wirkung dieser vielheil von be-
ziehungen bei den nominalformen des verbs, namentlich bei den
Infinitiven mit um...eu und ohne... zu, denn diese halfen ja
je nachdem ziemlich viele bestimmungen bei sich.
Negativ zeigl sich die Wirkung vielleicht darin, dass das
verbum finitum in der Wortstellung zu allen andern Satzteilen,
zu ihrer ganzen masse, in beziehung tritt, principiell zn keinem
Satzteil in eine engere als zu einem andern.
Dagegen steht die bestimmung eines nomens im wi
liehen nur zu diesem Domen in beziehung, andere beziehungen
treten da-viieii zurück. Dazu kommt, dass die nichtverbalen
satzteile untereinander vielfach keine so engen beziehungen
haben als das verbum finitum zu ihnen, sie und ihre bestim-
mungen können daher viel eher in sieh abg< m sein.
Indem ich die Wirkungen solcher beziehungen zwischen
den verschiedenen teilinhalten eines satzes hervoi hebe, erkenne
ich das von Ries aufgestellte prineip (hier b. 513) keines
an. Gerade da. wo mehrere bestimmungen in freier, Bonst
ungewöhnlicher weise zu einem inhall treten, nämlich beim
infinitiv u.s. w.. da sind es bowo! notwendige als auch •;:
bestimmungen ohne unterschied. Die enge der zusammen-
gehörigkeil spielt somit hier keine rolle. Dazu stimmt es
auch, dass wir beim verbum finitum nur negativ angeben
können, dass es durch seine Stellung zu keinem satzteü in
eine besondere beziehung tritt, ganz gleich ob es mit dii
soii^t in einer engen oder einer freien beziehung steht. End-
lich gibt es nominale einheiten, deren teile lange nicht so eng
verbunden sind wie ein verbum finitum mit seiner notwend
bestimmung. [ch kann ■/.. l». im allgemeinen von einer eigen-
schatt viel »her absehen, wenn ich den damit behafteten
m8tand nenne als von eiiiei- sache. dii ZU einer
handlung ist, wenn ich von derhandlung reda Das adjeetiv,
das die eigenschaft bezeichnet, bildet jedoch mit Beinern sub-
Btantiv eine und zwar eine teste einheit, verbum finitum und
objeet dagegen zwei.
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass Batzteile, die
520 BLÜMEL
notwendig zum satze gehören (namentlich subject, object, prä-
dicat), nur unter ganz bestimmten bedingungen nach dem satz-
schlusse stehen können, während 'freie' bestimmungen viel
leichter nachgetragen werden können. Ich kann darauf nicht
näher eingehen, doch muss ich darauf hinweisen, dass auch
dieser unterschied keinen beweis dafür abgibt, dass das Eies'sche
princip im nhd. geltung hat.
Die nhd. wortstellungsgesetze.1)
Ries hat entschieden recht, wenn er s. 6 ff. die bezeichnung
'freie' Wortstellung ablehnt.
Wundt s. 356 sagt: 'denn in jenen (den beiden classischen
sprachen) ist die macht der tradition noch geringer, die Wort-
stellung daher eine freiere: sie kann leichter in jedem moment
den gerade herschenden psychischen motiven folgen.'
Das heisst aber doch nichts anderes, als da>s in diesen
beiden sprachen die Wortstellung ganz besonders von psycho-
logischen gesetzen, also doch von gesetzen, abhängig ist. 'Im
grammatischen sinne frei' ist doch nicht dasselbe wie 'schlecht-
hin frei'; ebensowenig kann eine grammatisch gebundene Wort-
stellung frei heissen, soweit sie nicht mit der psychologischen
gliederung übereinstimmt. 2)
Die bezeichnung 'freie Wortstellung' für eine durch psycho-
logische gesetze gebundene scheint ihre berechtigung in dem
umstand zu haben, dass sie sich an die grammatische function
der anzuordnenden glieder zunächst nicht kehrt. Dadurch ent-
steht aber keine Unordnung, vielmehr liegt eine Ordnung nach
der psychologischen function der Satzglieder vor, die von der
grammatischen vielfach abweicht.
Zwei gesetze können sich durchkreuzen, es kann aber auch
eine anordnung von zwei gesetzen bedingt sein. Natürlich
können auch mehr als zwei gesetze in einem falle in betracht
kommen.
*) Vgl. dazu Sütterlin namentlich s. 292 ff.
2) 'Frei' als eigeuschaft der Wortstellung soll bei Wundt offenbar be-
deuten 'frei im grammatischen sinne'. Vgl. s. 359 und 360. Dort spricht
Wundt von einem psychologischen princip oder gesetz — das ich in Wundts
formulierung freilich nicht anerkennen kann — , das bei 'freier' Wortfolge
geltung habe.
DIE AUFGABEN DES XIID. WORT8TELLÜNG8LEHBE. ".21
Jede psychologische Function, durch welche eine bestimmte
Btellong bedingt ist, stellt mit einer reihe grammatischer funo-
tionen in besonders enger beziehung, die <\<-* 8 /.. b. mit der
des grammatischen subjects, des accusativ- und des dativobjects,
der orts- and der Zeitbestimmung. Schon daraus ergibl sich
die möglichkeit der entstehung einer grammatisches Kategorie
in der Wortstellung ans einer psychologischen.
Anderseits steht die grammatische kategorie, z. b. die sub-
jectsfunction der vorangestellten obereinheit, mit der psycho-
logischen, ihrer function als 8, dadurch in beziehung, dass
grammatisches subject und S oft zusammenfallen und zwar
auch in der anfangsstellung. Dadurch erhält die grammatische
kategorie eine Verstärkung.
Schliesslich wirken auch gewisse psychologische factoren
bei der anordnung eines jeden satzes mit, ob diese durch
grammatische oder psychologische oder durch grammatische
und psychologische gesetze bedingt ist. Die anordnung erfolgt
nämlich nach einem schema.
Grammatisch ist das gesetz der verbstellung: je nach
der function des eröffnenden Satzteils, der beginnenden ober-
einheit. steht es bald zwischen dem ersten Satzteil und allen
übrigen obereinheiten, bald vor, bald nach der masse der übrigen
obereinheiten.
Ivs mag schon hier erwähnt werden, dass wer mit Braune
(s. 34) die Stellung des finiten verbs als den Kernpunkt der
deutschen wortstellunirslelnv betrachtet, die woristrllungs-
typen in der reihenfolge bringen musste, dass I die anfangs-
Btellung des verbs. II sinne binnenstellung, III seine end-
stellung bedeutete, wie dies Th. .Matthias tut (Handbuch
der deutschen spräche M B.85ff.). Die anordnung der typen
nach Brdmanna ivJ. Braune a 38 f. (binnenstellung [»anfangs-
Btellung IL endstellung Uli bringt einen andern, hier störenden
gesichtspunkl herein, den der Wichtigkeit und der Verwendung
der typen. Dieser gesichtspunkt boU in der tat den ausschlag
geben, aber Bobald die- anerkannt ist. muss die frage auf-
geworfen werden: ist der andere gesichtspunkt — anordnung
der typen nach der verbstellung - überhaupt anwendbar, ist
Dicht ein anderer aufzustellen, der sich mit dein gesichtspunkt
der Wichtigkeit und der Verwendung der typen vereinbaren
522 BLÜMEL
lässt, und im anschluss daran die andere frage: ist die verbstel-
lung wirklich der kernpunkt der deutschen wortstellungslehre?
Dagegen ist das gesetz der gliederung vielfach psj^cho-
logisch.
Wo die gliederung den ganzen satz erfasst, stellt sie
dessen eckpfeiler auf: morgen gehen ivir in die Sommer-
frische, oder sie stellt einer obereinheit den übrigen satz-
inhalt gegenüber: dem sieger wurde von einer dame der
ehrenpreis übergeben.
Die gliederung ist also meistens für den satzanfang ver-
antwortlich, sie bedingt z. b., dass die obereinheiten der demon-
strativ- und personalpronomina so häufig, die der frage- und
relativpronomina immer den satz eröffnen.
Auch die gliederung eines satzstücks kann in der Stel-
lung der obereinheiten ihren ausdruck finden, vgl. z. b. gib dem
bettler das brotl (ivas soll ich dem bettler geben?) und gib das
brot dem bettler! {wem soll ich das brot geben?). In dem satz-
stück nach gib ist im ersten satz bettler, im zweiten brot das S,
die folgende obereinheit das P.
Die gliederung kann obereinheiten, die sonst nahe bei-
einanderstehen, weiter auseinander rücken, z. b. schön ist er
gar nicht.
In allen diesen fällen kann das verbum finitum, wenn es
an zweiter stelle steht, durch seine Stellung zwischen einer
obereinheit am satzanfang und einer andern obereinheit oder
andern obereinheiten nach dem verbum finitum — mittelbar —
der gliederung dienen, eben dadurch, dass es den einen inhalt
von dem andern trennt. Das tritt um so deutlicher hervor,
je 'farbloser' der inhalt des verbums ist, je mehr es nur der
Verknüpfung dient. Dabei ist aber zu beachten, dass das
verbum finitum in seiner Stellung durch ein anderes gesetz
als das der gliederung bedingt ist und dass bei der gliederung,
wenn es sich um eine trennung handelt, die tatsache der tren-
nung, nicht die funetion der trennenden obereinheit oder ober-
einheiten in betracht kommt.
Umgekehrt kann die gliederung zwei obereinheiten, die
eine psychologische einheit bilden, aber grammatisch getrennt
sind, zusammenbringen. Wird diese Stellung ständig, so ent-
steht eine neue grammatische einheit. Hierher gehört dem
DIE AUFGABEN DER NHD. W0RT8TELLUNG8LEHBE. 523
vater sein kut und die Stellung von sich unmittelbar vor dem
inlinitiv oder particip perfect im H, vor dem verbum finitum
im N, s. 516 f.
Mit der gliederung hängen noch andere erscheinungen
zusammen:
Zwei obereinheiten, die in einer gewissen be-
ziehung zu einander stehen, haben unter sich un-
beschadet ihrer function eine feste Ordnung.
So steht die gruppe, die ein Possessivpronomen enthält,
oder die gruppe, bei der man ein solches setzen könnte, ersl
dann, wenn der inhalt, auf den sich das Possessivpronomen
bezieht, schon genannt ist, oder sich aus Zusammenhang oder
Sachlage ergibt (dieses gesetz gilt nicht bloss im satz, sondern
auch in der obereinheit: der feldkerr und sein heer). Dass es
auf die function der einzelnen einheiten nicht ankommt, zeigt
folgende tatsache: das subject steht gewöhnlich vor den übrigen
obereinheiten. Steht aber bei dem subject das Possessivpronomen
der 3. person sein oder ihr, so gilt das eben erwähnte gesetz,
dass sein erst nach der obereinheit stehen darf, auf das es sich
bezieht, wenn diese obereinheit zum ersten mal in diesem satz
auftritt1) Da aber sein oder ihr von seiner höheren einheit
nicht zu trennen ist, so ist hier die Stellung der höheren ein-
heit, der obereinheit, durch die anordnung der niedern, der
Untereinheit, bedingt. Es heisst also dem reisenden wurde sein
gehl gestohlen. Im spätem verlauf der erzählnng kann dann
gesagt werden: sein gehl aber sah er nie wider, weil man
schon weiss, auf wen sein geht Die gruppen, welche mein,
unser, dein, euer, ihr (als Possessivpronomen der angeredeten
person) enthalten, linden ihre erklärung schon aus der Bach-
lage, können also jederzeit voranstellen (soweit dies durch
andere gesetze bedingt ist).
Entsprechendes gilt von sich, sowie von den reflexiven
mir m'nh d>r dich u.s.w., und. einander. Ehre bedentnngeD sind
unter .sich verwant. die bedeutum: von sich mit der von sein.
Deshalb kann man wol sagen, da>s anch ihnen der bestimmte
inhalt vorausgehen mnss, durch den ihre beziehong klar wird.
') In dichterischer spräche gilt dieses geeeti nicht, in der gewählteren
prosaischen »rird es vielfach rernachlä -
Beiträge zur geschieh te Uer deutschen spräche. XXXV. ^J.
524 BLÜMEL
Tatsächlich steht einander wol nur in bestimmten, selten ein-
tretenden fällen am satzanfang, sich, ebenso das reflexive mir,
mich u.s.w. wol nur dann, wenn es stark betont (und in seiner
beziehung schon bekannt) ist. Hier kann also nur das reflexiv
als object stehen, Paul, Principien s. 281. Sich hat er betrogen,
nicht uns. Das unterscheidet sich (und einander) von mir, mich
u.s.w., soweit diese nicht reflexiv gebraucht werden, sondern
persönlich. Man wird also hauptsächlich an die reflexivfunetion
denken müssen, bei einander wol auch an die entstehung dieses
Wortes; wenn die reflexiven pronomina wegen ihrer dativ- und
aecusativfunetion allein nicht am anfang des satzes stehen
könnten, so wäre es nicht zu verstehen, weshalb dies bei den
persönlichen so oft vorkommt, auch wenn sie im dativ oder
aecusativ stehen. Es ist aber noch hervorzuheben, dass sich
einem rhythmischen gesetz zufolge im satzinnern vor dem sub-
jeet stehen muss, sobald dies stark genug betont ist; ein schwach
betontes dieser hat schon das sich vor sich (dagegen heisst es
er sich, sie sich, ebenso ich mich, du dich u.s.w. nach dem
gesetz der funetion).
Hierher gehört es wol auch, wenn das prädicat hinter
dem subjeet, der prädicative aecusativ hinter seinem
aecusativ1), wenn der Satzteil mit 'persönlicher' bedeutung
vor dem Satzteil mit 'sachlicher' bedeutung zu stehen pflegt,
also der persönliche aecusativ vor dem sachlichen bei lehren,
fragen, das dativobjeet vor dem aecusativobjeet, das aecusativ-
objeet vor dem genetivobjeet, die objeete überhaupt, die viel-
fach persönlich sind, vor den übrigen meist sachlichen be-
stimmungen.
Man sieht übrigens, dass namentlich im letzten fall
auch die funetion der einzelnen obereinheiten den ausschlag
geben kann.
Ferner kann eine obereinheit, wenn sie besonders
betont werden soll, an eine ungewöhnliche stelle ge-
rückt werden und zwar sowol weiter nach vorn als
auch weiter nach hinten.
(Es ist fraglich, wie weit man berechtigt ist zu sagen:
x) Hieran schliesst sich die anordnung des aecusativobjeets oder passiven
subjeets vor gewissen ' prädicativen ' bestimmungen mit als, für, zu; auf,
z. b. betrachten als, erklären für, wählen zu; festsetzen auf.
DIK AUFGABEN DBB MII>. W0BTSTBLLü1?G8LBHBE.
zwei inhalte können ihre gewöhnliche Btellnng ver-
tauschen, wenn ihr betonungsverhältnis stark von
den) gewöhnlichen abweicht.)
Ee Ist Erdmann i>. 190) darin recht zu geben, allerdings
nicht für alle falle, dasa die letzte Btelle des Batzes eine be-
vorzugte ist und besonders betonten Satzteilen angewiesen ist
Es ist auch richtig, dass ein aufsparen auf den schlnss die
Spannung erhöht: ein so vorbereiteter Inhalt liiuss besonders
stark wirken (und plötelich stand vor seinem throne — das
hässliche kamel Lessing, Fabeln 15). Vgl. in der umgai
Bprache: ich mache die tür auf — steht da vor der tut
baumlanger maisch! Binauszögerung eines inhalts zur er-
höhnng der spannnng i>t ein in der Umgangssprache ziemlich
gebräuchliches mittel: und wie ich in Genf aussteige, wer
glaubst du dass da auf dem perron steht? Nun, rat einmal!
— : X. N. Vgl auch die beiden Sätze mit dem bettler und
dem brol B.522. Die nachgestellte einheit ist hier jedesmal
Märker betont.
Die wähl von zwei sehr häufigen und sehr heftig an-
gegriffenen türmen für inhalte mit H-eigenschaft, nämlich der
angehängten relativsätze und der Infinitive mit um. ..tu, ist
wenigstens zum teil dadurch bedingt, dass hier in vielen fällen
der inhalt de.> verbums stark betont ist und am Schlüsse des
Batzes stein. Vgl das luftschiff fuhr bis eu einer freien stelle
in der nähe von .... wo es um neun uhr glatt landete] das
luftschiff fahr noch einige ~cit mit dei propeüer w<
um dann um neun uhr glatt eu landen. In beziehung damit
steht e wähl dieser formen es erlaubt, den inhalt
verba onzersplittert and daher durch sein ungeteiltes
auftreten in voller form wirksame]- als sonst zu erhalten und
Doch dazu an einer 'bevorzugten' stelle Vgl. wir bestiegen
d> >i eng nach "Frankfurt; dort kamen wir um vier uhr an
und ... no wir uni vier uhr ankamen, ... dort fuhren wir
nach hurwem aufenthaU wider ab und ... um dort nach km
aufenthaU wider ab eu fahren.
Somit gilt nicht allein das 'prineip der stärkeren betonnng
des vorangehenden gliedes' Wandt s.3£ v*gL Barth B.22IL,
• 11 aSO (vom lateinischen): 'wo aber ein satstei] betont
und darum an den auf ■ tat wird, tritt Völlige Inversion ein.'
526 BLÜMEL
Mir scheint, Wundt fasse 'betont' als 'für den sprechen-
den augenblicklich besonders wichtig und daher zuerst aus-
gesprochen'. Fasst man aber 'betont', wie es üblich, hier als
'besonders stark betont im vergleich mit den übrigen Satz-
teilen', so ist das vorausgehende Satzglied als gewöhnlich nicht
betont zu bezeichnen. Sehr oft beginnt ein satz mit einem
schon bekannten inhalt, und dieser wird gewöhnlich nicht
betont. Es ist auch gar nicht richtig, dass 'stets der gegen-
ständ, über den eine erklärung abgegeben werden soll — der
ja gewöhnlich vorausgeht — am stärksten betont ist' (Wundt
ebenda). Dieser gegenständ ist gewöhnlich S und als solches
schwächer betont als P. Vgl. Paul, Principien s. 127 f., anm. 3.
Nur wenn auf eine erklärung besonderer wert gelegt wird,
dann wird der gegenständ der erklärung stärker betont als
gewöhnlich, aber auch nur gleich stark wie die aussage.
Gegen Wundts ansieht spricht dann die tatsache, dass
im innern des nhd. satzes ein gesetz herscht, dem zufolge die
rhythmisch leichten, also verhältnismässig unbetonten oberein-
heiten den rhythmisch schweren, also verhältnismässig stark
betonten, selbst ohne berücksichtigung der funetion voran-
gehen. Es handelt sich hier keineswegs bloss um mecha-
nische Wirkung des rhythmus, sondern auch um schwächere und
stärkere betonung des inhalts. Vgl. auch s. 530 ff. und Süt-
terlin s. 294.
Wundt (s. 376 f. anm.) und Barth (s. 38) suchen die Stellung
verbum finitum — subjeet, die in bestimmten fällen eintritt,
darauf zurückzuführen, dass hier das verbum finitum stärker
betont sei als das subjeet.
Barths erklärung, dass in dem Satzgefüge NH das verbum
dem nachsatz vorangestellt wird, wenn N und H gleiches
subjeet haben, 'weil es zweifellos der wesentliche, weil neue
bestandteil des satzes ist' (s. 41), ist schon deshalb nicht an-
zuerkennen, weil der nachsatz vielfach noch andere Satzteile
ausser dem subjeet enthält, die wichtiger sind als das verbum
finitum. (Gewöhnlich sind alle nominalen Satzteile stärker be-
tont als das verbum finitum, wenn sie nicht selbst enklitisch
sind.) Gegen diese erklärung von Barth spricht auch die tat-
sache, dass gerade die so häufig vorkommenden hilfsverba und
die verba des sagens und denkens, die gerade in der hier
DIK AlltJAliKN l»i;i; MII). W0RT8TELLDNGBLBHRE.
erwähnten si'-llimg — sagte er, n -ehr häufig Bind,
enklitisch, also Bchwachbetonl Bind.
Man kann sich die Bache demnach so vorstellen: das verbum
finitum schloss sich in der mehrzahl der fälle enklitisch an
den vorhergehenden X an, darauf folgten die abrigi
teile, anter diesen das subjecl gewöhnlich an erster Btelle.
Wir können zum vergleich die fälle in der heutigen spräche
heranziehen, wo nach dem \" nicht die jedesmal grammatisch
bedingte Stellung verbum finitum-subjeet eintritt, sondern wo
abweichend davon, durch psychologische gesetze bedingt,
das Bubjeet oder eine andere obereinheit des nachsatzes vor
dem verbum finitum gesetzt ist. Hier ist es aber nur in den
weniger zahlreichen fällen die betonung des vorangestellten
Satzteils, noch dazu eine viel stärkere, als sie Wundt liier im
äuge hat, in der mehrzahl der lalle eine von der gewöhnlichen
abweichende bedeutung des Verhältnisses Vordersatz : nachsatz,
ie die abweichende Stellung im nachsatz veranlasst hat
Somit ist es durchaus nicht notwendig anzunehmen, dass der
grund für die 'voranstellung' des verbums in dessen betonung
allein gelegen sei. wenn auch dann und wann eine solche be-
sondere betonung tatsachlich die voranstellung des verbums
bewirkt haben mag zu einer zeit, wo die Stellung verbum
finitum — subjeet — übrige Satzglieder im nachsatze nicht so
war als heutzutage.
Wenn wir eine solche entwicklung annehmen, dann isl
Barths annähme einer complicierten analogiebildung (NB mit
gleichem subjecl soll vorbildlich gewesen sein für NB mit
chiedenen subjeeten) gar nicht nötig.
Wenn mit dem augenblick, wo das verbum finitum (\i^
nachsatzes gesprochen wird, 'ein geftthl der löSUng' eintritt
tnflber der Spannung, die im vorsatze des aussprechens
eines complexen gedankens I isl dii hl nicht
damit primär zu erklären, dass man -mit dieser voranstellung
•etiihl hat, das notwendige jedenfalls gesagt zu haben'.
oder dass man 'das stieben erfüllt hat. vom hauptsatze nun
das neueste, wichtigste vorauszunehmen' Barth b. ii. Ein
BOlches 'gefühl' mag dann und wann mit wirken, hier und
da mag tatsächlich das verbum finitum das wichtigste sein;
aber sicher nicht in der mehrzahl der fälle oder gar immer.
528 BLÜMEL
Denn in einer — auch verhältnismässig grossen — zahl von
fällen folgen auf das verbum finitum im nachsatze inhalte, die
ihm den rang in der genannten hinsieht mindestens streitig
machen können. Und sollen etwa gar die ungemein häufigen
hilfsverba das wichtigste im nachsatze darstellen?
Die lösung der Spannung ist vielmehr wol in allen fällen
durch folgenden factor bedingt oder mitbedingt:
Das ganze gefüge (Vordersatz und nachsatz) ist (heutzu-
tage) ein satz, der Vordersatz der funetion nach die erste
obereinheit. Da er ziemlich lang sein und bis zu seiner
Vollendung ziemlich viel geistige arbeit in ansprach nehmen
kann, aber doch wider ein teil eines ganzen ist, so erklärt
sich das gefühl der lösung, das beim aussprechen des H- verbums
eintritt, dadurch, dass ein hindernis überwunden und die stelle
des ganzen satzes erreicht ist, von der aus er einfacher abläuft.
Wundt spricht ebenda davon, dass das lateinische die Stel-
lung ingens mons, nicht mons ingens wählt, wenn die grosse
des bergs betont wird. Hier handelt es sich um zwei Unter-
einheiten, dort um zwei obereinheiten (verbum finitum und
subjeet). Viel wichtiger ist aber ein anderer unterschied: die
'voranstellung' des verbums im nhd. nachsatze ist das ständige,
die des lateinischen adjeetivs dagegen nicht. —
Auch das nachholen von ober- und Untereinheiten
nach dem satzende oder nach ausdrücken mit zu, um
...zu, ohne... zu hängt mit dem gesetz der gliederung zu-
sammen, namentlich das nachholen von N-en und H-en und
ausdrücken mit zu, um . . .zu, ohne . . . zu.
Darüber vielleicht einmal an einer anderen stelle.
Um die Wirkung der folgenden gesetze — und des gesetzes
der gliederung, soweit es im satzinnern wirkt — zu erkennen,
ist es notwendig, den satz (willkürlich) in drei gebiete zu
zerlegen. Diese treten freilich nur in Sätzen hervor, die be-
stimmte Satzteile enthalten.
Auf alle andern nichtverbalen Satzteile folgen
ständig infinitiv oder partieip perfect, diesen der infinitiv oder
das partieip perfect, von dem sie abhängen (das gilt auch,
wenn sich das abhängigkeitsverhältnis widerholt). In ent-
sprechender weise steht nach den nominalformen des verbs im
X das verbum finitum, von dem sie abhängen. Vor dem in-
DIB AUFGABEN DBB BTHD. WOBT8TBLLUNG8LBHBE. 529
finitiv steht, wenn nötig, eu. Vor dieser d >hen die
bestimmungen, welche mil dein verbum linitum onfeste Zu-
sammensetzungen eingehen, also die präpositionaladverbien
wie ab, auf, bestimmungen wie eu gründe (ric) hlittschuh
(laufen)] in antoendung (bringen), davor, wenn möglich, die
obereinheit des prädicatsnomens oder das prädicative attribut,
und ähnliche bestimmungen (prädicativer accu iv, bestim-
mungen mit als im accusativ "der nominatiy, mil eu, für u.s.w.,
vgl s. 524 anm., da/u frei in frei häufen u.s.w.); davor die
einheiten der negationen (kein gehört natürlich nichl hier-
her), z. 1). (noch, gar) nicht, nie (wider), nicht mehr, wenn sie
zum ganzen satz gehören.
sind alle diese obereinheiten ausgesprochen, dann ist der
satz mit der letzten regelrechl abgelaufen; was dann noch
nachkommt, gilt als nachträglich hinzugefügt oder als nach-
»lt
Wenn wir von den bekannten 'ausnahmen1 in der Stellung
Lniteu verbs absehen, z. b. weil er nicht hat hören wollen...,
— daneben auch weil er nicht hören hat wollen..., — so ist
zu Bagen:
Die hier angegebene Stellung ist grammatisch durch die
Function bedingt und wird nur gelegentlich verändert, z. b.
wenn nicht u.s.w. zu einem weiter vorne stehenden Satzteil,
nicht zum ganzen satz gehört, im Cragesatz und ausrufesatz,
wenn nicht 'unlogisch1 ist. wenn das prädical oder eine nominal-
form des verbums an dii Satzes kommt.
Zum anfangsgebiet gehören im II nur das verbum nni-
tum und der etwa vor ihm stehende satzteil, etwa mit dem
omen- oder pronimaladverb, das ihn aufnimmt: mein freund
abend da ....
Im \ gehör! hierher nur die erste obereinheil (die des
einleitenden pronomens oder die unterordnende conjunetion).
Das verbum finitum Eolgl im anfangsgebiet, wenn es nicht
• t den satz eröffnet, auf dii obereinheil nach dem
grammatischen gesetz der verbstellung.
Wenn eine beiordnende conjunetion nach der ersten
obereinheit steht, kann sie nur rhythmisch, als schallmi
zum anfangs anel werden, notwendig is1 dies nur,
530 BLÜMEL
wenn sie zwischen der ersten obereinheit und dem verbum fini-
tum (im H) steht. *)
Das zwischen diesen beiden gebieten liegende gebiet ist
ein kampfgebiet, in dem sich die gesetze der gliederung,
des rhythmus und der function z. t. durchkreuzen.
Gliederung und rhythmus wirken oft zusammen, aber
nicht immer. Für den fall, dass sie nicht zusammenwirken,
vgl. man hörte die zwei sich streiten (hier siegt die gliederung)
und ivenn sich die zwei streiten . . . (hier siegt der rhythmus;
daneben, mit ein Wirkung der gliederung: wenn die zwei sich
streiten . . . ).
Die obereinheiten, die dem rhythmus nach leichter,
schwächer sind, rücken im kampfgebiet nach vorn, die schwe-
reren, stärkeren nach hinten. Es heisst also (unbekümmert
um die function): endlich fand er den freund und endlich fand
ihn der freund. (Schon das spricht gegen Wundts theorie,
dass voranstellung betonung bedeute; freund ist in beiden
fällen stärker betont als das vorausgehende pronomen. Es
handelt sich hier nicht nur um enklitischen anschluss von er
oder ihn an fand, sondern auch um rhythmische anordnung
von er und den freund, ihn und der freund, freilich im an-
schluss an fand).
Die genauere abgrenzung der enklitischen glieder gegen-
über ihren nicht enklitischen doppelformen und andern nicht
enklitischen obereinheiten — soweit dies möglich ist — und
genaueres über ihre anordnung unter sich ist erst noch fest-
zustellen. Dabei spielen verschiedene factoren mit, z. b. die
zahl der enklitischen glieder, ihre lautgestalt, namentlich die
silbenzahl des einzelnen glieds, enklitische oder nicht enklitische
natur der vorausgehenden einheit, endlich function und geschicht-
lich bedingte erstarrung, vgl. Sütterlin s. 294.
Im allgemeinen gelten die rhythmisch schwachen glieder
zunächst nur als schallmassen, die sich enklitisch an das
anfangsgebiet anschliessen. Auch beiordnende conjunctionen,
soweit sie im satzinnern (und hier nicht zwischen der ober-
einheit am satzanfang und dem verbum finitum) stehen, sowie
obereinheiten wie gar, etwa rechnet man am besten lediglich
*) Vgl. s. 530 f.
DIK AUFGABEN DEB NIM). VVOKTSTHLUXOSLKHKE. 531
als schallmassen hierher. (Zwischen der ersten obereinheit
und dem verbum linitum (oder nach deren erster Untereinheit)
steht die beiordnende conjnnction anch nur infolge enklitischen
anschlusses.)
Anordnung nach der Function zeigl sich, wenn z. b. mir
nur er mich, du mir U.8.W. geläufig ist, das subject also hier
immer voranstellt, namentlich dann, wenn seihst das stark-
betonte pronominale subject vor dem unbetonten pronominalen
object stellen kann: hast du ihn gesehen?
Man könnte diese rhythmisch leichten glieder, soweit sie
als enklitische schallmassen gleich hinter dem anfangsgebiet
stehen, diesem gebiet zurechnen, wenn nicht bei ihnen das
gesetz der Function geltung hätte wie auch sonst im kampf-
gebiet — Ist in dem kämpf gebiet die Wirkung des rhythmischen
Unterschiedes und der inneren gliederung — soweit möglich
— ausgeschaltet, so ordnen sich die obereinheiten, die nach
dem anfangsgebiet stehen, ihrer function entsprechend.
Erdmann behauptet s. 189, die anordnung nominaler Satz-
teile nach dem verbum sei völlig frei, wenn sie gleiche Wich-
tigkeit für die rede und gleichen tonwert hätten.
Dass Erdmann mit dieser annähme nicht recht hat, zeigen
namentlich die beispiele, in denen die Wirkung des rhythmus
und der gliederung soweit möglich ausgeschaltet sind.
Nehmen wir z. b. an, es weide von einem kämpfe eines
ritten mit einem Türken berichtet, das interesse soll sich
beiden gleichmassig zuwenden. Der ausgang des Kampfes
wird dann mit den Worten erzählt: endlich besiegte der rittcr
ihn Türken oder endlich besiegte <l> r Türke den rittcr. Vgl.
die anderen Stellungstypen: hat der rittet rken oder der
Türke den ritter besiegt? Wenn dir ritter <ii >/ Türken besiegt
hätte ... IC///;/ der Türke den ritter besiegt hätte ... (und
der ritter besiegti i irken der Türke besiegte den ritter).
i « 1 1 glaube, eine andere Btellung als hier (subject — aecusativ-
i. Dämlich aecusativobjeet — subject) ist im und. in dem
vorliegenden falle nicht möglich. Vgl. auch die feste Stellung
der enklitischen obereinheiten '/• mich u.s. w.
Aueli in dem satZLrebiet . das auf das Kampfgebiet folgt,
herscht das funetionsgesetz, vgl. /. i>. die Ordnung der nominal-
532 BLÜMEL
formen des verbs. Im anfangsgebiet herscht das functions-
gesetz im H, wenn das subject der erste Satzteil ist.
Das eigentliche grammatische stellnngsgesetz ist somit
das gesetz der anordnung nach der function.
Auf die anordnung der nichtverbalen obereinheiten wirkt
dieses gesetz unmittelbar, soweit es nicht durchkreuzt wird
und soweit es wirken kann (so ist im H die anfangsstellung
der nichtverbalen obereinheiten, die nicht subject sind, nur
durch die gliederung bedingt, höchstens bei den frageworts-
obereinheiten kann mitwirkung der function angenommen
werden). Auf die verbstellung dagegen wirkt das functions-
gesetz, soweit das verbum nicht am anfang steht, nur mittelbar,
nämlich (im H wie im N) durch die function der ersten ober-
einheit. Es stehen sich also gegenüber die masse aller nicht-
verbalen obereinheiten und das verbum finitum, dessen Stellung
zu dieser masse wechselt.
Somit ist weder die Stellung des verbs allein, die uns über
die Stellung der übrigen obereinheiten nichts sagt und die selbst
in der mehrzahl der fälle durch die function einer anderen ober-
einheit bedingt ist, noch das Stellungsverhältnis von subject und
verbum finitum der kernpunkt der nhcl. wortstellungslehre.
Damit fällt die berechtigung, die wortstellungstypen nach
der verbstellung zu benennen und die berechtigung, dem sub-
ject auf kosten der übrigen nichtverbalen Satzteile einen so
hervorragenden platz in der wortstellungslehre einzuräumen,
wie es die inversionstheorie tut. Das subject hat einen ge-
wissen vorrang vor den andern nichtverbalen Satzteilen des
H-es, aber eben deswegen muss es gerade in diesem seinem
Verhältnis zu diesen andern, nichtverbalen Satzteilen des H-es
betrachtet werden. Durch diesen vorrang unterscheidet es sich
von ihnen, aber das verbum finitum unterscheidet sich in seiner
Stellung von allen nichtverbalen Satzteilen, auch denen des
H-es, und zwar infolge der bedingtheit seiner Stellung zu
seinen Ungunsten.
Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass alle obereinheiten
in der wortstellungslehre nach ihrer function zu bezeichnen
oder wenigstens zu betrachten und zu unterscheiden sind1),
*) Ebenso die Untereinheiten.
DIE AUFGABEN DBB BHD. W0BT8TBLLUNGSLBHBB. 533
also auch infinüiv und particip perfecl (die Function des ver-
lumis tritt aamentlich im falle der satzfrage hervor). Dass
die form die Stellung des verbums nicht bedingt, zeigt sich
in der s.507 erwähnten erscheinung, " dass jeder laut,
lautmasse in bestimmte]] fällen in «mimt beschränkten anzahl
von Functionen aaltreten kann, die mii Beiner form gar nichts
zu tun haben müssen. Das verbum linitum kann (als laut-
masse) ebenfalls an diesen Functionen teilnehmen, aber gerade
seine fnnction ist hier nicht vertreten.
An dem entstehen der grammatischen kategorie iU'.< func-
tionsgesetzes ist jedenfalls das der gliederung ursprünglich
siligt gewesen. Darauf weist z. b. die ständige voran-
stellung des subjeets namentlich im satzinnern.
Die ahordnung der nichtverbalen obereinheiten ist am
deutlichsten in der satzfrage nach dem verbum finitum, und
im N hinter der unterordnenden conjunetion zu sehen. Ich
gebe sie nach meinem 'Sprachgefühl":
Subject, persönliche und sachliche dativbestimmung mit
von beim passiv, dativ-, persönliches, sachliches aecusativ-,
genetivobjeet, dann die übrigen (meist -freien") bestimmungen
wol in dieser reihenfolge: Zeitbestimmung auf die frage wann,
seit wann, bis wann, wie lange; Ortsbestimmung auf die frage
wo, woher, wohin: aecusativ des raumes; bestimmung des
grundes; bestimmung der folge; bestimmung der art und
weise. Darauf folgen die bestimmungen des satzgebiet.-,
das sich an dns kampfgebiet anschliesst, in der erwähnten
reihenfolge.
K> ist nicht immer klar, ob man annehmen soll, dass
nur die Function einen bestimmten platz in der Stellung be-
dingt oder ob eine engere beziehung zu einer andei
einheil die Stellung mitbedingt. Sohal z. b. da tivobjeet
sicher eine enge beziehung zum prädicatsaecusatrv desselben
satzes.
kommen natürlich niemals all in einem
satze 70r.
ü-'i den 'freien' bestimmun 3timmung u. s. w.)
ders darauf zu achten, da— gei oft den
anknüpfungspnnkl für eine hauptgliederung oder inner-- gliede-
rung abgeben. Deshalb sieht so häufig olehe "freie'
534 BLÜMEL, DIE AUFGABEN DER NHD. WORTSTELLUNGSLEHRE.
Bestimmung unmittelbar nach dem anfangsgebiet, aber keines-
wegs infolge ihrer grammatischen function.
Auch die anordnung der Untereinheiten in der
obereinheit ist gesetzlich bedingt, ebenso die anord-
nung der beigeordneten inhalte innerhalb des satzes
sowie die anordnung zu massen, die den satzumfang
überschreiten.
Doch damit kann ich mich hier nicht näher befassen.
Inhalt.
Seite
Die aufgaben der nhd. wortstellungslehre 494
Psychologische und geschichtliche behandlung .... 498
Wortstellung und wortfrage 500
Folgerungen 507
Abgrenzung der obereinheiten im satz 510
Aufbau und zerreissung von einheiten 511
Einheit im sinne der Wortstellung und enge der syntak-
tischen Zusammengehörigkeit 513
Die nhd. Wortstellungsgesetze 520
Verbstellung 521
Gliederung 521
Damit zusammenhängende erscheinungen . . . 523
Die drei satzgebiete 528
Rhythmus 530
Function 531
WÜRZBURG, mai 1909. RUDOLF BLÜMEL.
DVAl GOTT K>S(K)TK UND SKIN LAND.
Der name des gottes Fos(e)te, Fos(i)t< ist uns gut bezeugt:
er wird in Alkuins Vita Sancti Willibrordi, in Altfrida Vita
Sancti Liudgeri und in der Hamburgischen kirchengeschichte
Adam von Bremen genannt; als seine cultst ättt- wird in
allen drei quellen das Fos(e)tesland, I ! sland angegeben.
Späterhin wird der name erwähnt in des Theofridus Epterna-
censis (Thiofrid von Epternach) 'de itinere Sancti Willibrordi'
cap. X als Fositesland um 1105; in der versificierten bearbei-
tung der Vita Sancti Liudgeri, Letania prima vers 1213 ü.
als Fosete und Fosetesland ebenfalls zu anfang des 12. Jahr-
hunderts; in der um 1400 in Holland verfassten gefälschten
Vita Suiberti (Leibnitz, SS. Brunsv. II 226) als 'insula Foste-
landiae quae a qnodam deo sno dicto Foste tunc Fostelandia
appellabatnr' und dortige 'delnbra Jovis et Foste\ Alle diese
späteren erwähnungen aber beruhen auf der \'ita Willibrordi
bez. Liudgeri und setzen auch wol bekanntschaft mit Adam
von Bremen voraus: sie kommen daher für unsere zwecke nicht
weiter in betracht
Unsere gesammte künde beruht also am berichten der
Vitae und des Adam, und so ist ihre vollständige angäbe nebsl
Übersetzung zur benrteilnng der frage onerlässlich.
In Alkuin.N Vita Sancti Willibrordi (Bibliotheca rer.
Germ ed. .Tafte band VI, cap. 10, p. 17) heissl es folgender-
massen:
■ \'j dum pina v.i i.i Dei praedicatoi Itn agebat, pervenil in confinio
Fresonnm ei Danonun ad quandam insulam, onae ■ qnodam
/ riiae, I ib acoolii terrae i md appellabatar, quia in et
in dei Cum tuen Qnj locua .i paganii in tanta n
tione habebatnr, ut nihil in ea rel animaliam i t > i paaoentinni rel aliarnm
quaramlibel ramm qniaauam gentüinm m .i fonte,
qni iM ebulliebat, aqoam hanrire oiai taoeni praeenmebat Quo cum vir
536 siebs
Dei tempestate iactatus est, mansit ibidem aliquot dies, quousque sepositis
tempestatibus oportimuui navigaudi tempus adveniret. Sed parvipendens
stultam loci illius religionem, vel ferocissimum regis aniraum, qui violatores
sacrorum illius atrocissima morte dauinare solebat, igitur tres bomines in
eo fönte cum invocatione sanctae trinitatis baptizabat; sed et animalia in
ea terra pascentia in cibaria suis mactare praecepit. Quod pagani intuentes
arbitrabantur eos vel in furorem verti vel etiam veloci morte perire. Quos
cum nibil mali cernebant pati, stupore perterriti regi tarnen Rabbodo quod
videbant factum retulerunt. Qui niiaio furore succensus in sacerdotem Dei
vi vi, suorum iniurias deorum ulcisci cogitabat; et per tres dies semper
tribus vicibus sortes suo more mittebat, et nunquam damnatorum sors, Deo
vero defendente suos, super servum Dei vel aliquem ex suis cadere potuit;
nisi unus tantum ex sociis Sorte monstratus et martyrio coronatus est.
Vocabatur vero vir sanctus ad regem et multum ab eo increpatus quare
sua sacra violasset et iuiuriam deo suo fecisset. Cui praeco veritatis con-
stanti animo respondit: non est deus, quem colis, sed diabolus Ad
haec rex miratus respondit : video te minas nostras non metuisse, et verba
tua esse sicut et opera. Etsi noluisset veritatis praedicatori credere, tarnen
ad Pippinum ducem Francorum cum bonore remisit eum.'
'Und auf dieser reise kam der fromme prediger des wertes gottes an
der grenze der Friesen und Dänen zu einer insel, die von den bewobnern
nach einem gotte Fosite, den sie verehren, Fositesland genannt wurde,
weil hier beiligtümer dieses gottes errichtet waren. Dieser ort wurde von
den beiden so heilig gehalten, dass niemand irgend etwas von dem vieh,
das dort weidete, oder von sonstigen dingen da zu berühren wagte oder
anders als schweigend aus der quelle, die dort sprudelte, wasser zu schöpfen
sich gestattete. Der mann gottes blieb hier, durch einen stürm verschlagen,
einige tage, um abzuwarten, bis der stürm sich legte und günstiges wetter
zur fahrt würde. Er kümmerte sich aber nicht um die törichte scheu vor
der heiligkeit jenes ortes oder um den wilden sinn des königs, der mit
dem grausamsten tode alle zu bestrafen pflegte, die jene heiligtümer an-
tasteten, und so taufte er in jener quelle drei leute unter anrufung der
heiligen dreieinigkeit; ja er liess auch vieh, das dort weidete, zur nahrung
für die seinen schlachten. Als die beiden das sahen, glaubten sie, die
würden wahnsinnig werden oder plötzlichen todes sterben. Wie sie jedoch
inne wurden, dass denen nichts böses widerfuhr, gerieten sie in schrecken,
meldeten aber dem könig Eadbod, was sie gesehen hatten. Der kam in
grossen zorn gegen den priester des lebendigen gottes und sann darauf,
die beschimpfung seiner götter zu bestrafen ; drei tage lang warf er immer
dreimal das los nach seiner sitte; und da der wahre gott die seinen ver-
teidigte, konnte niemals das los der Verdammung auf den knecht gottes
oder auf einen von den seinen fallen; nur einen von seinen genossen traf
es1, und der wurde mit dem martyrium gekrönt. Der heilige mann aber
wurde zum könige gerufen und von ihm angefahren, weshalb er die heilig-
tümer verletzt und seinen gott beleidigt habe. Ihm antwortete der herold
der Wahrheit unerschrocken : »nicht ein gott ist es, sondern der teufel, den
du verehrst« u. s. w. Da wunderte sich der könig und sagte : »ich sehe, dass
DEB QOTT P08 KTE. 537
du unsere drohungen nicht scheust, and dass deine worte Bind wie deine
taten. Wenn er aber anoh dem prediger derwahrheit nicht hatte glauben
«rollen, bo Baute er ihn doch mit ehren an den herzog der Franken, Pippin,
zurück.'
Das zweite Zeugnis sieht in Altfrids Vita Liudgeri
cap. 22 (Moii. Germ. Scr. ii ll<»; auch hsg. von Diekamp, Ge-
schichtsquellen <l*'s bistums Münster IV):
v.To riii.i .-iillrrii, doctrinae Domini gregi ribi credito fluenta
minifltrare Btadnit, fana destmere e1 omnes erroris pristini ablnere Bordes.
Cnravit qnoqne nlterins doctrinae derivare flnmina et consilio ab impei
accepto, transfretavit in conhnio Fresonum atqneDanornm adqnandam in-
Bolam, quae ;i nomine Dei boj falsi Fosete Fosetesland1) est appellata. Cni
cum navigando appropinqnasset, tenens in mann Bna crucem, et ad Domi-
num preces cum laudibus fundens, viderunt, qui in ea navi erant, caliginem
tenebrosam de eadem insnla egredientem, qua reccdente ma^iia in ea sere-
nitas j'i-titit. Tunc vir l><-i ait: Videtis, qualiter per misericordiam Dei
itus est inimicus, qui prius caligine occupaverat insulam haue? Per-
renientee autem ad eandem insulam destrnxi runt omuia eiusdem 1
fana, que illic fuere t pro eis Christi Eabricavernnt ecclesias.
Cumque habitatores terrae illiua fide Christi imbueret, baptizavit eos cum
invocatione Trinitatis in fönte, qui ibi ebulliebat, in quo sanetus
Willibrordus prius homines tres baptizaverat, a quo etiam fönte nemo prius
haurire aquam nisi tacens praesumebat. Cnjusdam etiam eorum prineipis
tiliiun Landricum nomine aeeepit a fönte; quem Bacris literis imbutum or-
(Unavit preebiterum. Qui multis annis genti Fresonum in doctrinae prae-
fnit studio.'
•Kr aber war in eifrig t müht, der herde des herrn, die ihm
zur lehre übergeben war, das wasser reiner lehre bu spenden, die heilig-
tflmer zu zerstören und allen unrat froheren irrglaubens fortsnspulen.
Auch suchte er den Btrom der lehre weiter au leiten und, nachdem ei
beim kaiser rat und Weisung geholt hatte, fuhr er im gl I der
n und Dänen nach einer insel über, die — nach dum namen
I hiess. und als er zu schiffe nahe
herankam, das kreuz in banden, zum herrn betend und ihn lobpreis« od, da
sahen die leute im schiffe eine dichte dunkle nebelwolke von der insel
wegziehen, und heiterer himmel bri h über ihr aus. ■• der
mann gottee: seht ihr, wie durch die bannhei I ver-
seheucht ist, der bis dahin mit finsfternis die buel bedeckt hatte? Auf
dieser in* 1 angelangt zerstörten sie nun alle heiligtumer eben
n, und i • Christi kirchen.
lud als er die i>< wohner jenes landes im ohristlichen glauben onterriohtet
hatte, taufte er sie, unter snrurung der heiligen dreinigkeit, in der quelle,
die dort sprudelte, und in der der beilige Willibrord fthmneh drei leute
getauft hatte aus dieser quelk hatte früher niemand - inden
handschrift, ton L abgeschrieben).
538 siebs
als schweigend wasser zu schöpfen. Auch taufte er in der quelle den söhn
eines ihrer fürsten, den Landrik; er unterwies ihn iu der heiligen lehre
und weihte ihn zum priester. Und der hat viele jähre dem Friesenvolke
die heilige lehre gespendet.'
Das dritte zeugnis bietet Adam von Bremen in den
'Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum' unter der 'De-
scriptio Insularum Aquilonis' (Monn. Germ. Scrr. VII 369):
' Archiepiscopus vero de suis clericis ordinavit in Funem Eilber-
tum, quem tradunt conversum a pyratis Farria[m] l) insulam, quae in ostio
fluminis Albiae longo recessu latet in oceano, primum repperisse constru-
ctoque ibi monasterio fecisse habitabilem. Haec insula contra Hadeloam
sita est. Cuius latitudo vix octo miliaria panditur, latitudo2) quatuor,
homines Stramine fragmentisque navium pro igne utuntur. Sermo est,
piratas, si quando praedam inde vel minimam tulerint, aut mox perisse
naufragio aut occisos ab aliquo, nulluni domum redisse indempnem. Qua-
propter solent heremitis ibi viventibus decimas praedarum offerre cum
magna devotione.
Est enim haec insula feracissima frugum, ditissima volucrum et pe-
cudum nutrix,. collem habet unicum, arborem nullam, scopnlis includitur
asperrimis, nullo aditu praeter unum, ubi et aqua dulcis, locus venerabilis
omnibus nautis, praecipue vero pyratis. Unde accepit nomen, ut Heiligland
dicatur. Haue in vita saueti Willebrordi Fosetisland3) appellari diseimus,
quae sita est in confinio Danorum et Fresonum. Sunt et aliae insulae
contra Fresiam et Daniam, sed nulla earum tarn memorabilis.'
'Der4) erzbischof aber ordinierte aus der zahl seiner kleriker
für Fünen den Eilbert, der, wie man erzählt, vor Seeräubern von Farria5)
geflohen sein und eine insel, die in der mündung des Elbeflusses weitab
im ocean verborgen liegt, zuerst entdeckt und durch anlegung eines klosters
daselbst zuerst bewohnbar gemacht haben soll. Diese insel liegt Hadeln
gegenüber. Ihre länge erstreckt sich auf kaum acht milliarien, ihre breite
auf vier. Zum brennen benutzen ihre bewohner stroh und schiffstrümmer.
Es geht die rede, dass die Seeräuber, die von da je auch nur die geringste
beute weggeholt hätten, entweder bald darauf durch Schiffbruch umgekommen
J) Nach v.Schwerin gebessert aus Farriam der Überlieferung vgl., anm.5.
2) Einmal ist hier irrtümlich latitudo für longitudo geschrieben.
3) Fostisland in der abschritt (1685) nach einem alten Kopenhagener
manuscript; Fotislandt in einer papierhandschr. des 16. Jahrhunderts. Sonst
Fosetisland.
4) Vgl. die Übersetzung von Wattenbach, Geschichtsschreiber d. deutschen
vorzeit, 2. gesammtausg. bd. 14.
5) Wahrscheinlich ist hier (vgl. oben anm. 1) mit v. Schwerin Farria
zu lesen und sind damit die Färöer gemeint. Die frühere ansieht, dass in
Farriam ein alter name für Helgoland zu sehen sei, wird wol von niemand
mehr aufrechterhalten. Hierüber sowie über die namensgleichheit von Farria
und Fer (Föhr) vgl. Siebs, Helgoland und seine spräche s. 17.
DBB GOTT POS E)TE. 539
oder v<>n Irgendjemand im kämpf erschlagen seien keiner sei je ungestraft
nach hanse zurückgekehrt Deshalb pflegen sie den dort lebenden eremiten
mit grosser ehrfurchl den zehnten von ihrer beute darzubrinj
Diese insel nämlich i>t sehr fruchtbar an getreide, sehr reich an i
and hal aucb vieh; Bie hat nur eine einzige erhebung, bal keinen bäum,
ist von sehr schroffen klippen eingeschlossen; nur durch einen einz
Zugang ist Bie erreichbar, and da ist auch süsses nasser; die statte stehl
bei alles Beefahrern, besonders aber bei den Seeräubern in Verehrung. Daher
hat sie ihren namen bekommen: Heiligland wird Bie genannt. Aus dem
leben des heiligen Willibrord lernen wir, dass Bie Fosetisland heisse and
auf der grenze zwischen dem gebiete der Dänen and Friesen lie^e. Auch
aooh andere inseln liegen Friesland and Dänemark gegenüber, aber keine
ist so beachtenswert.'
Vergleichen wir diese berichte mit einander, so ist sofort
klar, dass die Vita Liudgeri — Liudger ist 809 gestorben,
der Verfasser bischof Aitfrid von .Münster 849 — fast wört-
lich die erzählung der Vita Willibrordi widerholt, dessen er-
lebnisse im Fosetislande am 695 anzusetzen sind und von
Alkuin (f 804) bereits um 800 dargestelll waren: und Adam
von Bremen, der um 1050 lebte, berichtet ans eigentlich über-
haupt nicht vom Fosetislande, sondern Bagl nur. die von ihm
beschriebene insel Heiligland werde in der Vita Willibrordi
Fosetisland genannt. Er behauptet liier also gar nicht selber,
die insel wirklich so geheissen haben solle, sondern nur,
dass er sie Cur dieses von Alkuin erwähnte eiland halte. Wie
wir at»er Adams berichte kennen und im besonderen denjenigen
aber Heiligland beurteilen müssen, so ist a priori aof diese
seine zosammenschweissong von angaben, die zum teil mehrere
Jahrhunderte all waren, nicht viel zu geben.
Hiernach ist klar, dass man den in rieht der Vita Willi-
brordi als den ältesten und einzig massgebenden vom
etislande anzusehen und ihn für sich allein zu beurteilen
hat. Und da muss man anbedingt zu der gleichen aegativen
auffassung kommen wie II. II. v. Schwerin in seiner vortreff-
lichen arbeit (Helgoland, historisk-geograflsk ondersökning,
Land 1896, s.imi., vgL Siebs, Helgoland und seine spräche):
dass Fosetisland alles eher gewesen sein kann als Helgoland.
Den positiven ergebnissen V.Schwerins werden wir in di
punkte Ereilich nicht beitreten können. In der Vita ^*-> hei-
ligen Willibrord wird ans erzählt, wie er in Friesland missioniert
hat. wie er dann eine bekehrungsreise nach .Unland macht und
I der deutschen ipractic
540 SIEBS
auf der rückfakrt zu könig Eedbad1) — mit dem er schon
früher in Friesland westlich der Zuidersee zusammengetroffen
war — nach Fosetisland verschlagen wird. Das lässt eigent-
lich schon vermuten, dass das Fosetisland eben in jenem west-
friesischen gebiete zu suchen ist. Wie aber sollte denn auch
Redbad, als dessen residenz wir Wiltaburg oder Utrecht im
fernen westen kennen, nach Helgoland gekommen sein und
gar auf der — für damalige zeiten — unendlich schwer von
der küste aus erreichbaren insel als rex geherscht haben?
Wo immer uns um jene zeit von Redbad berichtet wird, han-
delt es sich um die gegenden der Frisia citerior, des westlich
von der Zuidersee gelegenen Friesland, und um die gebiete
bei Trajectum.2) Ganz besonders ersehen wir das aus Beda V,
cap. X. Pipin hatte 689 durch den sieg bei Durstede den
Redbad unterworfen, und nun ward Willibrord selbzwölft
zum bekehrungswerke dorthin gesant: 'qui cum illo advenis-
sent, erant autem numero duodecim, divertentes ad Pippinum
ducem Francorum gratanter ab illo suscepti sunt; et quia
nuper citeriorem Fresiam expulso inde Rathbedo rege ceperat,
illo eos ad praedicandum misit, ' Man hat sich damit zu helfen
gesucht, dass Redbad sich nach seiner niederlage nach Helgo-
land zurückgezogen habe — das würde etwa einem Sanct
Helena unserer zeiten vergleichbar sein, oder dass man gar
mit einem gleichzeitigen anderen fürsten desselben namens
für Helgoland rechnen müsse; aber alle solche wenig glaub-
haften ausfluchte werden dadurch überflüssig, dass man es
kurzweg als einen begreiflichen irrtum Adams von Bremen
auffassen darf, wenn er das Fosetisland des Willibrord nach
mehreren Jahrhunderten mit Helgoland in Verbindung bringt.
Wie er dazu gekommen, glaube ich (s. 543 ff.) wahrscheinlich
machen zu können.
Schwerin, der in seiner trefflichen arbeit genügend betont
hat, dass Fosetisland nicht mit Helgoland gleichzusetzen sei,
will es als das heutige land Wursten am rechten ufer der
Wesermündung erweisen. Recht hat er zwar in dem sinne,
x) Wir setzen stets diese friesische namensform anstatt der deutschen
Badbod oder der lateinischen Badbodus, Babbodus u. s. w.
2) Vgl. v. Eichthofen, K., Untersuchungen zur friesischen rechts-
geschichte II 351.
DBB QOTT F08(E)TE. 541
dass onter dem lateinischen insula der quellen durchaus nicht
eine insel in unserem heutigen Btrengen geographischen Binne
verstanden zu werden braucht, Bondern auch eine halbinsel
oder überhaupt ein bewässertes land (vgl. altwfries. äland
eiland; neufries. -öch, -äi 'insel' u.s.w. vgl. mit mhd. o
•aue. wasserland') gemeint sein kann: ob man freilich gerade
Wursten, ein Küstenland ohne buchten, seen oder gros
wasserzüge, als 'insula* benannl halten würde, ist mir höchsl
zweifelhaft Recht mag 7. Schwerin auch damit haben.
man das land Wursten als in confinio Danorum et I
gelegen bezeichnen konnte: allerdings gilt das für die zeit der
Normannenheerungen wol für das ganze küstengebiet bis zur
Rheinmundung (vgl. s. 544). Aber der wichtigste beweispunkt
V.Schwerins ist unhaltbar: lautlich sei das wort Fosetesland
dem werte 'Wurstenland' gleichzusetzen, indem die form Wort-
8etenland zu Wosseten- und dann zu Fosetesland entstellt sei
Die terra Wbr(t)satia (so heisst sie latinisiert 1203) ist im
L2. Jahrhundert von Küstringer Friesen der gegenüberliegenden
küste besiedelt worden; erst im jähre 1420 findet man die
friesische namensform Wurtsetenalond bezeugt. Aber weder
sie noch die tiir jene frühere zeit um 800 WO] allein in be-
trachl kommende altsächsische form Wurdsatönoland könnte
in den lauten oder in der flexion irgendwie zu Fosetesland
Btimmen: Bchon das scheinbar nebensächliche -s würde dagegen
spieiie-n. Nicht minder aber widerspricht die bedentung: es
ist das land der Wurtsaten, der auf der Wurt sitzenden, und
dieser durchsichtigste aller Ortsnamen wurde sicherlich damals
noch verstanden. Wie hätte da die Vita Willibrordi zu der
behauptung kommen können, das land Bei nach dem heiden-
benannt? Solange wir aber dieser geschichts-
quelle nicht allen historischen wert absprechen, haben wir
kein recht, die wolbezeugte nachrichl von dem gotte als eine
erflndung zu betrachten. Und endlich: uns berechtigt nichts,
den Efriesenkönig Eledbad als beherscher jenes damals gar nicht
friesischen landes Wursten anzusehen.
Wo aber ist nun die CUltSt&tte des gOtteS Posete, jenes
Fosetesland zu suchen? Zunächst wird man nach jüngeren
nanieii forschen, die sieh damit vergleichen lassen: solche aber
sind uns nicht bekannt idas von F. Buitenrust Hettema an-
542 siebs
gezogene Furswerth kommt nicht in frage, vgl. s. 547). Schon
v. Eichthofen — der noch unter der anschauung steht, dass
Fosetisland gleich Helgoland sei — wundert sich über diesen
namenswechsel und sucht nach einer erklärung: 'der alte name
der insel verschwindet mit der hekehrung seiner bewohner.
Die Christen wagten nicht mehr, den namen des heidnischen
gottes zu nennen; es scheint aber doch damit in Verbindung
zu stehen, dass die insel später den namen Helgoland, das
heilige land, führt.' Das ist mir an und für sich nicht wahr-
scheinlich, wie es vielleicht manchem anhänger der jetzt so
beliebten, gefährlich aus einem punkte kurierenden tabutheorie
sein wird. So wenig glaubhaft aber auch die angäbe Adams
von Bremen über den namenwechsel von Fosetisland zu Heilig-
land ist, kann sie uns doch vielleicht den weg zur auffindung
des eigentlichen Fosetislandes weisen.
Vor allem ist zu beachten, dass der name Heiligland
(Helgoland ist eine gelehrte Umbildung aus der entsprechenden
niederdeutschen oder dänischen form) gar nicht der auf der
insel im volksmunde lebende ist, sondern dass hier der name
Hälün gilt, der wol aus häch Und oder besser Mlik Und
'hohes land' entstanden ist; ich habe das an anderer stelle
(Helgoland und seine spräche s. 21) ausgeführt. Dieser name
scheint vor der zeit Adams von Bremen in Heiligland um-
gedeutet zu sein. Von einer namensänderung der insel mag
Adam sagenhaft gehört und deshalb nach einem älteren namen
geforscht haben. Wie aber kommt er gerade auf Fosetisland
und die Vita Willibrordi? Die beantwortung dieser frage
wird zugleich eine Vermutung über das eigentliche Fosetisland
enthalten.
Im anschlusse an v. Schwerins scharfsinnige kritik habe
ich in der genannten schrift über Helgoland (s. 17) ausgeführt,
dass der ganze bericht Adams von Bremen eine compilation
verschiedener nachrichten ist. Während der erste teil seiner
darstellung nichts für Helgoland bezeichnendes bietet, setzt
mit den Worten est enim haec insula ganz unvermittelt eine
kurze und treffende Charakteristik der insel ein. die eben nur
auf Helgoland bezogen werden kann. Adam von Bremen musste
es in erster linie auf die legendarische seite der sache an-
kommen. Von Helgoland, seinem Heiligland, weiss er 'ubi et
DKR GOTT :
aqua dulHs. locus venerabilis omnibus nautis, praecipue vero
pyratis. ünde accepit nomen, ut Heiligland dicatur.' Und
v<>n dem Fosetislande der Vita Willibrordi weiss er 'qui locus
a paganis in tanta veneratione habebatur'. Wie er in dem
ersten teile seines von ihm auf Heiligland bezogenen berichtes
Bagt, hätten dorl die Seeräuber, die Irgend welche beute ge-
nommen, es mit dem tode büssen müssen, so heisst es bei
Willibrord vom Fosetislande, dort habe aus religiöser scheu
niemand etwas anzurühren gewagt: und wie auf Heiligland
die quelle süssen wassers in hoher Verehrung stand, so hatte
im Fosetislande Willibrord aus einer dort sprudelnden quelle
getauft, aus der man nur schweigend zu schöpfen wagte.
und wie die Vita Willibrordi cap. 10 von dieser Willibrord-
quelle erzählte, so wusste sie cap. 16 noch von einer anderen
WillibrordsqueUe in Friesland westlich der Zuidersee zu be-
richten, die der heilige habe hervorsprudeln lassen: 'loca
circumibat maritima, in quibus aquae dulcis penuriam patie-
bantur ... orabal Deum, qui populo suo in desertis aquam
produxit, de petra ... qui mox exauditus est et subito fons
dulcissimi saporis Eossam implebat.' Und solch eine Willi-
brordsqueUe wurde im Kennemerlande in Heiligelo ver-
ehrt. Beka (f 134(3) erzählt die geschichte von Willibrord
und setzt hinzu ;eadem vero cisterna nunc in terra Heyligelo
patenter ostenditur, quae ab inquilinis illic inhabitantibus
modemo tempore puteus sancti Willibrordi dicitur,' und
noch bis in die neuzeit wird dieser quelle zu Heiligelo heil-
krat't zugeschrieben. Der ort ist urkundlich als Heiligelo
(1063), Heliehelo (1156), HeUgelo (1226), Eeiligheloe (1251)
u. B. bezeugt; das kloster Epternach und die abtei Egnu «ud
3800 hier eine kirche. Ks ist sehr wol anzunehmen. da88
Adam diese nachrichteii von den drei heiligen quellen in Fries-
land. deren eine die WillibrordsqueUe m insula 1
war. deren zweite die Wülibrordsquelle an der friesischen kttste
(«n insula?) in Heiligelo, deren dritte die quelle m insula
Heiligeland war. in dem sinne combinierl oder verwechselt
hat. dass er die beiden letzten aamen als Insel Seiligland
mit der insula Fosetisland gleichsetzt
Wie BchoE erwähnt, ist es durchaus ^wahrscheinlich,
dass Etedbad, dessen ganze geschichte sich onseri os im
5 < I SIEBS
westen der Zuidersee abspielt, am rechten Weserufer im lande
"Wursten oder gar auf der insel Helgoland als könig geherscht
habe und dort von Willibrord aufgesucht sei. Vielmehr ist
bei Fosetesland am besten an eine maritima zu denken, wie
es die gegend von Heiligelo im Kennemerlande war. Übrigens
wäre gar kein anstoss daran zu nehmen, dass man damals die
ganzen gebiete Texel, Kinhem, Westflinge (also das spätere
Xordholland vom Flie bis nördlich von Haarlem) als insula
bezeichnet hätte — ein blick auf die karte dieses vom wasser
fast ganz umschlossenen landes lehrt das. Vor allem aber
braucht uns der ausdruck 'in confinio Danorum et Fre-
sonum' nicht zu stören. Es handelt sich hier um die Nor-
mannen, die Wikinger, für die der eigentliche nationale name
'Dani' war, vgl. Einhard, Vita Caroli cap. 14 'Nortmannos, qui
Dani vocantur'; eine reihe von weiteren Zeugnissen dafür gibt
W7alther Vogel, Die Normannen und das fränkische reich, Heidel-
berg 1906, s. 21. Ebenda ist auch über die Verwüstung Süd-
frieslands durch die Dani im 9. Jahrhundert gehandelt (s. 66 ff.):
das küstengebiet von Walcheren bis zum friesischen Westergo
kam in ihren besitz, so dass im 9. jahrh. die Westküste der
Zuidersee als 'in confinio Danorum et Fresonum' bezeichnet
werden konnte — eine benennung, die freilich im 11. jahrh.
durch Adam von Bremen auf nördlichere gebiete gedeutet
werden musste. Für die älteren zeiten sei noch besonders
auf die von Schwerin (a. a. o. s. 21) angegebenen Zeugnisse und
auf die Zusammenstellungen in J. C. H. R. Steenstrups 'Norman-
nerne' (1. und 2. band) hingewiesen1), z. b. Einhard, Vita Caroli
cap. 17 'praeterquod in Frisia quaedam insulae Germanico litori
contiguae a Nordmannis depraedatae sunt'; Einhards Annalen
zum jähre 810 'imperator . . . nuntium accepit classem ducen-
tarum navium de Nordmannia Frisiam appulisse totasque
Frisiaco litori adiacentes insulas esse vastatas, iamque exer-
citum illum in continenti esse, ternaque praelia cum Frisonibus
commisisse, Danosque victores tributum victis imposuisse et
vectigalis nomine centum libras argenti a Frisonibus iam esse
') Ueber Dänen an der westfriesischen küste vgl. besonders Steenstrup
a.a.O. 154; ein friesischer Häuptling Half dem ist in Friesland zu ende des
8. und zu anfang des 9. jh.'s bezeugt (I 115 ff.), sein söhn auf Walcheren
UI 27. 157 ff.).
deb qott roa B 545
solutas'; in den Bertinischen Annalen zu den jähren B46/47
'piratae Damnum Fresiam adeuntes recepto pro libitn cmn
pngnando quoque \i ecti tota paene provincia potitm-
tor... emporiumquod Dorestadum dicitnr ei insulam Batavam
occupant atque obtinent' Späterhin konnte dann die
die den Franken einsl feindlichen Priesen mit den dem Pranken-
reiche feindlichen Danen zusammenwerfen und gar den Friesen-
könig Redbad zum Jconing fem Danemerkutn machen, vgl s.
Eiermit meine ich erwiesen zu haben, dass unter dem
Btislande keineswegs Eelgoland zu verstehen ist,
dass vielmehr die Zusammenstellung der beiden namen ein
irrtum Adams von Bremen ist und ihren grnnd hal in der
ahnlichkeil der für beide gebiete bezeugten cnlte sowie der
namen Beiligelo und Heiligeland; dass das Fosetisland der
Vita Willibrordi mit gl Wahrscheinlichkeit in Frisia
citerior zu snchen ist. dem friesischen (seit dem 9. Jahrhundert
von den Dani in besitz genommenen) kiistengebiete westlich
der Znidersee, sei es auf der •insnla* Texel oder in
K inhem.
Die weiteren irrtümer, die der anglückliche gedanke
Adams von Bremen über Helgoland heraufbeschworen hat,
halie ich in meiner schritt über diese insel (a.a.O. 3.2
aufgezeigt her bericht, dass man statt der -fana' christliche
lesias' errichtet habe, und dass hier die residenz
mächtigen Friesenkönigs Redbad gewesen sei, Hess ein ziem-
lich grosses Land vermuten: und als im jähre 1496 herzog
Friedrich von Schleswig es practisch fand, sein besitzrechl
auf Helgoland durch die sonderbare behanptnng zu stützen.
dass es einsl mit dem festlande zusammengehangen hah
war es nur mich ein kleiner schritt zu den um die mitte des
17. jahrhundi iröffentlichten berüchtigten Meyer sehen
ben von Helgoland, auf denen die tempel der gottheiten
Fostae, Vestae und Jovis und vier königlich friesische schl
verzeichnet sind. Alle die heute noch gepfli ober
die dereinsti d Helgoland fuhren also im letzten
gründe am die kleine Verwechslung Adams von Bremen
zurück, und der mbedeatende irrtum eines einzelnen ist zu
die weli beten uu>inn algeschwollen.
\\'e: aber ist der b nach dem das /
5t6 SIEBS
benannt gewesen sein soll? Bekanntlich hat Jacob Grimm
(Myth.4 68, 190 ff.; nachtr. 80) diesen namen mit dem Forseti
der Edda und weiterhin mit dem Baldrculte in Verbindung
gebracht; obschon Grimm selber in der anmerkung (s. 192)
gerechten zweifei an seiner Vermutung äussert, ist sie doch
von vielen aufgenommen worden. Sie ist unhaltbar. Denn
gesetzt auch, man wollte an diesen unmöglichen allegorischen
präsiden Forseti der Edda glauben, so Hesse er sich doch nicht
kurzerhand mit unserem Fos(e)te vereinigen, sondern würde
ein germanisches *(for)setan-, ahd. -se^o voraussetzen, und in
unsern quellen hätten wir etwa *Forseta, *Forseteland zu er-
warten. Dafür, dass das r aufgegeben wäre, ist kein grund
einzusehen. Wer sich durchaus nicht zu völliger trennung
von dem nordischen namen bequemen will, würde zum min-
desten gut tun, in dem nordischen namen Forseti eine etymo-
logisierende Umgestaltung eines älteren dem friesischen Fos{e)tc,
Fos(i)te entsprechenden namens zu sehen, wie auch Mogk
(Grundriss d. germ. phil.2 3, 328. 386) anzunehmen scheint. Da
man nun in diesem worte also gar nicht mit einem präfix
for- zu rechnen hat, wird man die erste silbe als Stammsilbe
betrachten müssen. Und da ein altes i- der nebensilbe unter
allen umständen i-umlaut zu *Fes(i)te bewirkt hätte, so müssen
wir entweder Fosete als die richtige form ansehen oder aber
(und das ist viel wahrscheinlicher) in dem zwischen e und i
wechselnden vocal der nebensilbe eine art irrationalen vocals
sehen, so dass Fosete, Fosite für Foste stünde.
Eine sichere sprachliche deutung lässt sich natürlich für
einen solchen götternamen nicht gewinnen, eine meines erachtens
sehr annehmbare aber ergibt sich leicht. Wir können nämlich
in Foste, Foste (vor st und cht tritt urfriesisch kürzung ein,
vgl. moste 'musste', brockte 'brachte' Grdr. 1, 1223) eines jener
alten nomina agentis mit der idg. stammbildung -tu- sehen,
wie sie uns in got. Miftus 'dieb', anord. vorfir ' Wärter' erhalten
sind, und zwar zur germ. wurzelstufe föd 'ernähren', so dass
afries. Fost, gen. Fostes (vgl. zur declinationsform afries. däth,
gen. däthes für *dätha nach analogie der o- und «-stamme, got.
daufius 'tod') 'ernährer' bedeuten würde. Diese form Fost
würde sich zu einem afries. *f oster verhalten wie etwa der
stamm aind. yätü- zu tjätdr- 'Verfolger'. Auf die altenglischen
DEB GOT! FOS E n:. 5 IT
und altnordischen formen (ae. ßstor, an. fdatr •nahrung*) sei
um- nebenbei hingewiesen. Sollte übrigens an der annähme,
dass das e(%) in Fo8(e)te8- als sogenannter irrationaler vocal
zu beurteilen Bei, anstoss genommen weiden, bo hindert uns
nichts, den namen als gern. *fÖ8 (ans idg. 'pöt-so- 'nahmng',
vgl. Brngmann, Grundriss <1. vgl. gramm. I2, 701) i sut'iix germ.
-////-, -uj>-, das Domina agentis bildet, zu erklären (vgl. Kluge,
Nominale stammbildnngslehre § 29). Die bedentnng wurde dann
etwa die gleiche Bein.
Hai der Forseti der Edda, der söhn des Baldr und ihr
Xanna. der in Grlitnir wohnt und als gott der rechtsprechnng
gilt, überhaupt eine beziehung zu unserem Fos(e)te, bo können
wir sie — wie gesagt — nur dadurch erklären, da^s der
eddisehe nanie eine etymologisierende Umgestaltung darstellt.
Sehnliches schien auch F. B. Hettema anzunehmen, wenn er
(Tijdschrift voor nederlandsch Taal- en Letterkunde 12 [1893],
B. 281) den namen de- gottes mit dem Stammnamen der .
und somit (nach Much, Beitr. 17,57.222) mit anord. fosa in
Verbindung brachte und als (poßeQoq deutete. Ich schliesse
mich zwar solcher etymologie Hettemas keineswegs an und
sehe auch keinen grund. den gott Fos(e)tc dem Thunor gleich-
zustellen oder gar das wort mit dem namen des klosters Fos-
/rnt. das ja in älterer form Furswerih heisst. in Verbindung zu
bringen. Nur darin scheint mir Hettema das richtige zu treffen,
dass er den Fos{c)tc nicht als einen jener ^instruierten rechts-
und versammlungsgottheiten ansehen möchte, mit denen die
germanisten ohne irgend welchen anlass Friesland zu besiedeln
pflegen, und dass er deshalb den sonst gern angezogenen sagen-
haften bericht über die findung ^w< rechts aus dem spiele lässt.
Diese erzählung erscheint in den altwestfriesischen rechts-
quellen lim alten drucke des westerlauwerschen landrechts. vgl.
Fries, rechtsquellen, hsg. von v. Bichthofen, s. 139 140 Dr.;
im .Ins municipale, lt>Lr. von de Haan Hettema. pag. 30 J;
im Codex l'nia. vgl. >>i»)»s. Weetfries. rtudien >. 22, foL55a
= D i. snu ie in der von Pufendorf i( Ibservationes iuris aniv. 1 1 1.
app.36) gedruckten handschr. des Wurster landrechts (erst Dach
L565 geschrieben).1) Sie ist mit grosser vorsieht aufzunehmen,
I DiflM] niedi unter bei jung einer
548 siebs
geschweige dass sie als alte gemeinfriesisclie sage angesehen
werden dürfte. Da der für uns in erster linie massgebende
text der handschrift Unia nach den von mir 1893 in Oxford
aufgefundenen Juniusabschriften noch nicht gedruckt ist, teile
ich hier eine unter benutzung von Dr und J auf grund von U
hergestellte neue fassung mit.
Tha tM koning Karle and tili koning Redbad faii Daiiemerkuui in
thet1) land komen, tka bisette aider sine wer2) ina Franekra gae mit ene
bereskilde, and kwat1) aider, tbet land were sin. Tha woldent wise linde
ierne sena ende tha heren woldent bifiuchta; thaeh wisade ma there sone
also lange thet ma hit np tha tweer koningen ief3), hoder so otherne an
stille stalle nrstode, thet hit wonnen hede. Tha brochtma tha heren toga-
there, tha stoden se en etmel al umbe', tha let thi koning Karle sine
handsko4) falla. Tha rachtene him thi koning Redbad. Tha kwat1) thi
koning Karle a ha a ha, thet land is min, and hlackade; aider umbe hat
sin worth5) Hachense. Hwerumbe, kwat1) Redbad. Tha6) kwat Karle: j
sint min man worden. Tha kwat') Redbad: o wach: alderumbe hat sin
worth7) Wachense. Tha for thi koning Redbad uta lande, and thi koning
Karle wolde thingia. Tha ne mostere, hwant ther lethegis landes so fule
naut ne was, ther hi uppa thingia machte. Tha santere boda in tha sawen
seland, and het, thet hiam8) wonnen ene fri sto, ther hi uppa thingia
machte. Tha kapadense mit skette and mit skillinge Deldama-nes, ther
thingadere uppa and lathade tha Fresan tofara9) him and het10), thet
hia riucht keren11) asca hiat halda wolden. Tha beden hia ferstes ti hara
forespreka. Tha ief12) hi him orlof. This othera13) deis het hi, thet se
fore14) thet riucht komen.11) Tha komense and keren foresprekan, tolif
fan tha sawen selandum. Tha het hi, thetse riucht keren. 1!) Tha jaradense
ferstis. This thredda deis het hi se koma. Tha tegen hia nedskin. This
fiarda deis also, this fifta also — thit send tha twa ferst and tha thria
nedskin, ther thi fria Fresa mit riuchte mei hava. This sexta deis het hi,
thetse riucht keren.11) Tha sprekense, hia ne kuden. u) Tha sprek15) thi
Hannoverschen hs. (c) und einer Göttinger (g) gedruckt als ' van ordtsprunck
vnd herkamenn der Fresenn' in C. Borchlings vortrefflicher ausgäbe 'Die
niederdeutschen rechtsquellen Ostfrieslands' I 216 ff. (Aurich 1908). Diese
späte fassung, die offenbar auf der kenntnis westfriesischer texte beruht,
ist für unsere frage nicht von bedeutung; sie hebt den christlichen inhalt
der sage ganz besonders stark hervor.
*) In U stehen hier a-formen, z. b. that, ivasa u. s.w. Ich habe in
den meisten fällen hier die normalen e-formen eingesetzt. 2) wer bessere
ich für loei U; Dr hat syn oerd ende syn eynd seine stelle und seine grenze;
J hat bnreh 3) gaf U 4) hantslco TJ 3) U hat vrth, Dr. oerd, J burch,
vgl. 7) 6) that Ü 7) worth U, oerd Dr, burch J 8) steht für hia him
9) tofare U 10) hat U (oder bat für lad 'gebot'?) «) in U fehlt hier
dsa n 12) juf U ,3) andern U 14) unsicher in U, ob fare oder fore
DEB GOTT POS B VE. 549
krmiii£>- : nu lidze ikia) jo tofara thre keran"). boder jo liawera Be: fchetma
jo alle handle, than 3 alle ain wirde, thanma jo en skip jo^
and also sterk, ther anne ebba and anne flod mei witstan, and I
allerbanda rower18) and rema and towe. Tha keren bia thei -ki|> and
i'olen ut mitta ebba also Hr tbetse neu aland10) ae muchten sian. Thi
hin leitbe to mode; tha sprek16) thi ena, ther fao Widekines Blachte was,
thi forma asega: ik habbe herd, thei os hera god, tha hi an erthi
was, t « > I i t' jüngeren hede and hi selva threttnndista were81) and hi to
himmen kome al bi sletena dornm and trastese an.l Lerdese; hu De bidda
wi Haut, thet lii os anne threttnndista Bende, ther ds riueht88) lere and
(i lande wise? Tha folen bia alle an hara kne and beden inlike. Tha Be
tha bedinge heden den, tha Begen hia anno threttnndista an there Btiorne
ütta and ene [geldene88)] axe Dp Biner axla, ther lii medeto lande h
Btinrde wit Btram and wit wind. Thase to lande komen, tha warp hi mit
ther aze np thei land and warp ene tnre ap, tha ontsprang ther en bnrna;
aldernmbe hat thei ii Axenshowe; and et Eswei komen*4) hia to"8) Luid
- den umbe tlu bnrna. and hotso bim tili threttnndista lerdt . thei
nomen hia to rinchte. thaoh8*) De wistet aemma ander tha fnlke, hot tlii
threttnndista were81), ther to him komen was: also lik was lii allereknm.
Tha hi-';) him thet rinchl wisid hede, tha Deren ther ner tolif; aldert
sken in tha lande threttene asegan wesa1) and hara doman agen hia to
delane ei \ and ei Eswei. And hwerso hia antna sprekat1), so
agen tha sawen tha sei in ti haliane. Aldos i-t landrincht alra Fr<
AI- kOnig Karl und könig Bedbad von Dänemark in das land kamen,
■ Bt&tte im Pranekergan mit einer heerschar, und
. das land wäre Bein. Da wollten weise lente die sache gern friedlich
beilegen, and die herren wollten sie ansf echten; jedoch setzte man den
friedlichen ansgleich dahin fest, dasa man den beiden känigen anferl
wer von beiden im Btülstehen den andern überträfe, der hätte das land
gewonnen. Da brachte mau die herren zusammen, da standen sie einen
and eine aachl lang; da liess der kSnig Karl Beinen handschnh fallen,
und da reichte der köni»; |{>'diiad iiini den. I der köni»; Karl -aha.
aha, dal land i-; iixin " und lachte; darum b I Ltte Eachl
•Warum'.'' sagte ELedbad; da Bprach Karl 'ihr Beid mein mann geworden.1
Etedbad 'o wach'.' Darom hei-st seine Btätte Wachense. Da
lex könig Redbad aus dem lande, und der könig Karl wollte gericht
halten. Da könnt'' er es Dicht, denn da war nicht so viel freies land, dasa
••r daraui bitte gerichl halten können. Da sante er boten in die -
seelande und liess sie si< erwerben, auf der er gerichl
halten konnte. Da kauften sie mit -'li.it/ (geld) und Schilling 'Deldama-
darauf gerichl und ladete die Friesen vor sich und g
rock (jtpraekT) \ '•) ik hei jo V |:> hara Lllige
form auch ->>nM in 1 (Bechtsqn. - in lind' J
Irihr V -••) irny, I ■ , . ,• ! I. fehlt
in Di \> juamen l ») tu \ ) UuA i • alt in r
550 SIEBS
dass sie recht kürten, wie sie es dann halten wollten. Da baten sie um
frist, sich eiiien fürsprechen zu wählen. Da gab er ihnen erlaubnis. Am
andern tage befahl er, dass sie vor gericht kämen. Da kamen sie und
wählten fürsprecben, zwölf von den sieben Seelanden. Da gebot er, dass
sie recht küren sollten. Da begehrten sie frist. Am dritten tage Hess er
sie kommen. Da führten sie echte not an; am vierten tage ebenso; am
fünften ebenso — das sind die zwei fristen und die drei fälle echter not,
die der freie Friese von rechtswegeu haben kann. Am sechsten tage gebot
er, dass sie recht küren sollten. Da sagten sie, das könnten sie nicht.
Da sprach der könig: 'nun lege ich euch dreierlei zur wähl vor: ob es
euch lieber ist, dass man euch alle köpfe, denn dass ihr alle unfrei werdet;
oder dass man euch ein schiff gebe also fest und stark, dass es einer ebbe
und flut Aviderstehen kann, und dieses ohne irgend welches Steuer, ohne
rüder und taue.' Da wählten sie das schiff und fuhren (eig. fielen; oder
ist foren zu bessern?) aus mit der ebbe, soweit dass sie kein eiland sehen
konnten. Da war ihnen traurig zu mute; da sagte der eine, der von Wide-
kins geschlecht war, der erste rechtsprecher: 'ich habe gehört, dass unser
herr gott, als er auf erden war, zwölf jünger hatte und er selbst der drei-
zehnte war und er zu ihnen kam bei verschlossenen türen und sie tröstete
und lehrte; warum bitten nun wir nicht, dass er uns einen dreizehnten
sende, dass er uns recht lehre und zu lande weise?' Da fielen sie alle
auf ihre knie und beteten inbrünstig. Und als sie ihr gebet verrichtet
hatten, da sahen sie einen dreizehnten am Steuer sitzen, und eine [goldene]
axt (scheit?) auf seiner Schlüter, womit er zu lande steuerte gegen ström
und wind. Und als sie ans land kamen, da warf er mit der axt (dem
scheit?) auf das land und warf einen rasensoden auf, da entsprang da eine
quelle; deswegen heisst das zu Axenshowe. Und zu Eswei kamen sie ans
land und sassen um die quelle; und Avas immer der dreizehnte sie lehrte,
das nahmen sie zum rechte. Doch wusste niemand unter dem volke, wer
der dreizehnte wäre, der zu ihnen gekommen war: so gleich war er jedem
von ihnen. Als er ihnen das recht gewiesen hatte, da waren dort nur noch
zwölf; deswegen sollen in dem lande dreizehn Asegen sein und ihre urteile
haben sie zu geben zu Axenshove und zu Eswei. Und wenn immer sie
uneins sind, so haben die sieben die sechs zu überstimmen, so ist es land-
recht aller Friesen.
Diese erzählung hat v. Blchtkofen (Untersuchungen zur fries.
rechtsgesch. 2, 419. 435 ff. 447. 459 ff.) zwar als historisch wertlos
erachtet, ihr aber eine grosse bedeutung als sage beigemessen:
er hat in dem unbekannten, der den Asegen das recht lehrt,
den Fosete = Forseti, den höchsten gott erkennen wollen, der
— wie Baldr am Urdbrunnen, der gerichtsstätte der götter —
das recht weist; in dem namen Eswei sei noch die bezeichnung
des gottes (ansi-) zu sehen. Dieser auffassung schliesst sich
z. b. Mogk (a. a. o. s. 328) an, indem er sie freilich — in
vorsichtigem und richtigem empfinden — für das nordische
DHU GtOTT FOS(E)TE. 551
nicht gelten hissen möchte: 'es ist derselbe Foseti, der die
friesischen Asegen nach alter Bage »Ins rechl lehrte, ein gott,
der vor ihnen erschien and nach ihrer belehmng wider ver-
Bchwand, nachdem er zuvor noch den alles stillenden quell hatte
hervorsprudeln lassen. I>as war kein untergeordneter gott,
Mindern eine gottheit. die bei den ainpliikt vollen ihres heilig-
t ums die höchste bedeutung halte; wir verstehen Bie allein von
friesischem boden ans mit einem hinblick auf den Mars Thingsus,
nimmermehr vom nordischen, auf den sie zweifellos ersl in
später zeit verpflanzt ist.' — Dem entgegne ich: von einer
friesischen rechtsgottheit kann liier Bberhaupt keine
reih' Bein, deren annähme isl lediglich eine folge *\>v - be-
reits abgewiesenen — Grimmschen gleichsetzung des Fosete
mit dem nordischen Forseti (Forsetelund); auch kann der Mars
Thingsus hier nicht in frage kommen, zumal da die ihm altäre
errichtenden Qermani cives Tuihanti (Twenthe) gar keine
Friesen waren.
Diese erzählung der westfriesischen rechtsquellen leint
uns für die mythologie nichts. Nach art der mehrfach
erscheinenden tractate und einleitungen zu den rechten sind
hier in gelehrter weise die verschiedenartigsten stücke ver-
einigt Zunächst wird rechtssymbolisch die besitzergreifung
di's Landes durch Karl den grossen dargestellt: er wirft K'edbad
— der hier zum koning fem Danemerkum gemacht wird, vgl
s. 544 — den handschuh hin, und der hebt ihn auf; diese
rechtssymbolische handlung, durch die K'edbad seines besitzes
verlustig oder Karl als der höhere gegenüber dem geringeren
erklärt wird (Rechtsaltert4 1, 211 ff.), i-t hier weiter aus-
iltet Daran Bchliesst sich eine Behr alberne etymologische
ortssage, die nichl friesisch sein kann, sondern wegen des ganz
unfriesischen o wach von einem Niederländer fabricierl zu Bein
Bcheint Freilich i-t die sage in Westfriesland (östlich der
Zuidersee) localisiert, in Franehraga\ vielleicht ist mit Wac\
der mt Waeksens (in Bennaarderadeel, auch in Westdongera-
deel) oder Waakens (in Barderadeel) gemeint, vgL v. Rieht-
hofen a.a.O. & in». <>l» bei Axenshowt (so hat ü) an Aei.
(bei Tjerkwerd in Wonseradeel) und lud Eswei an Jestwei
(bei Suameer in Tietjerksteradeel) zu denken sei. lasse ich
dahingestellt, zumal da Axeti auch in Ostfriesland ein häufiger
552 siebs
Personenname ist, und da ees(Jc)- neuwestfries. ies- [vgl. ost-
fries. ees(k)wei] ein in Ortsnamen weit verbreitetes erstes com-
positionsglied ist. in dem man einen personennamen Ese, Ees,
Eesli(e) vermuten kann. Die namensformen sind bei Winkler,
Lijst van friesche eigennamen s. 92. 182 u.s.w. gesammelt. Es
kommt noch die möglichkeit hinzu, dass e-swei zu trennen ist,
und dass es eine niederlassung (ndl. zwaag, daraus fries.-ndl.
auch sweach) am flusse (afries. e, neuwestfries. ie) sein kann.
Weiterhin ist eine nicht viel höher zu bewertende geschiente
von der kürung des rechtes und der entstehung der beiden
fristen und der drei echten nöte angefügt. Einen weniger
doctrinären eindruck macht die darauf folgende erzählung,
wie die fürsprechen auf steuerlosem schiffe auf das wasser
hinausgesant werden und später bei der dingstätte antreiben:
es ist jenes in grimdungssagen so häufige motiv, dass die nieder-
lassung dem zufalle anheimgegeben wird. Auch hier aber gibt
wider eine ortsnamenetymologie den ausschlag: Axenshove wird
in gesuchter weise als 'Axthau' gedeutet. Jedenfalls hat hier
der bekannte gebrauch des Werfens von axt oder beil als
symbol des landerwerbs eine rolle gespielt, und so ist altwest-
fries. axe, dem neuwesfries. alcsd entsprechend, als 'axt' (nicht
als holzscheit) zu übersetzen. Gerade die sonderbaren worte
ene axe up siner axla scheinen einer alliterierenden rechts-
formel 'die axt über die achsel werfen' zu entstammen (über
den brauch vgl. Eechtsaltert.4 1, 83 ff. 91. 92 u. ö.). Nur im
hinblick auf den nach der landung geschehenden wurf der axt
über die achsel begreift man die worte, dass der am Steuer
(des früher steuerlos genannten schiffes) sitzende das schiff
mit einer axt *) lenkt, die er auf der Schulter trägt; der unsinn
erscheint noch grösser, wenn J und U daraus eine goldne axt
gemacht haben. Für Esivei, die zweite dingstätte, ist keine
etymologische deutung gegeben, sei es dass dieser name erst
nachträglich eingefügt ist oder dem nichtfriesischen Verfasser
') Im Wurster teste heisst es : ' vnd hadde eyn krumkoldt in der handt
-vnd warp dath achter vth dem schepe vnd forede desse also wedder tho
lande in de hauene dar sehe vthgekamen wheren. Vnd dho desse drutteinste
tho lande quam, so nam he dath holdt und warp dat vp dath landt, und
dar entsprauck ein schone borne . . . ' Hier ist also ein krummholz genannt,
wie es die schiffer zum steuern der kähne brauchen (an das im rechtsbrauche
zum dinggebot übliche krummholz ist nicht zu denken).
DEB GOTT FOSrE)TE.
in anlehnung an < 'gesetz, recht1 als klar erschien. — Diese
rechtssymbolischen and etymologischen dinge sind nun mit der
erzählang vom erscheinen des lehrers als dreizehnten und vom
schlag der quelle verbunden. Die erstere sagt mit klaren
Worten, dass die zwölfe zu gotl beten, er möge ihnen einen drei-
zehnten senden, wie Christas za den zwölf jungem gekommen
sei, and dass gotl ihn schickt — es ist die auch sonsl in
der einleitung zu den rechten herschende auffassung, dass die
christlichen könige tha Hockt nei godis iefta scöpen 'die rechte
nach gottes gäbe schufen.1 Wie man hierin etwas heidnisches
hat sehen können, ist nur unerfindlich, und was endlich
das schlagen der quelle anlangt, so ist ja bekannt, dass von
nordischen göttern, z.b. von Baldr solches berichtel wird;
man darf aber nicht ausser achl Lassen, dass auf nichl ger-
manischem boden ähnliches bezeugt ist . z. b. von ßhea in
Arkadien (vgl. Grimm, Myth.4 1, 485 und nachtr. b.166. 190).
Auch hat ja der in den einleitungen zu den friesischen
rechten unter den iuris conditores eine grosse rolle spielt, mit
seinem stabe wasser aus dem felsen geschlagen — also auch
dem Christenglauben ist der schlag der quelle nicht fremd.
sei hier nochmals daran erinnert, dass der heilige Willibrord
an der friesischen küste durch sein gebet eine quelle hat
sprudeln lassen, und dass am grabhugel des Bonifacius
alt die Vita — durch den hufschlag eines rosses eine
quelle entsprang (wie unter dem hul'srhlag (Ws Pegasus die
Eippokrene). Wir wissen, dass gern an solchen statten gericht
gehalten ward, wo brunnen oder bäche wasser Bpem
(Bechtsaltert4 2, 419). Wenn nun in eini kern
die wähl einer dingstatte ist, der schlag der quelle vorkommt,
bo braucht darin aoeh kein zeagnis für den eult eines ger-
manischen gottes gesehen zu werden.
Hiermit glaube ich erwiesen zu haben, dass uns nichts
berechtigt, in dem FosQ Vita Willibrordi einen gott
ilrs rechtes oder gerichtes zu sehen; wir wissen nur. dass er
in J -ml — vermutlich im gebiete von Texel
K'inhem — als ein hoher gott verehrt wurde, denn die Ver-
letzung Beines beüigtums forderte menschenopfer.
BRESLAU. THEODOB SIEBS.
KLEINE BEITRÄGE ZU DEN QUELLEN DES
ANNOLIEDES.
Die bisherigen resultate der forsckungen über das Anno-
lied hat M. Rödiger in der ausführlichen einleitung seiner für
die Mon. Germ. hist. (Deutsche Chroniken bd. I) besorgten aus-
gäbe zusammengefasst und besprochen.
Besonders erwähnt seien die arbeiten von Bezzenberger
(Msere von Sente Annen. Bibl. d. ges. deutsch, national -liter.
bd. 25, Quedlinburg u. Leipzig, 1848), Kettner (Zs.fdph. 9, 257 ff.
19, 321 ff.), Wilmanns (Beitr. z. gesch. d. alt. deutsch, lit. heft 2,
Bonn, 1886) und Zarncke (Sitzgsb. d. k. sächs. ges. d. wiss. phil-
hist. cl., bd. 39, 283 ff.). Die jüngste publication auf diesem ge-
biete, von Eberhardt (Beitr. 34,1 ff.), ist ausschliesslich metrischen
Studien gewidmet.
Hinsichtlich der quellen zum weltgeschichtlichen teile
des Annoliedes begnügt sich Rödiger mit einem hinweise auf
die Untersuchungen von Carnuth (Germ. 14, 74 ff.), Kinzel (Zs.
fdph. 15, 222) und Wilmanns (s. 10 ff.).
Es liegt in der natur der sache, dass ein acker, welcher
schon so oft durchgepflügt wurde, wenig ausbeute gewährt.
Was ich in dieser beziehung noch gefunden zu haben glaube,
sei im folgenden mitgeteilt.
Hin und wider wurden stellen der vulgata zu versen des
liedes in parallele gesetzt.
Was den stil mittelalterlicher Schriftsteller, besonders das
häufige erscheinen klassischer und biblischer reminiscenzen
betrifft, so erinnere ich an Rödigers bemerkung: 'man möge
nicht vergessen, dass die gelehrten des mittelalters so gut wie
wir allerhand auswendig wussten und so wenig wie wir für
jede angäbe bücher nachzuschlagen brauchten. Mit unseren
quellennachweisen umgrenzen wir nicht immer die bücherkunde
ZU DEN QUEM, KV DAS ANNOF.IKIH 18
des Schriftstellers, Bondern geben einen beitrag zur geschiente
der gelehrsamkeit und des Unterrichts' (a.a.O. b. 113).
31. (Eoedig.) der (mennisch) beide ist, corpus unte geist.
Wilmanns meint (a.a.O. b. 11): manche der in der einleitung
des A.I.. vorgetragenen gedanken seien bo allgemein verbreitet,
dass man überhaupt nach einer bestimmten quelle nichl zn
fragen habe, so gleich zn anfang die Unterscheidung der geister-
und körperwell ....
Die Verbindung der worte 'corpus1 and 'anima1 begegnet
häufig in der vulgata: Tob. 4,8 ••um acceperit Dens animam
meam, corpus meum sepeli; Sap. 9,15 corpus enim, quod cor-
rumpitur, aggravat animam; Eccli. 31,37 Banitas est animae
et corpori sobrius potus; DLMac. 7, 37 animam et corpus meum
trado pro patriis Legibus; ebda. 14,38 corpusque et animam
tradere contentus; Matth.lo.2s timete tum. qui potest et
animam et corpus perdere; [. Thess. 5, 23 et anima et corpus
Bine querela . . . servetur.
Aus der klassischen Literatur kommen in betracht: Luci-
lius 579 (ed. Lachmann): principio physici omnes constare
hominem ex anima et corpore dicunt; ebda. 695 adfuerit anima
»■t corpore: rfj corpus, anima est jtvevfia\ Cerner Varro, De lingua
lat. IX .". neque anomalia neque analogia est repudianda, nisi
Bl nun est homo 61 anima, quod 681 [homo ex anima quod est]
ei corpore et anima: Sallust Cat 1,2 sed nostra omnis vis (im
gegensitz zu dem der tiere) in animo et corpore Bits
aiiimi Unperio, corporis servitio magis ntimur; alterum nobis
cum dis, alterum cum beluis commune est; ebda [ug. c.2 Dam
ini genus hominum compositum ei corpore et anima
it;i res eunetae Btudiaque omnia nostra corporis alia alia animi
naturam seeuntur.
Welche der citierten Btellen dem A.nnodichter in der
erinnerung schwebte, wird rieh Bchwer entscheiden lassen,
Vielleicht eine aus Sallust, der in mittelalterlichen schulen
vorzugsweise gelesen wurde. Bezzenberger (a.a.O. s.97, anm.27)
glaubte in drin vorkommen des Wortes 'corpus' für das Bonsl
gebräuchliche 'lieh' einen beweis für die abfaasung des gedientes
durch einen geistlichen zu erblicken.
88, haltt ar sich behaikm. Vielleicht eine widergabe des
ilcitrag« utr gcjchichtc Jor deutschen sprach'-
556 KOHLMÄNN
biblischen 'si perseveraverit'; cf. I. Par. 28, 7 et firmabo (David)
regnum ejus (Salomonis) usque in aeternum, si perseveraverit
facere praecepta mea; Judith. 4, 14 sie erunt universi hostes
Israel, si perseveraveritis in hoc opere.
45. die sterrin hihaltent ire vart. Aehnlich heisst es ein-
mal bei Lucan, dessen Pharsalia der Annodichter nach dem
übereinstimmenden urteile aller genau gekannt hat: Pharsal.
II 267 sicut caelestia semper Inconcussa suo volvuntur
sidera lapsu. Dass hiermit die vorläge gefunden sei, möchte
ich indes bezweifeln.
47. daz fuir havit üfwert sinin zug. Gewissen anklang
zeigt: Hiob 5, 7 Nein der mensch ist zum elend geboren, sowie
der flamme kinder (d.h. die feuerfunken) aufwärts fliegen
(nach E. Kautzsch, H. schritt, 2.aufl. 1896, während der vulgata-
text lautet: homo nascitur ad laborem, et avis ad volatum).
49. dl wölken dragint den reginguz. Cf. lob. 26, 8 qui
ligat aquas in nubibus suis, ut non erumpant pariter deorsum.
50. nidir wendint diu wazser irin vlaz. Vgl. lob. 5, 10 qui
dat pluviam super faciem terrae, et irrigat aquis universa.
60. dannin huobin sich diu leiht. Vielleicht biblische
reminiscenz: Marc. 13, 8 Initium dolorum haec (nach der er-
zählung von der Zerstörung Jerusalems); Matth. 24, 8 haec
autem omnia initia sunt dolorum.
65. unze got gesante sinin sun: \ der irlöste uns . . Galat.
4, 4. 5 at ubi venit plenitudo temporis, misit Deus Filium
suum , ut eos, qui sub lege erant, redimeret.
67. ce opfere wart her mir uns bräht. Cf. Ephes. 5, 2 sicut
et Christus tradidit semetipsum pro nobis oblationem et
hostiam; Tit. 2, 14 qui dedit semetipsum pro nobis, ut nos redi-
meret ab omni iniquitate; Hebr. 7, 27 seipsum offerendo.
68. dem dode nam her sini mäht 2. Tim. 1, 10 Jesu Chr.,
qui destruxit quidem mortem (der dem tode die macht hat ge-
nommen, nach Luther).
71. der tiuvel virlos den sinin gewalt. Hebr. 2, 14. 15 auf
dass er (J.) durch den tod die macht nähme dem, der des
todes gewalt hatte, d.i. dem teuf el; Und erlösete die, so durch
furcht des todes im ganzen leben knechte sein mussten (v. 62).
hl N QÜELL&H D]
72. "//• wwräin al in wie geeält Vielleicht nach GaL 5, 18
enim in libertatem vocati estis, fral i
s\), himilbröt. Noch Luther Betzl himmelbrod manna;
vgL Ps. 7s. 21. Hebr.9, i. Jon. 6,81. 50. 51. "
1J">. Ninus lii: der toristi man, \ dir dir ie volctoigis bigan
s(|q. Seitdem Martin Opitz im jähre L689 zum ersten male nach
einer inzwischen verloren g< gangenen handschr. das Annolied
im druck herausgab, hal man ßich daran gewöhnt, als quelle
für die verse aber könig Ninus and dessen burgenban den
Justin (II) zu betrachten. Diese allgemein verbreitete an-
sichl wurde von fast sämmtlichen bearbeiten) des A.L.. darunter
?on Massmann (Kehr, m 398) and Wilmanns aeeeptiert —
Rüdiger zieht (a.a.O.) zur vergleichung [sidor. Orig. Will l. l
heran.
Es dürfte aber wo] fraglich Bein, ob der verf. des AI.,
drit Justin urkaiiiit hat. (arnuth ist freilich für diese annähme
eingetreten and citierl zum beweise einige beispiele (a.a.O.
IL •'. kann aber oicht mehr ein Zweifel darüber bestehen,
wir es A.L. v. 687. 688: 'diz riche alliz bikerte sin gewönne |
in sin eigin in§dire' lediglich mit einer nachbildung von Lucan
zu tun haben:
Pharsal. I l 'Bella per Emathioa plus quam civilis campoa
fasque datam Bceleri canimus, populumque potentem
In Bna virtrifi conversum viscera dextra.'
Bierfür sprichl victrici dextra mil siginuftlicher o
ein zusatz, welcher bei Justin in beiden allen fehlt
E3s scheint mir vielmehr, als ob der Annodichter an ans
stelle »lfuorn.Mii> als vorläge benutzte. Die 'Historia advers.
- spanischen mönches, am U7 geschrieben, hat an-
geachtel der trockenheil ihrer darstellung, als tendenzschrift
die mittelalterlichen autoren Btark beeinflusst [ch erinnere
nur an Adam von Bremen and i d Freising.
Oroeius seinerseits den Justin fleissig ezcerpierl hat, darf als
bekannt von t werden. - Was das A.L. von Ninus
zu berichten weiss (y. L25 ff.), stimmt im wesentlichen mit den
tben des Orosius (14) überein. Dazu kommt, dass die im
anfange des 1-. jahrh/s entstandenen i um, eine
lauptquelle des Annoäedes <»|dt/. scheint am dieses ab-
558
KOHLMANN
hängigkeitsverhältnis nicht gewusst zu haben — mit könig
Ninus beginnen. Es handelt sich hierbei, wie der herausgeber
der Trierischen ckronik, G. Waitz, andeutete (M.G.SS. VIII 130),
um fast wörtliche widergabe von Oros. I 4.
Dass die Gesta Trever. dem Anne-dichter bei der erzählung
von könig Ninus den weg gewiesen haben könnten, ist dem-
nach ein naheliegender gedanke, eine Vermutung, welche Wil-
manns einmal offen ausspricht (a. a. o. s. 53). Trotzdem heisst
es an anderer stelle (ebda. s. 55) bei ihm: 'Im Annoliede ist,
wie wir gesehen haben, Justin zu hilfe genommen, in den Gesta
Orosius.' (ebda. s. 13).
Ich stelle die betreifenden abschnitte aus Justin und Oro-
sius zum vergleich einander gegenüber.
Justin II: Orosius 14:
Fines iniperii tueri magis quam A° ante urbera condit. MCCC Ninus
proferre mos erat ; intra suam cuique rex Assyriorum primus, ut ipsi vo-
patriam regna finiebantur (v. 133 — lunt, propagandae dominationis libi-
136). Primus omnium Ninus, rex dine (v. 128) arma foras extulit (v. 126)
Assyriorum, veterem et quasi nati- cruentamque vitam quinquaginta an-
vum gentibus morem nova imperii nis per totam Asiam (v. 146) bellis
cupiditate (v. 128) mutavit. Hie pri- egit; a meridie atque a Rubro mari
mus intulit bella finitimis (v. 125 ff.) surgens, sub ultimo septentrione Eu-
et rüdes adhuc ad resistendum po- xinum pontum vastando perdomiüt
pulos (v.137) terminos usque Libyae Scytbicamque barbariem adbuc tunc
perdomuit Ninus magnitudinem inbellem (v. 137) et innocentem tor-
quaesitae dominationis continua pos- pentem excitare saeuitiam (v. 133 ff.),
sessione firmavit. Domitis igitur vires suas nosse, et non lacte iam
proximis cum accessione virium for- peeudum sed saugninem bominum
tior ad alios transiret et proxima bibere, ad postremum vincere, dum
quaeque victoria instrumentum se- vincitur edoeuit (v. 139 ff.). x)
quentis esset (v. 144), totius orientis
populos subegit (v. 145).
Dürfen wir aber die anfangssätze der Gest. Trever. als
vorläge des A.L. v. 125 ff. betrachten, so würde damit ein
kriterium für die zeitliche bestimmung des liedes gewonnen
sein. Es könnte demnach nicht vor 1101 — soweit reichen
die Gesta Trever. in ihrer ersten fassung2) — entstanden sein.
') Zu A.L. v. 133 ff. diu Hute warin uns an diu Hesse sich ver-
gleichen Sallust. Cat. 2 initio .... vita hominum sine cupiditate agitabatur.
sua cuique satis placebant.
2) Ueber die Gest. Trever. und ihre fortsetzungen vgl. Wattenbach,
ZU DES QUELLE» DE« iNNOLIEDEft
Die ansätze von Wilmanns (s.91: zwischen H»77 und I
and Rödiger (a.a.O. 8.98: 1077 L081) scheinen nichl das
richtige zn treffen. Vielmehr möchte ich mich hinsichtlich
der Chronologie Kettnen ansichten (a.a.O. IX 304 805. XIX
337/338) anschliessen, wonach das lied bald Dach 1106 nieder-
geschrieben Bein soll (vgl. Zarncke a.a.O. -.'-ü'!1. 304).
HJ. da stiphter (Ninns) eine bürg dageweidi wiht,\
driir dageweidi lank. micl ler sin getvalt die bürg nanter
näh <•''. Wilmanns bemerkl (a.a.O. s.13), dass Justin
den ban Ninives anerwähnt lasse and ziehl zum vergleich
einige Bieronymusstellen heran. Erscheinl abersehen za haben,
dass bereits Massmann (Kehr. III 398) hinwies ani die Bistor.
Trever. (M.GKSS. VIII 144/145): temporihns Habrahae patri-
archae Ninns res potent issimns, qui aediflcayii civitatem Niniven,
de qua Jonas propheta perhibel testimonium qnod magna all
itinere triam diernm.
153. Sin wtfdii i Bdbilonü stiphti
9% sqq. Wilmanns verwirft das hierfür von Massmann (Echr.
DI 899) and Bezzenberger (anm.15' ebene Justincitat
Justin I -: Baec (Semiramis) Babyloniam condidit mnrnmqne
urlii cocto latere cirenmdedit, arenae vice bitnmine interstrato,
qnae materia in Ulis locis passim e terra exaeetnat Neben
den belegen, welche Wilmanns (a.a.O. b. 14) in Vorschlag bringt,
ist zn vgl.: Oros. II 2 occiso Nino Samiramis axoreins, totins
Kom regina, Babylonam arbem instauravit; ebda Uö, 7
oamqne Babylonam a Nebrot gigante Eundatam, a Nino
vd Samiramide reparatam mnlti prodidere. ha strornm
facie moenibns paribus per qnadrum disposita (v. 169 die
burchmüra viereggehtich). mnrornm «'ins vii credibilis relatu
firmitaa et magnitndo, idest latitndine cnbitornm qninqnaginta,
altitndine qnater tanta. mnrns coctili iatere (v.155 I
atqne interfnso bitnmine conpaetns. Die masze der manern
stimmen demnach nicht zu den angaben des LL.
!«•'». m derbun ' rint wdrin \ die ktu
<>■ <i> h i inru I ■ n. Erwähnt sei wei
bUqnellen im i
nuuuu li\ ; d der benntnu
schichte In A !
Aumi. : iinkl.ir.
560 KOHLMANN
Oros. II 2, 2 regnum Assyriorum diu inconcussa potentia stetit ;
sed cum Arbatus . . . praefectus Medorum idemque natione
Medus, Sardanapallmn regem suum apud Babylonam inter-
fecisset regni nomen et summam ad Medos traustulit. —
ebda. II 2, 6 discedente autem Arbato in Medos, partem regni
penes se retinuere Chaldaei (v. 176), qui Babylonam sibi ad-
versum Medos vindicaverunt. ita Babyloniae potestas apud
Medos, proprietas apud Clialdaeos fuit: Chaldaei autem propter
antiquam regiae urbis dignitatem (v. 154?) non illam suam,
sed se illius vocare maluerunt. unde factum est, ut Nabucho-
donossor ceterique post eum usque ad Cyrum reges, quam vis
Chaldaeorum viribus potentes et Babyloniae nomine clari
(v. 174) legantur, in numero tarnen et cardine regum non
habentur inlustrium.
178. unzi si (Chaldei) Hierusalem virbranten. Nach Wil-
manns (a.a.O. s. 16): IV. Reg. 25, 10 Et muros Jerusalem in
circuitu destruxit omnis exercitus Chaldaeorum, qui erat cum
principe militum.
236. driu deil her (Alexander) der werilte zume geivan,
nämlich: Europa, Asien und Afrika. Zur erklärung vgl. Sali,
lug. 17, 3 In divisione orbis terrae plerique in parte tertia
Africam posuere, pauci tantum modo Asiam et Europam esse,
sed Africam in Europa.
263. Homere scrivin cisamine. Nach Wilmanns (s. 25)
liegt der ausdruck 'patres conscripti' zu gründe. Er findet
sich auch häufig bei Sallust, Cat. 51. 51,4. 51,7. 51, 12. 52,35.
275. da aribeiii Cesar, daz ist ivär, \ mer dan ein jär.
Neben Lucan I 283 (Bellantem geminis tenuit te Gallia lustris),
wie Wilmanns (s. 26) andeutet, Hesse sich verweisen auf Lucan
I 299: Bellorum o socii, qui mille pericula Martis | Mecum 'ait
'experti deeimo iam vincitis anno. Ebda. 1374 Per signa
decem felicia castris . . . iuro. Wahrscheinlich handelt es sich
A.L. 275 ff. aber nur um widergabe einer notiz der Gesta
Trever. (Wilmanns a. a. o. s. 51).
327. der (Alexander) die werlt in järin zuelevin \ irvuor.
Ausser den von Wilmanns (s. 31) gesammelten Hieronymus-
stellen cf. Oros. III 23, 6: Igitur Alexander per duodeeim annos
trementem sub se orbem ferro pressit.
y.v DBB QÜBLLBB DM 4HN0LIBD] 561
:>.'{!. äi (viere sfni man) dir al dm woUin hun
Ob «lies an! einen bei Orosius vorkommenden, ähnliches ge-
danken zurückgeht, um— zweifelhaft bleiben Oroa KU 23,
Ptolemaeus iternm cum Demetrio navali proelio conflixh et
... victus in Aegyptnm refagit. hac victoria elatus Antigonus,
regem se cum Demetrio tili" appellari iubet: quod exemplum
omnes secuti regium sibi nomen dignitatemque sump-
Berunt Wer unter den 'omnes' zu verstehen ist, erfahren
wir aus Justin, der quelle des Oroeius: Justin. XV n l'tolo-
meua quoque, oe minoris apud su<>s anctoritatis haberetur,
rex ab ezercitn cognominatur. Quibus auditis Cassander ei
Lysimachus et [psi regiam sibi maiestatem vindicaverunt.
Huius honoris ornamentis tarn diu omnes abstinuerunt, quam
diu tilii regia sui Buperesse potuerunt Tanta in illis vere-
cundia erat, ut cum opes regiaa haberent, regum tarnen nomi-
nibus aequo animo caruerint, quoad Alexandro iustus heres t'uit.
:{.")'J. die burch dvaUin. Vielleicht nach Verg. Aen I 20
Tyrias olim qnae verterel arces (sc. prugenies Troiano a
Banguine ducta). Gemeint ist hier Carthago.
:!•">;. in järin. GL Verg. Aen. II 198 quos — non
anni domuere decem; ebda. XI 290.
361. des ward wslagin der kuning Agamerrmo. Wilmanns
irrt, wenn er glaubt (a.a.O. 3.39), dass der mord Agamemnons
bei Vergil nicht vorkomme; cf. Aen. XI 266 it.:
ipae Kfycenaeus magnorom ductal AehiTom
ooniagifl infandae prima intru. limina d<
oppetiit, derietam Asiam rabsedil adulter.
aemnon und Klytemnestra werden hier von dem römischen
dichter breilich ebensowenig genannt, wie der mörder Agisthus.
:>1:'». 7 lifi im <//'
Ankl igen: Verg. Aen. 1 204 per varios casus, per tot
discrimina rerum tendimus in Latium, Bedea abi fata quietaa
la. VII 22S diluvio es illo tot vasta per
aequora vecti dia Bedem exiguam patriis litusque rogamna
379. rktindart Len.III497 Troiamque
videtis, quam \ i ■••!••• manua
101. i: i" r i< laesar) i g< <l | kariU
mii l( il di iL In den < test. Tr<
562 KOHLMANN
(S.S. VIII 142/143), denen der dichter des liedes (v. 399 ff.)
folgte, lesen wir cap. 13:
. . . ipse (Caesar) omni Gallia pacata, Romain redire disposuit (v. 399).
Sed cum intellexisset a Pompeio et senatu triumpbum sibi ob invidiam
denegari (v. 400), reversus in Galliam, Germanos et Gallos in amicitiam
sibi ascivit, et eorum auxilia magna accepit (v. 417 ff.); cui et Treberi
nicbilominus solacia contulere. Grata foit Gallis haec belli administratio,
videlicet gaudentibus, ad Romam bellum referri, a qua sibi dudum per
Caesarem fuit illatum. Qua multitudine fretus Caesar, Pompeium et sena-
tum Roma expulit (v. 429 ff.), postea ad mortem coegit, Romanum regnum
solus obtinuit (v. 471), post aliquot annos a senatoribus occisus interiit.
Huic successit Octavianus, eius ex sorore nepos (v. 482), qui Claudium
Tiberium Neronem et Drusum priviguos suos (v. 485 ff.) misit ad Gallias
rebellantes pacandas.
Lucan lässt Cäsars Veteranen nach dem spanischen feld-
zuge folgendermassen klagen: Pharsal. V 261
'Liceat discedere, Caesar,
A rabie scelerum. Quaeris terraque marique
His ferrum iugulis, animasque effundere viles
Quolibet beste paras: partem tibi Gallia nostri
Eripuit, partem duris Hispania bellis,
Terris fudisse cruorem
Quid iuvat aretois Rhodano Rbenoque subactis?'
417«, üzir Gallia unti Germania \ quämin imi scarin maniga.
Vielleicht nach den Gest. Treveror. Vgl. dagegen Wilmanns
(a.a.O. s. 48/49). 'Germania' kann sich hier wol nur auf die
beiden römischen provinzen G. superior und G. inferior beziehen.
Man vgl. die reihe der Völkerschaften, aus deren Wohnsitzen
Cäsar seine cohorten zum bürgerkriege heranzog (Lucan I 394).
Ebda. I 481 Hunc (Caesarem) inter Rhenum populos Alpemque
iacentes | Finibus aretois patriaque a sede revolsos, | Pone sequi . .
422. als ein vluot vuorin sin das lant. Möglich, dass der
Annodichter dies bild dem Lucan entnahm, wie Wilmanns (a.a.O.
s. 41) vermutet: Pharsal. VI 272
Sic pleno Padus ore tumens super aggere tutas
Excurrit ripas et totos coneutit agros
Sonst könnte man vergleichen Verg. Aen. II 496 :
non sie, aggeribus ruptis cum spumeus amnis
exit oppositasque evicit gurgite moles,
fertur in arva furens cumulo camposque per omnis
cum stabulis armenta trabit.
EU DKH ','i BLLBN DM an\<>ui:i ■
ebda. II 805 v«-l ut i ... rapidua montano Barnim I
• i laeta boumq
■ dpitetque trabit büvm.
123. duo ei Börne her bigondi nähan, duo dar
manig man, wanii si sdgin schinin so bi ni. \ iel-
leichl anter dem einflösse von Lacan [244: Dt aotae ful
aqnilae Romanaque Bigna Et celsns medio conspectns in
agmine Caesar ! Derignere metn, gelidos pavor occnpal artns
(vom Vormärsche Cäsarsauf Ariminum); ebda UM l t procnl
inmensam campo consnrgere nnbem ! Ardentisque a
cnssis sole cornsco Conspexil telis, 'Socii, decurrite' «lixit
'Fluminis ad ripas (Domitius, commandant von Corfininm).
133. her (Caesar) vuorun nähjaginta. Lucan V 105 Ocior
et caeli flammis ei tigridefeta Transcorrit (nämlich Apnlien);
ebda II 652 Adsequitur generique premil vestigia Caesar.
136. I michil ward <l> >■ herebrant. InV form 'herebrant'
als eine Übertragung ans «lern lateinischen aufzufassen, ist wo!
nicht möglich; vgl. Verg. A.en. I 566 quis ... nesciat ... tanti
incendia belli? (von den kämpfen am Qion). Etödiger hält
'herebrant' für oberdeutsch (a.a.O. s.94) and verweisl auf «las
vorkommen dieses ausdruckes in der mittelalterlichen literatur
(jüngere Judith, Biterolf).
\-\~i. Wer mohte gecelin. Beliebte poetische Wendung. Verg.
Ach. II 361 quis cladem Ulius aoctia - fand«) explicet?; ebda.
XII 500 Quis mihi nunc tot acerba deus ... ezpediat?
\:'M. van östrit allntihaibin (al die menige). Ansprache
er vor der Schlacht bei Pharsalua
Lucan VII 360 . . . Primo genl itecoactae [nnumeraeque
orbes, quantas in proelia aumquam ivere manne
simnl atimur orbe,
1 L2. a ' ■ "■ t i ilkin. K> scheint hier
wirklich Aen. \ 308 zu gründe zu Liegen: ac velut effnsa Bi
qnando grandine oimbi , praecipitant (Wilmanns aa
Vgl ferner Aen. rv L61 insequitor commixta grandine nimbna
I tass die Schilderung der Schlacht l>«i Pharsalos i.\.L. v. 1 19
0) in der hau] I uf Lucans 'B zuruck-
ie bekannte tatsache.1) Aber auch im einzelnen
VgL Wilmas I ff.
564 KOHLMANN
glaubt man den einfluss römischer Vorbilder zu verspüren.
Fast für jeden vers des A.L. lassen sich stilistische belege aus
Lucan und Vergil anführen. An directe entlehnungen braucht
man hierbei indes kaum zu denken, vielmehr dürften sich die
Übereinstimmungen im ausdruck aus der ähnlichkeit der Situa-
tion erklären, oder, wie Rüdiger (a.a.O. s. 125, anm. 2) bemerkt,
'es werden bei der schlachtschilderung des A.L. feststehende
momente hervorgehoben, die notwendig, soweit die kampfweise
gleichartig ist, auch in der antiken und romanischen dichtung
begegnen müssen.'
449. Oy w% diu ivifmi dungin \ da diu marih cisamine
sprungin. Ein ähnliches bild Verg. Aen. XI 613 conixi incur-
runt (T. et A.) hastis primique ruinam | dant sonitu ingenti
perfractaque quadrupedantum | pectora pectoribus rumpunt.
451. hcrehorn duzzin. Vgl. Lucan I 237 Stridor lituum
clangorque tubarum | Non pia concinuit cum rauco classica
cornu (bei der einnähme Ariminums); Verg. Aen. VIII 2 rauco
strepuerunt cornua cantu; ebda. IX 503 At tuba terribilem
sonitum procul aere canoro increpuit; ebda. XI 474 bello dat
signum rauca cruentum bucina.
452. beche bluotis. Vgl. Lucan VII 292 Videor fluvios
spectare cruoris (anrede Cäsars an seine Soldaten). Vielleicht
auch Lucan VII 700 Eespice turbatos incursu sanguinis amnes.
453. derde diruntini diuniti \ diu lielli ingegine gliumiti.
cf. Verg. Aen. III 90 tremere omnia visa repente | liminaque
laurusque dei, totusque moveri | mons circum et mugire adytis
cortina reclusis; ebda. VI 256 sub pedibus mugire solum et
iuga coepta moveri | silvarum; X 102 tremefacta solo tellus;
XII 445 pulsuque pedum tremit excita tellus.
455. da di Mristin in der iverilte \ suöhtin sich mit stierten.
Verg. Aen. X 513 proxima quaeque metit gladio (Aeneas) la-
tumque per agmen | ardens limitem agit ferro, te, Turne,
superbum | caede nova quaerens (entscheidungskampf der
beiden hauptführer der feindlichen parteien).
458. mit bluote birunnin. Vielleicht widergabe von crasso . . .
sanguine; cf. Lucan VI 186 crasso non asper sanguine mucro;
ebda. VII 605 Viderat in crasso versautem (Domitium) sanguine
membra I Caesar.
ZU DEN QUBLLBH I »1 LIEDES,
168, nüwin aiddt aneviengin: : (Römöre) > begondin
igiain den hürrin. Wilmanns hat (a.a.O. s. II. 15) darauf auf-
merksam gemacht, dass der A.nnodichter der poel ischen wir kung
zu liebe den Lucanversen bisweilen eine andere bedentong
unterlegte. Nur vermutungsweise möchte ich eine Lncanstelle
eitleren, welche obigen fersen vielleicht zn gründe liegen köi
Lncan \ 38 1 :
ir vor der überfahrt nach Dyrracbium)
petil trepidam tntxu rine milite Romain
[am doetam ;iti
Scilicel indulgena srnnmnm dietator honorem
Contigit <'t laetos fecit w cowrale fastoa.
Namqne omnü \nu iaa tempore tanto
nfentimnr dominis, haec primnm repperit ;ieta»,
Qua tibi ne fern lob ollnm Caesar ab
anaoniafl voluil gladiis miacere bc
Addidit ei rasces aquilia et nomen inane
[mperii rapiena signavit tempora digna
:.i nota; oam quo melius Pharealicni annui
Consnle aotoa erit? Fingil sollemnia Campni
El dod admisBae dirimit BufEragia plebia
atatqnd tribus et rana renal in oraa.
Lncans 'Bürgerkrieg' reicht bekanntlich mir bis zn Cäsara
kämpfen bei Alexandria.
\]'t. ci Bonn deddir üf da» s&uhus sqq. Lncan III 155
t Uli«- rriiiilitiis imo Kiuitur templo mnltis non taetns ab annia
Romani censns popnli, qnem Punicj Qnem dederal P(
507. chtuom. Bei diesem worte, wie Kehrein
(Annolied 8. 44) will, an die kOnigs wählen zu denken, halte
ich für falsch. Es kann Bich hier nur um die kronungen han-
deln (erhebnng anf den thron; feierliche ftbei r reichs-
insignien; kirchliche Balbung und krönunj
er, Deutsche rechtsgeseb. 5. anfl Lindner,
I lie deutschen königswahlen -
519. In des A i «uc 2, 1.
7. 11. G cap. l'. [gitnr anno im]
tayiani •'.-'. d ttus est « Ihrii tua ...
■ >y, I - i trosius \ l
20,6 (Wilmanns a.a.<
590. aitd röhi «ins \ I .
566 KOHLMANN
nur: circulus ad speciexn caelestis arcus orbem solis ambiit,
Dem Annodichter schwebte vielleicht vor: Act. Ap. 2, 19 et
dabo prodigia in coelo sursum, et signa in terra deorsum,
sanguinem et ignem, et vaporem fumi. v. 20 sol convertetur
in tenebras et luna in sanguinem, antequam veniat dies Domini
magnus et manifestus (cf. Joel 2, 30. 31, Apoc. 6, 12).
551. duo intlöich sich diu niolta. Vielleicht biblische
reminiscenz Ps. 105, 17 Aperta est terra (Luther: die erde tat
sich auf); Num. 16,31 dirupta est terra sub pedibus eorum.
587. diu (sunni) inzuschin erden unti himili get. Zum
ausdruck \g\. Verg. Aen. IV 184 nocte volat caeli medio ter-
raeque per umbram (Fama); ebda. 256 haud aliter terras inter
caelumque volabat (Mercurius).
601. als ein lewo saz her mir din viuristin, \ als ein lamb
ginc her untir diurftigin. Cf. Rödiger a.a.O. s. 106, 25. Ein
vergleich, den auch Adamus Bremensis auf den rivalen Annos,
erzbischof Adalbert von Hamburg -Bremen, anwendet: III 37
Qua de re accidit, ut quotienscumque iratus est, ceu leo
fugeretur ab omnibus, cum vero placatus, est, palpari posset
ut agnus.
628. vatir allir weisin. Nach Wilmanns (a. a. o. s. 70)
lieferte das vorbild Vita Annonis (S.S. XI 470, 29 vere pater
orphanorum, vere iudex viduarum). Zu gründe liegt Psal. 67, 6
patris orphanorum et judicis viduarum.
649. also dir goltsmid duot sqq. Carnuth (a.a.O.) hat
bereits auf Jes. Sir. 2, 5, Prov. 17, 3, Sap. 3, 6 hingewiesen. Zu
vgl. ist ferner 1. Petr. 1,7 aurum quod per ignem probatur;
Malach. 3, 2 Ipse (Angulus) enim quasi ignis conflans, et quasi
herba fullonum. v. 3 et sedebit conflans et emundans argentum,
et purgabit Mos Levi, et colabit eos quasi aurum et quasi
argentum. Nach Luther: Er ist wie das feuer eines gold-
schmieds und wie die seife der Wäscher, v. 3 Er wird sitzen
und schmelzen und das silber reinigen; er wird die kinder
Levis reinigen und läutern, wie gold und silber.
653. mit wierin. Ein wort, das heute nicht nur im eng-
lischen und holländischen (Bezzenberger a.a.O. s. 118), sondern
auch im niederdeutschen vorkommt. wier-dräd= eisen- oder
kupferdraht, Die schweine werden 'gewiert', es werden eisen-
/.! m.n QUELLEN DES aHNOUED]
drahte durch den rü n, um ihnen das wühlen im
erdboden zn verleiden (cf. Bremisch -niedersachs. Wörterbuch
1m|. 6, 1 16).
687. dü rieht aUis bikSrte sin getoSfine, VgL B.557.
691. da* di gidouftin Itchämin ', umbigravin eiworfin lägin
sqq. Zu gründe liegt gewiss Lucan VII 325 (cf. Wilmanns a.a.O.
s. 77 1.1) Am den stil dv* Annodichters können ferner ♦■iiiLr« *^^ irk t
haben: Lucan VI L01 dum mixta iacenl incondita rivis Corpora;
Verg. Aen. !\ i~"> heu, terra ignota, canibua data praeda La-
tinis alitibusque Laces! (Euryale); Lucan 71626 pererrat
(Erichtho, thessalische zauberin) Corpora caesorum tumulis
proieeta uegatis. Continuo fugere lupi ...
713. Amins träum dürfte auf wirklichkeil beruhen, weil
er (in- gedankenwell eines hohen, geistlichen würdentri
spricht Man vergleiche das traumgesicht des erzbischofs
Adalbert von Bremen, welches Bein biograph Adam uns er-
zählt: III 68
YMit igitnr (Adalbert.) nocte intempe>ta >.• in conventtui
mpt um. ni>i missarum Boliempnia debereat celebrari, astantibos qnatuor-
deeim ribus, Lta ut proximal aoi ante Lpaum fueral
; illa quae ad mis&as fieri Bolenl mystaria.
Cnmqae lecto eaangelio sacerdoa Dei ad suseipienda offerentiain
munera conversua pexveniasel ad domnum Adalb., qui .-tai>at in ultimo
ehori loco, iu<>\ torria in eum luminibus intnens, oblationem eiru reppnlit,
- 'Tu homo Dobilifl et clarua non potes habere partem com hanülibai1
in baec i
726. un was ein lebin unfein muokt. VieUeichl nach Act
Ap. i.:;j Bfultitudinis credentium erat cor unum et animauna
i Luther: ein herz und eine Beele).
<*<!>. A/ ;• wintii sieh »\ ei berge. Man hat hierbei wol
,in dir kreisbewegnngen zudenken, welche gewisse vögel, /. i».
Ealken und Btörche, beim aufsteigen in die lüfte ausführen.
rocket rermutnng problematisob Bein.
LEIPZIG. PHILIPP fcOHLMANN.
ZUR DEUTSCHEN ETYMOLOGIE.1)
V.
Die folgenden etyinologien knüpfen nur teilweise an die neue aufläge
meines Et. wb. an. In einigen fällen gehe ich von den Grundzügen der
gotischen etymologie von S. Feist aus; z. t. erneuere ich Vermutungen, die
ich an verschiedenen stellen geäussert habe, ohne damit die heachtung der
fachgenossen zu finden. Wenn ich in einzelnen fällen anschauungen er-
neuere, die schon irgendwo vorgetragen sind, so bestimmt mich dazu die
nicht abzustreitende tatsache, dass es dem einzelnen heute nicht immer
gelingen kann, die ganze fachliteratur zu beherschen.
1. Ahd. ahhalmo hielt J. Grimm, Mythologie3 s. 1113 für
einen pflanzennamen, aber in der glosse ahhelmo = Malannns
(Ahd. gl. III 476) sieht Steinmeyer keinen zwingenden grund
für die annähme eines pflanzennamens. Der verdacht eines
pflanzennamens wird auch von Björkmann, Zs. fdw. 3, 263 ab-
gelehnt. Mit recht erkennt Höfler (Janus, Archives inter-
nationales pour l'histoire de la medecine 1909, s. 12) die be-
zeichnung einer krankheitserscheinung in dem worte und ist
auch halbwegs auf der richtigen spur der wortdeutung, indem
er an ein ags. oecalma, cecilma erinnert, das er freilich mit
deutsch hellig, behelligen zusammenstellen will. Das ags. dbcelma
'f rostbeule' wird von Sweet, The Students Anglosaxon Dict.
s. 3b richtig als nominalbildung zu d-calan 'sich erkälten' ge-
stellt. Dazu stellt sich nun das ahd. ahhalmo als correcte
entsprechung. Es handelt sich also um eine m-ableitung (got.
*e-halman-) zu der bekannten verbalwz. des gemeingerm. adj.
für halt, dessen verbalwz. nicht bloss in lat. gelu 'kälte', son-
dern auch in lit. gelmenis 'heftige kälte' vorliegt. Das ahd.
ahhalmo zeigt im innern die regelmässige Verschiebung des h
zur doppelspirans in der gleichen weise wie ahd. dri$ug die
inlautsverschiebung von altem t zeigt.
J) Vgl. Beitr. 34, 552 ff.
BUB i»ki i.Miir.N ii | UOLOOIB.
•j. Ahd. ;'i i'iin i i 'botschaft' lässl sich mii got amu 'böte'
nicht vereinigen: beide sind sicher unverwant Würde die ur< j t .
form für alnl. ärunti voll: würde unter umständen auch
der bartnäckigste Skeptiker Znsammenhang mii gotatrus auf-
geben müssen; denn rein lautlich betrachtet würde ein
// möglich Bein. Siehl man ann einmal 'bot-
schaft1 and das ztw. dsendan 'entsenden' nebeneinander an,
bo ergibt sich nur die differenz r: s onddasisl keine diffe-
renz. IHi bin also ernsthaft der meinnng, dass ahd. änrnü ■♦•nt-
sendunir. gesantschaft' bedeutet und zu ndan 'entsenden',
(l. h. zu ahd. sentan 'senden' und sind 'reise' gehört Der gram-
matische Wechsel im anlaut ompositionsglieds ha1 be-
kannte parallelen (YgL ahd. meffirahs Deben sahs Kuhns Zs.
26,82), und an dem ablaut des verbalstammes kann man nicht
will anstoss nehmen. Eine von Köge) früher einmal urgierte
Bchreibung aruunii kann ich nicht tragisch aehmen
damit nichts anzufangen und es muss wol ein Schreibfehler
sein, in bezug auf das präfix in ags. ir-mi'ir : äsendem habe
ich Grdr. l. 176 schlagende parallelen beigebracht
::. Got aürali [ch möchte auf Braunes etymon lat ördk
(Got irraiiim.' g 5a) zurückkommen, da auch noch Fe
wl>. die möglichkeit dieses etynions zugibt Bekanntlich con-
curriert lat. ördrhm als mögliches etymon: ich meine;
halte dies für die einzig berechtigte annähme. Mlat. <;/•//> ist
für die kaiserzeit mich gar nicht nachgewiesen, ■ aber
literarisch bezeugt oder in der Volkssprache vorhanden
so könnte es nicht zu got atirdM fuhren, sondern hatte un-
bedingt »in got neutrum aürdl ergeben müssen, denn im
man., auch im got musste der aUSlautSTOCal durch die au>lauts-
•iit schwinden wie in pvnd für lat j ot lo,
iür lat. gmapi oder htkarn aus Uteema. Mit der behandlung
der auslautsg setze \<-\ trägt sich nur lat ördrimm als quel
für iti: die dissimilierung r-r : r-i. nag sie nun
Vulgärlatein, oder dem got angehören, ist entschieden unei
licher, als die einreihung des Wortes in die behandlui
der lateinischen lehnwörter.
l. Ahd. bior. So viel darüber auch geschrieben ist) kann
ich mich doch nicht entschliessen, irgend eine deatong im
wahrscheinlicher /u halten ■ U*he an alisarhs.
570 KLUGE
heu ; gerste' anknüpft; denn entlelmung aus den slavischen
sprachen mit E. Kuhn (Kuhns Zs. 35, 313) anzunehmen, liegt
kein grund vor. Der germanische Charakter des Wortes ist
für mich unzweifelhaft. Freilich geht laut- und wortanalyse
nicht ohne Schwierigkeiten ab. Die hauptschwierigkeit liegt
im fehlen der got. lautform. Denn nur das gotische könnte
uns über die urgerm. lautgestalt endgiltig aufklären, ob diese
mit z (= s) oder mit echtem r anzusetzen ist. Das fehlen der
got. (auch der kriingot.) entsprechung wäre nicht so schlimm,
wenn uns eine echt nordische entsprechung erhalten wäre.
Wenn nämlich dem got. stamm diuza- 'tier' das altnord. dyr
lautcorrect entspricht, so ist der ^-umlaut hier für das altnord.
charakteristisch (vgl. Xoreen, Altnord, gramm. § 68, 3) und ein
got. stamm hiuza- müsste altnord. *byr lauten. Nun begegnet
aber einmal hiör. Aber das Eddalied, in dem es vorkommt,
legt den verdacht unabweisbar nahe, dass es sich hier nicht
um ein echt nordisches wort handelt.
Hier liegt deutlich ein fremdsprachliches element aus dem
westgermanischen, vielleicht speciell aus dem angelsächsischen
vor. Und so bleibt das ostgermanische bei der bestimmung
der germ. grundform für hier besser aus dem spiel.
Wenn nun durch die bedeutung verwantschaft von hier mit
altsächs. heu 'gerste' nahegelegt wird (Kögel, Beitr. 9, 537),
bleibt der Charakter der ableitung des secundären wortes aus
dem primären noch näher zu bestimmen. Die verwantschaft
kann erst dann als gesichert gelten, wenn die wortbilduugs-
lehre einen einklang zwischen beiden worten hergestellt hat.1)
Man kann von einem vorgerm. hlieusö-m als secundäre
ableitung eher ausgehen, als von einem secundären hheuro-m.
Ich wüsste nicht, wie man von einem germ. nominalstamme
heivo 'gerste' zu einer secundären ableitung idg. hheuro- = germ.
heura- gelangen könnte. Ich gehe für das germ. wort für
' gerste' (altnord. hygg = ags. heotv = altsächs. heu) von einem
neutralen os-stamm heivwoz aus. Die lautliche behandlung
verträgt sich durchaus mit der behandlung anderer neutraler
*) Kögels Vermutung eines hypothetischen got. *biggwis, gen. *biggivisis
trifft sicher nicht das richtige ; die westgerm. sprachen würden dafür zwei-
silbige lautformen zeigen müssen und nicht die einsilbigen ahd. bior =
ags. beor.
ZUB DEUTSCHE« ETYMOLOGIE
Imme, für die übertritt in die centralen o-stftmme überall
möglich war. Für das ostgermanische Bprichl altnord. bygg
nur scheinbar gegen einen os-stamm; denn im got seigt Bich
lamb and baurd als a- stamm, wahrend wir bestimmt wissen,
dass h ide iron banse ans os-stämmi d sind (Ann.
iid. l> nihir und brüir als plnrale zu lamb und i
Hilf also auch ein got *biggu> die annähme i ines orgenn.
00-stammes sehr wo! vertragen.
Was nun die ableitnng aus den os-stammen anbetriffl
ist nullstufe oder Schwundstufe dee snffixyocala bei allen Endo-
germanen, auch bei den Germanen, vielfach zu belegen. Das
bekannteste beispiel ist got aha (pL ahaa) 'ahre' gegenüber
ahd. (ihn- 'anre'. Eierher auch got ms 'erz' — lat. aes gegen-
über skr. in/äs. Qot weihs, gen. sn' zu einen
stamme i«l lt. veikos, ahd. lefsa neben mnd. Wppt und alts
lepur. So ist auch nhd. &no£p< ein hypothetisches ahd.
dt ahd. nihd. knöpf verwant ist.
So wäre also zu einem idg. Btamm bhetcos- -. bheufes* eine
ndärbüdung bhew(e)86- Iheusö- sehr wol denkbar und
nichts oäher als darin ein woii Cur 'gerstensaft' anzu-
nehmen. und eine Bolche annähme Hesse sich wo! stützen
durch ein uraltes wort, dem vielleicht die bedeutung
snppe1 zukommt. Es handelt sieh um die bekannte wortgruppe
lat jus 'snppe' = altind. yüidn "brühe'. altbulg./Mdta 'brühe,
snppe', altpreuss. just 'fleischbrühe'.
.Mir scheint der gedanke an eimn idg. stamm ftt]
unabweisbar: ich in- LS im
späteren Banskrit auch 'gerste' bedeutet, damit wird bei Walde
unter jus auch griech. - -nbier' und ipelt',
- 'nahrung schenkend' \ ableitnng
zu i rar in skr. yocoM 'gras', aber es wäre wol
. eine andere art der weiterbihlu: mit
rednction oder Schwundstufe der vocale denkbar, i also
auch einlaches s in iat. jus K skr. - ableitnng berech-
tigt
\hd. 61 a r wird von l'hleiil S anter
timmung von Iferinger, II-'. i- Urü 'bett1
r 'pfähl', -• in der scheue'
iusamm< Ü>er TJhlenbecks glaube, bd. i
Bc : cbichtc der deutschen >,
572 KLUGE
eine idg. grdf. *edhro-, ist durchaus irrig, denn die Überein-
stimmung- der germ. sprachen erweist für das idg. mit Sicher-
heit eine dreisilbige grundform. Die bedeutung 'zäun', die
dem german. worte zukommt, drängt vielmehr zur annähme
von identität mit altind. atasd- 'gebüsch, gestrüpp'. Die vor-
germ. lautgebung war etosö-, so dass nicht bloss die einzelnen
laute, sondern auch der accent mit dem altind. übereinstimmt.
Wir haben hier übrigens ein hübsches neues beispiel für die
Wirkungen des Vernerschen gesetzes!
6. Ahd. gröz, war 1894 von Holthausen, Anz. fda. 20, 234
ohne irgendwelche begründung zu ahd. griog gestellt worden;
ich hatte aber in der 6. aufl. meines Et. wb. von dieser Ver-
mutung keine notiz genommen. Noch im jähre 1901 bezeichnet
Bradley im NEdict. unter grcat die Vermutung als problematisch
und doch ergibt sich aus den ältesten ags. belegen bei Bradley
der beweis, dass ags. great von hause aus 'grobkörnig' bedeutet.
Es war mir früher immer sonderbar erschienen, dass ags. great
in der älteren poesie überhaupt nicht bezeugt ist; jetzt wissen
wir durch Bradley, dass ags. great nur vom grobkörnigen
hagel oder salz gebraucht wird. Von diesem ursprünglichen
bedeutungsbereich zeigt das ahd. andd. wort keinerlei deutliche
spuren, aber die mhd. bedeutung 'dick' ist offenbar eine fort-
setzung der alten grundbedeutung. Somit lässt sich jetzt Zu-
sammenhang von ahd. grö$ mit ahd. grio% aufrecht erhalten.
7. Krimgot. schuos 'braut'. Nicht übersehen werden
durfte bei Feist s. 227 der meines Wissens zuerst von Holt-
hausen, Anz. 34, 33 geäusserte verdacht, dass bei Busbeck ein
schreib- oder lese- oder druckfehler für schnos vorliegt, so dass
es sich um die got. entsprechung für schnür handelt. Ich halte
mit Braune, Beitr. 32, 58 diesen gedanken für durchaus accep-
tabel. Wenn wir die ulfllanische sprachform des wortes fest-
stellen wollen, so geben uns die westgerman. lautformen den
fingerzeig, dass das got. wort als u- stamm anzusetzen wäre:
got. *sniisus, denn die tonvocale von altengl. snoru und ahd.
snura deuten wie etwa bei ags. ford = ahd. fürt, ags. weder
= ahd. widar mit aller Wahrscheinlichkeit auf u- stamme hin.
Das o in krimgot. schnos, wie wir es getrost ansetzen dürfen,
stimmt zu dem o von krimgot. goltz gegenüber ulfilanischem
gulp.
ZUR DEUTSCHEN ETYMOLOGIE.
8. Gfot spilL Die vagen mtlglichkeiten, wie t,Et
wb. »l. got Bprache5 b.245 zusammenstellt, kommen gewiss nicht
ernsthaft in Frage, [ch wundere mich, dasa eine Vermutung
\mii mir dabei übersehen werden konnte, die das wort < l « »< - 1 1
wo! definitiv aufgehellt hat Auch in der 2.aufl. von ühlenbecks
Got wb. unter spül ist es unerwähnt geblieben, dasa ich in
meiner besprechung der l. anfl. des buches (LiteraturbL 18,1)
tpül air. seil 'erzählung' gesetzt habe. Nach Stokes'
ürkelt Bprachschatz (1894) b. 296 beruhl air. scä auf nrkelt
sqttlo-n. In demselben jähr, als Stokes' ürkelt Sprachschatz
erschien, Lernten wir im Leskien-bande der II-'. (i.:;.'.",i von
Sievers das bis dahin unbekannte lai wonach germ. //
für eigtl. 91 stehen könne: damals ergab sich für mich
gleichnng got spül ir. seil au- ein« r gemeinsamen j
sqetlo-n. In Kegels darstellung (Grdr. IlJ •'•'*>) ir-t meine glei-
chnng ignoriert und schliesslich wnrzelverwantschaft mit
specan und seop angenommen, obwol II'". t, 318 ein weg ein-
en war. der Kögel zum gleichen ziele führen mi
mich. Es verlohnt sich, hier meine Vermutung zu wider-
holen, weil in verschiedenen handbuchern keine notiz davon
genommen wird. Die einzige Schwierigkeit, die ftbrij
ler sy-anlaut des germ Wortes. A.ber man erwäg
idg. sq- im german. anlant vertreten wird. Wenn es kein
einzig m. wort mit trg-anlaut u i i » i . so folgt mit notwendig-
keit, dass in alten erbworten irgend ein wände! zu gewärtigen
i>t. Und liegt da nicht derwandelvon sqzasp nahe gm
Ist meine gleichnng richtig, so Btellen sich eine reihe weit«
ii ein, die zu sehr in das bypothesengel
sprachperiode fahren, [st das germ. wort etwa «'in m'
iehnwort der allerältesten zeit? Der wortbildungstypus «g<
erinnert an henetion (ir. eschlecht1 bei Stokes b.7'
■.'. Got a1 ik ia 'becher'. Bei Feist e i«-li
den nächstliegenden . an w ie ahd. mhd. sUmf zu dem
ags. »Map 'hochragend, steil1 gehört, bo wird al l 'trink-
is1 zu ahd. st&hak 'steil' gehören, Es wird eben koch-
ende trink •*1»»mi liaht n. in htiden fällen handelt
li hier um lubetantn Lei V iva
l". Got. nnte\ Der artikal von Feist (Et wb. d got spr.
mit (in gotil
574 KLUGE. ZUR DEUTSCHEN ETYMOLOGIE. — LEITZMANN
ahd. unzi, womit aber die bedeutung 'denn, weil' und der
conjunctionale gebrauch mit der bedeutung 'solange als' nicht
erklärt wird. Ich möchte hier auf einen gedanken zurück-
kommen, den ich Grdr. I2 397 geäussert habe: got. unte ist
nach got. bipe und dupe zu beurteilen und kann wol nur auf
*imd-pc zurückgeführt werden. Alle drei wörtlein haben das
gemeinsam, dass eine adverbiale bedeutung sich in eine unter-
ordnende conjunction verwandelt hat. Es bleibt die Schwierig-
keit übrig, dass kein beispiel den lautwandel d + p zu *tt = t
(nach n) bestätigt. Man vergesse aber auch nicht, dass, wenn
man got. unte mit ahd. unzi, altsächs. unti vergleicht, ein Über-
gang von d + t zu *tt = t (nach n) angenommen werden muss
— und auch dafür liefert das got. keine parallele.
11. Ahd. z ick in 'junge ziege' macht neben ahd. ziga
'ziege' doch erhebliche Schwierigkeit. Man sieht keinen grund
ein, wie das diminutivum zu seiner gemination gekommen sein
soll. Als relativ junge secundärbildung muss es zurückweisen
auf ein Stammwort, dem selber gemination zukommt. Da bleibt
doch wol nur mhd. zecke 'holzbock' übrig. Man wird zu dem
verdacht geführt, dass mhd. zecke von hause aus ein wort für
'bock' gewesen ist; unser heutiges liolzbock spricht für die
möglichkeit einer solchen annähme. Wir würden dann in ahd.
zickin die fortdauer der grundbedeutung annehmen müssen und
die Schwierigkeit der secundärbildung mit -Ich- neben ahd. ziga
wäre aus der weit geschafft. Natürlich wäre weiterhin das
vorauszusetzende ahd. *zecko 'bock' etymologisch mit ahd. ziga
zu verbinden.
FREIBURG i. B. F. KLUGE.
ZUR ABFASSUNGSZEIT VON BONERS
EDELSTEIN.
Nachdem Boner schon im prolog seiner fabelsammlung
(vers 43) bemerkt hat, dass er sein werk ze liebe dem erwir-
degen man von Rinkenberg hem Jöhan gedichtet habe, kommt
er im epilog noch einmal auf diesen seinen gönner zu sprechen.
ZOT LB1 El i i VOM B( ! I BIN.
vers 85: der, den <■/ ic 1 i *-l>e sl
_: • - 1 i t - 1 1 t . d D vri
vi>r allem onglttli iemermfl:
stn -'l bevinde nlemer
• EUnkenberg i-t er genanl :
nttesi n i- m< i itn bekam '
Schönbach hat (Anz. fda. 7, 33) zuerst darauf hingewiesen,
verse mir dann den richtigen sinn geben, wenn Johann
vini ftinkenb eits toi war: 'das anglflck 71 i Inde
statt, wenn einträte, was vers 3£ abhalten soll; bo kann man
nur von einem toten sprechen und auch vers40 kann nicht über
einen lebenden gesagt sein.1 ßottschick hat dem in der zw
Beiner programmabhandlnngen 1 Ueber Boners fabeln a 1 1 wider-
sprochen and zwar Bagt er wörtlich (s.2): 'der wünsch, das
mand von allem anglfick Btets mehr(!) befreit sei ai
niemals leid treffe, wäre doch für einen lebenden sehr passend,
sowie der wünsch, dass er gotl dem heim bekannl Bei;
nach dem tode leib und Beele vor onglück und 1< nützt
sind und gott den gestorbenen kennt. Bollteman für»
Bt&ndlich halten." Da diese argumentation teilweise beifal]
gefunden hat (vgl. Einzels recension in der Zs. fdph, 19, 2
Schönbach aber auf die trage nicht wider zurückgekommen
ist, verdient sie doch wol eine nochmalige prüfni
Wenn Boner mit seinen wünschen das hätte sagen wollen.
ihn Qottschick hier sagen lässt, dann hatte er. der pre-
digende mönch, ober das Schicksal der menschlichen seele nach
dem tode recht irreligiös und gleichgiltig gedacht und in den
Bchlnssyersen allerdings directen unsinn g was wir dem
ernsten manne doch wo! nicht ohne not zutrauen dürfen.
ausdrücklich die seele hervorgehoben wird, die für ewige seitea
ron Bchmerzen befreil sein möge, scheint im munde eines geist-
lichen doch am natürlichsten in Schönbachs sinne zu verstehen
und vers 10 bedeutet natürlich nicht 'gott dem herrn möge er
immerdar bekannt Sein', Mindern uitlitz 1
immerdar Behauen'. Daas bekani Hn bei Bonei den prägnanten
sinn von 'gesehen werden1 hat, geht ans den beiden andern
-teilen, wo er die Wendung braucht 26) mit aller nur
wünschenswerten deutlichkeit hervor: der Jäger schiesst dort
./. 'alle liele. die ihm ZU gOSlCht
kamen . and \ 1. nicht
576 I.EITZMANN
Iclant, 'er sah den schützen nicht', weil dieser nämlich sich
verborgen hatte.1) Derselbe prägnante sinn des gesehenwerdens
muss auch in unserm verse angenommen werden, ja er ist der
einzig brauchbare: Boner wünscht seinem gönner Einkenberg
das ewige anschauen gottes, d.h. die ewige Seligkeit. Somit
dürfte es doch wol bei Schönbachs anschauung sein bewenden
haben: wir müssen annehmen, dass Einkenberg bei abfassung
von Boners epilog nicht mehr am leben war.
Welches chronologische datum ist nun durch diese erkenntnis
gewonnen? Ich bin in Übereinstimmung mit allen forschem,
die sich zu der frage geäussert haben, der meinung, dass der
ältere und nicht der jüngere der beiden herren Johann von
Einkenberg, der vater, nicht der söhn, der erwirdege gönner
Boners gewesen ist, der vermutlich auch die uns erhaltenen
Strophen betrachtenden inhalts (Schweizer minnes. s. 371) ver-
fasst hat. Wann starb dieser ? Schönbach ist im irrtum, wenn
er 1340 als todesjahr angibt, trotzdem dieselbe zahl sich auch
bei von der Hagen (Minnes. 4,285), Pfeiffer (ausg. s. XI) und
Bartsch (Germ. 9, 150) findet. Schon 1856 hat Stürler (Germ.
1, 119) festgestellt, dass der ältere Einkenberg noch 1349 und
1350 in Urkunden vorkommt (vgl. auch Bartsch, Schweizer
minnes. s. ccm; Bächtold, Gesch. d. d. lit. in der Schweiz s. 162.
172. 176 und anm. s. 45). Sein todesjahr ist nicht genau be-
kannt. Damit entgeht uns ein sicherer terminus a quo: jeden-
falls aber fällt demnach der abschluss von Boners werk und
sein epilog mindestens in den anfang des sechsten Jahrzehnts
des 14. Jahrhunderts.
Abgesehen von dieser leider nur relativen tatsache, dass
der prolog des lebenden, der epilog des verstorbenen Johann
von Einkenberg gedenkt, liegt die entstehung der fabelsamm-
lung im einzelnen in völligem dunkel. Die versuche, in dieses
dunkel auf irgend einem wege hineinzuleuchten, sind gescheitert:
die Zuweisung der Aesop- und der Avianfabelgruppe2) an zwei
J) Vgl. auch den ganz entsprechenden gebrauch von erbaut s/n und
werden bei Boner 47, 34. 81, 50. 91, 14 (Benecke) und besonders 85, 65 (vom
blinden, der daz Hecht treit in der haut und ez im doch nicht ist erkant,
'und es doch nicht sieht').
a) Waas hat sich in der ersten hälfte seiner dissertation erfolgreich
bemüht, die von Boner benutzten handschriften beider lateinischen quellen
ZUH '. BIT VON SONERA ■>< <
durch einen längeren Zwischenraum getrennte Zeitabschnitte
wird durch die tatsache völlig ansicher, handschriften
gibt and Bicher auch zu Boners zeil ;rai>. die beide aul
hinter einander enthalten (vgLWaas, Die quellen der beispiele
andrerseits hat sich der angebliche fortschritt
der reimtechnik von einer gruppe zur andern durch Bai
lichtvolle Untersuchung über Bon» iche (Zs. t. hd. mund-
artenö, 37) völlig in nichts aufgelöst. ' ner, wi
hauptel worden Ist, Bein werk zunächst einmal in erheblich
geringerem umfange herausgegeben and später erweitert :
h auf keine weise wahrscheinlich machen (zu der
Schlussformel der 62. fahr] vgl AA ! und den ähnlichen
schluss von 98). Es kann sehr wol auch anunterbrochen,
wenn auch natürlich in langsamer, sich aber jähre erstrecken-
der arbeil entstanden sein.
ihrer kritischen Stellung nach in bestimmen. Mir i-r aufgefallen, dass au
.i der anonymustext von Schönbach (Zs.fdpb 7t) l»evor-
•
anon. .;7. LS ludo »<< and zu den nach 18, 82 in BCD aberlieferten
verseu anon. L5, 7 ;
JEN . _ ctober L909. ALBERT L KITZ. MANN.
LITERATUR
(Verseichnis i»-i di ingener schrift
Bachmann, Albert, Mittelhochdeutsch eamatik und
wrorterbueh. L. aufläge. Züri I vm. . .
Partita] nnd der Oral. Bede gehalten am I
der pron I mrg i. B
— t
d der lautlichen dissimilation | Abh*ndl,
d. philol.-hist el. '1 h tisch, bd 27,
Clawaon, W
itndii , oireraitj
Du< i
I Halle i
Dolbruck. liurthohl. Zu .In. i.iudl.
d. pbüoL-bJtt cid I gea d. iriateni
Teubi
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S. 171 z. 23 ist der kleine strich über m zu tilgen.
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Wörter und Sachen 1, 103 f. — W. B.
S.431 z. 1 v.u. füge hiuzu: Akrostichon VRSVLA B.
S. 447 z.20 v.u. statt 21 lies: no.21.
S. 461 z. 2 v. o. statt Inventario I 1. : Inventario H.
Druck von hhrhardt Karras, Halle a. S.
PF Beitrage zur Geschichte der
3003 deutschen Sprache und
B5 Literatur
Bd. 35
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY